BT-Drucksache 16/11053

Hunger und Armut in Entwicklungsländern durch die Förderung von ländlicher Entwicklung nachhaltig bekämpfen

Vom 25. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11053
16. Wahlperiode 25. 11. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Wolf Bauer, Dr. Christian Ruck, Ingrid Fischbach, Hartwig
Fischer (Göttingen), Norbert Geis, Manfred Grund, Anette Hübinger, Jürgen Klimke,
Hartmut Koschyk, Sibylle Pfeiffer, Dr. Norbert Röttgen, Volker Kauder,
Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Gregor Amann, Elvira Drobinski-Weiß,
Detlef Dzembritzki, Gabriele Groneberg, Stephan Hilsberg, Iris Hoffmann (Wismar),
Dr. Bärbel Kofler, Walter Kolbow, Ute Kumpf, Lothar Mark, Thomas Oppermann,
Christel Riemann-Hanewinckel, Walter Riester, Frank Schwabe, Dr. Ditmar Staffelt,
Hedi Wegener, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Hunger und Armut in Entwicklungsländern durch die Förderung von ländlicher
Entwicklung nachhaltig bekämpfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Die Vernachlässigung der ländlichen Räume und Nahrungsmittelkrisen ge-
fährden das Millenniumsziel (MDG) einer Halbierung der Armut bis zum
Jahr 2015

Die Weltgemeinschaft hat sich in der Millenniumserklärung zum Ziel gesetzt,
die Armut und den Anteil der Hungernden weltweit bis 2015 zu halbieren. In
Entwicklungsländern leben trotz der gravierenden Landflucht sowie den daraus
resultierenden beeindruckenden Verstädterungsprozessen rund 80 Prozent der
Bevölkerung und ca. 75 Prozent der absolut Armen im ländlichen Raum. Defi-
zite in der Infrastruktur – Bildung, Gesundheit, Verkehr –, die Produktions-
schwäche in der Landwirtschaft und mangelnde wirtschaftliche Chancen außer-
halb der Landwirtschaft sind die Ursachen für Armut und Perspektivlosigkeit im
ländlichen Raum. Diese Situation ist verantwortlich für eine fortgesetzt zuneh-
mende Binnenmigration und grenzüberschreitende Migration aus vorwiegend
wirtschaftlichen Gründen. Trotz der damit gegebenen hohen Relevanz für Ent-
wicklungsmaßnahmen haben die meisten Entwicklungsländer und die internati-
onale Gebergemeinschaft in den letzten zehn Jahren die Investitionen in die
Infrastruktur ländlicher Räume und in die Landwirtschaft nicht erhöht, sondern
reduziert.
Die jüngste Nahrungsmittelkrise zeigt zwei Facetten: das Problem der Verfüg-
barkeit von Nahrungsmitteln und das Problem des Zugangs zu Nahrungsmitteln.
Die Weltnahrungsmittelproduktion pro Kopf ist in den vergangenen Jahren kon-
tinuierlich gestiegen. Die größten Wachstumsraten der Pro-Kopf-Produktion
verzeichneten China, Indien und der gesamte asiatische Raum. Die Weltland-
wirtschaft könnte neun Milliarden Menschen ausreichend ernähren. Die Nah-

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rungsmittelkrise ist also nicht in erster Linie eine Versorgungs-, sondern eine
Verteilungs- und Armutskrise.

Durch die gewaltigen Preissteigerungen wurde die Verfügbarkeit von kosten-
günstigen Nahrungsmitteln im vergangenen Jahr stark eingeschränkt. Die Orga-
nisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die
Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) gehen davon aus, dass die
Preise für Agrarprodukte künftig stärker schwanken werden als im Schnitt der
letzten zehn Jahre. Langfristig ist damit zu rechnen, dass das durchschnittliche
weltweite Preisniveau für Agrarprodukte aufgrund der unverändert hohen Nach-
frage höher sein wird als in den letzten Jahren. Diese Preissteigerungen treffen
besonders die Ärmsten der Armen. Es wird befürchtet, dass rund 100 Millionen
Menschen tiefer in die Armut abgleiten könnten. Die Mehrzahl der Kleinbauern
der Welt, die ungefähr 400 Millionen Betriebe mit weniger als zwei Hektar Land
pro Betrieb bewirtschaften, produzieren kaum Überschüsse. Selbst sie müssen
zeitweise sogar Nahrungsmittel für den Eigenbedarf zukaufen. Aufgrund des
hohen Anteils an absolut Armen ist das Problem des Zugangs zu Nahrungs-
mitteln im ländlichen Raum – so paradox dies klingen mag – am vordringlichs-
ten. Es bedarf einer differenzierten und auf die Ursachen dieser Krise abge-
stimmten Vorgehensweise, um der Nahrungsmittelkrise zu begegnen und die
Millenniumsziele zu erreichen.

Hunger ist nicht nur Folge, sondern auch eine Ursache von Armut. Die FAO
spricht von der „Hungerfalle“, die hungernden Menschen die Überwindung
ihrer Armut aus eigener Kraft unmöglich macht. Weltweit hungern inzwischen
wieder ca. 923 Millionen Menschen – davon die Mehrzahl in ländlichen Regio-
nen. Das Millenniumsziel (MDG) einer Halbierung der Armut bis zum Jahr
2015 liegt damit in weiter Ferne. Nach Informationen der aktuellen Weltbank-
Studie (Global Economic Prospects 2007) wird bei Fortschreibung der beste-
henden Trends die Zahl der extrem armen Menschen, die mit weniger als einem
US-Dollar pro Tag auskommen müssen, im Jahr 2015 immer noch bei 721 Mil-
lionen liegen. Besonders betroffen und gefährdet sind Kleinkinder, deren Unter-
versorgung in den ersten Monaten und Jahren lebenslange Folgen hat.

