BT-Drucksache 16/10832

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/8879- Das Ratifizierungsverfahren zum Vertrag von Lissabon aussetzen - Ein Sozialprotokoll vereinbaren

Vom 11. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10832
16. Wahlperiode 11. 11. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(21. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Diether Dehm, Monika Knoche,
Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/8879 –

Das Ratifizierungsverfahren zum Vertrag von Lissabon aussetzen –
Ein Sozialprotokoll vereinbaren

A. Problem

Das europäische Primärrecht enthält für den Bereich der Sozialpolitik vornehm-
lich sozialpolitische Ziele und einzelne Handlungsermächtigungen. Die inhalt-
liche Ausgestaltung dieses Politikbereichs haben sich die Mitgliedstaaten der
Europäischen Union selbst vorbehalten. Mit dem Vertrag von Lissabon wird die
Grundrechtecharta, die eine Reihe von sozialen Grundrechten niederlegt, rechts-
verbindlich. Darüber hinaus sieht der Vertrag aber keine wesentlichen primär-
rechtlichen Änderungen im Bereich der Sozialpolitik vor.

Mit dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, das Ratifikationsver-
fahren zum Vertrag von Lissabon nicht fortzusetzen und die Verhandlung eines
Sozialprotokolls, das eine sogenannte soziale Fortschrittsklausel enthalten soll,
zu initiieren. Mit der Klausel soll klargestellt werden, dass Grundrechte und
Grundwerte Vorrang vor dem freien Kapital- und Warenverkehr sowie der
Dienstleistungsfreiheit und Freizügigkeit haben.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE.

C. Alternativen
Keine

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/10832 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/8879 abzulehnen.

Berlin, den 15. Oktober 2008

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Gunther Krichbaum
Vorsitzender

Michael Stübgen
Berichterstatter

Michael Roth (Heringen)
Berichterstatter

Markus Löning
Berichterstatter

Dr. Diether Dehm
Berichterstatter

Rainder Steenblock
Berichterstatter

Berlin, den 15. Oktober 2008
Michael Stübgen
Berichterstatter

Michael Roth (Heringen)
Berichterstatter

Markus Löning
Berichterstatter
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag der Fraktion
DIE LINKE. auf Drucksache 16/8879 in seiner 157. Sit-
zung am 24. April 2008 beraten und federführend an den
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
und mitberatend an den Rechtsausschuss sowie den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales überwiesen.

2. Inhalt der Vorlage

In ihrem Antrag kritisiert die Fraktion DIE LINKE. die
jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes be-
züglich der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit.

Nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE. richtet sich die
Rechtsprechung gegen die Interessen der Arbeitnehmer und
Gewerkschaften. Die Urteile hebelten das Streikrecht und
die nationalen Regelungen zur Sicherung von Mindest- bzw.
Tariflöhnen aus. Anhand der Aufnahme einer sogenannten
sozialen Fortschrittsklausel in das Vertragswerk der Euro-
päischen Union und damit in das primäre Gemeinschafts-
recht müsse der Vorrang des Arbeitnehmerschutzes und der
Grundrechte gewährleistet werden. Einzig auf diesem Weg
könnten ein Lohnunterbietungswettbewerb in Europa ver-
hindert und die zentralen sozialen Standards, die Tarifauto-
nomie und die Tarifsysteme der Mitgliedstaaten geschützt
werden.

Da der Vertrag von Lissabon diesen Schutz nicht gewährleis-
te, müsse seine Ratifizierung unterbrochen werden, um die
Aufnahme eines Sozialprotokolls und damit der sozialen
Fortschrittsklausel zu vereinbaren.

3. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Der Rechtsausschuss hat in seiner 113. Sitzung am 15. Ok-
tober 2008 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den Antrag
abzulehnen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 97. Sit-
zung am 15. Oktober 2008 mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen,
den Antrag abzulehnen.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Druck-
sache 16/8879 in seiner 70. Sitzung am 15. Oktober 2008
beraten.

Die Fraktion DIE LINKE. legte dar, der Antrag, das Ratifi-
zierungsverfahren auszusetzen, sei notwendige Konsequenz
des Scheiterns des Vertrags von Lissabon durch das ableh-
nende Referendum in Irland. Entgegen dem ursprünglichen
Reformgedanken führe der Vertrag von Lissabon die Bürger
der EU-Mitgliedstaaten nicht zusammen. Dieses Scheitern
müsse der Deutsche Bundestag anerkennen, die Ratifizie-
rung aussetzen und die Verhandlungen über einen neuen
Reformvertrag beginnen. Zugleich müsse die Chance ge-
nutzt werden, durch ein soziales Fortschrittsprotokoll die
unsoziale Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes
einzudämmen und zurückzudrängen. Die Grundfreiheiten
des Kapitals im Binnenmarkt, die Niederlassungsfreiheit,
die Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit
dürften nicht länger Vorrang vor sozialen Grundrechten und
dem Grundwert der Sozialstaatlichkeit genießen.

Der Vorsitzende gab das Meinungsbild zum Ratifikations-
verfahren des Vertrags von Lissabon der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wieder.
Der Vertrag von Lissabon sei nicht gescheitert. Vielmehr sei
die Fortsetzung des Ratifikationsprozesses erforderlich, um
die erforderliche grundlegende Reform der Europäischen
Union durchzuführen. Der Vertrag von Lissabon lege die
Grundlagen für eine demokratischere, transparentere und
handlungsfähigere Europäische Union mit einer besseren
Kompetenzabgrenzung zwischen den Zuständigkeiten auf
europäischer und nationaler Ebene und verbesserten Ein-
flussmöglichkeiten der nationalen Parlamente. Der Ratifika-
tionsprozess müsse daher fortgesetzt werden. Dieses weitge-
hend übereinstimmende Meinungsbild hatte sich im Rahmen
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen
Union bereits während der Verhandlungen zum Vertrag von
Lissabon und im Rahmen der Diskussionen zum gescheiter-
ten irischen Referendum ergeben.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat in seiner 70. Sitzung am 15. Oktober 2008
mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. empfohlen, den Antrag auf Drucksache
16/8879 abzulehnen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10832

Bericht der Abgeordneten Michael Stübgen, Michael Roth (Heringen), Markus
Löning, Dr. Diether Dehm und Rainder Steenblock

1. Beratungsverfahren 4. Beratungsverfahren im federführenden Ausschuss
Dr. Diether Dehm
Berichterstatter

Rainder Steenblock
Berichterstatter

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