BT-Drucksache 16/10906

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/9487- Wohnungslosigkeit vermeiden - Wohnungslose unterstützen - SGB II überarbeiten

Vom 12. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10906
16. Wahlperiode 12. 11. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/9487 –

Wohnungslosigkeit vermeiden – Wohnungslose unterstützen – SGB II überarbeiten

A. Problem

Nach Ansicht der einbringenden Fraktion besteht weiterhin politischer Hand-
lungsbedarf gegen Wohnungslosigkeit. Im Jahr 2006 seien nach Schätzungen
der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. etwa 250 000 Men-
schen wohnungslos gewesen. Weitere 60 000 bis 120 000 Haushalte mit ca.
120 000 bis 235 000 Menschen seien von Wohnungsverlust bedroht. Der Groß-
teil der wohnungslosen Menschen sei bereits seit längerer Zeit erwerbslos. Das
Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sei aber wenig auf die besonderen Pro-
bleme von Wohnungslosen ausgerichtet. Einige Regelungen im SGB II seien so-
gar geeignet, das Problem zu verschärfen.

B. Lösung

Der Deutsche Bundestag soll nach dem Willen der Antragsteller die Bundes-
regierung unter anderem auffordern,

1. im SGB II die Möglichkeit einzuräumen, Mietschulden bei drohendem Woh-
nungsverlust nicht nur als Darlehen, sondern in der Regel auch als Beihilfe
zu übernehmen;

2. die Regelung zu streichen, dass Menschen in stationären Einrichtungen
maximal sechs Monate SGB-II-Leistungen beziehen können;

3. die Sanktionsmöglichkeit der Kürzung der Kosten der Unterkunft (§ 31
Abs. 5 SGB II) im SGB II abzuschaffen.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kosten wurden nicht ermittelt.

Drucksache 16/10906 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/9487 abzulehnen.

Berlin, den 12. November 2008

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Vorsitzender

Gabriele Lösekrug-Möller
Berichterstatterin

Regelungen im SGB II seien sogar geeignet, das Problem gezahlt. Ausnahmsweise könne der zuständige Träger diese

der Wohnungslosigkeit zu verschärfen. Mietschulden seien
der dominierende Grund für den Wohnungsverlust. Die Ver-
meidung von Wohnungslosigkeit sei sozialer, effektiver und

Leistungen auch direkt an den Vermieter zahlen, wenn sonst
die Zweckentfremdung des Geldes und damit die Gefähr-
dung des Mietverhältnisses zu befürchten sei. Sollte dennoch
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10906

Bericht der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller

I. Überweisung und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

1. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 16/9487 ist in der 183. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 16. Oktober 2008 an den
Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Bera-
tung und an den Innenausschuss, den Haushaltsausschuss,
den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
und den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe zur Mitberatung überwiesen worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss hat den Antrag auf Drucksache
16/9487 in seiner Sitzung am 5. November 2008 beraten und
mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und
FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei
Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
die Ablehnung des Antrags empfohlen. Der Ausschuss für
Menschenrechte und humanitäre Hilfe hat in seiner Sit-
zung am 5. November 2008 beraten und mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP bei Stimm-
enthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Abwesenheit der Fraktion DIE LINKE. die Ablehnung des
Antrags empfohlen. Der Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend hat in seiner Sitzungen am 5. No-
vember 2008 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. die Ab-
lehnung des Antrags empfohlen. Der Innenausschuss hat in
seiner Sitzung am 10. November 2008 mit den Stimmen
der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags empfohlen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach Ansicht der Antragsteller besteht ein unverändert mas-
siver politischer Handlungsbedarf, wohnungslosen Men-
schen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen sowie
Wohnungslosigkeit zu überwinden und zu vermeiden. Im
Jahr 2006 seien etwa 250 000 Menschen wohnungslos
gewesen. Weitere 60 000 bis 120 000 Haushalte mit ca.
120 000 bis 235 000 Menschen seien von Wohnungsverlust
bedroht. Der Großteil der wohnungslosen Menschen sei be-
reits seit längerer Zeit erwerbslos. Die Grundausrichtung
des SGB II nehme wenig Rücksicht auf die besonderen
Probleme von Wohnungslosen. Die geschaffenen Institutio-
nen seien weder administrativ geeignet noch personell so
ausgestattet, dass eine erfolgreiche Prävention von Woh-
nungsverlusten und die Reintegration zu leisten sei. Einige