Die Weltbank warnte vor Unruhen und Instabilität in 36 Ländern aufgrund der
Preissteigerungen. Für viele Länder wird befürchtet, dass durch die gestiegenen
Nahrungsmittelpreise die Fortschritte der letzten fünf bis zehn Jahre beim ersten
Millenniumsentwicklungsziel, der Halbierung von Armut und Hunger, wieder
zunichte gemacht werden könnten. In dieser weltweiten, fundamentalen Ernäh-
rungskrise benötigen derzeit 37 Staaten Nahrungsmittelhilfe. Besonders besorg-
niserregend ist die Situation in Subsahara-Afrika: Dort ist die landwirtschaft-
liche Produktivität in den zurückliegenden Jahren kaum gestiegen. Inzwischen
müssen rund 30 Prozent der jährlich in Afrika konsumierten Nahrungsmittel im-
portiert werden – und das, obwohl zwischen 60 und 70 Prozent der afrikanischen
Bevölkerung in der Landwirtschaft arbeitet. Nach den bisherigen Trends werden
nur sechs von 42 Ländern die sog. Hunger-Millenniumsziele erreichen. Doch
nicht nur dort: Insgesamt gibt es 82 so genannte LIFDC (Low-Income Food-
Deficit Countries) in allen Regionen der Welt.

Ein Bündel von strukturellen Ursachen ist für den dramatischen Preisanstieg
verantwortlich: schlechte Regierungsführung (z. B. Politikversagen bei Land-
rechten, agrarpolitischen Produktionsanreizen in einigen Entwicklungsländern),
die stärkere Nachfrage durch veränderte Ernährungsgewohnheiten, die gestie-
gene Produktion von Biotreibstoffen, Marktverzerrungen durch Agrarsub-
ventionen, die Folgen des Klimawandels, gestiegene Ölpreise sowie Spekula-
tionen und das Bevölkerungswachstum. Weitere Gründe sind Naturkatastrophen
und Kriege oder Verarmung aufgrund von strukturellen Problemen, wie un-

gerechter Einkommensverteilung, hohen Auslandsschulden oder korrupten
Regierungen in Entwicklungsländern.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11053

2. Die strukturellen Ursachen unzureichender ländlicher Entwicklung müssen
durch die Entwicklungsländer und die internationale Gemeinschaft umfas-
send bekämpft werden

In den meisten Fällen wird es nicht gelingen, in Betrieben mit einer Fläche von
zwei Hektar nachhaltig die Subsistenz zu sichern, geschweige denn diese wirt-
schaftlich zu betreiben. Hinzu kommt, dass viele Menschen im ländlichen Raum
die Landwirtschaft nicht aus Gründen der Berufung oder der Passion, sondern
aus Mangel an Alternativen betreiben. Die Entwicklungspolitik steht somit vor
der Herausforderung, einerseits die vorhandenen kleinbäuerlichen Strukturen zu
stärken, andererseits aber auch zu einem sozial abgefederten notwendigen
Strukturwandel hin zu wirtschaftlicheren Betriebsgrößen beizutragen, ohne den
die Erhöhung der bäuerlichen Produktivität nicht möglich sein wird.

Unterernährung und Hunger sind nicht nur ein Problem der absolut produzierten
Nahrungsmittelmenge, sondern vorrangig eine Frage des Zugangs der Bevölke-
rung zu Nahrung. Daher muss einerseits auf lokaler Ebene das Angebot an Nah-
rungsmitteln steigen, andererseits muss auch der Zugang zu nicht selbst produ-
zierten Nahrungsmitteln durch zusätzliche Einkommen verbessert werden.
Dabei geht es vorrangig darum, im ländlichen Raum Einkommensperspektiven
außerhalb der Landwirtschaft und damit Alternativen zur Landwirtschaft aufzu-
bauen. Dazu müssen die dem Agrarsektor vor- und nachgelagerten Wirtschafts-
zweige und die Investitionen in die wirtschaftliche, materielle und soziale Infra-
struktur besondere Beachtung erfahren.

Die Produktivität der Landwirtschaft muss durch strukturelle und verbesserte
politische Rahmenbedingungen gestärkt werden. Ländliche Entwicklung muss
vor allem dazu beitragen, die Zugangsmöglichkeiten und -rechte zu produktiven
Ressourcen zu verbessern und die Funktion landwirtschaftlicher und außerland-
wirtschaftlicher Produkt- und Faktormärkte (Boden, Arbeit und Kapital) zu ver-
bessern.

Der fehlende bzw. unzureichende Zugang von Kleinbäuerinnen und Klein-
bauern zu den produktiven Ressourcen (Land, Wasser, Kredite, Betriebsmittel
sowie Agrarberatung bzw. – zu einer effizienten Verarbeitung und Vermarktung)
stellt ein großes Entwicklungshemmnis in vielen Ländern dar. Innerhalb der Ent-
wicklungsländer sind wiederum Frauen, die z. B. in Afrika 70 bis 90 Prozent der
Arbeitskräfte in der Landwirtschaft stellen, am stärksten betroffen. Ihre wirt-
schaftlichen Potenziale sind durch zahlreiche rechtliche, agrarpolitische und so-
ziokulturelle Hindernisse beschränkt. Hierzu zählen Hemmnisse beim Landzu-
gang, die Beeinträchtigungen im Erbrecht. In Afrika liegen mittlerweile die
landwirtschaftliche Produktion und die Ernährungssicherung weitgehend in
Frauenhand. Über 90 Prozent der Grundnahrungsmittel und über 30 Prozent der
Marktfrüchte werden von Frauen produziert. Die Förderung der ländlichen Ent-
wicklung und der Abbau geschlechtsspezifischer Benachteiligungen von Frauen
sind eng miteinander verknüpft. Der Abbau struktureller Benachteiligungen von
Frauen insbesondere in Afrika könnte zu einem signifikanten Wachstum der
landwirtschaftlichen Produktion beitragen.

