BT-Drucksache 16/10681

Herkunft und Zusammensetzung des radioaktiven Inventars im Bergwerk Asse II aus dem Forschungszentrum Karlsruhe

Vom 17. Oktober 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10681
16. Wahlperiode 17. 10. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, Hans-Josef
Fell, Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter,
Ulrike Höfken, Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Thea Dückert, Renate Künast,
Fritz Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Herkunft und Zusammensetzung des radioaktiven Inventars im Bergwerk Asse II
aus dem Forschungszentrum Karlsruhe

Das radioaktive Inventar der Schachtanlage Asse II ist in 2002 durch den Be-
treiber GSF-Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit, heute Helmholtz
Zentrum München, festgestellt worden. Dabei hat sich herausgestellt, dass im
Zeitraum von 1967 bis 1978 insgesamt 125 787 Gebinde mit radioaktiven
Abfällen eingelagert wurden. Der Bericht gibt an, dass „nuklidspezifische Akti-
vitätsangaben, mit Ausnahme der Kernbrennstoffe und einiger weniger Alpha-
Strahler, damals nicht für notwendig angesehen und deshalb auch nicht ab-
gefordert [wurden].“

Die nicht von Anbeginn der Einlagerung vorzulegenden Begleitlisten weisen
oftmals gerundete Angaben oder lediglich Schätzungen auf. Trotzdem weist
der o. g. Bericht detaillierte Aktivitätsangaben aus, die mittels eines Pro-
gramms zur Aktualisierung des Asse-Inventars (PAI) auf Plausibilität überprüft
wurden.

Die Fragesteller fragen insbesondere nach den Einlagerungen von Gebinden,
die aus dem Forschungszentrum Karlsruhe (FZK), ehemals Kernforschungs-
zentrum bzw. Gesellschaft für Kernforschung, nach Asse II gelangten. Die Ab-
fälle, die aus Karlsruhe in Asse II eingelagert wurden, stellen etwa die Hälfte
des Abfallvolumens und ca. 90 Prozent der eingelagerten Radioaktivität.

Darunter befinden sich nach Angaben des o. g. Berichts Plutonium, Uran,
Radium und Thorium. Als Menge des eingelagerten Plutoniums werden
9,469 kg angegeben.

In der Fragestunde am 24. September 2008 in der 178. Sitzung des Deutschen
Bundestages antwortet Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär bei
der Bundesministerin für Bildung und Forschung, auf Nachfragen zum ein-
gelagerten Plutonium, dass der ,Statusbericht keine Hinweise auf hochradio-
aktive Abfälle gegeben [hat]. Im Gegenteil: Ich verweise auf Seite 121, wo aus-

drücklich steht, dass „keine hochradioaktiven Abfälle“ eingelagert worden
sind.‘

Der Statusbericht des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt und Klima-
schutz zu Asse II zitiert auf Seite 99 aus einer E-Mail des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit über das Radioaktivitätsinven-
tar der Asse II vom 29. August 2008. Dort wird die Aussage des TÜV Nord
EnSys bestätigt, dass in der Asse II keine hochradioaktiven Abfälle eingelagert

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wurden. Die Grundlage dafür ist eine Berechnung der Wärmeabgabe der in
Asse II eingelagerten Radioaktivität im Durchschnitt der insgesamt 47 000 m3

Abfälle.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wer entwickelte das Programm zur Aktualisierung des Asse-Inventars
(PAI), und auf welcher wissenschaftlichen Basis gründet das Programm?

2. Wie groß waren, vor dem Hintergrund, dass laut „die tageszeitung“ vom
9. September 2008 das Kernforschungszentrum Karlsruhe am 4. August
1965 den Betreiber von Asse II schriftlich um Beschleunigung der Schaf-
fung von Einlagerungskapazitäten bat, da „infolge des laufenden Ausbaus
des Kernforschungszentrums Karlsruhe unser Anfall an radioaktiven
Abfällen an[steigt]“, die Mengen des zu diesem Zeitpunkt bereits im FZK
angefallenen Atommülls, und wie wurde dieser aufbewahrt bzw. gelagert?

3. Wie viele Gebinde wurden in welchen Jahren aus dem FZK nach Asse II
geliefert (bitte in tabellarischer Auflistung nach Art des Abfalls [schwach/
mittelradioaktiv], Volumen bzw. Gewicht, Aktivitätsbestimmung und Jah-
reszahl der Einlagerung)?

4. Aus welchen Forschungsaktivitäten im FZK resultierte der jeweilige Abfall
(bitte in tabellarischer Auflistung nach Forschungsprogrammen, Zeitraum
bzw. Jahreszahl der Versuche/Forschungsleistungen mit den daraus resul-
tierenden Abfällen)?

5. Wurden im FZK auch radioaktive Rest- und Abfallstoffe aus anderen kern-
technischen Anlagen beforscht, und sind dabei Abfälle entstanden, die in
Asse II eingelagert wurden?

6. Wenn ja, aus welchen kerntechnischen Anlagen wurden diese Abfälle an
das FZK geliefert, wann, und in welchem Umfang (bitte in tabellarischer
Auflistung nach Herkunft, Zeitraum bzw. Jahreszahl der Versuche/For-
schungsleistungen und den daraus resultierenden Abfällen/Gebinden)?

