BT-Drucksache 16/10205

Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Dänemark über den Bau der festen Fehmarnbelt-Querung trotz veränderter Rahmenbedingungen

Vom 8. September 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10205
16. Wahlperiode 08. 09. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainder Steenblock, Peter Hettlich, Winfried Hermann,
Dr. Anton Hofreiter, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und Dänemark über den Bau der festen Fehmarnbelt-Querung trotz veränderter
Rahmenbedingungen

Ende Juni 2007 verständigten sich der Bundesminister für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, und sein dänischer Kollege Flemming
Hansen auf den Bau einer festen Querung über den Fehmarnbelt zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und Dänemark. Die 19 Kilometer lange Brücke
soll bis zum Jahr 2018 fertig gestellt werden.

Die Gesamtkosten des Bauprojektes sind bisher auf rund 4 Mrd. Euro ver-
anschlagt. Hinzu kämen nach vorläufigen Schätzungen rund 1,6 Mrd. Euro für die
Hinterlandanbindungen auf deutscher und dänischer Seite. Schleswig-Holstein
will sich mit einem Anteil von rund 60 Mio. Euro an den Kosten des Straßenaus-
baus im Zuge der Hinterlandanbindung beteiligen.

Der Bau einer festen Querung zwischen der deutschen Ostsee-Insel Fehmarn
und der dänischen Insel Lolland ist Gegenstand kontroverser Debatten sowohl
innerhalb der deutschen als auch der dänischen Öffentlichkeit.

In neuesten Medienberichten (u. a. Dithmarscher Landeszeitung vom 1. Sep-
tember 2008) heißt es, die Baukosten des Projektes seien bereits erheblich
gestiegen. Die zu erwartende Umlage der gestiegenen Baukosten auf die Maut
hätte zudem ein sinkendes Verkehrsaufkommen zur Folge. Zudem seien die
Rentabilitätsberechnungen elf Jahre alt und gingen für das Jahr 2015 von einem
Ölpreis von 26 US-Dollar aus, obwohl der Ölpreis heute schon um das vier- bis
fünffache höher liegt.

Vor diesem Hintergrund steht zu befürchten, dass das in den Rentabilitätsberech-
nungen zum Brückenbau prognostizierte Verkehrsaufkommen und somit die
gesamte Rentabilität der Brücke nicht aufrechtzuerhalten ist.

Dennoch sollen nach Angaben der für die Rentabilitätsberechnungen zustän-
digen Analysegesellschaft Sund&Baelt neue Berechnungen erst nach der Unter-
zeichnung des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
Dänemark vorgenommen werden. Die Unterzeichnung des Staatsvertrages steht
nach Angaben der Bundesregierung unmittelbar bevor.

Drucksache 16/10205 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft die Aussage zu, dass die aktuellen Rentabilitätsberechnungen und
Verkehrsprognosen der Analysegesellschaft Sund&Baelt bezüglich des
Baus der Fehmarnbeltbrücke auf elf Jahre alten Berechnungen und einem
prognostiziertem Ölpreis von 26 US-Dollar pro Barrel im Jahr 2015
beruhen?

2. Ist die Bundesregierung – nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass sich der
aktuelle Ölpreis bei rund 110 US-Dollar pro Barrel Öl bewegt – der Ansicht,
dass sich die Prognosen der Verkehrsaufkommen aufrechterhalten lassen,
die Rentabilitätsberechnungen noch Aussagekraft besitzen und die prog-
nostizierten Verkehrsaufkommen auch aus heutiger Sicht noch realistisch
sind?

3. Hat die Bundesregierung vor der Unterzeichnung des Staatsvertrages
eigene Rentabilitätsprüfungen vorgenommen, die sich auf die aktuellen
wirtschafts- und verkehrspolitischen Entwicklungen beziehen?

4. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Ansicht der Analysegesellschaft
Sund&Baelt, dass es nicht nötig sei, vor der Unterzeichnung des Staats-
vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Dänemark neue
– auf einer aktualisierten Datenlage beruhende – Untersuchungen bezüglich
der Rentabilität vorzunehmen?

5. Wie bewertet die Bundesregierung die von den Münchener Verkehrs-
experten der Vieregg-Rössler GmbH erstellte und dem Naturschutzbund in
Auftrag gegebene und auf einer aktuellen Datenlage beruhende Studie zur
Fehmarnbelt-Querung und dabei insbesondere die Aussagen, dass

a) sich die Baukosten der Brücke nach aktuellen Berechnungen von
ursprünglich 5,6 Mrd. Euro auf bis zu 9 Mrd. Euro erhöht hätten,

b) statt prognostizierten 8 830 Fahrzeugen lediglich 5 100 und statt 96 ledig-
lich 44 Züge pro Tag die Brücke nutzen werden?

