BT-Drucksache 16/11090

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/8882- Gesundheitsfonds stoppen - Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich einführen

Vom 26. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11090
16. Wahlperiode 26. 11. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg,
Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/8882 –

Gesundheitsfonds stoppen – Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich
einführen

A. Problem

Der Gesundheitsfonds löst aus Sicht der Antragsteller kein Problem der gesetz-
lichen Krankenversicherung (GKV), sondern schafft viele neue. Er schwäche
das Solidarprinzip und führe zu unvorhersehbaren Konsequenzen für Versicher-
te, Arbeitgeber und Leistungserbringer. Weder würden die Privatversicherten in
den Fonds einbezogen noch werde die Bemessungsgrundlage für die Kranken-
versicherungsbeiträge verbreitert. Damit finde der Solidarausgleich auch weiter-
hin nur zwischen Durchschnitts- und Geringverdienern statt. Das vorgesehene
Aufwachsen des Steuerzuschusses an die GKV sei ein „ungedeckter Scheck“ zu
Lasten des Bundeshaushaltes.

Durch die Festsetzung des einheitlichen Beitragssatzes durch die Bundesregie-
rung werde die Finanzausstattung der GKV künftig noch stärker von politischen
Kalkülen als von gesundheitlichen Zielen bestimmt. Dadurch sowie durch den
Aufbau einer Liquiditätsreserve von rund 3 Mrd. Euro werde der Beitragssatz
weiter nach oben getrieben. Die Vereinheitlichung der Kassenbeiträge werde in
vielen Bundesländern zu erheblichen Veränderungen gegenüber dem bisherigen
Beitragsniveau führen. Signifikante Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt seien
zu befürchten.

Die für 2009 vorgesehene Vollfinanzierung gelte nur GKV-weit und nicht für
jede einzelne Krankenkasse. Kassen mit besonders vielen kranken Versicherten
könnten deshalb schon im Jahr 2009 zur Erhebung des Zusatzbeitrags gezwun-
gen sein. Ab 2010 werde der Gesundheitsfonds die Ausgaben der GKV nur noch
zu 95 Prozent finanzieren. Die fehlenden 5 Prozent – immerhin rund 7,5 Mrd.
Euro – müssten dann allein durch die Versicherten getragen werden. Auch die
übrigen Kassen müssten sodann Zusatzbeiträge verlangen.

Der Gesundheitsfonds führe zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen zwischen
den Krankenkassen und zur Fehlsteuerung des Kassenwettbewerbs. Da für den
Zusatzbeitrag eine Belastungsobergrenze von einem Prozent des beitragspflich-
tigen Einkommens des Versicherten gelte und für mitversicherte Familienange-

Drucksache 16/11090 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

hörige kein Zusatzbeitrag erhoben werde, müssten die Krankenkassen erheb-
liche Beitragsausfälle einkalkulieren. In der Folge müssten Krankenkassen mit
besonders vielen einkommensschwachen und kinderreichen Mitgliedern hohe
Zusatzbeiträge verlangen, um diese Mindereinnahmen durch die stärkere Belas-
tung ihrer gutverdienenden und kinderlosen Mitglieder auszugleichen. Damit
würden massive Anreize für die Kassen gesetzt, ihr Service- und Leistungs-
angebot vor allem auf Gutverdienende und Kinderlose auszurichten.

Die vorgesehene Einführung eines morbiditätsorientierten Risikostrukturaus-
gleichs sei grundsätzlich zu begrüßen. Dieser könne aber auch unabhängig vom
Gesundheitsfonds realisiert werden. Die 2001 von der früheren rot-grünen Bun-
desregierung beschlossene Berücksichtigung des tatsächlichen Gesundheitszu-
standes der Versicherten innerhalb des Risikostrukturausgleichs sei entgegen
geltendem Recht bislang nicht umgesetzt worden. Die Fraktion der CDU/CSU
habe nun eine Begrenzung auf 50 bis 80 Krankheiten durchgesetzt. Dies sei in
der Sache nicht zu begründen und schwäche dessen Zielgenauigkeit. Es werde
jetzt zwischen Kranken erster und zweiter Klasse unterschieden. Damit hätten
die Krankenkassen auch weiterhin massive Anreize zur Risikoselektion.