Die Landwirtschaft sowie kleine und mittlere verarbeitende Unternehmen sind
die Schlüsselsektoren für die Entfaltung von Wirtschaftsdynamik in Entwick-
lungsländern. Neue Studien belegen, dass Steigerungen des Bruttonational-
produktes, die aus einem Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion resul-
tieren, besonders den armen Bevölkerungsschichten zugute kommen. Denn

● eine gesteigerte Produktion von Nahrungsmitteln verbessert die Eigenversor-
gung und das Angebot lokaler Märkte – gerade auch zu Preisen, die von den
Armen bezahlt werden können;
● die Schaffung von Arbeitsplätzen in den ländlichen Räumen reduziert die
Armut, steigert die Kaufkraft und wirkt der Landflucht entgegen;

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● neue Einkommensmöglichkeiten in- und außerhalb der Landwirtschaft eröff-
nen den Armen neue Perspektiven, aus eigener Kraft den Zugang zu Nahrung
zu erlangen.

Agrarforschung ermöglicht es, das weltweite Wissen über Landwirtschaft und
Ökosysteme zu erweitern. Dieser Aufgabe stellen sich internationale Agrarfor-
schungsinstitute, darunter die 15 internationalen Agrarforschungszentren, die
von der Consultative Group on International Agricultural Research (CGIAR)
gefördert werden. Die Bundesrepublik Deutschland ist Gründungsmitglied der
CGIAR.

In vielen Partnerländern des Südens sind Agrar- bzw. Bodenrechtsreformen we-
sentliche Hebel für ein agrargestütztes, breitenwirksames Wirtschaftswachstum.
Größtes Hindernis für marktwirtschaftlich orientierte Agrarreformen sind in der
Regel die Widerstände der nationalen Eliten. Daher sind nicht nur die Geber-
länder gefordert, auch die Regierungen der Entwicklungsländer stehen in der
Pflicht, ihre Landwirtschaft durch umfassende Raumordnungs- und Land-
nutzungspläne gezielt auf- und auszubauen. Ländliche Entwicklung bedarf
langfristiger Strategien, Programme und Umsetzungkapazitäten, um die jahr-
zehntelange Vernachlässigung des ländlichen Raumes zu überwinden. Hunger
zu besiegen bedeutet: in ländliche Infrastrukturen zu investieren, Bauern-
organisationen zu fördern, Zugang zu Land, Produktionsmitteln (Dünger, Saat-
gut, Kredite) und Know-how zu ermöglichen, die Weiterverarbeitung landwirt-
schaftlicher Erzeugnisse zu verbessern, das Transportwesen und die Lager-
haltung zu fördern. In vielen Krisenländern, die mit akuten Konflikten oder
Post-Konflikt-Problemen zu kämpfen haben, ist z. B. die Landfrage (fehlender
Zugang zu Land, keine Verrechtlichung von Landbesitz- oder Landnutzungs-
titeln oder ein schlecht funktionierendes Katasterwesen) eine der zentralen
Konfliktursachen. Jüngere Erfahrungen zeigen, dass Landreformen nur dann
Erfolgschancen besitzen, wenn sie durch eine angepasste Rechtsordnung legi-
timiert sind. Die Umsetzung von Landreformen muss auf rechtsstaatlichen Prin-
zipien basieren, in Leitlinien einer umfassenden Boden-, Agrar-, Struktur- und
Einkommenspolitik eingebettet sein und für die direkt Beteiligten in transparen-
ter und partizipativer Weise durchgeführt werden.

Die Vereinten Nationen betonen, dass eine an den Millenniumsentwicklungs-
zielen orientierte Entwicklungspolitik gleichermaßen auf drei Ziele ausgerichtet
werden muss: unmittelbare Armutsbekämpfung, Steigerung der produktiven
Potenziale der armen Bevölkerungsschichten und eine Stärkung der dynami-
schen Sektoren der Wirtschaft, die sich mit der „Ökonomie der Armen“ vernet-
zen müssen. Die MDGs können nur erreicht werden, wenn dieses integrative
Leitbild weiter verfolgt und entwicklungspolitisch im Rahmen der nationalen
Armutsbekämpfungsstrategien (PRS) unserer Partnerländer umgesetzt wird.

Im letzten Weltbankbericht „Agriculture for Development“ wird festgestellt,
dass man durch die Förderung der Landwirtschaft einen um den Faktor vier
höheren Entwicklungseffekt bei der Armutsbekämpfung hätte erzielen können,
als durch eine Förderung anderer Wirtschaftszweige. Dennoch ist die öffentliche
Entwicklungszusammenarbeit auf bi- und multilateraler Ebene im Bereich
Landwirtschaft von 25 Mrd. US-Dollar im Jahr 1986 auf ca. 12 Mrd. US-Dollar
im Jahr 2000 zurückgegangen. Die internationalen Geber geben inzwischen
mehr für Nahrungsmittelhilfe aus als für Investitionen in die Landwirtschaft.
Nur noch fünf Prozent der öffentlichen Entwicklungshilfe fließen in diesen
Sektor.

