BT-Drucksache 16/10846

Nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen kontrollieren

Vom 12. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10846
16. Wahlperiode 12. 11. 2008

Antrag
der Abgeordneten Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Eckart von Klaeden,
Anke Eymer (Lübeck), Erich G. Fritz, Dr. Peter Gauweiler, Hermann Gröhe, Manfred
Grund, Holger Haibach, Joachim Hörster, Hartmut Koschyk, Eduard Lintner,
Ruprecht Polenz, Hans Raidel, Dr. Norbert Röttgen, Bernd Schmidbauer,
Karl-Georg Wellmann, Willy Wimmer (Neuss), Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer
und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Gerd
Andres, Gregor Amann, Niels Annen, Elvira Drobinski-Weiß, Detlef Dzembritzki,
Monika Griefahn, Gabriele Groneberg, Petra Heß, Stephan Hilsberg, Iris Hoffmann
(Wismar), Brunhilde Irber, Johannes Jung (Karlsruhe), Hans-Ulrich Klose,
Dr. Bärbel Kofler, Walter Kolbow, Ute Kumpf, Lothar Mark, Markus Meckel, Ursula
Mogg, Thomas Oppermann, Johannes Pflug, Dr. Sascha Raabe, Walter Riester,
Otto Schily, Frank Schwabe, Dr. Ditmar Staffelt, Hedi Wegener, Andreas Weigel,
Dr. Wolfgang Wodarg, Uta Zapf, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen kontrollieren

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts und den damit geänderten weltpoli-
tischen Rahmenbedingungen erleben private Anbieter von Sicherheitsdienstleis-
tungen (private Sicherheitsunternehmen, private Militärfirmen, Mietarmeen) in
bewaffneten Konflikten einen kontinuierlichen Aufschwung. Ihr Aufgabenfeld
ist breitgestreut und reicht von Beratung, Training und logistischer Unterstüt-
zung über Minenräumen bis hin zu Kampfeinsätzen. Die Übergänge zwischen
militärischen und zivilen Aufgaben sind oft fließend.

Die Gründe dieser globalen Entwicklung liegen zum einen in der Reduzierung
der Streitkräfte und dem damit verbundenen Outsourcing bestimmter Aufgaben,
zum anderen aber auch im gestiegenen Sicherheitsbedürfnis von Behörden, in-
ternationalen Organisationen und Unternehmen sowie dort privat tätiger Perso-
nen aufgrund zahlreicher instabiler Regierungen und innerstaatlicher Konflikte
weltweit.

Diese Privatisierung militärischer Funktionen kann langfristig zu einem funda-
mentalen Wandel im Verhältnis zwischen Militär und Nationalstaat führen. Das
Gewaltmonopol des Staates könnte in Frage gestellt werden, gegebenenfalls
ganz aufgegeben werden.

Das Kriegsvölkerrecht unterscheidet grundsätzlich zwischen Zivilisten und
Kombattanten. De jure sind Angehörige von privaten militärischen Sicherheits-

Drucksache 16/10846 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

unternehmen also keine Kombattanten, de facto aber häufig auch keine Zivilper-
sonen.

Ein völkerrechtliches Regime zum Umgang mit den in bewaffneten Konflikten
für öffentliche oder private Auftraggeber tätigen privaten militärischen Sicher-
heitsunternehmen oder ihren Beschäftigten existiert bislang nicht und nur we-
nige Staaten haben für diesen Bereich nationale Regelungen geschaffen. Es gibt
deshalb erhebliche Unsicherheiten bezüglich des Status der in den Konflikt in-
volvierten Beschäftigten privater militärischer Sicherheitsunternehmen als auch
bezüglich der Verantwortung und damit der Haftung für mögliche Rechtsver-
stöße.

Private militärische Sicherheitsunternehmen werden auch im Ausland einge-
setzt. Das erschwert die Kontrolle ihrer Aktivitäten nach den Bestimmungen des
nationalen Rechts. Dadurch sind ihre Aktivitäten trotz möglicherweise vorhan-
dener nationaler Regelungen nur schwer zu kontrollieren, die Einhaltung von
Vorgaben kann nur ansatzweise überwacht werden und die rechtliche Verfol-
gung bei Verstößen ist schwierig. Viele Länder haben zwar den Einsatz ihrer
Staatsbürger als Söldner verboten, kontrollieren aber das Geschäftsgebaren der
bei ihnen ansässigen privaten militärischen Sicherheitsunternehmen im Ausland
kaum.

Das Recht im Kriege hat sich in einer jahrhundertelangen Entwicklung mühsam
herausgebildet und droht nun, durch die privaten militärischen Sicherheitsunter-
nehmen unterlaufen zu werden. Es muss verhindert werden, dass die privaten
militärischen Sicherheitsunternehmen bei militärischen Einsätzen durch die feh-
lenden völkerrechtlichen Bestimmungen quasi uneingeschränkt agieren und
damit das bestehende Kriegsvölkerrecht, an das das Militär gebunden ist, unter-
laufen können. Das Phänomen nichtstaatlicher militärischer Sicherheitsfirmen
findet im internationalen Recht nur unzureichend Berücksichtigung. Durch die
Entwicklung der letzten Jahre insbesondere auf der Ebene des Völkerrechts ist
ein erheblicher Regelungsbedarf entstanden. Eine Fortentwicklung rechtlicher
Normen unter der Ägide der Vereinten Nationen erscheint angesichts des raschen
Ausgreifens des privaten Sicherheitssektors dringend geboten.