B. Lösung

Die Antragsteller fordern von der Bundesregierung die Vorlage eines Gesetzent-
wurfs, mit dem die für den 1. Januar 2009 vorgesehene Einführung des Gesund-
heitsfonds wieder rückgängig gemacht wird. Zu diesem Termin sei ein morbi-
ditätsorientierter Risikostrukturausgleich einzuführen. Sachfremde Regelungen,
die dessen Reichweite und Zielgenauigkeit begrenzten, seien dabei zu vermei-
den.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD
und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten werden in dem Antrag nicht beziffert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11090

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/8882 abzulehnen.

Berlin, den 24. November 2008

Der Ausschuss für Gesundheit

Dr. Martina Bunge
Vorsitzende

Dr. Carola Reimann
Berichterstatterin

Drucksache 16/11090 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Carola Reimann

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/8882 in seiner 157. Sitzung am 24. April 2008 in erster
Lesung beraten und zur federführenden Beratung an den
Ausschuss für Gesundheit sowie zur Mitberatung an den
Finanzausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Tech-
nologie und an den Ausschuss für Arbeit und Soziales über-
wiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Gesundheitsfonds löst aus Sicht der Antragsteller kein
Problem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), son-
dern schafft viele neue. Er schwäche das Solidarprinzip und
führe zu unvorhersehbaren Konsequenzen für Versicherte,
Arbeitgeber und Leistungserbringer. Weder würden die Pri-
vatversicherten in den Fonds einbezogen noch werde die
Bemessungsgrundlage für die Krankenversicherungsbei-
träge verbreitert. Damit finde der Solidarausgleich auch wei-
terhin nur zwischen Durchschnitts- und Geringverdienern
statt. Das vorgesehene Aufwachsen des Steuerzuschusses an
die GKV sei ein „ungedeckter Scheck“ zu Lasten des Bun-
deshaltes.

Durch die Festsetzung des einheitlichen Beitragssatzes
durch die Bundesregierung werde die Finanzausstattung der
GKV künftig noch stärker von politischen Kalkülen als von
gesundheitlichen Zielen bestimmt. Dadurch sowie durch den
Aufbau einer Liquiditätsreserve von rund 3 Mrd. Euro werde
der Beitragssatz weiter nach oben getrieben. Die Vereinheit-
lichung der Kassenbeiträge werde in vielen Bundesländern
zu erheblichen Veränderungen gegenüber dem bisherigen
Beitragsniveau führen. Signifikante Verwerfungen auf dem
Arbeitsmarkt seien zu befürchten.

Die für 2009 vorgesehene Vollfinanzierung gelte nur GKV-
weit und nicht für jede einzelne Krankenkasse. Kassen mit
besonders vielen kranken Versicherten könnten deshalb
schon im Jahr 2009 zur Erhebung des Zusatzbeitrags ge-
zwungen sein. Ab 2010 werde der Gesundheitsfonds die
Ausgaben der GKV nur noch zu 95 Prozent finanzieren. Die
fehlenden 5 Prozent – immerhin rund 7,5 Mrd. Euro – müss-
ten dann allein durch die Versicherten getragen werden.
Auch die übrigen Kassen müssten sodann Zusatzbeiträge
verlangen.

Der Gesundheitsfonds führe zu erheblichen Wettbewerbs-
verzerrungen zwischen den Krankenkassen und zur Fehl-
steuerung des Kassenwettbewerbs. Da für den Zusatzbeitrag
eine Belastungsobergrenze von einem Prozent des beitrags-
pflichtigen Einkommens des Versicherten gelte und für mit-
versicherte Familienangehörige kein Zusatzbeitrag erhoben
werde, müssten die Krankenkassen erhebliche Beitragsaus-
fälle einkalkulieren. In der Folge müssten Krankenkassen
mit besonders vielen einkommensschwachen und kinderrei-
chen Mitgliedern hohe Zusatzbeiträge verlangen, um diese
Mindereinnahmen durch die stärkere Belastung ihrer gut-
verdienenden und kinderlosen Mitglieder auszugleichen.
Damit würden massive Anreize für die Kassen gesetzt, ihr

Service- und Leistungsangebot vor allem auf Gutverdienen-
de und Kinderlose auszurichten.