Deswegen wurde auf der letzten Frühjahrstagung der Weltbank zu Recht ein
„New Deal for Global Food Policy“ gefordert, der die Produktivität der Land-
wirtschaft in den Entwicklungsländern möglichst umgehend signifikant steigert.

Hierzu sollen die jährlichen Ausgaben der Weltbank für ländliche Entwicklung
von derzeit 450 Mio. US-Dollar zunächst auf 800 Mio. US-Dollar und bis 2011

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auf 1 Mrd. US-Dollar steigen. Auch die Entwicklungsländer müssten in ihre
nachhaltige ländliche Entwicklung investieren. Investitionen in die nachhaltige
Entwicklung angepasster bäuerlicher Strukturen und die Landwirtschaft haben
dabei höchste Priorität. Besonders zu begrüßen ist die Verpflichtung der afrika-
nischen Länder, mindestens zehn Prozent ihrer Haushalte in die Landwirtschaft
zu investieren.

Aber auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist aufgefordert, gegen-
zusteuern. Daher begrüßt der Deutsche Bundestag ausdrücklich den jüngst
vorgelegten Aktionsplan der Bundesregierung, durch den die Mittel für die in-
ternationale Nahrungsmittelhilfe um 23 Mio. Euro erhöht und durch Mittel-
umschichtung im Haushalt zusätzlich 500 Mio. Euro für Maßnahmen zur Förde-
rung der Nahrungsmittelsicherheit in den Entwicklungsländern bereitgestellt
werden. Damit werden die zu Beginn des Millenniums erfolgten Kürzungen für
diesen Sektor korrigiert.

3. Der Weltagrarhandel zwischen Norden und Süden muss fair ausgestaltet
werden

Die Ursachen von Unterernährung und Hunger sind auch außerhalb des agrari-
schen Bereichs zu suchen. So tragen auch vorschnelle Handelsliberalisierung
ohne Schutzmöglichkeiten und angemessene Übergangsfristen für heimische
Produzenten, einseitig zu Lasten der unteren Bevölkerungsschichten ausgerich-
tete Strukturanpassungsprogramme oder Finanzkrisen in unterschiedlichem
Maße zur Verarmung breiter Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern
bei. Subventionierte Nahrungsmittel der Industrienationen haben oftmals lokale
Agrarmärkte in Entwicklungsländern zerstört. Daher bedeuten faire Chancen für
Entwicklungsländer im internationalen Agrarhandel auch die Eröffnung von
Marktchancen durch Zollabbau, die Abschaffung von Exportsubventionen und
den Abbau handelsverzerrender interner Stützung in den Industrieländern. Die
von der EU nicht zuletzt auf Drängen der Bundesregierung beschlossenen
Reformen der gemeinsamen Agrarpolitik, insbesondere der Beschluss, Unter-
stützungsleistungen für eine nachhaltige europäische Landwirtschaft in Zukunft
zunehmend unabhängig von der Produktion zu zahlen und an besondere Leis-
tungen zu knüpfen, stellen einen Schritt in die richtige Richtung dar. Auch die
Absicht der EU, die allerdings immer geringer werdenden Exportsubventionen
für Agrarprodukte (EU-Haushaltsentwurf 2009: 300 Mio. Euro für die EU27)
bis 2013 schrittweise vollständig abzubauen, ist ausdrücklich zu begrüßen.
Auch die jüngsten Angebote in der WTO-Handelsrunde (WTO: Welthandels-
organisation), die – zwischenzeitlich ausgesetzten – Getreideeinfuhrzölle, die
die EU nunmehr wieder erhebt, unter bestimmten Voraussetzungen im Wege
einer allgemeinen Agrareinfuhrzollsenkung um 60 Prozent zu reduzieren, sind
ein wichtiger Schritt. Allerdings reicht dies nicht aus.

Nach wie vor förderten die OECD-Staaten im Jahr 2007 ihre landwirtschaftliche
Produktion mit Subventionen in Höhe von 187 Mrd. Euro. Subventionierte
Agrarexporte der Industrieländer wirken sich in den Partnerländern des Südens
dahingehend aus, dass durch Dumping die kleinbäuerlichen Märkte in ihrer Ent-
wicklung behindert werden. Umgekehrt stellen Zölle der Industrieländer für
Länder, die nicht unter die „Everything-but-arms-Initiative“ (EBA-Initiative)
fallen, häufig Handelsbarrieren dar, die kleine Produzenten vom Welthandel
ausschließen. Investitionen in Dienstleistungen und Infrastruktur für die Land-
wirtschaft sowie in ländlichen Räumen haben abgenommen, weil die Renta-
bilität landwirtschaftlicher Produktion in vielen Partnerländern des Südens
zurückgegangen ist. Ein Grund hierfür ist neben anderen Ursachen auch in den
marktverzerrenden Subventionen zu sehen.
Alle Beteiligten an den WTO-Verhandlungen haben ein übergeordnetes Inte-
resse daran, die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

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Die Verbesserung des Zugangs zu internationalen Märkten für Produkte aus
Entwicklungsländern ist effektive Entwicklungspolitik. In Bezug auf den von
der EU gewünschten freien Marktzugang in unsere Partnerländer ist darauf zu
achten, dass der jeweilige Entwicklungsstand berücksichtigt wird und ärmere
Entwicklungsländer angemessene Schutzmöglichkeiten für ihre Ernährungs-
sicherheit erhalten.

