BT-Drucksache 16/10892

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung -16/10530, 16/10580- Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu digitalen Geodaten (Geodatenzugangsgesetz - GeoZG)

Vom 12. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10892
16. Wahlperiode 12. 11. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss)

zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung
– Drucksachen 16/10530, 16/10580 –

Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu digitalen Geodaten
(Geodatenzugangsgesetz – GeoZG)

A. Problem

Das Geodatenzugangsgesetz dient der Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie
(ABl. L 108 vom 25. 4. 2007, S. 1) in deutsches Recht. Es zielt einerseits auf die
Schaffung einer europäischen Geodateninfrastruktur ab, andererseits baut die
europäische Geodateninfrastruktur auf entsprechenden Strukturen in den EU-
Mitgliedstaaten auf. Um die von der Richtlinie geforderte Interoperabilität auf
lokaler, regionaler und nationaler Ebene zu gewährleisten, wurden der Entwurf
des Geodatenzugangsgesetzes in enger Abstimmung mit den Ländern und unter
Mitwirkung der kommunalen Spitzenverbände erarbeitet und eine enge Ver-
bindung zu der in Deutschland im Aufbau befindlichen Geodateninfrastruktur
GDI-DE hergestellt. Die INSPIRE-Richtlinie ergänzt für den Bereich der Geo-
daten die Umweltinformationsrichtlinie (Richtlinie 2003/4/EG, ABl. L 41 vom
14. 2. 2003, S. 26) sowie die PSI-Richtlinie (Richtlinie 2003/98/EG, ABl. L 345
vom 31. 12. 2003, S. 90).

B. Lösung

Annahme des Gesetzentwurfs mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Die mit der Richtlinie eingeführten Berichts- und Informationspflichten gegen-
über der EU-Kommission verursachen einen Mehraufwand. Diese Kosten sind
mit 200 000 Euro pro Jahr veranschlagt. Diese werden zwischen Bund und Län-
dern hälftig aufgeteilt, da die Berichts- und Informationspflichten von Bund und
Ländern zu erfüllen sind.

Drucksache 16/10892 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Gesetzentwurf auf Drucksachen 16/10530, 16/10580 unverändert anzuneh-
men.

Berlin, den 12. November 2008

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

Petra Bierwirth
Vorsitzende

Ulrich Petzold
Berichterstatter

Gerd Bollmann
Berichterstatter

Horst Meierhofer
Berichterstatter

Lutz Heilmann
Berichterstatter

Sylvia Kotting-Uhl
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10892

Bericht der Abgeordneten Ulrich Petzold, Gerd Bollmann, Horst Meierhofer,
Lutz Heilmann und Sylvia Kotting-Uhl

I.
Der Gesetzentwurf auf Drucksachen 16/10530, 16/10580
wurde in der 183. Sitzung des Deutschen Bundestages am
16. Oktober 2008 zur federführenden Beratung an den Aus-
schuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und
zur Mitberatung an den Innenausschuss, den Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie, den Ausschuss für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung sowie den Ausschuss für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.

II.
Das Geodatenzugangsgesetz dient der Umsetzung der
INSPIRE-Richtlinie (ABl. L 108 vom 25. 4. 2007, S. 1) in
deutsches Recht. Es zielt einerseits auf die Schaffung einer
europäischen Geodateninfrastruktur ab, andererseits baut
die europäische Geodateninfrastruktur auf entsprechenden
Strukturen in den EU-Mitgliedstaaten auf. Um die von der
Richtlinie geforderte Interoperabilität auf lokaler, regionaler
und nationaler Ebene zu gewährleisten, wurden der Entwurf
des Geodatenzugangsgesetzes in enger Abstimmung mit den
Ländern und unter Mitwirkung der kommunalen Spitzen-
verbände erarbeitet und eine enge Verbindung zu der in
Deutschland im Aufbau befindlichen Geodateninfrastruktur
GDI-DE hergestellt. Die INSPIRE-Richtlinie ergänzt für den
Bereich der Geodaten die Umweltinformationsrichtlinie
(Richtlinie 2003/4/EG, ABl. L 41 vom 14. 2. 2003, S. 26)
sowie die PSI-Richtlinie (Richtlinie 2003/98/EG, ABl.
L 345 vom 31. 12. 2003, S. 90).

