BT-Drucksache 16/11232

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/9490- Die eigenständige Existenzsicherung von Stiefkindern sicherstellen - § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II reformieren

Vom 3. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11232
16. Wahlperiode 03. 12. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, Karin Binder,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/9490 –

Die eigenständige Existenzsicherung von Stiefkindern sicherstellen –
§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II reformieren

A. Problem

Nach Auffassung der antragstellenden Fraktion ist durch das SGB-II-Fortent-
wicklungsgesetz die Existenzsicherung von Stiefkindern in verfassungswidri-
ger Weise gefährdet worden. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch – SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) sei seit 1. Au-
gust 2006 bei Kindern das Einkommen und Vermögen von Personen, die mit
einem Elternteil eine Bedarfsgemeinschaft bilden, zu berücksichtigen. Dadurch
werde das Gebot zur Sicherung des Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot des Artikels 20
GG für Stiefkinder gebrochen.

B. Lösung

Der Deutsche Bundestag soll nach dem Willen der Antragsteller die Bundesre-
gierung auffordern, die Existenzsicherung von Kindern, die mit einem Stiefel-
ternteil zusammenwohnen, durch eigenständige SGB-II-Ansprüche zu sichern.
Die Neuregelung durch das SGB-II-Fortentwicklungsgesetz, nach der Einkom-
men und Vermögen der Stiefeltern bei der Bedarfsberechnung des Kindes zu
berücksichtigen seien, sei zurückzunehmen.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht ermittelt.

Drucksache 16/11232 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/9490 abzulehnen.

Berlin, den 3. Dezember 2008

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Vorsitzender

Heinz-Peter Haustein
Berichterstatter

elternteil bestünden nicht und sozialrechtliche Ansprüche über die Zahl der von der neuen Stiefelternregelung betrof-

würden mit Verweis auf das Stiefelterngeld verweigert. Das
Kind habe auch keine Möglichkeit, die Bedarfsgemein-
schaft zu verlassen und dadurch einen eigenständigen

fenen Fälle habe kein Ergebnis gebracht. Nach Auffassung
der Fraktion der FDP müsse zunächst einmal die Bundes-
regierung Fakten liefern, bevor der Deutsche Bundestag
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11232

Bericht des Abgeordneten Heinz-Peter Haustein

I. Überweisung und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

1. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 16/9490 ist in der 184. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 17. Oktober 2008 an den
Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Bera-
tung und an den Rechtsausschuss, den Haushaltsausschuss,
den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
sowie den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe zur Mitberatung überwiesen worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Rechtsausschuss und der Ausschuss für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend haben den Antrag auf
Drucksache 16/9490 in ihren Sitzungen am 12. November
2008 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimment-
haltung der Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag abzu-
lehnen. Der Haushaltsausschuss hat den Antrag auf Druck-
sache 16/9490 in seiner Sitzung am 5. November 2008 bera-
ten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN empfohlen, den Antrag abzulehnen. Der
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat den Antrag auf Drucksache 16/9490 in seiner Sitzung
am 12. November 2008 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der FDP und Abwesenheit der Fraktion
DIE LINKE. empfohlen, den Antrag abzulehnen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Durch das SGB-II-Fortentwicklungsgesetz ist die Existenz-
sicherung von Stiefkindern nach Auffassung der antragstel-
lenden Fraktion gefährdet worden. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2
des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – SGB II (Grundsi-
cherung für Arbeitsuchende) sei seit den 1. August 2006 bei
Kindern Einkommen und Vermögen von Personen, die mit
einem Elternteil eine Bedarfsgemeinschaft bilden, zu be-
rücksichtigen. Dadurch werde das Gebot zur Sicherung des
Existenzminimums aus Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes
(GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot des
Artikels 20 GG für Stiefkinder gebrochen. So lege die neue
Regelung schematisch fest, dass Einkommen und Vermögen
des Stiefelternteils anzurechnen sei, ohne darauf Rücksicht
zu nehmen, ob und inwieweit ein Einkommenszufluss tat-
sächlich stattfinde. Soweit eine Unterstützung dem Stief-
kind faktisch verweigert werde, könne das Kind diese nicht
einklagen. Zivilrechtliche Ansprüche gegenüber dem Stief-

rung daher auffordern, die Neuregelung durch das SGB-II-
Fortentwicklungsgesetz, wonach Einkommen und Vermö-
gen der Stiefeltern bei der Bedarfsberechnung des Kindes
zu berücksichtigen seien, zurückzunehmen. Die Existenz-
sicherung von Kindern, die mit einem Stiefelternteil zusam-
menwohnen, solle durch eigenständige SGB-II-Ansprüche
gesichert werden.

III. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner
108. Sitzung am 3. Dezember 2008 den Antrag auf Druck-
sache 16/9490 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP beschlossen, dem Deut-
schen Bundestag die Ablehnung zu empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU trug vor, das SGB II gehe
davon aus, dass die Menschen in einer Bedarfsgemeinschaft
füreinander einstünden und zwar unabhängig von der ge-
nauen Familienkonstellation. Zuvor sei dies für Stiefkinder
nicht eindeutig geregelt gewesen, was zu einer Benachtei-
lung von Familien, die auf Ehe beruhten, geführt habe. Die
Änderung des Gesetzes habe diesbezüglich für Klarheit ge-
sorgt. Darüber hinaus greife die Regelung nur, wenn der
leibliche Vater nicht in der Bedarfsgemeinschaft lebe und
keinen Unterhalt zahle. Ansonsten bekomme das Kind
Kindergeld. Aus diesen Gründen werde die Fraktion der
CDU/CSU gegen den Antrag stimmen.

Die Fraktion der SPD begründete die geltende Regelung
damit, dass sich Gesetze an veränderte Lebensformen von
Familien anpassen müssten. Die Ungleichheit von verheira-
teten und unverheirateten Paaren sei nicht länger vertretbar
gewesen. Einkommen und Vermögen von Partnern in einer
Bedarfsgemeinschaft sollten für alle Mitglieder berücksich-
tigt werden, unabhängig davon, ob dies leibliche oder nicht-
leibliche Kinder seien. Weder der Ombudsrat noch die ange-
hörten Sachverständigen hätten dies kritisiert. Die Entschei-
dung des Bundessozialgerichts habe nun die erwartete Klar-
heit zugunsten des Gesetzes gebracht und die Regelung
bestätigt. Die Fraktion der SPD werde daher den Antrag ab-
lehnen.

Die Fraktion der FDP verwies darauf, dass auch sie die
Regelung für verfassungsrechtlich problematisch halte, da
Partner eines Elternteils nunmehr für die Stiefkinder wie für
eigene Kinder aufkommen müssten, obwohl sie zivilrecht-
lich hierzu nicht verpflichtet seien. Zur Begründung für eine
gesetzliche Neuregelung gehöre aber zumindest eine präzise
Vorstellung von dem zu korrigierenden Missstand. Eine ent-
sprechende Anfrage bei der Bundesregierung, unter anderem
Sicherungsanspruch zu begründen. Der Deutsche Bundes-
tag soll nach dem Willen der Antragsteller die Bundesregie-

über Änderungen des Gesetzes berate. Daher werde sich die
Fraktion der FDP bei einer Abstimmung enthalten.

Drucksache 16/1123 destag – 16. Wahlperiode

Berlin, den 3. Dezember 2

Heinz-Peter Haustein
Berichterstatter

2 – 4 – Deutscher Bun

Die Fraktion DIE LINKE. erläuterte, dass durch ihren An-
trag eine Sicherungslücke beseitigt werden solle. Der § 9
Abs. 2. Satz 2 SGB II schaffe eine neue Unterhaltspflicht in
sog. Patchwork-Familien. Wenn ein Alleinerziehender eine
neue Partnerin finde und beide gemeinsam einen Haushalt
gründeten, sei die neue Partnerin sofort für das Auskommen
des Kindes mit verantwortlich. Das Einkommen werde an-
gerechnet unabhängig davon, ob tatsächlich eine Unterstüt-
zung stattfinde. Die Sicherungslücke entstehe, weil im
Bedarfsfall ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch nicht be-
stehe. Das Bundessozialgericht verneine eine Verfassungs-
widrigkeit, weil das Kind einen Unterhaltsanspruch gegen-
über der Mutter beziehungsweise gegenüber dem Vater
habe. Dieser sei auch einklagbar. Die geschilderte Siche-
rungslücke werde durch den Urteilsspruch mit seiner „typi-
sierenden“ Betrachtungsweise nicht geschlossen; die Exis-
tenzsicherung des betroffenen Kindes sei aber unbedingt zu
gewährleisten. Der Antrag bleibe daher aktuell.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erläuterte, sie
halte es aus rechtssystematischen Gründen für problema-
tisch, einen sozialrechtlichen Anspruch zu schaffen, obwohl
ein zivilrechtlicher Anspruch nicht bestehe. Wenn Lebens-
gemeinschaften und Ehen im Sozialrecht gleichgestellt wür-
den, müsse man dies auch im Zivilrecht nachvollziehen.
Man müsse zudem Überlegungen anstellen, ob nicht der
Gleichheitsgrundsatz durch die Regelung verletzt werde.
Daher werde die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
dem Antrag zustimmen.

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