4. Die freiwilligen Leitlinien für das Recht auf Nahrung sind umzusetzen

Ein weiteres Element zur Bekämpfung von Armut und Hunger sind die freiwil-
ligen Leitlinien für das Recht auf Nahrung, die im November 2004 vom Rat der
FAO angenommen und inzwischen von 187 Staaten unterzeichnet worden sind.
Zur Verzahnung der freiwilligen Leitlinien mit anderen Strategien der Entwick-
lungszusammenarbeit für den ländlichen Raum ist eine Anwendung dieser Leit-
linien durch Entwicklungspolitiker und -praktiker von zentraler Bedeutung. Die
nationalen Regierungen werden in den Leitlinien aufgefordert, die von Hunger
betroffenen Bevölkerungsgruppen zu identifizieren und ihnen Zugang zu Nah-
rung zu gewähren. Dies können die Partnerländer des Südens, indem relevante
gesetzliche Regeln zum Schutz und zur Förderung dieser Gruppen gestärkt bzw.
entwickelt werden. Die Rahmenbedingungen in ländlichen Regionen und die
Fördermaßnahmen sind besonders auf diese Bevölkerungsgruppen auszurichten
und sollen darüber hinaus durch aussagekräftiges Monitoring der Ergebnisse
kontrolliert werden. Ein weiteres Kernelement der freiwilligen Leitlinien bilden
die Überwachungs- und Beschwerdemöglichkeiten, mit denen es möglich ist,
Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen. Dadurch wurde das Menschenrecht
auf Zugang zu Nahrung in einem rechtsgestützten Ansatz verankert. Im Kern
verlangen die Leitlinien den Staaten drei Grundverpflichtungen ab: den Zugang
zu Nahrung zu respektieren, zu schützen und zu gewährleisten. Dabei können
und müssen wir unsere Partnerländer unterstützen, ihnen aber auch klar ihre
eigene Verantwortung gegenüber der Bevölkerung vor Augen führen.

Erste Erfolge zeichnen sich schon ab: So hat Brasilien inzwischen eine aktive
Rolle auf dem südamerikanischen Kontinent übernommen und das Recht auf
Nahrung auch in der nationalen Gesetzgebung verankert. Angola, Laos,
Mosambik und Uganda haben Interesse gezeigt, die Leitlinien zu nutzen. Die
Nachhaltigkeit der Ansätze muss sich allerdings noch erweisen. Daher müssen
wir die Partnerländer vor allem darin unterstützen, die freiwilligen Leitlinien
zum Recht auf Nahrung bei der Erarbeitung von nationalen Armutsbekämp-
fungsstrategien zu berücksichtigen.

5. Der Einfluss des Klimawandels und des Nachfragebooms bei Biotreibstoffen
auf die Preiskrise auf den Weltagrarmärkten

Neben vielen nationalen Faktoren haben auch globale Entwicklungen einen ent-
scheidenden Einfluss auf die Produktivität ländlicher Räume:

– Der Klimawandel wird nach Prognosen des Weltklimarates bewirken, dass
die Agrarproduktion in vielen Teilen der Welt deutlich sinken wird – im süd-
lichen Afrika in den nächsten Jahren um voraussichtlich etwa 50 Prozent.
Gleichzeitig sind die Anpassungsmöglichkeiten an die Folgen des Klima-
wandels gerade bei der Bevölkerung in Subsahara-Afrika sehr gering.

– Aufgrund des Klimawandels ist mit unregelmäßigen Niederschlägen und in
vielen Regionen mit einer Verknappung der Wasserressourcen zu rechnen.
Der zunehmende Konkurrenzdruck um die verbleibenden Wasserressourcen,
zum Beispiel zur Versorgung der Megastädte, wird auch negative Auswir-
kungen auf die Fläche und die Produktivität der Bewässerungslandwirtschaft
haben.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/11053

– Die in vielen Ländern seit Jahren zu beobachtenden Desertifikationsprozesse
werden durch die Auswirkungen des Klimawandels weiter verstärkt. Dies
bedeutet einen weiteren Verlust der Bodenfruchtbarkeit und damit der Pro-
duktivität ländlicher Räume.

– Die Nachfrage nach veredelten Nahrungsmitteln und damit indirekt nach Ge-
treide und Ölsaaten als Futtermittel steigt in vielen Schwellenländern wie
China und Indien drastisch an. China wird somit in zunehmendem Umfang
zum Importeur von Nahrungs- und Futtermitteln.

Falls diese Prognosen zutreffen, gehen die Jahrzehnte der Nahrungsüberschüsse
zu Ende. Der aktuelle Preisanstieg bei Nahrungsmitteln wäre damit kein kurz-
fristiges Phänomen, sondern eher eine Trendwende.

Eine weitere Ursache des Preisanstiegs bei Nahrungsmitteln ist die zunehmende
Nachfrage nach Biotreibstoffen. Biotreibstoffe stellen einen neuen Abnehmer-
markt für Getreide, Rohrzucker und Ölfrüchte dar und erhöhen den Konkurrenz-
druck um Anbauflächen. Immer mehr Agrargüter werden zu Treibstoffen statt
zu Nahrungsmitteln verarbeitet. Der Preiseffekt der Biokraftstoffe wird von
verschiedenen Studien in einer Bandbreite zwischen zwei und 35 Prozent ange-
setzt.

Aufgrund der ambitionierten Biomassepolitik der EU und der Bundesrepublik
Deutschland ist mit einer deutlichen Ausweitung der Biomasseimporte – vor
allem im Ölsaatenbereich – aus Schwellen- und Entwicklungsländern zu rech-
nen. Ein zunehmender Export von Biotreibstoffen kann in diesen Ländern ein
Defizit im binnenländischen Lebensmittelsektor erzeugen, das oftmals nur
durch Erschließung neuer Anbauflächen kompensiert werden kann. Dies kann
sinnvoll auf degradierten und brachliegenden Flächen geschehen. Vielerorts
führt die verstärkte Nachfrage nach Biotreibstoffen aber entweder direkt oder in-
direkt zur Zerstörung tropischer Regenwälder und anderer Naturräume, die für
die Stabilisierung des Klimas von entscheidender Bedeutung sind. Deshalb hat
die Festlegung von Zertifizierungskritierien für den nachhaltigen Anbau von
Rohstoffen für die Produktion biogener Energieträger allerhöchste Priorität.