Um Geodaten interoperabel verfügbar zu machen, definiert
die INSPIRE-Richtlinie konkrete Instrumente. Mit so-
genannten Geodatendiensten sollen Geodaten im Internet
gesucht und dargestellt werden können. Für die weitere
Nutzung der Daten sollen Geodatendienste zum Herunterla-
den sowie für mögliche Transformationen – insbesondere
bei Anpassungen an verschiedene geodätische Referenzsys-
teme – bereitgestellt werden. Sowohl die Geodaten als auch
Geodatendienste sind über sogenannte Metadaten zu be-
schreiben. Für Geodaten, Geodatendienste und Metadaten
legt die Richtlinie Inhalt und Funktion nicht im Einzelnen
fest. Die Konkretisierung der technischen, semantischen und
inhaltlichen Details erfolgt schrittweise im Rahmen eines in
der Richtlinie festgelegten Zeitrasters über sogenannte
Durchführungsbestimmungen.

III.
Der Innenausschuss hat mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP empfohlen, den Gesetzent-
wurf auf Drucksachen 16/10530, 16/10580 anzunehmen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP

empfohlen, den Gesetzentwurf auf Drucksachen 16/10530,
16/10580 anzunehmen.

Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
hat mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP
empfohlen, den Gesetzentwurf auf Drucksachen 16/10530,
16/10580 anzunehmen.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP empfohlen, den Gesetzent-
wurf auf Drucksachen 16/10530, 16/10580 anzunehmen.

IV.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit hat den Gesetzentwurf auf Drucksachen
16/10530, 16/10580 in seiner 75. Sitzung am 12. November
2008 beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU vertrat die Auffassung, es sei
notwendig, das Wissen, das in den Behörden vorhanden sei,
auch der Bevölkerung zugänglich zu machen. Insofern sei
das GeoZG ein dringendes Gesetz. Das Landesamt für Geo-
informationen mache die Erfahrung, dass bei der Bearbei-
tung von Anfragen die Bürger die gewünschten Informatio-
nen noch vor ihrer Zusendung durch die Behörde über
Internetsuchmaschinen gewinnen würden. Der Gesetzent-
wurf liege daher im Interesse einer schnellen und seriösen
Informationsgewinnung. Dabei sei der Schutz des geistigen
Eigentums zu gewährleisten. Geldleistungen und Lizenzen
dürften nicht dazu führen, dass der Zugang bei berechtigtem
Interesse beschränkt werde. Bei der Gebührenerhebung sei
eine Differenzierung von kommerzieller und privater Nut-
zung notwendig. Die Fraktion der CDU/CSU erwarte, dass
sich einerseits die Bundesregierung gegenüber den Ländern
kooperativ verhalte und andererseits die Bundesländer mit
der Bundesregierung kooperierten, wenn es um die Frage der
Zulieferung von Geodaten und deren Gewinnung gehe.

Die Fraktion der SPD verwies darauf, dass 80 Prozent aller
Entscheidungen einen räumlichen Bezug hätten. Die Renta-
bilität einer Geothermieanlage und der Sinn von Energie-
effizienzmaßnahmen hingen von räumlichen Überlegungen
ab. Bisher sei es nicht immer möglich oder, wenn doch, mit
hohem Aufwand und Kosten verbunden gewesen, Zugang zu
entscheidenden Daten zu bekommen. Die umzusetzende
Richtlinie sehe die Schaffung einer Geodateninfrastruktur in
der Europäischen Gemeinschaft vor, die allgemein zugäng-
lich sein solle. Das Geodatengesetz regele den Zugang zu
und die Nutzung von Geodaten der öffentlichen Verwaltung.
Zukünftig müssten harmonisierte Geodaten und Metadaten
der öffentlichen Verwaltung aus dem Themenbereich der
europäischen Umweltpolitik über entsprechende Geodaten-
dienste für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und Verwal-