6. Inwieweit teilt die Bundesregierung den Schluss der Gutachter, dass die bis-
herigen Rentabilitätsberechnungen nicht aufrechtzuerhalten seien und die
Wirtschaftlichkeit der Brücke angesichts einer prognostizierten Auslastung
von lediglich 10 Prozent insgesamt hinterfragt werden müsse?

7. Ist der Bundesregierung der Umstand bekannt, dass das Verkehrsaufkom-
men auf der für die feste Fehmarnbelt-Querung als verkehrspolitisches
Referenzobjekt geltende Öresundbrücke trotz gegenteiliger Prognosen in
der Vergangenheit stagnierte?

8. Kann das Betreiberkonsortium die Mauthöhe festlegen, oder ist dafür eine
staatliche Genehmigung erforderlich?

9. Wie will die Bundesregierung gewährleisten, dass die Mauthöhe die Nach-
frage nicht negativ beeinflusst?

10. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass dem Betreiber die Konzes-
sion ohne finanzielle Gegenleistung verlängert wird, wie im Falle der War-
nowquerung geschehen?

11. Wurde nach Einschätzung der Bundesregierung bei den bisherigen Ver-
kehrsprognosen zur Fehmarnbelt-Brücke dem Umstand genügend Rech-
nung getragen, dass viele LKW-Fahrer die bestehenden Fährverbindungen
für ihre gesetzlich vorgeschriebenen Lenkruhezeiten nutzen?

12. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Fähr- und Hafenwirtschaft in
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern im Zuge des Brücken-
baus erhebliche Umsatzeinbußen und einen damit zusammenhängenden
Verlust von Arbeitsplätzen befürchtet, und wie will die Bundesregierung
einem solchen Verlust entgegenwirken?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10205

13. Ist der Bundesregierung bekannt, dass sich die Bahngewerkschaft Transnet
angesichts der von einem geplanten Brückenbau ausgehenden Gefahr für
die maritime Wirtschaft gegen den Bau der festen Fehmarnbelt-Querung
ausgesprochen hat?

14. Ist sich die Bundesregierung darüber im Klaren, dass laut Umfragen rund
80 Prozent der Bewohner von Fehmarn den Bau der Brücke ablehnen, da
sie massive Einbußen in der Tourismusbranche aufgrund einer gut zehn-
jährigen Bautätigkeit erwarten?

15. Ist sich die Bundesregierung darüber im Klaren, dass deutsche Grund-
stücksbesitzer und Naturschutzverbände bereits Klagen gegen den Bau der
Fehmarnbelt-Brücke angekündigt haben, die den für das Jahr 2011 geplan-
ten Baubeginn der Brücke um bis zu zehn Jahre verzögern könnten?

16. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass Umweltschutz-
verbände bereits in den Voruntersuchungen zum Bau der Fehmarnbelt-
Querung eine Gefahr für die Walpopulation der Ostsee, im Zuge eines Baus
der Brücke den Wasseraustausch zwischen Nord- und Ostsee als gefährdet
erachten, eine gestiegene Gefahr von Tankerunfällen ausmachen und Euro-
pas wichtigste Vogelfluglinie als gefährdet betrachten?

17. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass laut einer von der
dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ veröffentlichten Befragung des
Ramsbøll-Institutes ein Großteil der Skandinavier den Bau der Brücke
ablehnt?

18. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der Erwartung
erheblich gestiegener Kosten für den Bau der Brücke, dem damit zu er-
wartenden Rückgang der Verkehrsaufkommen, den erheblichen Bedenken
zahlreicher Umweltverbände angesichts nicht abzuschätzender Folgen für
die Meeresumwelt, angesichts der Tatsache, dass es gut frequentierte Fähr-
verbindungen gibt, die Arbeitgeber zahlreicher Menschen sind und von
LKW-Fahrern aufgrund der gesetzlichen Regelungen gerne für die Ein-
haltung von Ruhezeiten genutzt werden, angesichts angekündigter Klagen
gegen den Bau der Fehmarnbelt-Brücke, die den Bau um bis zu zehn Jahre
verzögern könnten und angesichts der Tatsache, dass sowohl ein Großteil
der Skandinavier als auch der Bevölkerung von Fehmarn den Bau der
Brücke ablehnt, den Umstand, dass es durch den Brückenbau zu einer ledig-
lichen Verkürzung der Fahrtzeit zwischen Hamburg und Kopenhagen um
knapp eine Stunde käme, insgesamt die Sinnhaftigkeit des Baus der
Fehmarnbelt-Brücke aus heutiger Perspektive?

Berlin, den 8. September 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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