Gleichzeitig können das gestiegene Agrarpreisniveau insgesamt und der Anbau
von Biotreibstoffen für ländliche Gebiete im Besonderen – auch in Schwellen-
und Entwicklungsländern – eine Chance sein, wenn dem Handel mit Biotreib-
stoffen ein international verbindliches Regelwerk mit anspruchsvollen ökologi-
schen und sozialen Standards zu Grunde liegt und die ländliche Bevölkerung an
der Wertschöpfung aus dem Biotreibstoffhandel direkt partizipieren kann.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass

– die Bundesregierung ein ressortübergreifendes Aktionsprogramm 2015 zur
Armutsbekämpfung entwickelt hat, damit einen aktiven Beitrag zur Halbie-
rung der extremen Armut leistet, Agrarreformen unterstützt und die Verwirk-
lichung des Rechts auf Nahrung fördert;

– die Bundesregierung zur Bewältigung der Hungerkrise zusätzlich zum jähr-
lichen Beitrag von 23 Mio. Euro im März 2008 drei Mio. Euro und Mitte
April weitere zehn Mio. Euro zur Verfügung gestellt hat und kurzfristig eine
Strategie zur weltweiten Hungerbekämpfung entwickeln will;

– das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung (BMZ) mit dem „Pakt für Ernährungssicherung“ einen Neun-Punkte-
Plan zum weiteren Vorgehen der Weltgemeinschaft gegen die Nahrungsmit-
telkrise vorgelegt hat;

– die Bundesregierung im Bereich der ländlichen Entwicklung einen multisek-

toralen Strategieansatz zur Armutsbekämpfung in ländlichen Regionen ver-

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folgt, der eine eigenständig getragene und nachhaltig wirksame Verbesserung
der Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung in den Partnerländern
anstrebt. Dem ganzheitlichen Ansatz des Konzeptes ländliche Entwicklung
entsprechend werden sektorübergreifende Maßnahmen aus einer Vielzahl
relevanter Politikbereiche wie Landwirtschaft, Umwelt, Gesundheit und Bil-
dung bis hin zu Handel, Handwerk und Gewerbe integriert;

– die Bundesregierung die Verabschiedung der freiwilligen Leitlinien zum
Recht auf Nahrung vorangetrieben hat;

– Deutschland sich an der Erarbeitung eines EU-Richtlinienpapiers aktiv betei-
ligt hat, das als Richtschnur für die Förderung von Land- und Bodenreform-
prozessen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit dient;

– die Bundesregierung die Paris-Agenda zur Geberharmonisierung aktiv um-
setzt und mit der „Globalen Geber-Plattform für ländliche Entwicklung“
(Global Donor Platform for Rural Development) ein neues Instrument der in-
ternationalen Entwicklungszusammenarbeit für insgesamt 31 bi- und multi-
laterale Geberorganisationen geschaffen hat. Ziel der Geber-Plattform ist
eine Vernetzung der für ländliche Entwicklung und Landwirtschaft zuständi-
gen Stellen der Geber und ein koordinierter Dialog mit den Partnerländern.
Gemeinsame Ansätze und Strategien wie das „Gemeinsame Geberkonzept
für Ländliche Entwicklung“ (Joint Donor Concept for Rural Development),
die „Gemeinsamen Plattform-Strategiepapiere“ (Platform Policy Briefs) und
der momentan entstehende „Gemeinsame Prinzipienkatalog“ (Joint Princip-
les) spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle;

– die Bundesregierung der Förderung der Produktivität kleinbäuerlicher Land-
wirtschaft unter anderem durch sozial abgefederten Strukturwandel besonde-
ren Stellenwert einräumt;

– die Bundesregierung sich in den vergangenen Jahren dafür eingesetzt hat,
dass die Weltbank wieder einen höheren Anteil ihrer Mittel für die ländliche
Entwicklung einsetzt;

– Deutschland die Umsetzung des Gender Action Plan der Weltbank „Gender
Equality as Smart Economics“ aktiv unterstützt;

– Deutschland einen Arbeitskreis Welternährung gegründet hat, in dem poli-
tische Prozesse und Entscheidungen unter den vielfältigen Akteuren im
Förderbereich der ländlichen Entwicklung abgestimmt werden;

– die Bundesregierung die Nettoausgaben für ländliche Entwicklung von 382,3
Mio. Euro im Jahr 2005 auf 576,8 Mio. Euro im Jahr 2006 erhöht hat und im
Jahr 2008 über verschiedene Instrumente insgesamt 600 Mio. Euro allein für
die Ernährungssicherung neu investiert;

– Deutschland sich im Rahmen der WTO-Verhandlungen dafür einsetzt, dass
Entwicklungsländer einen besonderen Schutz für ihre Landwirtschaft im
Rahmen spezieller Schutzklauseln entwickeln können.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. im Bereich des internationalen Agrarhandels, der Agrarforschung und der
Finanzierung ländlicher Entwicklung auf internationaler Ebene:

– weiterhin ihren Einfluss geltend zu machen, dass die WTO-Verhandlungen
mit einem entwicklungsorientierten Abkommen abgeschlossen werden, das
die bisher in Hongkong erreichten Ergebnisse sichert und die Umsetzung der
Vereinbarungen von Doha anstrebt;

