BT-Drucksache 16/11013

Rechtliche Bewertung des Staatsvertrags über eine Feste Fehmarnbeltquerung - Hinterlandanbindungen in Deutschland

Vom 20. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/11013
16. Wahlperiode 20. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Lutz Heilmann, Eva Bulling-Schröter, Hans-Kurt Hill,
Dorothee Menzner und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtliche Bewertung des Staatsvertrags über eine Feste Fehmarnbeltquerung –
Hinterlandanbindungen in Deutschland

Im am 3. September 2008 von Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung, Wolfgang Tiefensee, und seiner dänischen Amtskollegin Carina
Christensen unterzeichneten Staatsvertrag über eine Feste Fehmarnbeltquerung
heißt es in Artikel 5 Abs. 2: „Die Straßenverbindung auf der bestehenden Feh-
marnsundbrücke soll zweistreifig bleiben“, und ferner: „Die Schienenstrecke
über die Fehmarnsundbrücke soll eingleisig bleiben.“

Während also die Fehmarnsundbrücke in ihrer bestehenden Form erhalten blei-
ben soll, sollen die vor- und nachgelagerten Schienen- und Straßenverbindungen
ausgebaut werden. So heißt es ebenfalls in Artikel 5 Abs. 2: „Der Ausbau der
Straßenverbindung E 47 zwischen Heiligenhafen (Ost) und Puttgarden in der
Bundesrepublik Deutschland zu einer vierstreifigen Bundesstraße soll spätes-
tens bis zur Eröffnung der Festen Fehmarnbeltquerung abgeschlossen sein.“
Ferner heißt es dort: „Der Ausbau der Schienenstrecke zwischen Bad Schwartau
und Puttgarden zu einer zweigleisigen elektrifizierten Schienenstrecke soll spä-
testens sieben Jahre nach der Eröffnung der Festen Fehmarnbeltquerung be-
triebsbereit sein.“

Spätestens zur Eröffnung der Festen Fehmarnbeltquerung würde die Fehmarn-
sundbrücke also für die Straßenverbindung einen Engpass darstellen. Sieben
Jahre nach der Eröffnung mit dem dann vorgesehenen Abschluss des durch-
gehenden zweigleisigen Ausbaus der Schienenverbindung bis Puttgarden würde
die Fehmarnsundbrücke auch bei der Schienenverbindung einen Engpass dar-
stellen.

Einschränkend ist allerdings festzuhalten, dass diese Festlegungen im Staatsver-
trag durch die Formulierung „soll“ rechtlich nur als so genannte Kann-Bestim-
mungen anzusehen sind. Diese sind deswegen in Zusammenhang mit Artikel 5
Abs. 4 zu sehen, wo es heißt: „Die Vertragsstaaten unternehmen alles in ihrer
Macht Stehende, um das Projekt gemäß den Annahmen zu verwirklichen. Soll-
ten die Voraussetzungen für das Projekt oder für Teile des Projekts sich deutlich
anders entwickeln als angenommen und anders, als es zum Zeitpunkt des Ab-

schlusses des Vertrags bekannt ist, werden die Vertragsstaaten die Lage aufs
Neue erörtern. Dies gilt unter anderem für wesentliche Kostensteigerungen in
Zusammenhang mit den Hinterlandanbindungen. Dabei soll ein bedarfsgerech-
ter Ausbau der Schienenhinterlandanbindung sichergestellt werden.“

Satz 1 und 2 sind wortgleich mit Artikel 22 Abs. 2 Satz 1 und 2. Der anschlie-
ßende Satz 3 dort lautet: „Dies gilt unter anderem für wesentliche Kostensteige-
rungen im Zusammenhang mit dem Projekt.“ Artikel 22 gilt anders als Artikel 5

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nicht nur für die Hinterlandanbindungen, sondern für das gesamte Projekt. Der
Staatsvertrag soll im Jahr 2009 von der Bundesrepublik Deutschland und Däne-
mark ratifiziert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft die Annahme zu, dass die Formulierung „soll“ in Artikel 5 Abs. 2
(völker)rechtlich nicht bindend ist (Begründung)?

