BT-Drucksache 16/11163

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/9314- Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen - Verflechtung zwischen den Behörden und der Agro-Gentechnik-Industrie beenden und wissenschaftliche Grundlagen verbessern

Vom 2. Dezember 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11163
16. Wahlperiode 02. 12. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(10. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/9314 –

Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen – Verflechtung zwischen
den Behörden und der Agro-Gentechnik-Industrie beenden und
wissenschaftliche Grundlagen verbessern

A. Problem

Bei der Agro-Gentechnik muss das Prinzip der Vorsorge konsequent verfolgt
werden. Einmal in die Natur freigesetzte Organismen sind nicht wieder rück-
holbar. Daher müssen nach der Reform des EU-Gentechnikrechts u. a. Ent-
scheidungen und Stellungnahmen der einzelnen EU-Länder im Rahmen des
EU-Zulassungsverfahrens für gentechnisch veränderte Organismen berücksich-
tigt werden. Allerdings werden die Ziele dieser Reform – Schutz von Mensch
und Umwelt und Gewährleistung des Schutzes gentechnikfreier Landwirt-
schaftsformen – zum einen durch die Entscheidungspraxis der Europäischen
Kommission, die letztlich allein zugunsten der Antragsteller für Agro-Gen-
technik-Produkte entscheidet, und zum anderen durch die starke Verflechtung
der Experten in den Zulassungsbehörden (u. a. der EU-Lebensmittelsicherheits-
behörde EFSA) mit der Agro-Gentechnik-Industrie, gefährdet.

Ziel muss sein, die Praxis des EU-Zulassungsverfahrens für gentechnisch ver-
änderte Organismen zu optimieren, indem eine stärkere Berücksichtigung
wissenschaftlicher Stellungnahmen nationaler Behörden der EU-Länder, eine
Stärkung der demokratischen Rechte der EU-Länder im EU-Zulassungsver-
fahren, eine Entflechtung der Experten in den Zulassungsbehörden mit der
Agro-Gentechnik-Industrie sowie eine stärkere Unterstützung der unabhängi-
gen Risikoforschung erfolgt.
B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 16/11163 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11163

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/9314 abzulehnen.

Berlin, den 12. November 2008

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Ulrike Höfken
Vorsitzende und
Berichterstatterin

Dr. Max Lehmer
Berichterstatter

Elvira Drobinski-Weiß
Berichterstatterin

Dr. Christel Happach-Kasan
Berichterstatterin

Dr. Kirsten Tackmann
Berichterstatterin

Praxis des EU-Zulassungsverfahrens für gentechnisch cherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 16/9314 in sei-

veränderte Organismen verbessert werden kann,

– einen Vorschlag für Maßnahmen vorzulegen, wie die im
Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung dargelegten Defizite beim

ner 89. Sitzung am 12. November 2008 abschließend bera-
ten.

Die Fraktion der CDU/CSU kritisierte, dass die Autorität
der objektiven und von einem unabhängigen Verwaltungsrat
Drucksache 16/11163 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Max Lehmer, Elvira Drobinski-Weiß, Dr. Christel
Happach-Kasan, Dr. Kirsten Tackmann und Ulrike Höfken

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
16/9314 in seiner 164. Sitzung am 30. Mai 2008 beraten
und an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz zur federführenden Beratung und an den
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss
für Gesundheit, den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit, den Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung sowie an den Aus-
schuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Bei der Agro-Gentechnik muss das Prinzip der Vorsorge
konsequent verfolgt werden. Einmal in die Natur freige-
setzte Organismen sind nicht wieder rückholbar. Sie können
Anbauflächen in ihrer Umgebung verunreinigen.

Daher müssen nach der Reform des EU-Gentechnikrechts
u. a. Entscheidungen und Stellungnahmen der einzelnen
EU-Länder im Rahmen des EU-Zulassungsverfahrens für
gentechnisch veränderte Organismen berücksichtigt wer-
den. Allerdings werden die Ziele dieser Reform – Schutz
von Mensch und Umwelt und Gewährleistung des Schutzes
gentechnikfreier Landwirtschaftsformen – gefährdet.

So ist zum einen die Entscheidungspraxis der Europäischen
Kommission kritisch zu bewerten, die letztlich allein zu-
gunsten der Antragsteller für Agro-Gentechnik-Produkte
entscheidet, selbst wenn wissenschaftlich begründete Stel-
lungnahmen aus einzelnen EU-Ländern vor einer Zulassung
warnen. In der Regel kommt keine qualifizierte Mehrheit
für oder gegen einen Vorschlag der EU-Kommission zu-
stande.