Die vorgesehene Einführung eines morbiditätsorientierten
Risikostrukturausgleichs sei grundsätzlich zu begrüßen. Die-
ser könne aber auch unabhängig vom Gesundheitsfonds
realisiert werden. Die 2001 von der früheren rot-grünen
Bundesregierung beschlossene Berücksichtigung des tat-
sächlichen Gesundheitszustandes der Versicherten innerhalb
des Risikostrukturausgleichs sei entgegen geltendem Recht
bislang nicht umgesetzt worden. Die Fraktion der CDU/CSU
habe nun eine Begrenzung auf 50 bis 80 Krankheiten durch-
gesetzt. Dies sei in der Sache nicht zu begründen und schwä-
che dessen Zielgenauigkeit. Es werde jetzt zwischen Kran-
ken erster und zweiter Klasse unterschieden. Damit hätten
die Krankenkassen auch weiterhin massive Anreize zur Risi-
koselektion.

Die Antragsteller fordern von der Bundesregierung die Vor-
lage eines Gesetzentwurfs, mit dem die für den 1. Januar
2009 vorgesehene Einführung des Gesundheitsfonds wieder
rückgängig gemacht wird. Zu diesem Termin sei ein morbi-
ditätsorientierter Risikostrukturausgleich einzuführen. Sach-
fremde Regelungen, die dessen Reichweite und Zielgenauig-
keit begrenzten, seien dabei zu vermeiden.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Finanzausschuss hat in seiner 105. Sitzung am 12. No-
vember 2008 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in sei-
ner 74. Sitzung am 12. November 2008 mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion der FDP empfohlen, den An-
trag abzulehnen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner
103. Sitzung am 12. November 2008 mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion der FDP empfohlen, den An-
trag abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Gesundheit hat die Beratung des Antrags
auf Drucksache 16/8882 in seiner 84. Sitzung am 7. Mai 2008
aufgenommen und in seiner 87. Sitzung am 18. Juni 2008
fortgesetzt und beschlossen, zu diesem Antrag sowie zu dem
Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/7737 eine
öffentliche Anhörung durchzuführen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/11090

Die Anhörung fand in der 98. Sitzung am 15. Oktober 2008
statt. Als sachverständige Verbände waren eingeladen:

AOK-Bundesverband (AOK-BV), BKK Bundesverband
(BKK BV), Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe von
Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und
ihren Angehörigen e. V. (BAG SELBSTHILFE), Bundesver-
band der Deutschen Industrie e. V. (BDI), Bundesver-
einigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA),
Deutsche Gesellschaft für Versicherte und Patienten e. V.
(DGVP), Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (DKG),
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Hartmannbund – Ver-
band der Ärzte Deutschlands e. V., IKK-Bundesverband
(IKK-BV), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV),
Knappschaft, Marburger Bund – Verband der angestellten
und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e. V., NAV-
Virchow-Bund – Verband der niedergelassenen Ärzte
Deutschlands e. V., Sozialverband VdK Deutschland e. V.,
Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD), Spitzenverband
Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), Verband
der Angestellten-Krankenkassen e. V./Arbeiter-Ersatzkassen-
Verband e. V. (VdAK/AEV), Verbraucherzentrale Bundes-
verband e. V. (vzbv), ver.di – Vereinte Dienstleistungsge-
werkschaft e. V., Zentralverband des Deutschen Handwerks
e. V. (ZDH).

Außerdem waren als Einzelsachverständige Prof. Dr. Klaus-
Dirk Henke und Prof. Dr. Wolfram F. Richter eingeladen.

Auf das Wortprotokoll und die als Ausschussdrucksachen
verteilten Stellungnahmen der Sachverständigen wird Bezug
genommen.

