BT-Drucksache 16/10178

Position der Bundesregierung zum Klima- und Energiepaket der EU-Kommission

Vom 29. August 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10178
16. Wahlperiode 29. 08. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl,
Cornelia Behm, Winfried Hermann, Peter Hettlich, Ulrike Höfken,
Dr. Anton Hofreiter, Undine Kurth (Quedlinburg), Rainder Steenblock,
Renate Künast, Fritz Kuhn und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Position der Bundesregierung zum Klima- und Energiepaket der EU-Kommission

Am 23. Januar 2008 wurde von der EU-Kommission ein Klima- und Energie-
paket vorgelegt, das derzeit im Europäischen Parlament und dem Ministerrat be-
raten wird. Bestandteil des Paketes sind unter anderem die Überarbeitung des
Emissionshandelssystems, die Aufteilung der Bemühungen zur Emissions-
reduktion zwischen den Mitgliedstaaten („effort sharing“), eine Richtlinie über
den Ausbau erneuerbarer Energien, eine Richtlinie über die Abscheidung und
Speicherung von CO2 (CCS).

Nach zunächst zwei Orientierungsdebatten bei den Umweltministerräten am
3. März 2008 in Brüssel und 7. Juni 2008 in Luxemburg fand am 3. und 4. Juli
2008 ein weiterer informeller Umweltministerrat in Paris statt, bei dem nach
Pressemeldungen bislang noch keine Einigung zum Energie- und Klimapaket
der EU-Kommission erreicht werden konnte. Strittig waren nach Agenturmel-
dungen vor allem die Punkte der konkreten Aufteilung der CO2-Reduktionen
zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, die Frage nach der Festlegung des
Bezugsjahres (1990 oder 2005) sowie die Anerkennung von „Joint Implementa-
tion“ und „Clean Development Mechanism“ Projekten (JI/CDM) und die
Gefahr einer Abwanderung energieintensiver Unternehmen aus Europa, die in
einem internationalen Wettbewerb stehen.

Erklärtes Ziel der französischen Ratpräsidentschaft ist es, das Legislativpaket
„Klima und Energie“ noch in diesem Jahr abzuschließen. Um dieses Ziel
zu erreichen, müsste das Europäische Parlament bereits bei der 1. Lesung, die
voraussichtlich im Dezember 2008 stattfinden wird, einen mit dem Rat abge-
stimmten Vorschlag verabschieden.

Die Bundesregierung hat sich selbst zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissio-
nen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Bezugsjahr 1990 zu senken. Dieses
Ziel soll zum einen Teil durch ein integriertes Klima- und Energiepaket erreicht
werden, das sich derzeit (zum Teil) noch im parlamentarischen Verfahren be-
findet, der übrige Anteil zur Reduktion der Treibhausgasemissionen soll durch
den Emissionshandel erbracht werden. Der Senkung der Treibhausgasemissio-
nen durch den Emissionshandel kommt dabei eine besondere Bedeutung zu.
Insofern sind die europäischen Beschlüsse zur Weiternetwicklung des euro-
päischen Handelssystems von entscheidender Bedeutung zum Erreichen natio-
naler Reduktionsziele für die Treibhausgasemissionen.

Drucksache 16/10178 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie beurteilt die Bundsregierung die Bedeutung von Europa in der inter-
nationalen Klimapolitik als Vorreiter, und welche Reduktionsziele für
Treibhausgasemissionen sollten die Europäische Union und die Bundes-
republik Deutschland nach Ansicht der Bundesregierung bis 2020 unabhän-
gig von einer internationalen Vereinbarung anstreben?

2. Wird von der Bundesregierung bei den Verhandlungen im Ministerrat die
von der EU-Kommission vorgeschlagene und vom Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages mit Be-
schluss vom 7. Mai 2008 eingeforderte einhundertprozentige Auktionie-
rung der Emissionszertifikate für die Energiewirtschaft ab 2013 unterstützt,
und setzt sich die Bundesregierung in diesem Zusammenhang für eine
Gleichbehandlung unterschiedlicher Energieträger wie Gas oder Kohle ein,
oder sind gegebenenfalls Ausnahmen vorgesehen, und wenn ja, in welcher
Form?

3. Erwartet die Bundesregierung durch eine einhundertprozentige Auktio-
nierung der Emissionszertifikate für die Energiewirtschaft eine Steigerung
der Stromkosten und gegebenenfalls in welcher Höhe?

4. Welche Verhandlungsposition vertritt die Bundesregierung hinsichtlich der
Auktionierung von Zertifikaten im produzierenden Gewerbe?

5. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission
einen Teil der Rechte zur Versteigerung von Zertifikaten von Mitgliedstaa-
ten mit einem hohen Pro-Kopf-Einkommen auf Mitgliedstaaten mit einem
niedrigen Pro-Kopf-Einkommen umzuverteilen, um die finanziellen Mög-
lichkeiten letzterer für Investitionen in klimafreundliche Technologien aus-
zubauen, und welche Position vertritt die Bundesregierung diesbezüglich
bei den Verhandlungen im Rat?

6. Welche Position vertritt die Bundsregierung hinsichtlich des Kommissions-
vorschlages, dass eine Reihe neuer Industriesektoren (z. B. Aluminium-
und Ammoniakhersteller) sowie zwei weitere Gase (Stickoxid und Per-
fluorkohlenstoffe) in das Emissionshandelssystem einbezogen werden
sollen?

7. Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag der EU-Kommission,
dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten sollen, kleine Anlagen
aus dem Anwendungsbereich des Systems herauszunehmen, sofern ver-
gleichbare emissionsmindernde Maßnahmen getroffen werden, und wie ist
diesbezüglich ihre Verhandlungsposition im Rat?

8. Welche Regelungen hält die Bundesregierung für notwendig, um Nachteile
für im internationalen Wettbewerb stehende, besonders energieintensive
Unternehmen zu verhindern, und wie beurteilt sie in diesem Zusammen-
hang den französischen Vorschlag eines „Border Adjustment“?

9. Für welche Industrien sind solche Sonderregeln im Rahmen des Emissions-
handels aus Sicht der Bundesregierung erforderlich?

10. Teilt die Bundesregierung die Haltung der EU-Kommission, mit Blick
auf die internationalen Klimaverhandelungen vorerst von der Festlegung
etwaiger Sonderregelungen für besonders energieintensive Unternehmen
abzusehen?

11. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass auch energieintensive Unter-
nehmen ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen, und welche Maß-
namen erachtet sie dafür als sinnvoll, insbesondere bei einem Scheitern
eines Kyoto-Folgeabkommens?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10178

12. Zu welchem Anteil sollen nach Ansicht der Bundesregierung ab 2012
JI/CDM-Projekte anrechenbar sein, und wo sieht die Bundesregierung
gegebenenfalls Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Projekten?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge, den Wald in den Emissions-
handel ab 2012 mit einzubeziehen, z. B. durch die Ausgabe von Zertifikaten
für Aufforstungsmaßnahmen, und wie bewertet sie die Gefahr, dass die
CO2-Reduktionsziele dadurch verwässert werden könnten?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung Vorschläge, KWK-Anlagen (Kraft-
Wärme-Kopplung) im Rahmen des Emissionshandels in Form einer Zutei-
lung von kostenlosen Zertifikaten zu fördern?

15. Welche Position vertritt die Bundesregierung hinsichtlich einer Aufnahme
des Schiffsverkehrs in die Emissionshandelsrichtlinie?

16. Wie viel Tonnen CO2-Einsparung werden nach Einschätzung der Bundes-
regierung in der Bundesrepublik Deutschland durch den Emissionshandel
bis 2020 erbracht werden (ohne Berücksichtigung von CDM/JI-Projekten)?

17. Wie bewertet die Bundesregierung die Vorschläge der EU-Kommission zur
Aufgabenverteilung der Mitgliedstaaten in den Bereichen, die nicht in den
Emissionshandelsrichtlinie einbezogen sind („effort sharing“)?

18. Welche Sanktionen sollten nach Ansicht der Bundesregierung greifen,
wenn Mitgliedstaaten ihre Zielvorgaben im Rahmen des „effort sharing“
nicht erreichen?

19. Wie bewertet die Bundesregierung den Richtlinienentwurf der EU-Kom-
mission zu CCS, und welche Position vertritt sie diesbezüglich im Rat?

20. Welche Position vertritt die Bundesregierung insbesondere hinsichtlich der
Kommissionsvorschläge zur Übertragung der Verantwortung, und ist nach
Ansicht der Bundesregierung die Haftungsfrage hinsichtlich der Langzeit-
folgen ausreichend geregelt?

Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang den Vor-
schlag zur verpflichtenden Einrichtung eines Haftungsfonds durch die Wirt-
schaft?

21. Wie bewertet die Bundesregierung darüber hinaus Vorschläge, dass auch
Regelungen zum Transport des CO2 in die Richtlinie aufgenommen werden
sollten?

22. Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung hinsichtlich der Umsetzung
der CCS-Richtlinie in Deutschland um den Zugang zu Leitungen und Spei-
chern für Dritte zugänglich zu machen, und wie bewertet sie das Konzept
einer verpflichtenden Trennung von Netz und Betrieb?

23. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass CCS im Rahmen des Emis-
sionshandels zusätzlich zu den CO2-Gutschriften gefördert werden sollte,
und wenn ja, wie?

Berlin, den 29. August 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.