Drucksache 16/10892 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

tung öffentlich zur Verfügung gestellt werden. Durch die
Vereinfachung des Zugangs und der Nutzung dieser Daten
sei man in der Lage, das Wertschöpfungspotential dieser
Daten zu erschließen. Die Daten müssten dabei interoperabel
sein; eine enge Verbindung zu der im Aufbau befindlichen
Geoinfradatenstruktur sei herzustellen. Der Entschließungs-
antrag der Fraktion der FDP auf Ausschussdrucksache
16(16)523 werde abgelehnt. Unzutreffend sei, dass nicht
mehr Daten zur Verfügung gestellt würden als in der Euro-
päischen Richtlinie gefordert. Der Datenschutzbeauftragte
sei angehört worden.

Die Fraktion der FDP stellte klar, internationale Daten
seien zu harmonisieren, damit gleichwertige Überprüfungs-
möglichkeiten europaweit hergestellt werden könnten. Dass
keine neuen Geodaten erhoben werden müssten, sei ein Fort-
schritt. Das Geodatenzugangsgesetz umfasse alle Geodaten,
was in INSPIRE nicht der Fall sei. Die Regelungen zum
Datenschutz seien aus Sicht der Fraktion der FDP unzu-
reichend. Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
werde vernachlässigt. Es sei nicht völlig ausgeschlossen,
dass personenbezogene Daten ebenfalls erhoben würden.
Eine Einzelabwägung der Behörde zwischen Zugangs-
und Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und
datenschutzrechtlichen Interessen der Betroffenen anderer-
seits sei kein unbürokratischer und schnell umzusetzender
Vorgang. Die Fraktion der FDP habe daher einen Vorschlag
aufgegriffen, der in einer vom unabhängigen Landeszentrum
für Datenschutz Schleswig-Holstein in Auftrag gegebenen
Studie unterbreitet worden sei. Vorzugswürdig sei eine Art
Ampellösung, nach der Geodaten in bestimmte Kategorien
eingeteilt und dafür unterschiedliche Zugangsvoraussetzun-
gen vorgesehen würden. Der Gesetzentwurf gehe über das
hinaus, was auf europäischer Ebene vorgeschrieben werde.
Die Chance, bei der Etablierung einer Geodateninfrastruktur
wirksame Sicherungen für die informationelle Selbstbestim-
mung zu etablieren, sei nicht genutzt worden.

Die Fraktion DIE LINKE. begrüßte die umfassende Bereit-
stellung von Umweltinformationen, insbesondere zu Natur-
schutzgebieten, und die Verteilung von Arten- und Lebens-
räumen sowie Biotopen. Der vorliegende Gesetzentwurf be-
schränke sich aber nicht auf umweltrelevante Daten.
Geodaten ließen auch Schlüsse über Krankheitsraten, die
Ansiedlungsschwerpunkte von Migrantinnen und Migranten
und Hochburgen der Arbeitslosigkeit zu. Auch seien alle
Grundstücke erfasst, wenn auch nicht mit Zuordnung der
Namen der Bewohner. Wenn Dritte diese Daten nutzen
könnten, würden Menschen aus bestimmten Gebieten mög-
licherweise keine Kredite mehr erhalten oder nur zu er-
höhten Zinsen und es werde ihnen verwehrt, eine Kranken-
versicherung abzuschließen. Viele Daten ließen sich perso-

