BT-Drucksache 16/10114

Lead Discovery Center GmbH der Max-Planck-Gesellschaft

Vom 13. August 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10114
16. Wahlperiode 13. 08. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch, Volker Schneider
(Saarbrücken) und der Fraktion DIE LINKE.

Lead Discovery Center GmbH der Max-Planck-Gesellschaft

Im Januar 2008 wurde mit der Lead Discovery Center GmbH (LDC) ein kom-
merzielles Unternehmen zur Entwicklung von Ergebnissen der biologischen,
chemischen und pharmakologischen Grundlagenforschung bis zu marktreifen
Wirkstoffen gegründet. Die LDC ist Teil der Initiativen zum Technologietrans-
fer, die die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) im Rahmen des Unternehmens
Max-Planck-Innovation GmbH zusammengeführt hat. Das Konzept für die
LDC wurde nach Angaben aus dem MPG-Jahresbericht 2007 in enger Zusam-
menarbeit mit Experten aus der Pharmaindustrie und der Venture-Capital-Bran-
che erarbeitet, damit „die Firma entsprechend den Bedürfnissen des Marktes“
operiert (MPG-Jahresbericht 2007, S. 96).

Am 16. Juni 2008 verkündete die Max-Planck-Innovation GmbH die Betriebs-
aufnahme der LDC. Diese firmiert in Dortmund und soll laut Eigendarstellung
bis Ende des Jahres 15 bis 20 Mitarbeiter aus den Bereichen Forschung und
Projektentwicklung sowie technische Assistenten beschäftigen.

Der Geschäftsführer der LDC erklärte zum Unternehmensstart, dass erstmals
die „kritische, frühe Phase der Arzneimittelentwicklung“ bewältigt werden
könne, „ohne den üblichen Spielregeln des Kapitalmarkts unterworfen zu sein.“
(Presseerklärung der Max-Planck-Innovation GmbH vom 17. Juni 2008).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Funktion erfüllt die LDC im Rahmen der gesamten Innovationskette
der Wirkstoff- und Arzneimittelentwicklung?

2. Welche Defizite in der bisherigen Innovationskette der Arzneimittelentwick-
lung waren ausschlaggebend für die Gründung der LDC durch die MPG?

3. Die Pharmaindustrie soll durch Lizenzierung oder weitere Entwicklungs-
partnerschaft Hauptabnehmerin der durch die LDC entwickelten Wirkstoffe
und Substanzen sein. Welche konkreten Entwicklungsschritte soll die LDC
leisten, um die Anforderungen der Pharmaindustrie an durch sie zu lizenzie-
rende Wirkstoffe und Substanzen zu erfüllen?
4. Die MPG führt als Grund für die Gründung der LDC das Abwenden der
Pharmakonzerne von innovativer Arzneimittelforschung an (MPG-Jahres-
bericht 2007. S. 94 f.). Die „Pipelines“ der Konzerne mit Innovationen leer-
ten sich zunehmend, auch auf Grund eines abklingenden Booms in der
Biotechbranche. Inwieweit erkennt die Bundesregierung angesichts dieser
Analyse ein Marktversagen im Bereich innovativer Arzneimittel?

Drucksache 16/10114 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

5. Welche Gründe sieht die Bundesregierung für die Zurückhaltung der
Branchen Biotechnologie und Pharma in Bezug auf die Entwicklung inno-
vativer Arzneimittel?

6. Der Jahresbericht 2007 der MPG stellt zudem fest, dass die Scheu vor
„hohen Forschungsrisiken“ einer „eigenen kostenintensiven und inno-
vativen Wirkstoffforschung“ (S. 95) der Grund für den Trend zur Lizenzie-
rung fortgeschrittener Fremdentwicklungen durch Pharmakonzerne sei.

a) Seit wann lässt sich dieser Trend nach Kenntnis der Bundesregierung
ausmachen?

b) Welche Entwicklungen sind aus der Sicht der Bundesregierung dafür ver-
antwortlich, dass Pharmaunternehmen heute augenscheinlich weniger
bereit sind, die Risiken der Wirkstoffforschung auf sich zu nehmen als
früher?

c) Inwieweit kann und soll aus Sicht der Bundesregierung die LDC diese
Risiken ausgleichen?

7. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache,
dass trotz massiver steuerlicher Entlastungen und staatlicher Forschungs-
förderung das Interesse privater Risikokapitalgeber an der Biotechnologie
zurückgeht?

Welche Gründe sieht sie dafür?

8. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus ordnungspoliti-
scher Sicht im Hinblick darauf, dass die MPG mit der LDC-Gründung
offenbar die Folgen privater Investitionsentscheidungen ausgleichen will,
vor dem Hintergrund, dass einerseits das Konzept der LDC auf die Anfor-
derungen des Pharmamarktes zugeschnitten wurde und zugleich aber die
Gründung der LDC aus der Investitionszurückhaltung dieser Branche ab-
geleitet wird?

9. Strebt die MPG nach Kenntnis der Bundesregierung einen unmittelbaren
Einstieg von Unternehmen der Pharmaindustrie oder von Finanzinvestoren
in das Unternehmen an?

Wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung dieses Vorhaben?

10. Wie bewertet die Bundesregierung vor dem Hintergrund der vorrangigen
Ausrichtung der MPG auf die Grundlagenforschung, dass die MPG mit der
LDC und ähnlichen Vorhaben verstärkte Aktivitäten im Bereich der An-
wendungsforschung und Produktentwicklung entfaltet?

11. Die LDC steht notwendigerweise in engstem Kontakt zur Pharmaindustrie,
die der Abnehmer für die entwickelten Wirkstoffe sein soll. Ist nach Kennt-
nis der Bundesregierung ein „Anforderungstransfer“ mittels der LDC in die
Institute der MPG geplant?

Inwieweit erwartet die Bundesregierung hier einen vergrößerten Einfluss
der Industrie auf Inhalte und Ausrichtung der Grundlagenforschung?

12. Die Möglichkeit kommerzieller Verwertung von Ergebnissen der Grund-
lagenforschung durch die LDC könnte Folgen für die Publikationstätigkeit
der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen. Inwiefern ist eine
Einschränkung der Veröffentlichung von Ergebnissen der Grundlagen-
forschung, auch für den Bereich der Biotechnologie- und Pharmaforschung
nach Einschätzung der Bundesregierung auszuschließen?

13. Wie wird sich die LDC in diesem und in den kommenden Jahren nach
Kenntnis der Bundesregierung finanzieren, und um welche Beträge wird es

sich dabei handeln (bitte nach Zuwendungsgeber aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10114

14. Welche Einnahmen aus Lizenzen und Entwicklungspartnerschaften kann
die LDC nach Einschätzung der Bundesregierung mittelfristig erwirtschaf-
ten?

15. Wie lässt sich aus Sicht der Bundesregierung der finanzielle Nutzen einer
solchen Einrichtung für die Pharmaindustrie darstellen?

16. Welche konkreten Tätigkeiten werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der LDC wahrnehmen?

17. Mit wie vielen durch die LDC zur Marktreife gebrachten Wirkstoffen
rechnet die Bundesregierung?

18. Plant die MPG nach Kenntnis der Bundesregierung weitere Firmen-
gründungen zur Anwendungsforschung, Validierung bzw. Produktentwick-
lung?

19. In welchem Rahmen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung das durch
die MPG im Jahr 2006 vorgeschlagene Projekt eines „Innovationsfonds der
deutschen Wissenschaft“ weiter verfolgt?

Wie bewertet die Bundesregierung diesen Vorschlag?

20. Auch in anderen Ländern engagieren sich gemeinnützige Institute und Ein-
richtungen zunehmend bei der Entwicklung von Medikamenten (Bericht
des Handelsblattes vom 16. Juni 2008). Wie bewertet die Bundesregierung
diesen Trend vor dem Hintergrund internationaler Konkurrenz auf dem
Pharmamarkt?

Berlin, den 13. August 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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