BT-Drucksache 16/10555

Spendenskandal um den Wohltätigkeitsverein "Deniz Feneri e. V."

Vom 13. Oktober 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10555
16. Wahlperiode 13. 10. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke und der Fraktion DIE LINKE.

Spendenskandal um den Wohltätigkeitsverein „Deniz Feneri e. V.“

Das Frankfurter Landgericht hat im Prozess gegen ehemalige Funktionäre des
türkisch-islamischen Wohltätigkeitsvereins „Deniz Feneri e. V.“ (Leuchtturm)
am 17. September 2008 die Angeklagten wegen Veruntreuung und Zweck-
entfremdung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. So sollen veruntreute Gel-
der in Höhe von mehr als 18 Mio. Euro im Umfeld der Regierungspartei
AKP gelandet sein. Nach Aussagen der Verurteilten ist auch die türkische
Regierungspartei AKP in den Spendenskandal verstrickt. Das Landgericht
vermutete die Hintermänner des Betrugs in der Türkei (www.hr-online.de/
website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?key=standard_document_
35255022&rubrik=36082). Der Vorsitzende Richter berichtet davon, dass die
türkische Regierung auf diplomatischem Wege Informationen über die Ent-
wicklungen im besagten Prozess eingeholt hat (www.hurriyet.com.tr/gundem/
9982666.asp?gid=229&sz=53582).

Der aktuelle Spendenskandal erinnert an den Betrug an rund 300 000 Anlegern,
die von so genannten islamischen Holdings um mehrere Milliarden geprellt
wurden. Denn in beiden Fällen wurde der religiöse Glaube der Spender bzw.
Anleger missbraucht.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Kenntnisse besitzt die Bundesregierung über den Verein „Deniz
Feneri e. V.“ und seine Aktivitäten?

2. Wurden im Zuge des Ermittlungsverfahrens gegen „Deniz Feneri e. V.“
Bundesbehörden wie z. B. Bundeskriminalamt (BKA), Bundesamt für Ver-
fassungsschutz (BfV) etc. eingeschaltet?

3. Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob Verstrickungen/Überschnei-
dungen personeller oder finanzieller Art zwischen dem Verein „Deniz Feneri
e. V.“ einerseits und Gesellschaften andererseits, die den so genannten isla-
mischen Holdings zuzurechnen sind, bestanden bzw. weiterhin bestehen?

4. a) Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass die Aktivitäten des Vereins
„Deniz Feneri e. V.“ Ähnlichkeit mit denen der so genannten islamischen
Holdings aufweisen, die jahrelang unbehelligt gutgläubige Anleger in der
Bundesrepublik Deutschland prellen konnten?
b) Wenn nein, vertritt sie – wie auch schon im Falle des Anlagenbetrugs
durch die so genannten islamischen Holdings (s. hierzu die Antworten
auf die Kleine Anfrage „Situation der Anlegerinnen und Anleger in so
genannte islamische Holdings“, Bundestagsdrucksache 16/4836) – die
Ansicht, dass sie bzw. ihr nach geordnete Stellen beim Spendenskandal
um den Verein „Deniz Feneri e. V.“ ihrer Aufsichtspflicht nachgekom-
men ist bzw. sind?

Drucksache 16/10555 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
5. a) Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob ehemalige oder derzei-
tige Funktionäre des Vereins „Deniz Feneri e. V.“ zur gleichen Zeit lei-
tende Funktionen innerhalb der staatlichen Behörden der Republik Tür-
kei inne hatten bzw. haben?

b) Gibt es unter diesen Personen solche, gegen die Einreisebedenken aus-
gesprochen wurden?

6. a) Treffen Pressemeldungen über ein Gespräch des türkischen Ministerprä-
sidenten Recep Tayyip Erdogan mit dem deutschen Botschafter Eckart
Kuntz am 22. November 2007 in Ankara zu, wonach Recep Tayyip
Erdogan sich zum Verfahren gegen ehemalige Funktionäre des Vereins
„Deniz Feneri e. V.“ geäußert hat (Hürriyet vom 16. September 2008)?

b) Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung Äußerungen eines auslän-
dischen Regierungschefs zu einem laufenden Verfahren in der Bundes-
republik Deutschland?

c) Vertritt sie die Ansicht, dass eine solche Äußerung eine Einmischung in
ein laufendes Verfahren darstellt?

7. a) Treffen Pressemeldungen über ein Gespräch des türkischen Justizminis-
ters Mehmet Ali Sahin mit dem deutschen Botschafter Eckart Kuntz am
5. Dezember 2007 in Ankara zu, wonach Mehmet Ali Sahin sich über
die Haftdauer der Angeklagten im Verfahren gegen den Verein „Deniz
Feneri e. V.“ geäußert hat? (ebd.)

b) Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung Äußerungen eines auslän-
dischen Regierungsmitglieds zu einem laufenden Verfahren in der Bun-
desrepublik Deutschland?

c) Vertritt sie die Ansicht, dass eine solche Äußerung eine Einmischung in
ein laufendes Verfahren darstellt?

8. Gab es mit Bezug auf den konkreten Fall des Vereins „Deniz Feneri e. V.“
bzw. spätestens aus Anlass desselben auf der Ebene der Innenministerkon-
ferenz koordinierende Verabredungen hinsichtlich vereinsrechtlicher Über-
wachung solcher Spenden sammelnder Betätigung?

9. Sieht die Bundesregierung aufgrund der Tragweite des Spendenskandals
um den Verein „Deniz Feneri e. V.“ Veranlassung dafür, den Geschädigten
zu helfen?

a) Wenn ja, in welcher Form?

b) Wenn nein, warum nicht?

10. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung zu treffen, um derartige
Fälle in Zukunft zu verhindern und die Menschen vor derartigen dubiosen
Vereinen und Organisationen zu schützen?

Berlin, den 10. Oktober 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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