BT-Drucksache 16/10553

Polizeieinsatz am Rande der Kundgebung "Köln stellt sich quer"

Vom 13. Oktober 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10553
16. Wahlperiode 13. 10. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Inge Höger, Ulla Jelpke, Ulla Lötzer und der
Fraktion DIE LINKE.

Polizeieinsatz am Rande der Kundgebung „Köln stellt sich quer“

Am 20. September 2008 demonstrierten in Köln ca. 50 000 Menschen unter
dem Motto „Köln stellt sich quer“ erfolgreich gegen einen so genannten „Anti-
Islamisierungskongress“.

Im Ergebnis der Proteste wurde die Versammlung auf dem Kölner Heumarkt
durch die Polizei untersagt.

Trotz einer Bewertung dieser Veranstaltung durch die Bundesregierung als „in
hohem Maß kontraproduktiv auf die Bemühungen um Integration von Men-
schen muslimischen Glaubens (wirkend)“ (Bundestagsdrucksache 16/10010)
wurde diese nicht verboten. Deshalb wurde nach Beobachtungen von Teilneh-
mern der Protestkundgebung unter Beteiligung von Kräften der Bundespolizei
ein großes Aufgebot an sächlichen und personellen Polizeimitteln aufgewendet.

Am Rande der überwiegend friedlich verlaufenen Protestaktionen kam es stel-
lenweise zu einem massiven Vorgehen gegen Teilnehmerinnen der Gegen-
demonstranten. Dabei wurden laut Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom
23. September 2008 404 Personen, darunter 72 Jugendliche und 4 Kinder in
Gewahrsam genommen und zu einer Sammelstelle in Brühl verbracht. Den wei-
teren Fortgang der Ereignisse schildert der zitierte Pressebericht so, dass eine
Jugendliche trotz Anwesenheit der Mutter nach ihrer Festnahme am Mittag „bis
kurz nach 23 Uhr in einem kalten Bus (habe) warten müssen und einer Leibes-
visitation unterzogen worden (sei). Ihre Bitte, mit den Eltern telefonieren zu
dürfen, habe die Polizei „überhört“. (…) Kurz nach Mitternacht wurde die
15-Jährige dann doch freigelassen. Ihre Eltern hatten seit Stunden am Schran-
kenhäuschen vor der Gefangenensammelstelle gewartet. Mehr als 30 Müttern
und Vätern sei es ähnlich ergangen, berichtete ein anderer Betroffener.“ Weiter-
hin soll nach diesem Pressebericht an dieser Gefangenensammelstelle lediglich
eine einzelne Haftrichterin zur Überprüfung anwesend gewesen sein, die gegen
22 Uhr den Einsatzort verließ, nachdem ihr durch die Polizei lediglich zwei Per-
sonen vorgeführt worden waren.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Inwieweit waren Kräfte der Bundespolizei im Zusammenhang mit den Ver-
anstaltungen um den „Anti-Islamisierungskongress“ im Einsatz (bitte nach
Personen je Einsatztag über die gesamte Einsatzzeit aufschlüsseln)?

2. Sofern Bundespolizei eingesetzt wurde, aus welchen Bundesländern kamen
die Kräfte der Bundespolizei (aufgeschlüsselt nach Einsatzkräften je Bun-
desland und ihrer Einsatzdauer)?

Drucksache 16/10553 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. Wie hoch belaufen sich die Gesamtkosten für die Polizeieinsätze im Zu-
sammenhang mit dem so genannten „Anti-Islamisierungskongress“, und
welchen Anteil daran haben Aufwendungen für den Einsatz der Bundes-
polizei?

4. Wie hoch sind bezogen auf die Bundespolizei und soweit Kenntnisse vor-
liegen auch auf die anderen Einsatzkräfte der Polizei die einzelnen Auf-
wendungen für

a) Personalkosten,

b) Unterkunftskosten,

c) Verpflegungskosten,

d) Ausrüstungskosten,

im Zeitraum des gesamten Einsatzes?

5. In welchem Umfang wurden Mittel für die Herstellung von Gewahrsams-
einrichtungen der Gefangenensammelstelle Brühl aufgewendet, und war
die Bundespolizei daran beteiligt?

6. Mit welcher Anzahl von Gewahrsam- und Festnahmen wurde seitens der
Einsatzleitung gerechnet; auf welche Anhaltspunkte stützte sich eine da-
hingehende Lageeinschätzung, und inwieweit waren Einsatzkräfte und
Dienststellen der Bundespolizei an der Erarbeitung beteiligt?

7. Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, in wie vielen Fäl-
len und aufgrund welcher Umstände es – wie von Betroffenen und Anwäl-
ten berichtet – zu erheblichen Überschreitungen der zulässigen Zeiträume
für eine polizeilichen Ingewahrsamnahme ohne richterliche Überprüfung
gekommen ist, und wie bewertet die Bundesregierung diese Tatsache?

8. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Richter zur Bearbeitung solcher
Fälle abgestellt waren?

Wenn nein, warum nicht?

9. Hat die Bundesregierung auf der Grundlage ihrer oben zitierten inhalt-
lichen Einschätzung der Veranstaltung auf ein Verbot des so genannten
„Anti-Islamisierungskongresses“ hingewirkt, und wenn ja, wie und mit
welchem Ergebnis, und wenn nein, wie begründet sie dies?

10. Ist der Bundesregeierung bekannt, warum es nicht zu einem inhaltlich
begründeten Verbot des Kongresses und der Kundgebung von „pro-Köln
e. V.“ z. B. aufgrund dessen volksverhetzender Ausrichtung, im Vorfeld ge-
kommen ist, und wie bewertet sie diese Tatsache?

11. Ist der Bundesregierung bekannt, warum es nicht zu einem Veranstal-
tungsverbot aufgrund der in Presseberichten angeführten mangelnden ver-
sammlungsrechtlichen Kooperationsbereitschaft des Veranstalters „pro-
Köln e. V.“ gekommen ist, und wie bewertet sie diese Tatsache?

12. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Bestrebungen des „pro-Köln e. V.“,
im Jahr 2009 eine ähnliche Veranstaltung durchzuführen?

Berlin, den 10. Oktober 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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