Zum anderen besteht eine starke Verflechtung der Experten
in den Zulassungsbehörden (z. B. EFSA) mit der Agro-Gen-
technik-Industrie. Derartige Interessenverflechtungen führen
dazu, dass die Schlussfolgerungen nicht mehr transparent
und durch unabhängige Experten überprüft werden können
und unterwandern demokratische Entscheidungen und ge-
setzliche Vorgaben.

Die Bundesregierung soll daher im Wesentlichen aufgefor-
dert werden,

– sich bei Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzuset-
zen, dass der Schutz von Mensch und Umwelt oberstes
Ziel des europäischen Gentechnikrechts bleiben muss,

– kurzfristig konkrete Vorschläge vorzulegen, wie die

– offenzulegen, in welcher Form es Verflechtungen zwi-
schen den Experten in den nationalen Behörden wie dem
BVL mit der Agro-Gentechnik-Industrie sowie Institu-
tionen und Lobbyorganisationen gibt,

– dafür Sorge zu tragen, dass die Risiko- und Folgen-
abschätzung bei gentechnisch veränderten Pflanzen ver-
bessert wird,

– die unabhängige Risikoforschung zu stärken.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Vorlage auf Drucksache 16/9314 in seiner 74. Sitzung am
12. November 2008 beraten und empfiehlt die Ablehnung
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Vorlage auf Druck-
sache 16/9314 in seiner 99. Sitzung am 12. November 2008
beraten und empfiehlt die Ablehnung mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat die Vorlage auf Drucksache 16/9314 in seiner
75. Sitzung am 12. November 2008 beraten und empfiehlt
die Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung hat die Vorlage auf Drucksache 16/9314
in seiner 68. Sitzung am 12. November 2008 beraten und
empfiehlt die Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat die Vorlage auf Drucksache 16/9314 in seiner
72. Sitzung am 12. November 2008 beraten und empfiehlt
die Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

IV. Beratungsverlauf im federführenden
Ausschuss

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
Zulassungs- und Genehmigungsverfahren von gentech-
nisch veränderten Pflanzen behoben werden können,

eingesetzten Wissenschaftler der EFSA regelmäßig infrage
gestellt werde. Man könne einerseits nicht fordern, GVO-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11163

Zulassungen auf eine wissenschaftlichere Basis zu stellen,
wenn man andererseits die Autorität dieser Wissenschaftler
anzweifle. Die Forderung nach einer Verbesserung der
Sicherheitsprüfungen werde bereits erfüllt. Zahlreiche
wissenschaftliche Gremien überprüften die konkreten Zu-
lassungsverfahren hinsichtlich Tauglichkeit und Sicher-
heitsrelevanz. Der geforderte Verzicht auf eine deutsche
Grundlagenforschung sei nicht nachvollziehbar. Deutsch-
land als einer der weltweit führenden Wissenschaftsstand-
orte könne angesichts der internationalen Sachlage im Zu-
sammenhang mit GVO nicht auf eine eigene Grundlagen-
forschung verzichten. Ansonsten bestehe die Gefahr einer
Monopolisierung und Abhängigkeit von finanzkräftigen,
nicht unabhängigen Konzernen. Zum Schutz der Menschen
und zur Erfüllung des gewünschten hohen Sicherheitsstan-
dards sei eine eigene Grundlagenforschung unverzichtbar.

Die Fraktion der SPD erklärte, dem vorliegenden Antrag
könne man trotz einiger interessanter Forderungen nicht zu-
stimmen. Abzulehnen sei insbesondere die geforderte Ein-
stellung der Förderung der Grundlagenforschung. Vielmehr
sollten nach wie vor finanzielle Mittel zur Verfügung ge-

stellt werden, um Grundlagenforschung betreiben zu kön-
nen.

Die Fraktion DIE LINKE. legte dar, es wäre begrüßens-
wert, wenn die EFSA über die notwendige Autorität ver-
fügen würde. Allerdings sei dies gegenwärtig nicht der Fall.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonte, die
geforderte Entflechtung von Behörden und Agro-Gentech-
nik-Industrie auf nationaler und europäischer Ebene könne
u. a. durch eine diesbezügliche Studie untermauert werden.
Interessensverflechtungen müssten offen gelegt und disku-
tiert werden, um Transparenz zu erreichen, und um das Ver-
trauen in Behörden wieder herzustellen. Ferner sei in deut-
schen Behörden zumindest ein Code of Conduct notwendig,
der den Umfang der Zusammenarbeit zwischen Behörden
und Industrie festlege.

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag auf Drucksache 16/9314 abzulehnen.

Berlin, den 12. November 2008

Dr. Max Lehmer
Berichterstatter

Elvira Drobinski-Weiß
Berichterstatterin

Dr. Christel Happach-Kasan
Berichterstatterin

Dr. Kirsten Tackmann
Berichterstatterin

Ulrike Höfken
Berichterstatterin

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