BT-Drucksache 16/10953

Anreizregulierung und Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung im Bereich der Schiene

Vom 13. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10953
16. Wahlperiode 13. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, Peter
Hettlich, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Undine
Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Anreizregulierung und Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung
im Bereich der Schiene

Die Bundesnetzagentur hat im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung (BMVBS) einen Vorschlag zur Einführung einer Anreiz-
regulierung im Eisenbahnsektor entwickelt, mit dem Ziel im Bereich der Infra-
struktur ökonomische Anreize zu effizientem Wirtschaften zu schaffen. Den
ordnungspolitischen Rahmen dafür setzt die EU-Richtlinie 2001/14/EG durch
Artikel 6 Abs. 2.

Den Abschlussbericht zur Anreizregulierung hat die Bundesnetzagentur im Mai
2008 vorgelegt. Bundesrat, Verbände und die Deutsche Bahn AG (DB AG)
haben dazu Stellung genommen. Eine Äußerung der Bundesregierung steht
noch aus.

Im Zusammenspiel mit dem Instrument der Leistungs- und Finanzierungs-
vereinbarung (LuFV) ist die Anreizregulierung ein zentrales Element der Regu-
lierung des Eisenbahnsektors. Durch die Verknüpfung dieser beiden Instrumente
soll sichergestellt werden, dass die vom Bund gemäß LuFV bereitgestellten Mit-
tel für die Instandhaltung des Netzes und Ersatzinvestitionen effizient eingesetzt
werden.

Damit die von der Bundesnetzagentur vorgeschlagene Anreizregulierung einge-
führt werden kann, bedarf es gesetzlicher Grundlagen. Zudem sind weitere Maß-
nahmen zur Stärkung der Regulierungsbehörde zur Durchsetzung ihrer Informa-
tionsrechte gegenüber den Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) nötig, um
die Effizienz der Regulierung zu erhöhen und den diskriminierungsfreien
Zugang zur Eisenbahninfrastruktur zu gewährleisten.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wurde das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) im
Rahmen der Teilprivatisierung der DB AG vom Bundeskabinett beauftragt,
einen Gesetzentwurf zur Anreizregulierung im Eisenbahnsektor zu erarbei-
ten?

2. Bis wann plant die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zu Anreizregulie-
rung im Eisenbahnsektor vorzulegen?

3. Falls die Bundesregierung nicht plant einen Gesetzentwurf zur Anreizregu-
lierung im Eisenbahnsektor vorzulegen, welche Gründe sprechen dagegen?

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4. Wie plant die Bundesregierung, die europäischen Vorgaben umfassend zu
erfüllen, da im Ankündigungsschreiben der EU-Kommission zur Einleitung
eines Vertragsverletzungsverfahrens vom 27. Juni 2008 ausdrücklich auf die
fehlende Umsetzung der effizienzorientierten Anreize hingewiesen wurde?

5. Wie wird die Bundesregierung die Zugangsberechtigten von Kostensen-
kungen im Infrastruktursektor partizipieren lassen?

6. Wie soll die von der EU-Kommission bereits bei Schaffung der Richtlinie
2001/14/EG monierte erhebliche Bandbreite bei der Struktur und Höhe der
Entgelte in der Bundesrepublik Deutschland reduziert werden (vgl. Erwä-
gungsgrund 4 der o. g. Richtlinie)?

7. Wie wird objektiv sichergestellt, dass die Qualität der Eisenbahninfrastruk-
tur bei einer realen Degression der Zuschussbeträge nicht sinken wird, ob-
wohl die zur Beurteilung notwendigen Daten nur durch die Eisenbahninfra-
strukturunternehmen, also die zu kontrollierenden Unernehmen, erhoben
und zusammengestellt werden?

8. Geben die bislang definierten und abgebildeten Qualitätskennzahlen der
LuFV ein umfassendes Bild des Zustandes der Eisenbahninfrastruktur und
ihrer Entwicklung wieder?

Reichen die bislang vereinbarten Kennzahlen aus?

Wie sollen diese tatsächlich wirken?

9. Genügen die bislang vereinbarten Sanktionierungen bei Nichterfüllung der
Qualitätsvorgaben in der LuFV tatsächlich, um eine Gefährdung für alle
Nutzer der Schienenwege des Bundes ausschließen zu können?

10. Aus welchem Grund soll bei der Verfehlung mehrerer Ziele nur der höchste
der Rückforderungsbeträge maßgeblich sein und nicht die Summe der
Rückforderungsbeträge der verfehlten Ziele?

11. Können bei mehrfacher Zielverfehlung nur aus der teuersten Zielverfehlung
Gefährdungen für die Nutzer resultieren?

12. Wieso werden keine planerischen Komponenten (Fahrplanplanung) und
dort mögliche Qualitätsparameter in den Qualitätsstandard der LuFV ein-
bezogen?

13. Aus welchem Grund bleibt der Bereich der Kapazität im Rahmen der LuFV-
Qualitätsbemessung außen vor, obwohl diese bei der Effizienzbemessung,
den entstehenden Kosten und dem Ausmaß des diskriminierungsfreien
Zugangs zum Netz entscheidend ist?