2. Welche rechtliche Bedeutung haben Artikel 5 Abs. 4 Satz 2 und Artikel 22
Abs. 2 Satz 2 genau?

3. Was genau bedeutet in Artikel 5 Abs. 4 Satz 2 und Artikel 22 Abs. 2 Satz 2
die Formulierung, „werden die Vertragsstaaten die Lage aufs Neue erör-
tern“?

4. Was sind die „Teile des Projekts“ im Sinne von Artikel 5 Abs. 4 Satz 2 und
Artikel 22 Abs. 2 Satz 2?

5. Was ist in Artikel 5 Abs. 4 Satz 2 und Artikel 22 Abs. 2 Satz 2 jeweils mit
„Annahmen“ gemeint?

a) Welche „Annahmen“ bezogen auf was sind Grundlage des Staatsvertra-
ges für das „Projekt“ und „für Teile des Projekts“?

b) Welchen Annahmen bezüglich der Baukosten, einerseits der Hinter-
landanbindungen in der Bundesrepublik Deutschland, andererseits der
anderen Teile des Projekts, sind „Grundlage des Staatsvertrages“?

c) Welchen Annahmen bezüglich der Verkehrsbelastungen auf den Ver-
kehrsträgern Schiene und Straße sowie den verschiedenen Teilen des
Projekts sind Grundlage des Staatsvertrages?

d) Sind auch Annahmen bezüglich der Mittelbereitstellung durch die EU
Grundlage des Staatsvertrages, und wenn ja, welche?

6. Was gilt im Sinne von Artikel 5 Abs. 4 Satz 2 und Artikel 22 Abs. 2 Satz 2
für das „Projekt“ und „für Teile des Projekts“ als „bekannt“?

a) Bezieht sich dies auch auf die Baukosten?

b) Bezieht sich dies auch auf die Verkehrsbelastung?

7. Welche „Voraussetzungen für das Projekt oder für Teile des Projekts“ sind
mit Artikel 5 Abs. 4 Satz 2 neben den in Satz 3 genannten „wesentlichen
Kostensteigerungen“ noch gemeint?

8. Was bedeutet jeweils „deutlich anders entwickeln“ in Artikel 5 Abs. 4 Satz 2
und Artikel 22 Abs. 2 Satz 2 für das Projekt und Teile des Projekts, unter
Berücksichtigung der Annahmen, des Bekannten, und den Voraussetzungen?

9. In welcher Höhe bzw. bei welcher Summe würden sich nach Auffassung der
Bundesregierung bei einer Kostensteigerung der Hinterlandanbindungen
„die Voraussetzungen für das Projekt oder für Teile des Projekts … deutlich
anders entwickeln als angenommen“?

10. Binden die Aussagen in Artikel 5 Abs. 4 Satz 1 und Artikel 22 Abs. 2 Satz 1,
die „Vertragsstaaten unternehmen alles in ihrer Macht Stehende“ nur die
Bundesregierung, oder würde dies auch zu einer Verpflichtung des Deut-
schen Bundestages und/oder des Bundesrates führen?

11. Würde die Nicht-Bewilligung von Haushaltsmitteln des Bundes durch den
Deutschen Bundestag eine schuldhafte Unterlassung im Sinne von Artikel 5
Abs. 4 Satz 1 und Artikel 22 Abs. 2 Satz 1 bedeuten (Begründung)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/11013

12. Welche Konsequenzen hätte es, wenn die Bundesrepublik Deutschland die
Hinterlandanbindungen nicht, oder nur teilweise, so ausbaut, wie es in Ar-
tikel 5 Abs. 2 des Staatsvertrages festgelegt ist?

a) Hätte Dänemark rechtliche Möglichkeiten, die Bundesrepublik Deutsch-
land zum Ausbau dieser Verbindungen zu verpflichten (Begründung?)

b) Müsste die Bundesregierung nachweisen, dass sie alles in ihrer Macht
stehende unternommen habe?

c) In welcher Form könnte die Bundesrepublik Deutschland dies nach-
weisen?

d) Würde dann Artikel 5 Abs. 4 zur Anwendung kommen?

13. Stünde es im Einklang mit dem Staatsvertrag, wenn die Bundesregierung
die Fehmarnsund-Querung doch ausbauen würde, so dass z. B. die Schie-
nenstrecke zwei- statt eingleisig und sie vier statt zwei Fahrspuren für Pkw
hätte?

