BT-Drucksache 16/11234

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/10808, 16/11197- Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen b) zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin Andreae, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/10841- Historische Chance des VN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen nutzen

Vom 3. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11234 (neu)
16. Wahlperiode 03. 12. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksachen 16/10808, 16/11197 –

Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen
vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen
der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin Andreae,
Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/10841 –

Historische Chance des VN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen
mit Behinderungen nutzen

A. Problem

Zu Drucksachen 16/10808, 16/11197

Das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommene und
von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnete Übereinkommen über die
Rechte von Menschen mit Behinderungen und das dazugehörige Fakultativ-
protokoll sollen innerstaatlich in Kraft gesetzt werden. Das Übereinkommen
basiert auf dem zentralen Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen
und konkretisiert die dort verankerten Menschenrechte. Es verbietet die Dis-
kriminierung von Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen. Das
zugehörige Fakultativprotokoll ist ein eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag,
der die Kompetenzen des Ausschusses für Menschen mit Behinderungen um das

Verfahren der Individualbeschwerde und das Untersuchungsverfahren erweitert.

Zu Drucksache 16/10841

Die Ratifizierung des Übereinkommens eröffnet nach Ansicht der Antragsteller
eine historische Chance zur konsequenten Fortentwicklung einer Politik für die
gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaft-
lichen Leben. Die Konvention sei damit auch Ausdruck eines Paradigmenwech-

Drucksache 16/11234 (neu) – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sels in der Behindertenpolitik. Die vorliegende deutsche Übersetzung des Über-
einkommens sowie die dazugehörige Denkschrift der Bundesregierung
gefährdeten diesen Paradigmenwechsel und verkleinerten die Chance auf eine
Fortentwicklung der Rechte für Menschen mit Behinderungen. Besonders deut-
lich zeige sich dies in den Bereichen der Rechts- und Handlungsfähigkeit behin-
derter Menschen, der Selbstbestimmten Teilhabe sowie dem Recht auf Inklusive
Bildung.

B. Lösung

Zu Drucksachen 16/10808, 16/11197

Durch den vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Voraussetzungen nach Artikel 59
Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifizierung des Übereinkommens und
des Fakultativprotokolls geschaffen werden.

Einstimmige Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/10808

Annahme einer Entschließung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung
der Fraktion der FDP

Zu Drucksache 16/10841

Der Deutsche Bundestag soll nach dem Willen der Antragsteller die Bundesre-
gierung auffordern, die zwischen den Staaten abgestimmte deutsche Überset-
zung zu überarbeiten und die zentralen Übersetzungsfehler zu beheben; die
Denkschrift so zu ändern, dass sie Zielkonflikte zwischen deutschem und inter-
nationalem Recht aufzeigt und Änderungsnotwendigkeiten offenlegt; dafür
Sorge zu tragen, dass die in dem Übereinkommen vorgesehenen Instrumente zur
Umsetzung vollumfänglich angewendet werden.

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/10841 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Frak-
tion der FDP

C. Alternativen

Zu Drucksachen 16/10808, 16/11197

Keine

Zu Drucksache 16/10841

Annahme des Antrags.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Zu Drucksachen 16/10808, 16/11197

1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand

Keine

2. Vollzugsaufwand

Durch das Gesetz entsteht kein weiterer Vollzugsaufwand, mit Ausnahme der
Kosten für die Einrichtung der unabhängigen Stelle nach Artikel 33 Abs. 2 des

Übereinkommens. Im Regierungsentwurf des Bundeshaushalts 2009 sind hier-
für bereits insgesamt 463 000 Euro veranschlagt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11234 (neu)

Zu Drucksache 16/10841

Es wurden keine Kostenrechnungen angestellt.

E. Sonstige Kosten

Zu Drucksachen 16/10808, 16/11197

Auswirkungen auf die Einzelpreise, das Preisniveau, insbesondere das Verbrau-
cherpreise sind nicht zu erwarten.

F. Bürokratiekosten

Zu Drucksache 16/10808

Es wird eine Informationspflicht für die Verwaltung eingeführt.

Drucksache 16/11234 (neu) – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Gesetzentwurf auf Drucksachen 16/10808, 16/11197 anzunehmen.

2. die nachfolgende Entschließung anzunehmen,

„I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Men-
schen mit Behinderungen bestätigt den in Deutschland eingeleiteten Para-
digmenwechsel in der Politik für Menschen mit Behinderung, weg vom
reinen Fürsorgegedanken, hin zu umfassender Teilhabe und Selbstbestim-
mung von Menschen mit Behinderung. Mit dem Behindertengleichstel-
lungsgesetz, dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und dem
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz wurden wichtige Meilensteine auf
diesem Weg zu gleichberechtigter Teilhabe von Menschen mit Behinde-
rung verabschiedet.

Behindertenpolitik nimmt damit eine menschenrechtspolitische Perspek-
tive ein. Ziel ist die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft, in der Men-
schen mit Behinderung von Anfang an ein Leben in der Mitte der Gesell-
schaft ohne Barrieren führen und ihre Rechte ausüben können.

2. Ungeachtet der großen Fortschritte, die in der Politik für Menschen mit
Behinderung erreicht wurden, besteht auch in Deutschland im Hinblick
auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von
Menschen mit Behinderungen weiterer Handlungsbedarf.