7. Woher stammt das Material, mit dem die Wiederaufbereitung erforscht
werden sollte, sind dabei radioaktive Rest- und Abfallstoffe entstanden,
und wurden diese gänzlich oder teilweise in Asse II eingelagert?

8. Auf welcher rechtlichen Grundlage geschahen die Annahme von radioakti-
ven Reststoffen/Abfällen aus Kernkraftwerken im Kernforschungszentrum
Karlsruhe, ihre Ver-/Bearbeitung sowie die Weitergabe dieser Stoffe/Folge-
produkte an Asse II?

9. Ist aus der Antwort vom Parlamentarischen Staatssekretär Thomas Rachel
in der o. g. Fragestunde am 24. September 2008 zu schließen, dass das ein-
gelagerte Plutonium durchgehend nicht hochradioaktives Material ist?

10. Zu welchem Zweck wurde das in Asse II eingelagerte Plutonium im FZK
verwendet, welche Forschungsergebnisse wurden damit angestrebt und er-
reicht, und in welchen Zeiträumen (bitte in tabellarischer Auflistung nach
Forschungsprogrammen, Zeitraum der Versuche/Forschungsleistungen mit
den daraus resultierenden Abfallmengen und ihrem Aktivitätspotenzial)?

11. Nach welcher Klassifikation wurde in der Bundesrepublik Deutschland im
Einlagerungszeitraum für die Asse II (1967 bis 1978) zwischen schwach,
mittel- und hochradioaktiven Abfällen unterschieden?

12. Nach welcher Klassifikation wird heute in der Bundesrepublik Deutsch-
land zwischen schwach, mittel- und hochradioaktiven Abfällen unterschie-

den?

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13. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass in der Asse II einzelne Ab-
fallgebinde eingelagert wurden, die die Schwelle von hochradioaktiven
Abfällen überschreiten (bitte ggf. aufschlüsseln nach zur Einlagerungszeit
gültiger (siehe Frage 11) und heutiger Klassifikation (siehe Frage 12)?

14. Wie häufig wurden vor Inkrafttreten der Asse-Annahmebedingungen im
November 1971 Stichproben durchgeführt, um die Selbstdeklaration der
Abfallanlieferer in Standardfragebögen bzw. Fassbegleitkarten zu über-
prüfen?

15. Wie häufig wurden nach Inkrafttreten der Asse-Annahmebedingungen
1971 Stichproben durchgeführt, um die Einhaltung der Annahmebedingun-
gen zu überprüfen?

16. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass sich in Asse II auch außer-
halb der für mittelradioaktive Abfälle bestimmten Kammer 8a Abfälle
befinden, die mindestens als mittelradioaktiv einzustufen sind (bitte ggf.
aufschlüsseln nach zur Einlagerungszeit gültiger – siehe Frage 11 – und
heutiger Klassifikation – siehe Frage 12?

17. An welchen Landessammelstellen befinden sich heute Abfälle, die für die
Einlagerung in der Asse II vorgesehen waren, jedoch nicht mehr eingela-
gert werden konnten (bitte aufschlüsseln nach Anzahl der Abfallgebinde)?

18. Befinden sich noch an anderen Orten Abfälle, die für die Einlagerung in
der Asse II vorgesehen waren, jedoch nicht mehr eingelagert werden konn-
ten (z. B. Endlager Morsleben)?

19. Wurde bei ursprünglich für die Einlagerung in der Asse II bestimmten Ab-
fallgebinden nachträglich (z. B. anlässlich einer Neuverpackung) die Ab-
falldeklaration geprüft, und wenn ja, mit welchem Ergebnis hinsichtlich
der Korrektheit der Abfalldeklaration (bitte aufschlüsseln nach Ort, Jahr,
Zahl der Abfallgebinde und Prüfergebnis)?

20. Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus dem Stichprobenumfang,
den nachträglichen Deklarationsüberprüfungen und dem Ergebnis der Be-
fragung von Mitarbeitern des Betreibers von Asse II, dass entgegen den
Vorschriften auch flüssige Abfälle eingelagert wurden, für die Zuverlässig-
keit der Bestimmung des Radioaktivitätsinventars der Asse II (bitte auf-
schlüsseln nach schwach/mittel-/hochaktiven Abfällen)?

21. Welche Gebühren wurden für die Asse II in welchem Jahr für die Einlage-
rung welcher Arten von Abfällen aus welchen Quellen verlangt (bitte tabel-
larische Darstellung)?

22. Welche Einnahmen resultierten aus den Einlagerungsgebühren pro Jahr
und Abfallanlieferer (bitte auch die je Anlieferer eingelagerte Anzahl von
Abfallgebinden im betreffenden Jahr angeben)?

23. Wurden bei der Festsetzung der Einlagerungsgebühren für die Asse II Be-
rechnungen angestellt, welche Gebührenhöhe als kostendeckend anzuse-
hen ist, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Berlin, den 17. Oktober 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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