BT-Drucksache 16/10112

Sicherheitsbefragungen bei Staatsangehörigen bestimmter Herkunftsländer

Vom 13. August 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10112
16. Wahlperiode 13. 08. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen und der Fraktion DIE LINKE.

Sicherheitsbefragungen bei Staatsangehörigen bestimmter Herkunftsländer

Am 13. Juni 2008 berichtete die „Frankfurter Rundschau“ unter der Überschrift
„Haben Sie Erfahrung im Umgang mit Sprengstoff“ über einen Erlass des
Innenministeriums in Nordrhein-Westfalen (NRW), nach dem sich Staatsange-
hörige aus 26 Herkunftsstaaten einer Befragung mittels Fragebogen zu unter-
ziehen haben. Die Landesregierung bezieht sich dabei auf einen Passus im Auf-
enthaltsgesetz (§ 54 Abs. 6 in Verbindung mit § 54 Nr. 5 und 5a des Aufent-
haltsgesetzes – AufenthG), nachdem Kontakte zu mutmaßlich terroristischen
Gruppierungen oder verschwiegene Auslandsaufenthalte in der Regel die Aus-
weisung zur Folge haben sollen. In welchen anderen Bundesländern ein ähn-
liches Verfahren zur Prüfung der genannten Ausweisungsgründe angewandt
wird, ist nicht bekannt.

Der Fragebogen enthält unter anderem Fragen über Ausbildung im Umgang
mit Sprengstoffen und Chemikalien oder erlittener Verfolgung wegen poli-
tischer oder religiöser Ansichten. Nach Angaben von Betroffenen wird auch die
Bereitschaft abgefragt, mit deutschen Sicherheitsbehörden zusammenzuarbei-
ten. Keine Rücksicht wird darauf genommen, ob Personen eventuell selbst
Opfer von terroristischer Gewalt geworden sind, wie beispielsweise Christen
aus dem Irak.

Das Vorgehen der Ausländerbehörden in NRW ist unter anderem von betroffe-
nen Studierenden scharf kritisiert worden. Die Mitgliederversammlung des
bundesweiten „freien zusammenschluss der studierendenschaften“ (fzs) sprach
in einem Beschluss vom 20. Mai 2008 von einer „rassistischen Praxis“.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchen Bundesländern wird nach Kenntnis der Bundesregierung eine
Befragung mittels Fragebogen im Zusammenhang mit einer ausländerrecht-
lichen Sicherheitsüberprüfung im Sinne von § 54 Nr. 6 in Verbindung mit
§ 5 Abs. 1 Nr. 2 und § 54 Nr. 5 und 5a AufenthG durchgeführt?

2. Gibt es in diesen Bundesländern einen bundeseinheitlichen Fragebogen, und
von wem ist dieser gegebenenfalls federführend verfasst worden?

3. Wieso wird dieser Fragebogen als Verschlusssache eingestuft, obwohl er

nach Angaben aus dem Landesministerium des Innern in NRW „ausschließ-
lich Fakten aus dem Lebenslauf“ erhebt?

4. War es nach Ansicht der Bundesregierung Absicht des Gesetzgebers bei
Verabschiedung der Regelung des § 54 Abs. 6 AufenthG, dass bei Staatsan-
gehörigen aus bestimmten Staaten pauschal eine Befragung durchgeführt
wird, ohne dass ansonsten Anhaltspunkte für sicherheitsgefährdende Bestre-
bungen bestehen?

Drucksache 16/10112 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
5. War es nach Ansicht der Bundesregierung insbesondere beabsichtigt, Min-
derjährige vor Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu befragen?

Welche sicherheitsrelevanten Erkenntnisse sind bei einer solchen Befra-
gung zu erwarten?

6. Hält es die Bundesregierung für rechtsstaatlich angemessen, einen auslän-
dischen Staatsangehörigen „in der Regel“ auszuweisen, weil er in einer
schriftlichen Befragung zum Beispiel falsche Angaben zu bisherigen Aus-
landsaufenthalten gemacht hat, und welche konkretisierende Rechtspre-
chung oder Anwendungshinweise gibt es zu Befragungen im Sinne von
§ 54 Abs. 6 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 2 und § 54 Nr. 5 und 5a Auf-
enthG, und welchen gesetzlichen Änderungsbedarf sieht die Bundesregie-
rung gegebenenfalls?

7. Wie viele Personen waren nach Kenntnis der Bundesregierung seit Einfüh-
rung der entsprechenden Regelungen Objekt der ausländerrechtlichen
Sicherheitsüberprüfung (bitte nach Jahren und Bundesländern auflisten)?

8. Wie hoch ist nach Einschätzung der Bundesregierung der Arbeitsaufwand
bei den zuständigen Behörden des Bundes zur Überprüfung von Angaben
aus den genannten Fragebögen (bitte nach Behörden, in Stunden, auflisten)?

Wie hoch ist der entsprechende Aufwand der Landesbehörden schätzungs-
weise?

9. Inwieweit hält es die Bundesregierung vor dem Hintergrund dieses Perso-
nalaufwandes für zielführend im Sinne der Bekämpfung der Gefahren des
internationalen Terrorismus, jährlich schätzungsweise mehrere zehntau-
send schriftliche Befragungen durchzuführen?

10. Wie viele ausländische Staatsangehörige konnten mittels dieses Verfahrens
bisher entdeckt werden, bei denen die fehlerhafte Beantwortung einzelner
Fragen Anlass zu aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen oder staatsanwalt-
schaftlichen Ermittlungen gegeben hat?

11. Ist die pauschale (schriftliche) Befragung von Staatsangehörigen aus
muslimischen Staaten sowie Kolumbien bei Beantragung oder Verlänge-
rung eines Aufenthaltstitels auch in anderen EU-Staaten vorgeschrieben,
wenn ja, in welchen?

12. Inwieweit könnten sich ausländische Studierende, die wegen des in der
Bundesrepublik herrschenden Fachkräftemangels in aller Welt geworben
werden, nach Ansicht der Bundesregierung von einer Befragung ab-
schrecken lassen, die ihnen signalisiert, aufgrund ihrer Herkunft einem
Generalverdacht ausgesetzt zu sein?

13. Wie werden die in den Fragebögen erhobenen Daten nach Abschluss der
Überprüfung gespeichert?

Wäre ihre Speicherung in der standardisierten zentralen Antiterrordatei
oder einer der Projektdateien nach dem Gemeinsame-Dateien-Gesetz mög-
lich oder geboten, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

14. Welche Behörden haben auf die mittels der Fragebögen erhobenen Daten
Zugriff, und unter welchen Voraussetzungen?

15. Ist die Weitergabe dieser Daten an ausländische Behörden möglich und
welche gesetzlichen Beschränkungen gelten gegebenenfalls?

Berlin, den 11. August 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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