So liegt Deutschland trotz einer Vielzahl politischer Absichtserklärungen
beim Anteil von behinderten Schülerinnen und Schülern, die gemeinsam
mit nicht behinderten Kindern eine Schule besuchen, weit unter dem
Durchschnitt anderer europäischen Staaten. Bereits im Jahr 1994 wurde in
der so genannten Salamanca Erklärung zur Pädagogik für besondere Be-
dürfnisse festgestellt, dass Regelschulen mit einbeziehender Orientierung
das beste Mittel sind, um diskriminierende Haltungen zu bekämpfen, um
Gemeinschaften zu schaffen, die alle willkommen heißen, um eine inte-
grierende Gesellschaft aufzubauen und um Bildung für alle zu erreichen.
Weiter heißt es dort, dass inklusive Schulen eine effektive Bildung für den
Großteil aller Kinder gewährleisten und die Effizienz sowie schließlich
das Kosten-Nutzen-Verhältnis des gesamten Schulsystems erhöhen.

Auch in Artikel 24 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die
Rechte von Menschen mit Behinderungen anerkennen die Vertragsstaaten
das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses
Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit
(Artikel 3e des Übereinkommens) zu verwirklichen, gewährleisten die
Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen. Die Ver-
tragsstaaten stellen dabei sicher, dass Menschen nicht aufgrund einer Be-
hinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. Kin-
der mit einer Behinderung dürfen nicht vom Besuch einer Grundschule
oder einer weiterführenden Schule aufgrund ihrer Behinderung ausge-
schlossen werden, sondern ihnen soll gleichberechtigt mit anderen der Zu-
gang zu einem einbeziehenden, hochwertigen und unentgeltlichen Unter-
richt ermöglicht werden. Innerhalb des allgemeinen Bildungssystems
sollen angemessene Vorkehrungen getroffen und die notwendige Unter-
stützung geleistet werden, um eine erfolgreiche Bildung zu erleichtern.

Im Hinblick auf diese Vorgaben sollte die Frage nach der Chancengleich-
heit von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den populären

Bildungsuntersuchungen, wie beispielsweise dem Program for Interna-
tional Student Assessment (PISA), der Shell-Jugendstudie oder dem Bil-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11234 (neu)

dungsbericht der Bundesregierung verstärkt berücksichtigt werden. Bisher
spielen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den genannten
Studien nur eine untergeordnete Rolle.

Auch im vor kurzem neu geschaffenen nationalen Bildungspanel NEPS
(National Educational Panel Study) stellen Förderschulen, im Unterschied
zu anderen Schulformen (wie dem Gymnasium) oder Schülergruppen (wie
beispielsweise Jugendliche mit Migrationshintergrund), die jeweils ein ei-
genständigen Untersuchungsschwerpunkt bilden werden, keinen eigenen
Schwerpunkt dar. Zwar sollen Schülerinnen und Schüler an Förderschulen
mit dem Schwerpunkt „Lernbehinderung“ in den verschiedenen Alters-
gruppen untersucht werden, jedoch nicht in dem Umfang wie Schülerinnen
und Schüler anderer Schulformen. Um hinreichende Aussagen über Schü-
lerinnen und Schüler mit Förderbedarf treffen zu können, und um diese
Schülergruppe mit den Schülergruppen anderer Schulformen adäquat ver-
gleichen zu können, ist es nötig die Gruppe in einem deutlich größeren
Umfang zu untersuchen, als bisher vorgesehen. Darüber hinaus sollten
auch Schülerinnen und Schüler an Förderschulen mit anderen Schwer-
punkten, wie „Emotionale und Soziale Entwicklung“, „Geistige Entwick-
lung“ sowie „Körperliche Entwicklung“ in angemessener Zahl in die Stu-
die mit einbezogen werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. darauf hinzuwirken, dass in nationalen Erhebungen, Studien und sonsti-
gen Foren zum Thema Bildung, Schülerinnen und Schüler mit sonderpä-
dagogischem Förderbedarf einbezogen werden;

2. sicherzustellen, dass im nationalen Bildungspanel NEPS (National Educa-
tional Panel Study) im Rahmen des Programms zur strukturellen Förde-
rung der empirischen Bildungsforschung in Deutschland Menschen mit
Behinderungen in einem deutlich größerem Umfang befragt werden, um
empirisch gesicherte, aussagekräftige und vergleichbare Schlussfolgerun-
gen über die Bildungserfolge dieser Gruppe ziehen zu können;

3. dafür Sorge zu tragen, dass im Rahmen einer Forschungsstudie die Frage
der Chancengleichheit beim Übergang auf den Arbeitsmarkt von behin-
derten Kindern von Förderschulen gegenüber behinderten Kindern von
einbeziehenden Regelschulen untersucht wird. Untersucht werden sollten
in diesem Zusammenhang insbesondere die Frage nach den intellektuellen
Entwicklungschancen von behinderten Kindern an Förder- bzw. einbezie-
henden Regelschulen, die Frage nach den Chancen beim Übergang in
Ausbildung bzw. Beruf und, vor dem Hintergrund der Ausbildungs- bzw.
Berufschancen, die Frage nach den Kosten bzw. dem Nutzen von einbe-
ziehenden Regelschulen im Vergleich zu Förderschulen.“

3. den Antrag auf Drucksache 16/10841 abzulehnen.