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– sich weiter für eine Abschaffung von marktverzerrenden Agrarsubventionen
in den Industrieländern einzusetzen, damit die Produzenten in den Entwick-
lungsländern nicht weiter durch Agrardumping geschädigt werden;

– darauf hinzuwirken, dass bei den weiteren WTO-Konsultationen die Ernäh-
rungssicherung in unseren Partnerländern im Rahmen der Agrarabkommen
berücksichtigt wird;

– bei Handelskonsultationen und -verhandlungen dafür Sorge zu tragen, dass
über den Kreis der durch die EBA-Initiative begünstigten ärmeren Entwick-
lungsländer hinaus auch für fortgeschrittene Entwicklungsländer tragfähige
Lösungen erarbeitet werden, die eine Ausweitung der Marktöffnung für
Agrarprodukte zur Folge haben, sofern diese unter ökologisch und sozial
akzeptablen Bedingungen produziert werden;

– bei der EU-Kommission innerhalb der bestehenden Instrumente der Entwick-
lungszusammenarbeit darauf hinzuwirken, dass die Mittel für Ernährungs-
sicherung, Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowohl für die kurz-
fristig notwendigen als auch für die langfristigen strukturellen Maßnahmen
deutlich aufgestockt werden;

– sich gegenüber privaten Akteuren der Agrarforschung dafür zu verwenden,
dass Forschungsinteressen der Partnerländer des Südens verstärkt Berück-
sichtigung finden;

– sich weiterhin dafür einzusetzen, dass der Internationale Fonds für landwirt-
schaftliche Entwicklung seine Rolle als zentrale Institution zur Bekämpfung
der ländlichen Armut ausbaut;

– ihren Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass die FAO sich konse-
quent auf eine effiziente Ausübung ihres Mandates konzentriert, um ihre
Rolle im Rahmen der Hungerbekämpfung und der Förderung der Landwirt-
schaft umfassend wahrnehmen zu können;

– darauf hinzuwirken, dass Strategien der ländlichen Entwicklung und der
Ernährungssicherung in den Armutsbekämpfungsstrategien unserer Partner-
länder (PRS) einen höheren Stellenwert erhalten;

2. im Rahmen der multi- und bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zur För-
derung der ländlichen Entwicklung:

– die ländliche Entwicklung zu einem Schwerpunkt der deutschen Entwick-
lungszusammenarbeit zu machen und ein ressortübergreifendes Konzept vor-
zulegen;

– in den kommenden Haushaltsjahren das deutsche Engagement im Bereich
der ländlichen Entwicklung und Ernährungssicherung in unseren Partner-
ländern zur nachhaltigen Bekämpfung des Hungers weiterhin fortzusetzen;

– sich gegenüber den UN-Institutionen, der Weltbank, den regionalen Entwick-
lungsbanken und der EU dafür einzusetzen, dass der vorgeschlagene „New
Deal for Global Food Policy“ umgehend in Angriff genommen und damit
so ausgestaltet wird, dass sich dessen Mehrwert in der effektiven Nutzung
und Optimierung bereits bestehender Strukturen und Mechanismen wider-
spiegelt;

– eine intensivere regionale Marktintegration innerhalb Afrikas verstärkt zu
unterstützen. Regionaler Marktintegration wird ein größeres Wachstums-
potenzial zugeschrieben als der Exportorientierung auf die europäischen
Märkte. Dies gilt auch für die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Sie ist ein
Kernelement der Landwirtschaftsstrategie der African Union (CAADP

– Comprehensive African Agricultural Development Programme) innerhalb

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des NEPAD-Programms (NEPAD – Neue Partnerschaft für Afrikas Entwick-
lung);

– demokratische Agrar- und Bodenreformen in Entwicklungsländern verstärkt
zu unterstützen, indem sie im Politikdialog mit Regierungen der Partnerlän-
der für derartige Reformen eintritt und in der multilateralen Entwicklungs-
zusammenarbeit die Abstimmung und Verabschiedung freiwilliger Leitlinien
zu Bodenpolitik, Landrechten und nachhaltiger Landnutzung vorantreibt.
Insbesondere sind im Rahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit
die Förderung demokratischer Landverfassungsreformen, sozial verträg-
licher Landverteilung und die rechtliche Sicherung des Landzugangs oder
- eigentums – insbesondere für Frauen – sowie die Förderung effizienter
Katasterwesen durch finanzielle Unterstützung und Beratungsmaßnahmen
auszubauen;

– Förderstrategien der ländlichen Entwicklung zu unterstützen, die besonders
auf kleinbäuerliche Produzenten in benachteiligten Regionen ausgerichtet
sind, z. B. durch den Einsatz von Mikrokrediten;

– sich in enger Zusammenarbeit mit Unternehmen und der Zivilgesellschaft
dafür einzusetzen, dass die Entwicklungspartnerschaften mit der Privat-
wirtschaft verstärkt auf die Förderung der ländlichen Entwicklung ausgerich-
tet werden;

– die Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Produktionsformen voran-
zutreiben. Der Stärkung einer standortgerechten Landwirtschaft in den Ent-
wicklungsländern und weltweit mit ihren Potenzialen zur Verbesserung der
Welternährungssituation sollte dabei besondere Aufmerksamkeit gelten. Als
Grundlage muss in diesem Zusammenhang eine angepasste Landnutzungs-
planung dienen, die mögliche Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungsmittel-
produktion, CO2-Senken und anderen Nutzungsformen identifiziert bzw.
ausschließt sowie Risiken von Landverlusten und Degradierungsprozessen
durch unangemessenes Landmanagement minimiert. Der dazu nötige Kapa-
zitätsaufbau in den Partnerländern ist zu unterstützen;