14. Welche Reaktionen der Eisenbahninfrastrukturunternehmen werden erwar-
tet, wenn deren staatlicher Zuschussbetrag jährlich sinkt?

15. Wie realistisch sind die Annahmen der internen Effizienzhebungen bei den
Unternehmen, wenn diesen gleichzeitig im Bereich des Infrastrukturbetrie-
bes andere, in ihrer Höhe unregulierte Einnahmenquellen (Infrastrukturnut-
zungsentgelte nach der geltenden gesetzlichen Regelung) zur Verfügung
stehen?

16. Wie will die Bundesregierung im Rahmen der momentan geltenden gesetz-
lichen Regelungen (Kostenzuschlagsregulierung) die Trassenpreise bei
Einführung der LuFV ohne die gleichzeitige Änderung des Regulierungs-
rahmens (der Preisregulierungsvorgaben) konstant bzw. für die Eisenbahn-
verkehrsunternehmen tragfähig halten?

17. Wie will die Bundesregierung Trassenpreiserhöhungen verhindern, die bei
einer Einschränkung der anderen Finanzquellen der DB AG (eben durch die
in der LuFV vorgesehen Beschränkung der Finanzmittel für den Erhalt der

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10953

Schienenwege) nur eine logische Reaktion der Eisenbahninfrastrukturun-
ternehmen wären?

18. Wie wird sie Planungs-, Kalkulations- und Rechtssicherheit für die Eisen-
bahnverkehrsunternehmen herstellen, wenn sie gegenwärtig nur von der
LuFV ausgeht?

19. Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, damit die bei den Eisenbahn-
infrastrukturunternehmen mögliche Realisierung von Effizienzpotentialen
umgesetzt wird, so dass die Unternehmen Kostensenkungen realisieren?

20. Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, damit sich realisierte Kosten-
einsparungen auf Seiten der Eisenbahninfrastrukturunternehmen in den
Preisen der Eisenbahninfrastrukturunternehmen (Netznutzungsentgelte und
Entgelte für Serviceeinrichtungen) widerspiegeln und/oder der staatliche
Zuschussbetrag gemindert werden kann?

21. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung eingeleitet, um Quersubven-
tionierungen zwischen einzelnen Verkehrsleistungen zu unterbinden?

22. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung dazu vor, in welchem
Umfang durch das derzeitige Trassenpreissystem der DB Netz AG Quer-
subventionierungen zwischen den einzelnen Verkehrsleistungen stattfin-
den?

23. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die unterschiedlichen
Anforderungen der einzelnen Verkehrsleistungen an die Schieneninfra-
struktur und die damit verbundenen Kosten sowohl für die erstmalige Her-
stellung der Infrastruktur als auch für deren Unterhalt?

24. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dafür, Quer-
subventionierungen im Eisenbahnsektor (als Abweichung zu allen übrigen
Sektoren) zuzulassen, obwohl die Zulassung von Quersubventionierungen
innerhalb von Verkehrsleistungen grundsätzlich die Diskriminierung ein-
zelner Marktsegmente zulässt?

25. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Notwendigkeit zur
Datenbeschaffung für eine effiziente und eine nachhaltige Regulierungs-
tätigkeit bei?

Auf welchen Erfahrungen aus benachbarten Netzsektoren basierte diese
Einschätzung der Bundesregierung?

26. Welche rechtlichen Möglichkeiten stehen der Regulierungsbehörde zu, um
sachdienliche Informationen von den Eisenbahninfrastrukturunternehmen
und betroffenen Dritten einzuholen (Es wird darum gebeten, bei der Be-
antwortung dieser Frage sowohl darauf einzugehen, welche Möglichkeiten
innerhalb konkreter Verfahren vorliegen, als auch außerhalb dieser, um eine
effiziente und informierte Regulierung sowohl ex ante als auch ex post
durchführen zu können.)?

27. Welche Möglichkeiten stehen der Bundesnetzagentur zu, die jeweilige Aus-
kunftsverpflichtung gegen Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eisen-
bahnverkehrsunternehmen durchzusetzen?

28. Welche Möglichkeiten stehen der Bundesnetzagentur zur Seite, um auch für
den Eisenbahnsektor ähnliche Untersuchungen wie in anderen Sektoren zu
erstellen, wo die Bundesnetzagentur auf Basis von eigenen Untersuchungen
einen regelmäßigen Bericht über die Entwicklungen auf dem regulierten
Markt anfertigt und dadurch eine umfassende Einschätzung der tatsäch-
lichen Notwendigkeit für regulatorische Eingriffe ermöglicht?

Drucksache 16/10953 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
29. Wieso sind die Kompetenzen der Bundesnetzagentur im Bereich der
Eisenbahninfrastrukturentgeltregulierung nicht ähnlich breit und klar aus-
differenziert worden?

30. Welche Besonderheiten bestehen, die in diesem Netzsektor derartige
Abweichungen bedingen?

31. Wie soll eine symmetrische Regulierung von über 800 öffentlichen Eisen-
bahninfrastrukturunternehmen vorgenommen werden, wenn der Bundes-
netzagentur im Eisenbahnsektor geringere Befugnisse zustehen als im Tele-
kommunikationssektor, wo nur ein Unternehmen reguliert wird?

Berlin, den 13. November 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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