Berlin, den 3. Dezember 2008

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau) Silvia Schmidt (Eisleben)
Vorsitzender Berichterstatterin

Mitberatung überwiesen. Gesetzentwurfs der Bundesregierung in seiner 104. Sitzung
Der Innenausschuss, der Rechtsausschuss, der Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der Ausschuss
für Gesundheit, der Ausschuss für Verkehr, Bau und

am 13. November 2008 aufgenommen und eine öffentliche
Anhörung beschlossen. Sie fand in der 106. Sitzung des Aus-
schusses am 24. November 2008 statt.
Drucksache 16/11234 (neu) – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Silvia Schmidt (Eisleben)

I. Verfahren

Zu Drucksache 16/10808

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache
16/10808 wurde in der 186. Sitzung des Deutschen Bundes-
tages am 12. November 2008 an den Ausschuss für Arbeit
und Soziales zur federführenden Beratung und an den Innen-
ausschuss, den Rechtsausschuss, den Sportausschuss, den
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe sowie
den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
Mitberatung überwiesen.

Der Innenausschuss, der Rechtsausschuss und der Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend haben
den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/10808 in ihren Sit-
zungen am 3. Dezember 2008 beraten und einstimmig emp-
fohlen, den Gesetzentwurf anzunehmen. Der Sportaus-
schuss und der Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe haben den Gesetzentwurf auf Drucksache
16/10808 in ihren Sitzungen am 3. Dezember 2008 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Abwesenheit der
Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Gesetzentwurf anzu-
nehmen.

Zu dem von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge-
brachten Entschließungsantrag empfahl der Sportausschuss
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der FDP und Abwesenheit der Fraktion DIE
LINKE., bei Abschnitt II Nummer 3 folgenden Satz anzu-
fügen: „Dabei sind auch die Belange des Schulsports für
Kinder und Jugendliche mit Behinderungen mit einzubezie-
hen.“

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
empfahl mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD
und DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Ent-
schließungsantrages.

Zu Drucksache 16/10841

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Drucksache 16/10841 wurde in der 186. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 12. November 2008 an den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Beratung
und an den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Aus-
schuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, den Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Aus-
schuss für Gesundheit, den Ausschuss für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung, den Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung, den Ausschuss für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung, den Ausschuss für
Tourismus sowie den Ausschuss für Kultur und Medien zur

schaftliche Zusammenarbeit und der Ausschuss für
Kultur und Medien haben den Antrag auf Drucksache 16/
10841 in ihren Sitzungen am 3. Dezember 2008 beraten und
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD ge-
gen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion
der FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Zu Drucksache 16/10808

Mit dem Gesetzentwurf hat die Bundesregierung die Voraus-
setzungen nach Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes
für die Ratifizierung des UN-Übereinkommens vom 13. De-
zember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinde-
rungen und des zugehörigen Fakultativprotokolls geschaf-
fen.

Das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen
angenommene und von der Bundesrepublik Deutschland
unterzeichnete Übereinkommen und das zugehörige Fakul-
tativprotokoll sollen innerstaatlich in Kraft gesetzt werden.
Das Übereinkommen basiert auf den zentralen Menschen-
rechtsabkommen der Vereinten Nationen und konkretisiert
die dort verankerten Menschenrechte. Es verbietet die
Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen in allen
Lebensbereichen. Das zugehörige Fakultativprotokoll ist ein
eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag, der die Kompeten-
zen des Ausschusses für Menschen mit Behinderungen um
das Verfahren der Individualbeschwerde und Unter-
suchungsverfahren erweitert.

Zu Drucksache 16/10841

Nach Ansicht der Antragsteller gefährden Fehler in der deut-
schen Übersetzung der UN-Konvention wie auch der dazu-
gehörigen Denkschrift die erhoffte Wirkung der Ratifizie-
rung auf die Weiterentwicklung der Behindertenpolitik in
Deutschland. Als exemplarisch für die Übersetzungsfehler
gelten die Bereiche der Beschulung, des selbstbestimmten
Lebens und der Barrierefreiheit. Entsprechend soll die Bun-
desregierung aufgefordert werden, die Übersetzungsfehler
zu beheben. Außerdem soll die Denkschrift so geändert wer-
den, dass sie Zielkonflikte zwischen deutschem und interna-
tionalem Recht aufzeigt und so Änderungsnotwendigkeiten
deutlich macht. Insbesondere sei dafür Sorge zu tragen, dass
die vorgesehenen Instrumente zur Umsetzung in vollem Um-
fang angewendet werden.

III. Öffentliche Anhörung von Sachverständigen

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung des
Stadtentwicklung, der Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung, der Ausschuss für wirt-

Der Antrag auf Drucksache 16/10841 wurde in der 107. Sit-
zung am 3. Dezember 2008 beraten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/11234 (neu)

Folgende Verbände, Institutionen und Einzelsachverständige
haben an der Anhörung teilgenommen:

● Sozialverband VdK Deutschland e. V.

● Der Paritätische Gesamtverband

● Aktion Psychisch Kranke e. V. (APK)

● Deutsches Institut für Menschenrechte e. V.

● Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben e. V. (ISL)

● Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
(BDA)

● Professor Dr. Jutta Schöler, Berlin

● Professor Dr. Theresia Degener, Bochum

● Ottmar Miles-Paul, Mainz

● Dr. Stefan Heinik, Gebesee

● Klaus Lachwitz, Berlin.

Die Anhörungsteilnehmer haben schriftliche Stellungnah-
men abgegeben, die in der Ausschussdrucksache 16(11)
1186 zusammengefasst sind.

Nachstehend werden die wesentlichen Aussagen der Verbän-
de, Institutionen und Einzelsachverständigen komprimiert
dargestellt:

Der Sozialverband VdK Deutschland begrüßt ausdrücklich,
dass die Bundesregierung die Konvention der Vereinten
Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
unterzeichnet hat und mit dem vorliegenden Gesetzentwurf
die Voraussetzungen für die Ratifikation schafft. Damit wer-
de die Konvention als behindertenpolitisches Leitbild der
Völkergemeinschaft gestärkt. Man setze sich zudem inner-
staatlich ambitionierte Ziele in diesem Politikfeld. Die Bun-
desregierung zeige, dass sie den Menschenrechtsansatz in
der Behindertenpolitik ernst zu nehmen gedenke. Zentrale
Forderung sei, dass Bundesregierung und Parlament die
Konvention ohne Interpretationserklärungen oder Vorbehal-
te tatsächlich ratifizierten. Daneben gebe es im Einzelnen
Kritik: die Übersetzung sei in einigen Punkten fehlerhaft,
insbesondere müsse das englische „inclusion“ nicht mit „In-
tegration“, sondern mit „Inklusion“ ins Deutsche übersetzt
werden. Zudem seien die von der Bundesregierung in der
Denkschrift vorgenommenen Bewertungen in weiten Teilen
abzulehnen. Man sehe vielmehr in vielen Rechtsgebieten
umfassenden Handlungsbedarf. Zur Umsetzung der Kon-
vention solle die Bundesregierung nach der Ratifikation
einen ressortübergreifend besetzten Beirat einsetzen, um
einen bundesweiten Aktionsplan zu erarbeiten.

Der Paritätische Gesamtverband unterstützt ebenfalls die
Ratifizierung als weiteren wichtigen Schritt zur Gleichstel-
lung von Menschen mit Behinderung. Die enthaltenen be-
hindertenpolitischen Empfehlungen zielten auf volle Teil-
habe an der Gesellschaft. Ihre Umsetzung werde mit der
Ratifizierung verbindlich. Auch in dieser Stellungnahme
hier wird die deutsche Übersetzung beanstandet. Außerdem
blieben Probleme bei der Umsetzung gesetzlicher Regelun-
gen in Deutschland in den ausführlichen Darstellungen der
Denkschrift unberücksichtigt. Im Einzelnen wird bei der
Unterstützung der Integration auf dem allgemeinen Arbeits-

Auch die Aktion Psychisch Kranke e. V. begrüßt die Inkraft-
setzung der UN-Konvention. Damit werde die bestehende
bundesdeutsche Gesetzgebung weitgehend bestätigt und ihre
Umsetzung könne verstärkt befördert werden. Die Grundsät-
ze sollten als Qualitätskriterien für die Weiterentwicklung
der Lebensverhältnisse behinderten Menschen in allen
Lebensbereichen dienen. Die Konvention ziele auf volle Par-
tizipation und Inklusion. Davon sei man in Deutschland
noch weit entfernt. Unter anderem würden psychisch kranke
Menschen durch das Fehlen leicht zugänglicher Hilfen von
bestehenden Angeboten ausgeschlossen. Viele seien ohne
Beschäftigung. Darüber hinaus bedürfe die autorisierte deut-
sche Übersetzung der Überarbeitung.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte e. V. begrüßt ins-
besondere, dass es weder eine Interpretationserklärung noch
einen Vorbehalt zu Konvention oder Fakultativprotokoll
geben werde. Die Konvention setze inhaltlich wichtige, teil-
weise zwingende Impulse für die Weiterentwicklung der
Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland.
Jeder Mensch werde durch die Übereinkunft konkret er-
mächtigt, die dort formulierten individuellen Ansprüche ge-
genüber dem Staat einzufordern. Die Unterzeichnerstaaten
seien ausdrücklich in der Pflicht, mit breit angelegten Pro-
grammen zur gesellschaftlichen Aufklärung und Bildung an
der Bewusstseinsänderung mitzuwirken. Für die Umsetzung
der angestrebten Änderungen sollten zudem bestehende
Strukturen weiterentwickelt werden. Bei Umsetzungspro-
zessen seien Betroffene und ihre Verbände einzubeziehen.

Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben e. V. betont
die Bedeutung der UN-Konvention. Ihre zügige Umsetzung
in innerstaatliches Recht sei Voraussetzung für ein Leben,
das von Selbstbestimmung, Teilhabe, Inklusion sowie einer
rechtlichen Gleichstellung mit allen anderen Bürgerinnen
und Bürgern geprägt sei. Probleme sehe man in der Überset-
zung der Denkschrift, die korrigiert werde müsse, wie auch
bei der Erläuterungen zur gegenwärtigen Situation in
Deutschland, wo die Konvention noch keineswegs umge-
setzt sei. Die entsprechenden Artikel seien zu streichen. Der
sich aus der Konvention ergebende Handlungsbedarf solle
unverzüglich angegangen werden. Entsprechend kritisch
sieht der Verband die Ankündigung des Gesetzentwurfs,
Kosten aus der Ratifizierung seien nicht zu erwarten.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
(BDA) fordert, das Ratifizierungsverfahren zunächst auszu-
setzen. Die Bundesregierung solle eine detaillierte Prüfung
vorlegen, ob das deutsche Recht mit dem Übereinkommen
vereinbar sei beziehungsweise welche unmittelbaren Aus-
wirkungen sich aus dem Übereinkommen für das nationale
Recht ergäben. In ihrem Gesetzentwurf gehe die Bundes-
regierung davon aus, dass kein weiterer Vollzugsaufwand
entstehe. Dies reiche ebenso wenig aus wie die nicht näher
begründete Schlussfolgerung, es gebe „kein Anpassungser-
fordernis im deutschen Recht“. Es müsse insbesondere ge-
prüft werden, ob mit dem Übereinkommen in Deutschland
bereits bestehende Überregulierungen im Bereich des Behin-
dertenrechts weiter verschärft würde. Da die Konvention mit
der Ratifizierung unmittelbar geltendes Recht im Range
eines Bundesgesetzes würde, müsste eine eingehende Prü-
fung vorher erfolgen.
markt das Fehlen einer Regelung für Schwerstbehinderte
beklagt.

Professor Dr. Jutta Schöler, Berlin, weist die Feststellung der
Denkschrift zurück, die Bundesrepublik Deutschland habe

Drucksache 16/11234 (neu) – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

bereits ein vielfältiges Förderangebot, um Kinder und Ju-
gendliche mit Behinderung inklusive Bildung anzubieten.
Realität sei stattdessen, dass es in zahlreichen Landkreisen
nicht eine wohnortnahe Integrationskindertagesstätte oder
Integrationsschule gebe. Kinder könnten sogar gegen den
Willen der Eltern einer Sonderschule zugewiesen werden. In
der Bundesrepublik Deutschland herrsche immer noch ein
gesellschaftliches Bewusstsein, dass es „normal“ sei, Kinder
mit Behinderung auszugrenzen. Dabei seien die Vorteile inte-
grativen Unterrichts umfassend nachgewiesen. Ein beson-
ders schwerwiegendes Problem sei die im internationalen
Vergleich sehr große Zahl von Kindern und Jugendlichen, die
wegen Lernerschwernissen auf Sonderschulen für Lernbe-
hinderte überwiesen würden. Dies gelte für mehr als jeden
zweiten Schüler an solchen Schulen. Diese Jugendlichen hät-
ten später die geringsten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Mit
der Ratifizierung sollten alle bisher ausgrenzenden Mecha-
nismen überprüft werden.

Professor Dr. Theresia Degener, Bochum, empfiehlt, zur
Umsetzung der Behindertenkonvention einen Aktionsplan
zu erarbeiten. Dabei sollten frühzeitig u. a. die Vertreter der
Zivilgesellschaft, insbesondere der deutsche Behindertenrat,
wie auch Expertinnen aus Wissenschaft und Politik einbe-
zogen werden. Die Umsetzung der Konvention erfordere
legislative, administrative und andere Maßnahmen, die in
der Denkschrift der Bundesregierung nicht unbedingt reflek-
tiert würden. Außerdem solle die deutsche Übersetzung im
Rahmen des Implementierungsprozesses überarbeitet wer-
den.

Ottmar Miles-Paul, Mainz, fordert die vorbehaltlose Rati-
fizierung des Übereinkommens. Bei der Umsetzung seiner
Inhalte seien die Betroffenen einzubeziehen. Der gesell-
schaftlichen Bewusstseinsbildung und dabei der konsequen-
ten Beteiligung der Betroffenen komme bei der Umsetzung
der UN-Konvention zentrale Bedeutung zu. Ferner sei dar-
auf hinzuweisen, dass die deutsche Übersetzung des Textes
eklatante Fehler enthalte. Zur Umsetzung von mehr Wahl-
freiheit und Selbstbestimmung könne zudem das Persönliche
Budget beitragen, mit dem Rheinland-Pfalz umfangreiche
Erfahrung gesammelt habe.

Dr. Stefan Heinik, Gebesee, kritisiert, dass die Ziele der UN-
Konvention nur Realität werden könnten, wenn diese in
konkrete nationale Gesetze und Verordnungen umgesetzt
würden. Dem werde der vorliegende Gesetzentwurf nicht
oder nur teilweise gerecht. Von der Bundesregierung müsse
man einen konkreten inhaltlichen, finanziellen und zeit-
lichen Fahrplan für die Umsetzung der Übereinkunft verlan-
gen. Die Verbände böten ihre Hilfe für die Festlegung inhalt-
licher Schwerpunkte und deren Umsetzung an. Bei der in
Artikel 19 festgeschriebenen unabhängigen Lebensführung
und der Einbeziehung in die Gesellschaft sei der Handlungs-
bedarf besonders offensichtlich. Die geltende Vorschrift im
Bundesgesetz stehe eindeutig im Widerspruch zu Artikel 19
der UN-Konvention. Im Bereich Bildung gebe es ebenfalls
großen Handlungsbedarf. Der bisherige Weg des Ausson-
derns und Sortierens habe in eine Sackgasse geführt. Wer
von einer Sonderschule komme, habe selten eine Chance auf
berufliche Eingliederung.