nenbezogen zuordnen. Die Schranken für den Zugang zu
diesen Daten seien unzureichend. Bei der Bereitstellung
amtlicher Geodaten sei sowohl nach der Europäischen
Richtlinie als auch nach deutschem Verfassungsrecht der
Schutz personenbezogener Daten zu gewährleisten. Der Ge-
setzentwurf sehe zwar eine Anwendung der Schutzvorschrif-
ten des Umweltinformationsgesetzes bei massenhaften Ab-
rufen vor. Durch diesen werde aber auch ein höheres daten-
schutzrechtliches Gefährdungspotenzial ausgelöst. Der
Verweis auf das Umweltinformationsgesetz sei nach Ansicht
der Konferenzen der Datenschutz- und Informationsfrei-
heitsbeauftragten des Bundes und der Länder deshalb nicht
interessengerecht. Ein Geodatenzugangsgesetz müsse einen
differenzierenden Ausgleich zwischen Informations- und
Schutzinteressen für die spezielle Problematik der Geobasis
und der Geofachdaten vornehmen. Die Zugangsmöglichkeit
müsse eingeschränkt werden, wenn der Zugang nachteilige
Auswirkungen auf die Vertraulichkeit personenbezogener
Daten habe. Da dies nicht gewährleistet sei, lehne die Frak-
tion DIE LINKE. den Gesetzentwurf ab.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßte die
Verfügbarkeit von Umweltinformationen. Besonders hervor-
zuheben sei das Projekt Schutzgebietsinformationen auf dem
Geoportal des Bundes. Dem Schutz personenbezogener
Daten sei aber der gleiche Stellenwert beizumessen wie dem
Umweltschutz. Wenn sachbezogene Geodaten mit personen-
bezogenen Geodaten verbunden würden, was nicht zu ver-
meiden sei, könnten weitgehende Aussagen über einzelne
Personen getroffen werden. Teile der Wirtschaft hätten
durchaus Interesse an diesen Datenverbindungen. Das Geo-
scoring sei zunehmend im Einsatz, um die vermeintlich at-
traktive Kundschaft von der weniger interessanten zu selek-
tieren. Dieser Prozess dürfe nicht gefördert werden. Insoweit
sei der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP begrü-
ßenswert. Die Ampellösung, die darin vorgeschlagen werde,
sei das Richtige, weil sie differenziere und den Zugang zu
sensiblen Daten nur unter bestimmten Voraussetzungen er-
laube.

Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion der FDP zu empfehlen, den
Gesetzentwurf auf Drucksachen 16/10530, 16/10580 anzu-
nehmen.

Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Ausschuss-
drucksache 16(16)523 abzulehnen.

Berlin, den 12. November 2008

Ulrich Petzold
Berichterstatter

Gerd Bollmann
Berichterstatter

Horst Meierhofer
Berichterstatter

Lutz Heilmann
Berichterstatter

Sylvia Kotting-Uhl
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/10892

Anlage

Entschließungsantrag der Abgeordneten Horst Meierhofer,
Michael Kauch, Angelika Brunkhorst und der Arbeitsgruppe
der FDP-Bundestagsfraktion im Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit

zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes über den Zugang zu digitalen Geodaten
(Geodatenzugangsgesetz – GeoZG)
– Drucksache(n) 16/10530, 16/10580 –

Der Ausschuss wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Geodaten werden bei zahlreichen Tätigkeiten der Analyse,
Bewertung und Vorhersage verwendet, da viele Sachverhalte
einen Raumbezug aufweisen. Sie bieten daher bei vielen
wirtschaftlichen oder politischen Entscheidungen eine wert-
volle Hilfestellung, um komplexe Sachverhalte zu verstehen
und nachteilige Auswirkungen schon bei Planungen zu be-
grenzen.

