BT-Drucksache 16/10772

Probleme bei der Gewährung von Kinderzuschlag und Wohngeld im SGB II

Vom 3. November 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10772
16. Wahlperiode 03. 11. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Katrin Kunert, Diana Golze, Katja Kipping, Elke Reinke
und der Fraktion DIE LINKE.

Probleme bei der Gewährung von Kinderzuschlag und Wohngeld im SGB II

Am 1. Oktober 2008 trat die Reform des Kinderzuschlags in Kraft. Die Bundes-
regierung verband mit dem Gesetzesvorhaben das Ziel durch eine Ausweitung
des Kreises der Anspruchsberechtigten, Familien und insbesondere Alleinerzie-
henden den ergänzenden Bezug von Grundsicherungsleistungen im Rahmen des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) zu ersparen sowie das bisher prak-
tizierte komplizierte Verfahren zum Vollzug dieser Leistung zu vereinfachen.

Laut Geschäftsanweisung obliegt die Prüfung, ob die Hilfebedürftigkeit durch
die Gewährung des Kinderzuschlages und/oder des Wohngeldes beseitigt wer-
den kann, wie bisher den Arbeitsgemeinschaften (ARGEn)/Agenturen für Ar-
beit in getrennter Aufgabenwahrnehmung (AAgAW). Die Beratungen zum Kin-
derzuschlag führt auch zukünftig ausschließlich die Familienkasse durch und
die Antragstellung erfolgt ebenfalls in der Familienkasse. Damit ändert sich
nichts am Verfahren. Es bleibt höchst kompliziert, intransparent und für die
Antragsteller nicht nachvollziehbar. Für die Beschäftigten steigt der Verwal-
tungsaufwand weiter an.

Dazu kommen Unsicherheiten für die Betroffenen, weil sowohl für das neu
eingeführte „kleine Wahlrecht“ als auch für die Übergänge von der Grund-
sicherungsleistung zu Kinderzuschlag und Wohngeld keine verbindlichen
Regelungen getroffen wurden. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bei
bisherigen Bezieherinnen/Bezieher von Transferleistungen zu Härtefällen und
Problemen kommen kann, wenn die Leistungen nicht lückenlos aufeinander fol-
gen. Von einer Vereinfachung, wie von der Bundesregierung angekündigt, kann
also nicht die Rede sein.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist es richtig, dass bei Erst- und Folgeanträgen auf Arbeitslosengeld II
(ALG II) automatisch durch die ARGEn/AAgAW eine Prüfung der An-
spruchsberechtigung auf Kinderzuschlag und Wohngeld erfolgt?

2. Durch wen erfolgt gegenüber dem/der Antragsteller/Antragstellerin auf
ALG II die Mitteilung, dass ein Anspruch auf Kinderzuschlag und Wohngeld

besteht oder vermutet wird, und welche verbindlichen Konsequenzen hat
diese Mitteilung für den/die Antragsteller/Antragstellerin auf ALG II – muss
er in jedem Falle zwingend Kinderzuschlag und Wohngeld beantragen?

3. Wie sind die Fristen für die Antragstellung auf Kinderzuschlag und Wohn-
geld?

Drucksache 16/10772 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Wie wird ein lückenloser Leistungsbezug (ALG II bzw. Kinderzuschlag
und Wohngeld) in jedem Falle und insbesondere bei nur vermutetem
Anspruch auf Kinderzuschlag/Wohngeld gewährleistet?

Sind Übergangsregelungen derart vorgesehen, dass der ALG-II-Leistungs-
bezug erst entfällt, wenn Kinderzuschlag und Wohngeld bewilligt sind und
tatsächlich gezahlt werden?

Wie sollen soziale Härten durch das Entstehen von zeitlichen Lücken beim
Bezug von Leistungen vermieden werden?

5. Wie und durch wen erfolgt bei Erst- und Folgeanträgen auf ALG II, bei
denen ein Anspruch auf Kinderzuschlag festgestellt bzw. vermutet wird,
eine sachkundige Beratung und Unterstützung bei der Antragstellung?

Wer trägt die Finanzierung der Beratungsleistung?

6. Wie und durch wen erfolgt bei Erst- und Folgeanträgen auf ALG II, bei
denen ein Anspruch auf Kinderzuschlag festgestellt bzw. vermutet wird und
denen der Gesetzgeber ein „Wahlrecht“ eingeräumt hat, eine sachkundige
Beratung und Unterstützung bei der Antragstellung?

Welche Fristen haben die Betroffenen für ihre Entscheidung?

7. Werden z. B. betroffene Alleinerziehende mit Anspruch auf einen Mehr-
bedarf über mögliche Schlechterstellungen bei der Wahl des Kinderzuschla-
ges informiert?

8. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Familienkassen und ARGEn/
AAgAW bei Feststellung der Antragsberechtigung, Beratung und Antrag-
stellung verbindlich geregelt (Arbeitsanweisungen o. Ä.)?

9. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen den Familienkassen, die für öffent-
lich Bedienstete zuständig sind, und den ARGEn/AAgAW bei Feststellung
der Antragsberechtigung, Beratung und Antragstellung verbindlich geregelt
(Arbeitsanweisungen o. Ä.)?

Welche datenschutzrechtlichen Regelungen gibt es für den Austausch von
Daten zwischen diesen beiden Institutionen?

10. Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Familienkassen, Wohngeldstellen
und ARGEn/AAgAW bei Feststellung der Antragsberechtigung, Beratung
und Antragstellung auf Wohngeld verbindlich geregelt (Arbeitsanweisun-
gen o. Ä.)?

11. Wie wird bei den Familienkassen verfahren, wenn bei der Antragstellung
von Nicht-ALG-II-Bezieher/Bezieherinnen auf Kinderzuschlag ein An-
spruch festgestellt bzw. vermutet wird?

Welche Mechanismen incl. Datenströme stellen eine Prüfung der An-
spruchsberechtigung seitens der ARGEn/AAgAW sicher?

Wie wird gewährleistet, dass es beim Austausch von Daten keinen Verstoß
gegen den Datenschutz gibt?

12. Wie wird bei den Familienkassen verfahren, wenn bei der Antragstellung
von Nicht-ALG-II-Bezieher/Bezieherinnen auf Kindergeld ein Anspruch
auf Leistungen nach dem SGB II oder Kinderzuschlag festgestellt bzw. ver-
mutet wird?

Welche Mechanismen stellen eine Prüfung der Anspruchsberechtigung
seitens der ARGEn/AAgAW sicher?

13. Welche Maßnahmen wurden seitens der Arbeitsagentur und den zustän-
digen Bundesministerien in die Wege geleitet, um die betroffenen Bürger/

Bürgerinnen über die gesetzlichen Neuregelungen zu informieren?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10772

14. Wie wurden die ARGEn/AAgAW, Familienkassen und Wohngeldstellen in
die Lage versetzt, die Regelungen sachgerecht, transparent und bürger-
freundlich umzusetzen?

15. Wie ist der mit der Umsetzung der gesetzlichen Neuregelungen verbundene
verwaltungsmäßige Aufwand zum einen für die Antragsteller/Antragstelle-
rinnen und zum anderen für die Behörden im Vergleich zur vorangegange-
nen Regelung zu bewerten?

Berlin, den 29. Oktober 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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