IV. Beratungen und Abstimmungsergebnis im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Gesetzent-
wurf auf der Drucksache 16/10808 sowie den Antrag auf
Drucksache 16/10841 in seiner 107. Sitzung am 3. Dezem-
ber 2008 abschließend beraten.

Mit den Stimmen aller Fraktionen wurde dem Deutschen
Bundestag die Annahme des Gesetzentwurfs auf Drucksache
16/10808 empfohlen.

Mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment-
haltung der Fraktion der FDP empfahl der Ausschuss für
Arbeit und Soziales den im Ausschuss eingebrachten Ent-
schließungsantrag anzunehmen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfahl zugleich mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP
den Antrag auf Drucksache 16/10841 abzulehnen.

Keine Mehrheit im Ausschuss fanden zudem die nach-
folgend abgedruckten Änderungsanträge der Fraktion DIE
LINKE.

Der Bundestag wolle beschließen:

1. Es wird ein neuer Artikel 2 eingefügt mit folgendem Wort-
laut:

„Die Bundesregierung hat bis zum 30. Juni 2009 ein Umset-
zungsgesetz vorzulegen, das einen konkreten Umsetzungs-
plan sowie den Auftrag an Bund, Länder und Kommunen
enthält, dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über
die Rechte von Menschen mit Behinderungen entsprechende
gesetzgeberische Änderungen unverzüglich einzuleiten.
Menschen mit Behinderungen und sie vertretende Organisa-
tionen sind dabei aktiv und stetig einzubeziehen.“

2. Artikel 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs wird Artikel 3.

Begründung

Subjektive Ansprüche für Menschen mit Behinderungen er-
geben sich erst durch Überführung der in der Konvention
benannten Verpflichtungen in innerstaatliches Recht. Der
vorliegende Gesetzentwurf regelt lediglich Zustimmung und
Bekanntmachung des Übereinkommens, benennt aber mit
Ausnahme der Kosten für die Einrichtung der unabhängigen
Monitoringstelle keinen Vollzugsaufwand. In der Schlussbe-
merkung des Gesetzentwurfs heißt es: „Durch das Gesetz
entstehen für Bund, Länder und Gemeinden keine weiteren
Kosten.“ Da die volle Teilhabe von Menschen mit Behinde-
rungen auf kostenneutralem Wege realistisch betrachtet
nicht erreichbar sein wird, resultieren aus dieser Initiative
der Bundesregierung zunächst keinerlei Veränderungen/Ver-
besserungen für diese Personengruppe.

Laut Implementierungsklausel in Artikel 4 der UN-Behin-
dertenkonvention verpflichten sich die Vertragsstaaten, „die
volle Verwirklichung aller Menschenrechte und Grundfrei-
heiten für alle Menschen mit Behinderungen ohne jede
Diskriminierung aufgrund von Behinderung zu gewährleis-
ten und zu fördern.“ Zu diesem Zweck verpflichten sich die
Vertragsstaaten unter anderem: „alle geeigneten Gesetzge-
Für weitere Einzelheiten wird auf die schriftlichen Stellung-
nahmen und das Protokoll der Anhörung verwiesen.

bungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Umset-
zung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte zu

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/11234 (neu)

treffen“. Im juristischen Sinn wird solch eine Implementie-
rungsklausel dahin gehend interpretiert, dass bereits kurze
Zeit nach Abschluss der Ratifikation und nicht später schritt-
weise mit innerstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen begon-
nen wird.

Die Konzipierung eines Umsetzungsgesetzes ergibt sich
außerdem aus der Verpflichtung Deutschlands als Vertrags-
staat des Wiener Übereinkommens über das Recht der Ver-
träge von 1969, völkerrechtliche Verträge „nach Treu und
Glauben zu erfüllen“ (Artikel 26), wobei sich eine Vertrags-
partei nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen kann, um
die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen (Artikel 27).

3. In Artikel 1 Satz 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs wird
das Wort „amtlichen“ gestrichen.

Begründung

Die in Artikel 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs mit dem
Attribut „amtliche“ versehene deutsche Übersetzung der
Behindertenrechtskonvention ist nicht mit der in New York
von den Beteiligten und Betroffenen ausgehandelten (eng-
lischen) Originalfassung gleichzusetzen. Aufgrund der inad-
äquaten Übersetzung von Wörtern mit hohem Bedeutungs-
gehalt wie „inclusion“ – in der vorliegenden Fassung mit
Integration statt mit Inklusion übersetzt oder „to facilitate“
mit „erleichtern“ statt mit „ermöglichen“ – warnten Fach-
kreise bereits im Vorfeld erfolglos vor einer inhaltlichen Ab-
schwächung des Konventionstextes. Dies wird auch deutlich,
vergleicht man die dem Gesetzentwurf beigefügte Überset-
zung mit der vom Netzwerk Artikel 3 vorgelegte „Schatten-
übersetzung“.