Eine umfassende europäische Geodateninfrastruktur mit
einfachem Zugang und Nutzung von Geodaten ist zurzeit in
Europa noch nicht vorhanden. Problematisch sind vor allem
Datenlücken, inkompatible Geodatensätze und Geodienste
durch unterschiedliche Normen sowie Hindernisse für die
gemeinsame Nutzung und Weiterführung von Geodaten. Um-
weltphänomene wie die Artenwanderung, Windbewegungen
und Gewässerverschmutzungen machen jedoch nicht an na-
tionalen Grenzen halt. Umweltpolitik kann sich daher nicht
an nationalen Grenzen orientieren, sondern muss in Bewirt-
schaftungseinheiten denken, die das Hoheitsgebiet von ver-
schiedenen Mitgliedstaaten umfassen kann. Zur Wirksam-
keitsüberprüfung von Maßnahmen sind daher interoperable
Geodaten, die grenzüberschreitend genutzt werden können,
sowie effiziente Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten not-
wendig.

Die Richtlinie 2007/2/EG Infrastructure for Spatial Informa-
tion in the European Community (INSPIRE-Richtlinie) greift
diese Probleme auf, schafft die wesentlichen Grundlagen für
den Aufbau einer europäischen Geodateninfrastruktur für
umweltrelevante Geodaten und setzt den rechtlichen und
technischen Rahmen. Durch die INSPIRE-Richtlinie wird
kein umfassendes Programm zur Erfassung neuer Geodaten
in den Mitgliedstaaten geschaffen. Stattdessen wird die Do-
kumentierung vorhandener Geodaten vorrangig bei öffentli-
chen Stellen verlangt, um die Nutzung bereits verfügbarer
Daten zu optimieren. Des weiteren soll ein gemeinschafts-
weiter einheitlicher Zugang zu umweltrelevanten Geodaten
geschaffen werden. Beschränkungen des Zugangs zu Geo-
daten werden von der Richtlinie aus lizenzrechtlichen Grün-

den und wegen des Schutzes personenbezogener Daten zuge-
lassen.

Der Bundestag erkennt die Notwendigkeit von qualitativ
hochwertig georeferenzierten Informationen und den Zu-
gang zu diesen Daten ausdrücklich an. Die Nutzung von
Geodaten spielt in allen gesellschaftlichen Bereichen wie
der Wirtschaft, der Forschung, der Politik, der Sensibilisie-
rung der Öffentlichkeit für verschiedene politische Themen
und Bürgerinitiativen eine große Rolle. Die Möglichkeit der
Nutzung dieser Daten muss grundsätzlich bestehen.

Die Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie durch ein Geo-
datenzugangsgesetz bietet die einmalige Chance, bei der
Etablierung einer Geodateninfrastruktur wirksame Siche-
rungen für die informationelle Selbstbestimmung zu etablie-
ren und die derzeitig bestehende Rechtsunsicherheit bei der
Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Geoinformationen
durch die Entscheidung des Gesetzgebers zu normieren.

Geodaten weisen in erster Linie Informationen über Gegen-
stände oder Sachen aus. Die Besonderheit liegt aber darin,
dass Informationen über einen Gegenstand generell dazu ge-
eignet sind, Auskunft über die Identität, die Merkmale oder
das Verhalten einer Person zu treffen. Zurzeit gibt es keine
allgemeinen Kriterien, die eine trennscharfe Abgrenzung
zwischen personenbezogenen Daten und Sachdaten erlau-
ben. Vielmehr wird durch einzelfallbezogene Entscheidun-
gen der Verwaltung ein angemessenes Schutzniveau und
Ausgleich zwischen dem Persönlichkeitsrechte der Betroffe-
nen und dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit er-
reicht. Dies liegt aber vor allem auch daran, dass die bishe-
rigen Zugangsregelungen wie z. B. die Grundbuchordnung
(GBO) für einzelfallbezogene und kleine Datenmengen aus-
gerichtet sind und für die Einsicht grundsätzlich ein berech-
tigtes Interesse verlangt wird (z. B. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO).
Mit der Umsetzung der INSPIRE-Richtlinie wird der Zugang
zu Geodaten allerdings erheblich erweitert und auf den Mas-
senabruf von Geodaten ausgerichtet, so dass eine andere Zu-
gangsqualität erreicht wird. Die Zugangsentscheidung kann
daher nicht mehr alleine der Verantwortung der Verwaltung
überlassen bleiben, sondern muss unter Beachtung der We-
sentlichkeitstheorie in den Grundzügen vom Gesetzgeber
selbst getroffen werden.