sonen zu garantieren und müsse in der Regel in Form eines
Zuschusses erfolgen. Die Rückzahlung eines Darlehens
während des Leistungsbezuges scheide angesichts des Cha-
rakters der Leistung als Existenzminimum aus. Eine zusätz-
liche Verschuldung konterkariere das Ziel der sozialen Sta-
bilisierung und der beruflichen Integration der betroffenen
Personen. Der Deutsche Bundestag soll nach dem Willen
der Antragsteller die Bundesregierung auffordern, im
SGB II die Möglichkeit einzuräumen, Mietschulden bei dro-
hendem Wohnungsverlust nicht nur als Darlehen, sondern in
der Regel auch als Beihilfe zu übernehmen. Die Regelung,
dass Menschen in stationären Einrichtungen maximal sechs
Monate SGB-II-Leistungen beziehen könnten, solle ge-
strichen werden. Die Sanktionsmöglichkeit der Kürzung der
Kosten der Unterkunft (§ 31 Abs. 5 SGB II) im SGB II sei
abzuschaffen. Ebenso sei durch die Bereitstellung einer
flächendeckenden Hilfe- und Beratungsinfrastruktur für von
Gewalt betroffenen Frauen präventiv gegen Wohnungsver-
lust vorzugehen. Die Übernahme von Kosten der Unterkunft
beim Umzug von Leistungsberechtigten, die jünger als
25 Jahre sind, nach § 22 Abs. 2a SGB II sei in dem Sinne zu
ändern, dass aus der Ermessensentscheidung der kommuna-
len Träger ein Rechtsanspruch der Betroffenen werde. Bei
den Trägern der Grundsicherung für Arbeitssuchende sei
ausgebildetes Fachpersonal für die spezifischen Belange
und Anliegen von Wohnungslosen einzustellen. Für die Prä-
vention von Wohnungsverlusten sollten die Erfahrungen mit
dem Konzept der „Zentralen Fachstelle“ ausgewertet und
ein analoges Konzept in die administrativen Strukturen der
SGB-II-Träger eingeführt werden.

III. Beratung im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner
100. Sitzung am 5. November 2008 den Antrag auf Druck-
sache 16/9487 beraten mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be-
schlossen, dem Deutschen Bundestag die Ablehnung zu
empfehlen.

Die Fraktion der CDU/CSU verwies auf Erfolge bei der
Bekämpfung der Wohnungslosigkeit. So sei die Zahl der
Wohnungslosen im Jahr 2006 auf rund 254 000 Personen zu-
rückgegangen – weniger als halb so viele wie 1998. Davon
profitierten besonders Familien. Gleichwohl betrachte die
Koalition der CDU/CSU und SPD die Vermeidung von
Obdach- und Wohnungslosigkeit weiter als wichtige Auf-
gabe. Die Regelungen des SGB II stellten sicher, dass es
einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nicht an den not-
wendigen Mitteln für eine ausgestattete Wohnung fehle.
Grundsätzlich erhalte der Empfänger diese Leistungen aus-
günstiger als die (Re-)Integration von Wohnungslosen. Die
Mietschuldenübernahme sei daher für alle betroffenen Per-

durch aufgelaufene Mietschulden Obdachlosigkeit drohen,
sei für den Notfall außerdem sogar die Möglichkeit der

te hier bereits hinreichend Schutz, indem die Kosten für Un-
terkunft und Heizung in der Höhe der tatsächlichen Aufwen-
dungen übernommen würden, soweit diese angemessen
seien. Insofern dürfte es für diejenigen, die Leistungen nach
dem SGB II bezögen, im Grunde keine Obdachlosigkeit
durch fehlende Mietzahlung geben. Auch bereits bestehende
Mietschulden könnten schon heute übernommen werden.
Dass dies mittels eines Darlehens erfolge, schmälere nicht
die Wirksamkeit des Instruments zur Vermeidung des Woh-
nungsverlustes. Die FDP-Fraktion werde den Antrag ableh-
nen, weil er in der Sache nicht greife.