Die derzeitigen Übersetzungsmängel können weit reichende
Auswirkungen auf die Umsetzungspraxis beispielsweise im
Hinblick auf die gemeinsame Bildung behinderter und nicht
behinderter Kinder haben. Wenn auch das Übereinkommen
offiziell nur in den sechs Amtssprachen der Vereinten Natio-
nen rechtlich verbindlich ist, wird in der innerstaatlichen
Praxis dennoch vorrangig die deutsche Fassung in Verwal-
tungs- und Gerichtsverfahren zu Rate gezogen werden.

4. Die dem Gesetzentwurf anhängenden Denkschriften
(Seite 43 ff.) sind ersatzlos zu streichen.

Begründung

Die dem vorliegenden Gesetzentwurf anhängende Denk-
schrift enthält Erläuterungen und Interpretationen der in der
Konvention formulierten Artikel sowie eine Stellungnahme
der Bundesregierung zum innerstaatlichen Umsetzungs-
stand, welche die Realität allerdings verzerrt darstellt. Ins-
besondere bieten die Rechtsvorschriften im Grundgesetz,
Neunten Buch Sozialgesetzbuch, Allgemeinen Gleichbe-
handlungsgesetz und in den Behindertengleichstellungsge-
setzen ungenügenden Schutz vor Diskriminierung. Sie sind
auch nicht ausreichend, um Chancengleichheit und Teilhabe
in der Gesellschaft in der Praxis vollumfänglich zu verwirk-
lichen. Eine Denkschrift ist zwar rechtlich unverbindlich,
dennoch wird sie als Teil des Gesetzentwurfes zu einem
historischen Argument. Die Denkschrift erhält dadurch den
Status eines Referenzdokumentes/einer Auslegungshilfe –
sowohl für nachfolgende Regierungen sowie für die Länder,
Kommunen und weitere für die Umsetzung verantwortlichen

Die Fraktion der CDU/CSU begrüßte die Ratifizierung der
UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinde-
rungen. Mit der Ratifikation des Gesetzes verpflichte sich
Deutschland gegenüber der Bevölkerung, aber auch gegen-
über der internationalen Gemeinschaft, die UN-Konvention
einzuhalten und umzusetzen. Erklärtes Ziel der UN-Konven-
tion sei die Chancengleichheit der Menschen mit Behinde-
rungen sowie ihre umfassende Teilhabe in der Gesellschaft
zu fördern. Den Grundsätzen der UN-Konvention werde in
der deutschen Gesetzgebung schon vielfach Rechnung getra-
gen. Die Fraktion der CDU/CSU betonte, dass die Lebens-
wirklichkeit der Menschen mit Behinderungen jedoch in vie-
len Bereichen hinter den Grundsätzen der Konvention
zurückbleibe. Die große politische Herausforderung bestehe
darin, für die Umsetzung der Ziele der Konvention in allen
Lebensbereichen dauerhaft Sorge zu tragen. Vor allem in den
Bereichen „Barrierefreiheit“, „Teilhabe am Arbeitsleben“
und „Inklusive Bildung“ sei Handlungsbedarf angezeigt.
Notwendig sei die Bewusstseinsbildung der Öffentlichkeit,
um die Ziele der UN-Konvention als Querschnittsaufgabe
für die gesamte Gesellschaft bekannt zu machen. Die Betei-
ligung der Menschen mit Behinderungen sei bei der anste-
henden Umsetzung der Konvention unerlässlich. Mit dem
von den Koalitionsfraktionen eingebrachten Entschlie-
ßungsantrag werde darauf hingewiesen, dass Kinder mit Be-
hinderungen nur in geringem Maße an Regelschulen unter-
richtet werden. Darüber hinaus fordere der Antrag die
Bundesregierung auf, die Situation von Schülerinnen und
Schülern mit Behinderungen in den Fokus der nationalen
Bildungsforschung zu rücken mit dem Ziel, aussagekräftige
und vergleichbare Daten über die Entwicklungschancen und
Bildungserfolge behinderter Kinder und Jugendlicher im
Förderschulsystem im Vergleich zu Kindern mit Behinde-
rungen im Regelschulsystem zu erhalten.

Die Fraktion der SPD befürwortete den Gesetzentwurf der
Bundesregierung. Sie kritisiert jedoch sowohl die Überset-
zung des Begriffs „inclusion“ mit „Integration“, als auch die
Einschätzung des Kabinetts, dass die derzeitige Rechtslage
mit der Konvention vereinbar sei. Inklusion gehe weiter;
dabei werde der Mensch mit Behinderung von Anfang an
einbezogen und nicht in ein bestehendes System eingepasst.
Hieraus ergebe sich – auch nach Ansicht der gehörten Sach-
verständigen – gesetzlicher Handlungsbedarf: Dazu gehören
u. a. der Wegfall von Kostenvorbehalten bei Teilhabeleistun-
gen, die Aufhebung von Einschränkungen des Persönlichen
Budgets, die Herstellung von umfassender Barrierefreiheit,
die Umwandlung des institutionenzentrierten Leistungssys-
tems auf personenzentrierte und bedarfsgerechte Leistungen
sowie insbesondere in Wohnheimen und Werkstätten mehr
Wahlfreiheit und die Möglichkeit zur leistungsgerechten
Entlohnung. Über die Realisierung sei im Rahmen der in der
nächsten Wahlperiode anstehenden Reform der Eingliede-
rungshilfe sowie des SGB IX zu entscheiden. Die Schwä-
chen in der Übersetzung seien gerade noch hinnehmbar, weil
für die Rechtsauslegung vor Gericht und im Rahmen des
Monitoring der englische Originaltext maßgeblich sei.