Der Ausschuss hat seine Beratungen zu Drucksache 16/8882
in der 99. Sitzung am 12. November 2008 fortgesetzt und ab-
geschlossen.

Als Ergebnis empfiehlt der Ausschuss für Gesundheit mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE
LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP, den
Antrag abzulehnen.

Die Fraktion der CDU/CSU kritisierte, wer die Fakten ken-
ne, wisse, dass es einer grundlegenden Reform des Gesund-
heitssystems dringend bedürfe, wenn Beitragssätze von bis
zu 29 Prozent im Jahr 2050 verhindert werden sollten. Der
Gesundheitsfonds enthalte vernünftige Regelungen und stel-
le die Weichen für ein zukunftsfähiges System mit mehr
Eigenverantwortung und einer Abkopplung der Gesund-
heitskosten von den Lohnkosten. Der von der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angegriffene Zusatzbeitrag
fördere den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen und
führe zu mehr Transparenz für die Versicherten. Die neu ge-
schaffene Möglichkeit der Wahltarife sorge dafür, dass
Versicherte sich ihre Krankenkasse in Zukunft nach Kosten-
gesichtspunkten oder individuellen Anforderungen und Be-
dürfnissen aussuchen könnten. Dabei gehe es nicht nur um
mehr Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Selbstbetei-
ligungs- oder Kostenerstattungstarife, sondern auch um an-
dere Wahltarife, die z. B. eine Erstattung für Naturarzneimit-
tel zuließen, was bislang nur Privatversicherten vorbehalten
gewesen sei. Der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN ebenfalls befürwortete morbiditätsorientierte
Risikostrukturausgleich stelle im Übrigen eine Weiterent-
wicklung bereits vorhandener Ausgleichsmechanismen dar

und bringe den Krankenkassen einen Ausgleich für einen
krankheitsbedingten erhöhten Versorgungsbedarf. Damit
würden faire und den Möglichkeiten entsprechende Wett-
bewerbsvoraussetzungen geschaffen. Wesentlich sei darüber
hinaus, dass das Gesundheitsrisiko der Versicherten in
Zukunft von den Ärzten auf die Krankenkassen verlagert
werde. Auch die Ausformung der Liquiditätshilfe als Me-
chanismus zum Ausgleich von unterjährigen Einnahmen-
schwankungen bedeute keine Verschlechterung der Situa-
tion, sondern entspreche dem Status quo. Denn auch heute
müssten die Krankenkassen, wenn die Einnahmen nicht
mehr ausreichten, im folgenden Jahr die Beiträge erhöhen.

Die Fraktion der SPD betonte, Gesundheitsfonds und mor-
biditätsorientierter Risikostrukturausgleich führten inner-
halb des Gesundheitssystems zu einer Stärkung von Solida-
rität und Wettbewerb zum Wohl der Patienten. Der
Gesundheitsfonds sei sozial gerecht. Er stelle sicher, dass für
die Versicherten in Zukunft einerseits gleiche Beitragssätze
gelten würden und dass sie andererseits – im Gegensatz zur
bisherigen Situation – dafür auch nahezu identische Leistun-
gen erhielten. Der bislang vorhandene Wettbewerb der Kran-
kenkassen um junge, gesunde und möglichst einkommens-
starke Versicherte werde durch eine Konkurrenz unter den
Kassen um möglichst gute Leistungen und eine hohe Kun-
denorientierung ersetzt. Darüber hinaus stünden die Kran-
kenkassen in Zukunft in einem Wettbewerb zur Vermeidung
des Zusatzbeitrages. Die Versicherten hätten Umfragen zu-
folge eine hohe Bereitschaft zum Wechsel ihrer Kasse, falls
diese einen Zusatzbeitrag verlange. Die Krankenkassen
würden daher zukünftig alles daran setzen, interne Betriebs-
kosten soweit als möglich zu senken und Wirtschaftlich-
keitsreserven auszuschöpfen. Darüber hinaus erhielten die
Krankenkassen weitere Instrumente in Form der Ausschrei-
bung von Leistungen, des Abschlusses von Rabattverträgen
oder des Angebots von Wahltarifen, die eine wirtschaftliche
Versorgung der Versicherten gewährleisteten. Die Kranken-
kassen hätten, wie sich in Gesprächen zeige, überdies Klar-
heit über ihre finanzielle Situation. Im Übrigen handele es
sich nicht um ein starres Konzept, sondern um ein lernendes
System, das jährlich angepasst werde.