Die Fraktion DIE LINKE. begründete ihren Antrag. Es sei
dringend nötig, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit ein-
räume, Mietschulden bei drohendem Wohnungsverlust nicht

SGB II von Wohnungslosigkeit bedroht seien. Besonders der
Anteil der Menschen unter 25 Jahren nehme unter den Woh-
nungslosen überproportional zu. Diese Entwicklung werde
durch das SGB-II-Fortentwicklungsgesetz verschärft. Der
vorliegende Antrag orientiere sich an den tatsächlichen Pro-
blemen und schlage auch im Ansatz richtige Maßnahmen
vor, wenn es um die Schnittstelle Job-Center und Kommune
gehe. Über spezielle Beschäftigungsangebote für Woh-
nungslose und über die Frage der Mietschuldenübernahme
direkt als Beihilfe müsse nachgedacht werden. Diese Forde-
rungen seien in der Fachdiskussion fast unumstritten und mit
überschaubaren Kosten verbunden. Insofern werde die Frak-
tion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN diesem Antrag zustim-
men.

Berlin, den 12. November 2008

Gabriele Lösekrug-Möller
Berichterstatterin
Drucksache 16/10906 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Schuldenübernahme vorgesehen. Aus diesen Gründen werde
die Fraktion der CDU/CSU gegen den Antrag stimmen.

Die Fraktion der SPD schloss sich der Analyse an. Die Er-
folge in den vergangenen zehn Jahren bei der Vermeidung
von Obdachlosigkeit seien beeindruckend. Die Erfolge wür-
den durch die Antragsteller negiert. Es seien in der Vergan-
genheit zahlreiche gute Lösungen getroffen worden. So sei
die Möglichkeit zur Übernahme von Mietschulden geschaf-
fen worden. Das SGB II sehe auch das Instrument der
Schuldnerberatung vor. Dies sei eine kommunale Leistung –
leider würden nicht alle Kommunen diese Leistung in dem
erforderlichen Umfang bereitstellen. In einigen Bundeslän-
dern sei es hier zu einer Einschränkung des Angebots ge-
kommen. Insofern bestehe dort Handlungsbedarf. Ein Skan-
dal sei es, wie von den Antragstellern suggeriert werde, dass
der Bezug von Arbeitslosengeld II gleichbedeutend sei mit
Obdachlosigkeit. Das Gegenteil sei richtig. Alles dies seien
Gründe, warum die SPD-Fraktion dem Antrag nicht folgen
werde.

Die Fraktion der FDP erläuterte, Wohnungslosigkeit zu
vermeiden, sei ein unterstützenswertes Ziel. Das SGB II bie-

nur als Darlehen, sondern als Beihilfe zu übernehmen. Zwei
Drittel aller Wohnungslosen seien verschuldet, Mietschul-
den der dominierende Grund für den Verlust der Wohnung.
Die Vermeidung von Wohnungslosigkeit sei sozialer, effek-
tiver und günstiger als eine spätere Integration Obdachloser.
Daher müsse die Mietschuldenübernahme für alle Betroffe-
nen garantiert werden – in Form eines Zuschusses; denn ein
weiteres Darlehen steigere nur die Schulden. Außerdem
müsse die Regelung gestrichen werden, wonach Menschen
in stationären Einrichtungen maximal sechs Monate lang
SGB-II-Leistungen beziehen können. Ein stationärer Auf-
enthalt schließe eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen
Arbeitsmarkt nicht automatisch aus, durch den Ausschluss
von den Leistungen verschlechterten sich aber die Vermitt-
lungschancen. Darüber hinaus müssten künftig die Kosten
für die Unterkunft für Leistungsberechtigte unter 25 Jahren
wieder übernommen werden. An die Stelle der Ermessens-
entscheidung der kommunalen Träger müsse ein Rechts-
anspruch treten.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte, die
gute Entwicklung bei den Wohnungslosenzahlen täusche
darüber hinweg, dass viele der Leistungsempfänger nach

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