Problematisch ist zudem, dass private militärische Sicherheitsunternehmen in
einem Interessenkonflikt stehen: einerseits werden sie für ihren Erfolg bezahlt,
andererseits sind Konfliktgebiete ihr Arbeitsfeld. Private militärische Sicher-
heitsunternehmen können deswegen ein großes Interesse an der Verlängerung
des Konfliktes haben.

Ziel muss sein, sicherzustellen, dass die privaten militärischen Sicherheitsunter-
nehmen und ihre staatlichen Auftraggeber für rechtswidriges Tun haften. Ein
striktes Verbot von privaten militärischen Sicherheitsunternehmen ist nicht
durchsetzbar, da manche schwache Staaten sowie Unternehmen, Nichtregie-
rungsorganisationen, UN-Organisationen und andere in Entwicklungsländern
tätige Personen und Organisationen auf den von diesen Unternehmen gewährten
Schutz angewiesen sind. Es sind daher klare rechtliche Vorgaben auf internatio-
naler und nationaler Ebene erforderlich, die regeln, in welchen Bereichen und
unter welchen Bedingungen private militärische Sicherheitsunternehmen ope-
rieren dürfen.

Regeln im internationalen Recht, die das Gewaltmonopol des Staates betreffen,
sind für das Engagement der Privatfirmen erforderlich. Insbesondere sind Fra-
gen hinsichtlich der Rechte (Erlaubnis, Waffen zu tragen oder Maßnahmen ge-
gen die Bevölkerung wie Kontrollen durchführen zu dürfen) und der Rechtsstel-
lung (Kombattanten oder Zivilisten) der Angestellten der privaten Militärfirmen
sowie der Übernahme der Verantwortung für ihr Handeln (jeder Einzelne, die
Firma oder deren auftraggebender Staat) zu beantworten.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10846

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

national

1. die Registrierung von privaten militärischen Sicherheitsunternehmen einzu-
führen und diese zur Mitteilung ihrer Vertragsabschlüsse zu verpflichten;

2. ein Lizenzierungssystem für militärische Dienstleistungen von Unternehmen
einzuführen;

3. eine Selbstregulierung der privaten militärischen Sicherheitsunternehmen
durch einen Verhaltenskodex zu fordern;

4. zu bekräftigen, dass Auslandseinsätze privater militärischer Sicherheitsunter-
nehmen im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland an dieselben Regeln ge-
bunden sind, wie sie für Auslandseinsätze der Bundeswehr (Parlamentsvor-
behalt) und deutscher Polizeikräfte gelten;

5. zu prüfen, ob beim Einsatz privater militärischer Sicherheitsunternehmen
klare Haftungsbedingungen einschließlich klarer Regeln für die Verfolgung
von Straftaten im Einsatzgebiet gelten, gegebenenfalls solche klare Haf-
tungsbedingungen bzw. Strafverfolgungsregeln zu schaffen. Dabei sollte der
auftraggebende Staat bei Verletzung seiner Aufsichtspflicht mithaften;

international

1. die internationale Konvention gegen die Rekrutierung, Verwendung, Finan-
zierung und Ausbildung von Söldnern von 1989, in Kraft getreten am 20. Ok-
tober 2001, zu ratifizieren;

2. bei den Vereinten Nationen darauf hinzuwirken, die der VN-Konvention zu
Grunde liegenden Begrifflichkeiten zu spezifizieren, um eine konkrete, zeit-
gemäße, auch auf private militärische Sicherheitsunternehmen anwendbare
Norm zu schaffen;

3. die Bestrebungen der Vereinten Nationen zu unterstützen, um die bestehen-
den Völkerrechtsinstrumente zum Söldnertum durch weitere eigenständige
völkerrechtliche und nationale Regelungen zu ergänzen, insbesondere durch:

● eine internationale Registrierung der privaten militärischen Unternehmen,

● eine internationale Einrichtung, die bei dem UN-Sonderberichterstatter
über das Söldnertum angesiedelt sein könnte, zur Kontrolle der privaten
militärischen Unternehmen und der von ihnen abgeschlossenen Verträge,

● die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den privaten mili-
tärischen Sicherheitsunternehmen und deren Auftraggebern;

4. die Legalisierung des Geschäftsbereichs durch gesetzliche Regelungen in
Form der Registrierung, Lizenzierung und Bindung an die in Verträgen fest-
zulegenden Rahmenbedingungen für den jeweiligen Einsatz voranzutreiben.

Berlin, den 12. November 2008

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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