Die Fraktion der FDP führte aus, sie stehe uneingeschränkt
hinter den Zielen der VN-Konvention über die Rechte von
Menschen mit Behinderungen. Die Konvention könne ein
Meilenstein auf dem Weg zu vollständiger Selbstbestim-
Institutionen als auch für Gesetzkommentierungen und Ge-
richtsprozesse.

mung, gesellschaftlicher Teilhabe und Chancengleichheit
behinderter Menschen sein. Anders als die Bundesregierung

setzung der Konvention statt lediglich der Streichung des
Wortes „amtlich“ bei Verweisen auf die Übersetzung, wie
dies einer der Anträge der Fraktion DIE LINKE. vorsähe.

Die Fraktion DIE LINKE. lobte die Verabschiedung der
UN-Behindertenrechtskonvention, welche die Behinderten-
politik endlich von der Ebene der Fürsorge auf die Ebene der

wie vor bestehende Änderungsnotwendigkeiten im deut-
schen Recht aufzuzeigen, werde man dem Gesetzentwurf der
Bundesregierung zustimmen. Die Bundesregierung müsse
jedoch schnellstmöglich zusammen mit den zivilgesell-
schaftlichen Akteuren einen Aktionsplan zur Umsetzung er-
arbeiten. Das Umsetzungsinstrumentarium müsse voll-
umfänglich umgesetzt werden.

Berlin, den 3. Dezember 2008

Silvia Schmidt (Eisleben)
Berichterstatterin
Drucksache 16/11234 (neu) – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

dies in der Denkschrift zur Konvention darstelle, resultierte
aus der Konvention und ihrer Zielsetzung jedoch gesetzge-
berischer Handlungsbedarf in Bund und Ländern. In der An-
hörung sei zudem die Sorge geäußert worden, dass bei der
Umsetzung der VN-Konvention neue bürokratische Belas-
tungen für die Unternehmen entstehen könnten, die letztlich
zu Lasten der Menschen mit Behinderung gingen. Auch
habe die deutsche Übersetzung der VN-Konvention Fehler,
deren Folgen durch die Experten in der Anhörung angespro-
chen worden seien. Diese Punkte werde die Fraktion der
FDP auch in einem Entschließungsantrag thematisieren.

Die Fraktion der FDP teile Ansätze des Antrags der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Jedoch fordere der Antrag
nicht dazu auf, neue bürokratische Belastungen durch die
Umsetzung zu vermeiden, die letztlich nachteilige Auswir-
kungen auf die Menschen mit Behinderungen hätten. Auch
dem Hinweis auf die Vorreiterrolle der Bundesrepublik
Deutschland in der Antidiskriminierungsgesetzgebung kön-
ne die Fraktion der FDP so nicht zustimmen.

Die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE. setzten an
Defiziten des Gesetzentwurfs an, deren Beseitigung auch der
Fraktion der FDP ein großes Anliegen sei. Die Fraktion der
FDP halte die von ihr in einem Entschließungsantrag zur
dritten Lesung des Gesetzentwurfs hierzu vorgesehenen An-
sätze jedoch für zielführender, wie etwa die Aufforderung an
die Bundesregierung zur Überarbeitung der deutschen Über-

Menschenrechtspolitik hebe. Allein mit der Ratifikation der
Konvention ergäben sich aber noch keine subjektiven An-
sprüche für Menschen mit Behinderungen. Der Gesetzent-
wurf der Bundesregierung regle lediglich Zustimmung und
Bekanntmachung der Konvention. Die Fraktion DIE LINKE.
fordere deshalb von der Bundesregierung ein Umsetzungs-
gesetz vorzulegen, damit relevante Gesetzesänderungen ein-
geleitet werden. Die Bundesregierung solle außerdem in
Kooperation mit Behindertenverbänden die ihrer Ansicht
nach mangelhafte deutsche Übersetzung der Konvention
überarbeiten, weil diese inhaltliche Forderungen abschwä-
che. Die Fraktion DIE LINKE. kritisierte zudem die dem Ge-
setzentwurf anhängende Denkschrift, welche die Situation
behinderter Menschen in Deutschland beschönigend darstel-
le. Diesbezüglich solle die Bundesregierung klarstellen, dass
es sich bei der Denkschrift um kein für die Auslegungspraxis
relevantes Dokument handle. Da es sich dabei um grundsätz-
lich wichtige Forderungen handele, hat die Fraktion DIE
LINKE. diese in drei Änderungsanträgen eingebracht.

Die Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßte
den Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik, den die
VN-Konvention repräsentiert. Der Wandel vom Integra-
tions- zum Inklusionskonzept sei dabei von zentraler Bedeu-
tung. Obwohl die Denkschrift zum Übereinkommen über die
Rechte von Menschen mit Behinderungen versäume, nach

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