14. Hat Dänemark gegenüber der Bundesregierung den Wunsch geäußert oder
in irgendeiner Weise versucht darauf hinzuwirken, dass die Bundesrepublik
Deutschland die Verbindung über den Fehmarnsund ausbaut?

15. Warum will die Bundesregierung die Fehmarnsundbrücke nach derzeitigem
Stand nicht ausbauen, obwohl die Schienenverbindung auf beiden Seiten
der Brücke zweigleisig werden soll, und die Straßenverbindung jeweils
vierspurig werden soll?

16. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass ein Ausbau der Fehmarnsund-
brücke angesichts der Verkehrsprognosen für die Feste Fehmarnbeltque-
rung nicht nötig ist?

17. Wie hoch war in den Jahren 2006 und 2007 die Verkehrsbelastung der
Fehmarnsundbrücke (Angaben bitte unterteilt nach Schiene und Straße, für
Straße nach Pkw und Lkw, sowie Tag, Monat und Jahr)?

18. Bei welcher Verkehrsbelastung würde die Fehmarnsundbrücke an ihre
Kapazitätsgrenze gelangen (Angaben bitte unterteilt nach Schiene und
Straße, Tag und Jahr)?

19. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Verkehrsbelastung der
Fehmarnsundbrücke im Straßenverkehr dauerhaft über der der Festen
Fehmarnbeltquerung liegen dürfte, da die Fehmarnsundbrücke zusätzlich
zum Transitverkehr auch den Verkehr zwischen Fehmarn und dem Festland
bewältigen muss?

20. Würde die Bundesregierung die in Artikel 2 Abs. 2 genannten Ausbauten
auch dann realisieren, wenn es entgegen der Planungen aufgrund von Kos-
tensteigerungen oder anderer zukünftiger Entwicklungen nicht zur Realisie-
rung einer Festen Fehmarnbeltquerung kommen sollte, oder sieht sie dafür
keinen Bedarf?

21. Sieht die Bundesregierung die in Artikel 2 Abs. 2 genannten Ausbauvorha-
ben ausschließlich im Zusammenhang mit dem geplanten Bau einer Festen
Fehmarnbeltquerung?

22. Gibt es aktuelle Verkehrsprognosen für die Feste Fehmarnbeltquerung für
das Jahr 2018, in dem diese nun eröffnet werden soll?

Wenn nein, warum nicht, und wann werden neue Verkehrsprognosen er-
stellt?

Wenn ja, wie hoch soll im Jahr der geplanten Eröffnung 2018 die Verkehrs-

belastung sein (Angaben bitte unterteilt nach Schiene und Straße, für Straße
nach Pkw und Lkw, sowie Tag, Monat und Jahr)?

Drucksache 16/11013 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
23. Was sind nach Auffassung der Bundesregierung „Voraussetzungen für das
Projekt oder für Teile des Projektes“ nach Artikel 22 Abs. 2 Satz 2, zusätz-
lich zu den in Satz 3 genannten „wesentlichen Kostensteigerungen“?

24. In welcher Höhe bzw. ab welcher Summe würden sich bei einer Kostenstei-
gerung der Festen Fehmarnbeltquerung nach Auffassung der Bundesregie-
rung „die Voraussetzungen für das Projekt oder für Teile des Projektes sich
deutlich anders entwickeln als angenommen“ (Artikel 22 Abs. 2 Satz 2)?

25. Auf welchen Preisständen basieren die Kostenschätzungen,

a) für die Hinterlandanbindungen in der Bundesrepublik Deutschland?

b) für die Feste Fehmarnbeltquerung?

26. Bei Unterschreiten welcher Verkehrsbelastung würden sich – wenn neue
Verkehrsprognosen eine niedrigere Verkehrsbelastung ermitteln sollten –
„die Voraussetzungen für das Projekt oder für Teile des Projektes deutlich
anders entwickeln als angenommen“ (Artikel 22 Abs. 2 Satz 2)?

27. Ist die prognostizierte Verkehrsbelastung für die Bundesregierung ein maß-
gebliches Kriterium für die Realisierung der Festen Fehmarnbeltquerung?

Berlin, den 17. November 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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