Die Fraktion der FDP hob hervor, der Gesundheitsfonds
löse keine Probleme, sondern schaffe nur neue. Es müsse
im Gesundheitssystem mehr Gestaltungsfreiheit geschaf-
fen werden. Insofern werde der Antrag der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mitgetragen. Allerdings bein-
halte die Begründung implizit auch die Befürwortung des
morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs, dem die
Fraktion der FDP skeptisch gegenüberstehe. Die Fraktion
der FDP werde sich daher der Stimme enthalten.

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, die Versicherten in der
GKV seien seit 2004 von massiven Leistungskürzungen, von
immer mehr Zuzahlungen und vom Wegfall von Härtefall-
regelungen für Geringverdienerinnen und -verdiener betrof-
fen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Rentnerin-
nen und Rentner finanzierten seit Mitte 2005 die Kosten für
Krankengeld und Zahnersatz praktisch alleine. Mit dem jetzt
vorgesehen Gesundheitsfonds werde dieser Prozess fortge-
setzt, die paritätische Finanzierung immer weiter ausge-
hebelt. Die Einführung des Zusatzbeitrags voraussichtlich ab
2010 führe zu einer weiteren Belastung der Versicherten in
Höhe von 10 Mrd. Euro. Zu kritisieren sei ferner, dass die be-

Drucksache 16/11090 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

trächtlichen konjunkturell bedingten Einnahmerisiken wei-
terhin bei den Krankenkassen – und damit bei den Versicher-
ten – verblieben. Die Fraktion DIE LINKE. fordere
stattdessen die Einführung einer solidarischen Bürgerinnen-
und Bürgerversicherung, in die alle einen gleichen Prozent-
satz ihres gesamten Einkommens einzuzahlen haben. Der
Beitragssatz könne dadurch nachhaltig gesenkt werden. Der
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sei abzu-
lehnen. Zwar werde ihr Anliegen, den Gesundheitsfonds zu
stoppen, unterstützt. Allerdings befürworteten sie unter-
schiedliche Beitragssätze und eine verstärkte wettbewerb-
liche Ausrichtung der Kassen. Dies widerspreche einem so-
lidarischen Gesundheitssystem.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wies darauf
hin, dass die Koalition keine tragfähige Reform der Finan-
zierung der GKV zustande gebracht habe. Die Ablösung der
kassenindividuellen Beitragssätze durch einen staatlich fest-
gelegten Einheitsbeitrag mache die Beitragsfestsetzung zur
stetigen Quelle politischer Auseinandersetzungen. Die Ver-
einheitlichung der Kassenbeiträge würde in vielen Bundes-
ländern zu erheblichen Veränderungen der Beitragssätze
führen. Den entstehenden Verwerfungen im Gesundheitssys-
tem und auf den regionalen Arbeitsmärkten stünde kein
nachvollziehbarer Nutzen gegenüber. Der Zusatzbeitrag füh-
re – da nicht paritätisch finanziert – zu erheblichen Zusatz-
belastungen der Beitragszahler und sei darüber hinaus eine
Fehlkonstruktion. Die Koppelung von Zusatzbeitrag und
einprozentiger Überlastungsgrenze führe zu schweren Wett-
bewerbsverzerrungen zwischen den Kassen. Die Begren-
zung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs
auf 50 bis 80 Krankheiten setze für die Krankenkassen den
falschen Anreiz, keine Versorgungsangebote für Kranke zu
machen, die an einer nicht berücksichtigten Krankheit lei-
den.

Berlin, den 24. November 2008

Dr. Carola Reimann
Berichterstatterin

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