– die Agrarforschung nachhaltig zu fördern, die Potenziale der modernen Bio-
technologie zu prüfen und die Chancen und Risiken der Forschungsergeb-
nisse mit den Partnerländern zu diskutieren;

– sich bei der Unterstützung von ländlicher Entwicklung auf Förderansätze zu
konzentrieren, die einen besonderen Beitrag für den Erhalt der Biodiversität
und der Agrobiodiversität im ländlichen Raum leisten;

– bei der Ausgestaltung von Strategien zur ländlichen Entwicklung darauf zu
achten, dass ein nachhaltiger Schutz von Umwelt- und natürlichen Ressour-
cen, insbesondere Boden, Wasser und Tropen- bzw. Regenwald verankert
wird und Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bzw. Minde-
rungsstrategien für den Ausstoß von Treibhausgasen integriert werden;

– im Rahmen der Förderstrategien der besonderen Stellung der Frauen bei der
Sicherung der Ernährung gerecht zu werden und den Zugang von Frauen zu
Land und zu Mikrokrediten in besonderer Weise zu fördern;

– den Import von landwirtschaftlichen Fairtrade-Produkten aus unseren Part-
nerländern weiter zu unterstützen;

– ländliche Entwicklung als zusätzlichen Förderschwerpunkt in die regionalen
Konzepte des BMZ aufzunehmen und diesem im Afrikakonzept eine beson-
dere Schlüsselfunktion zuzuweisen;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 11 – Drucksache 16/11053

3. mit Bezug auf die Umsetzung der Leitlinien zum Recht auf Nahrung:

– sich dafür einzusetzen, dass auf europäischer Ebene sowie in den internatio-
nalen Finanzinstitutionen Internationaler Währungsfonds, Weltbank und den
regionalen Entwicklungsbanken sowie der WTO der Berücksichtigung des
Rechts auf Nahrung verbesserte Geltung verschafft wird;

– sich gegenüber unseren Partnerländern dafür einzusetzen, dass die Integra-
tion der Leitlinien in vorhandene Armutsbekämpfungsstrategien (PRS) vor-
angetrieben wird. Auf diese Weise können Menschenrechtsaspekte stärker in
PRS-Prozesse integriert werden;

– sich bei den Verhandlungen über die Nahrungsmittelhilfekonvention dafür
einzusetzen, dass die Forderungen im Antrag „Für eine neue, effektive und
an den Bedürfnissen der Hungernden ausgerichtete Nahrungsmittelkonven-
tion“ (Bundestagsdrucksache 16/8192) und damit einhergehend das Recht
auf Nahrung Berücksichtigung finden;

– darauf hinzuwirken, dass die Verknüpfung zwischen der Konvention und
dem Haushaltstitel der entwicklungsorientierten Nahrungsmittel- und Not-
hilfe aufgegeben wird, um die Unterstützung langfristiger Förderansätze zu
erweitern;

– insgesamt darauf hinzuwirken, dass die Nahrungsmittelversorgung wieder
verstärkt mit regionalen Ansätzen gewährleistet wird;

4. im Hinblick auf die Anpassung an die Folgen des Klimawandels in unseren
Partnerländern:

– sich durch zukunftsfähige Klima- und Landwirtschaftspolitik und die Umset-
zung von konkreten Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit für eine
Reduzierung des 15-prozentigen Anteils der Landwirtschaft an den globalen
Treibhausgasemissionen einzusetzen;

– die Anpassung landwirtschaftlicher Systeme in unseren Partnerländern an die
Folgen des Klimawandels durch Forschung und Umsetzung von konkreten
Programmen der Entwicklungszusammenarbeit zu unterstützen;

– den Ausbau des Potenzials der Landwirtschaft für Umweltdienstleistungen
zu fördern, um dadurch einen positiven Beitrag zur Bindung von Treibhaus-
gasemissionen zu leisten und den ländlichen Produktionssystemen eine Ein-
bindung in die internationalen Kohlenstoffmärkte zu ermöglichen;

– Anreize zu schaffen, um bei allen Entwicklungsschritten von Beginn an die
Bodenfruchtbarkeit und die Sicherung der Biodiversität zu gewährleisten;

5. in Bezug auf die Biotreibstoffproduktion:

– sich dafür einzusetzen, dass die deutsche und europäische Rechtssetzung zu
Biotreibstoffen durch die Festlegung von ökologischen und sozialen Nach-
haltigkeitskriterien und damit verträglichen Biokraftstoffquoten im Sinne
einer Risikominimierung gestaltet wird. Insbesondere ist sicherzustellen,
dass die Biotreibstoffproduktion die Ernährungssicherheit nicht gefährdet;

– auf internationaler Ebene einen Prozess zur Zertifizierung und Kontrolle der
Produktion von Biotreibstoffen auf der Grundlage ökologischer und sozialer
Standards anzustoßen, um umweltschädigende und menschenunwürdige
Produktion von Biotreibstoffen und anderen landwirtschaftlichen Produkten
in den Erzeugerländern zu unterbinden;

– die Förderung zwischenstaatlicher Abkommen über die Nutzung nachhaltig
hergestellter Biotreibstoffe anzustreben;

Drucksache 16/11053 – 12 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
– Partnerländer bei der Umsetzung nationaler Ernährungssicherungs- und Bio-
massestrategien zu beraten, die dem jeweiligen nationalen Potenzial ange-
messen und in ein Gesamtkonzept der ländlichen Entwicklung integriert sind.

Berlin, den 25. November 2008

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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