Der vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu
digitalen Geodaten trifft jedoch nur eine unzureichende Ent-
scheidung zu dem Verhältnis zwischen dem Zugangs- und In-
formationsinteresse der Öffentlichkeit und den datenschutz-
rechtlichen Interessen der Betroffenen. Dies wiegt umso
gravierender, als die INSPIRE-Richtlinie teilweise nicht 1:1
umgesetzt wird, sonder noch darüber hinaus geht.

§ 12 Abs. 2 des Gesetzesentwurfes verweist zwar auf die
Zugangsregelungen des §§ 8 und 9 Umweltinformations-
gesetzes und den darin enthaltenen Beschränkungen. Damit
wird jedoch lediglich die Darlegungslast seitens der Zu-
gangssuchenden verringert. Insbesondere bieten diese Re-
gelungen für den massenhaften Abruf auch keine praxis-
tauglichen Entscheidungshilfen für die Verwaltung, da die
verantwortlichen Stellen nicht in der Lage sind, die dafür
erforderlichen Ressourcen dafür vorzuhalten. Die bestehen-
de Rechtsunsicherheit und die Verantwortung für die we-

DEUTSCHER BUNDESTAG
Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit
16. Wahlperiode
Ausschussdrucksache 16(16)523
zu Top 1 der TO am 12. 11. 2008
12. 11. 2008

Drucksache 16/10892 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

sentliche Entscheidung, ob ein Personenbezug bei Geoda-
ten besteht oder nicht, werden an die Verwaltung delegiert
und somit gerade nicht in verfassungsgemäßer Weise durch
den Gesetzgeber getroffen. Des Weiteren besteht die Gefahr,
dass grundsätzlich veröffentlichungsfähige Geodaten tat-
sächlich nicht online zugänglich gemacht werden können.

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schles-
wig-Holstein hat im Auftrag der Kommission für Geoinfor-
mationswirtschaft eine Studie erstellt („Datenschutzrecht-
liche Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von
Geodaten für die Wirtschaft/Ampelstudie“), die Geodaten in
bestimmte Kategorien einteilt und dafür unterschiedliche
Zugangsvoraussetzungen vorsieht: Grün bedeutet freier Zu-
gang, Gelb bedeutet allgemeiner Zugang, schützwürdige Be-
troffeneninteressen sind zu berücksichtigen, Orange bedeu-
tet Zugang nur bei berechtigtem Interesse, Rot bedeutet kein
Zugang. Bestimmten Angaben wie z. B. Flächenangaben mit
einem kleineren Maßstab als 1:10 000 kommt danach in der
Regel kein Personenbezug zu. Dieser Vorschlag berücksich-
tigt damit einerseits die Anforderungen, die sich aus dem
Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung ergeben
und bietet darüber hinaus einen praktisch handhabbaren
Umgang mit den Informationsinteresse.

II. Der Ausschuss fordert daher die Bundesregierung auf,

a. den nunmehr vorgelegten Entwurf eines Gesetzes über
den Zugang zu digitalen Geodaten zurückzuziehen und

b. einen neuen Entwurf eines Gesetzes über den Zugang zu
digitalen Geodaten bis Juni 2009 unter Beachtung der
Anforderungen des Grundrechts auf informationelle
Selbstbestimmung zu erarbeiten und vorzulegen, der ins-
besondere die Ergebnissen der Ampelstudie berücksich-
tigt.

Berlin, 12. November 2008

Horst Meierhofer,
Michael Kauch,
Angelika Brunkhorst

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