BT-Drucksache 16/10071

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, Sevim Dagdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. - Drucksache 16/8880 - Konzepte der Vermittlung des Wissens zur NS-Zeit überprüfen und den veränderten Bedingungen anpassen b) zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Monika Lazar, Priska Hinz (Herborn), weitere Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 16/8184 - Systematische Weiterentwicklung der politischen Bildung beim Thema Nationalsozialismus

Vom 30. Juli 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10071
16. Wahlperiode 30. 07. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte,
Sevim Dag˘delen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/8880 –

Konzepte der Vermittlung des Wissens zur NS-Zeit überprüfen und den
veränderten Bedingungen anpassen

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Monika Lazar,
Priska Hinz (Herborn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/8184 –

Systematische Weiterentwicklung der politischen Bildung beim Thema
Nationalsozialismus

A. Problem

Überlebende und Zeitzeugen des Nationalsozialismus stehen immer seltener zur
Verfügung, um die Erinnerung an die NS-Herrschaft wachzuhalten. Die Kon-
zepte zur Vermittlung der Geschichte dieser Zeit müssen deshalb nach Auffas-
sung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überarbei-
tet und der neuen Situation angepasst werden.

Zu Buchstabe a

Die Fraktion DIE LINKE. fordert in ihrem Antrag neue Konzepte der historisch-
kritischen Bildungsarbeit als Reaktion auf Desinteresse und Abwehr, die Schü-
lerinnen und Schüler beim Thema Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht
zeigten. Die Bundesregierung soll die Vermittlung des Wissens über die NS-Zeit

zu einem Schwerpunkt in der Bildungsforschung machen, dazu internationalen
Sachverstand heranziehen und gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz den
Austausch über die „Holocaust Education“ organisieren. Bis zum Ende der
Wahlperiode soll sie ein Gesamtkonzept zur Vermittlungsarbeit der NS-Erinne-
rung erarbeiten, das öffentlich diskutiert werden müsse. Die institutionell geför-
derten NS-Gedenkstätten seien so mit Personal auszustatten, dass sie jederzeit
den Bedarf an pädagogisch orientierter Betreuung decken können.

Drucksache 16/10071 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zu Buchstabe b

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt sich für eine Bildungsoffensive
ein, um bereits bestehende Wissenslücken bei Jugendlichen zu füllen und für
einen lebendigen Unterricht auf diesem Feld zu sorgen. Eine wichtige Rolle
kommt dabei aus der Sicht der Fraktion den KZ-Gedenkstätten zu. Sie müssten
systematisch zu Lernorten ausgebaut werden, die dauerhaft mit Schulen koope-
rieren und in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale und den Landeszentralen
für politische Bildung verstärkt Lehrerfortbildungen anbieten. Die Bundesregie-
rung soll auf die Kultusministerkonferenz einwirken, für die regelmäßige Eva-
luierung der Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus zu sorgen und
die Aufarbeitung des Nationalsozialismus stärker als bisher in der Lehreraus-
und fortbildung zu verankern. Forschungseinrichtungen, die sich der Geschichte
und Wirkung des Holocaust widmen, sollen unterstützt werden.

B. Lösung

Zu Buchstabe a

Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu Buchstabe b

Ablehnung mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme der Anträge.

D. Kosten

Die Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10071

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag auf Drucksache 16/8880 abzulehnen,

b) den Antrag auf Drucksache 16/8184 abzulehnen.

Berlin, den 25. Juni 2008

Der Ausschuss für Kultur und Medien

Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Vorsitzender

Dorothee Bär
Berichterstatterin

Angelika Krüger-Leißner
Berichterstatterin

Christoph Waitz
Berichterstatter

Dr. Lukrezia Jochimsen
Berichterstatterin

Katrin Göring-Eckardt
Berichterstatterin

ren. In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale und den
Landeszentralen für politische Bildung müssten die KZ-Ge-

ten und empfohlen, beide Anträge abzulehnen.
denkstätten die Lehreraus- und fortbildung verstärken sowie
Unterrichtsmaterial für die Schulen erarbeiten. Die Lehr-
pläne in den Schulen seien regelmäßig im Hinblick auf die
Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus zu eva-

Zu Buchstabe a

Den Antrag der Fraktion DIE LINKE. lehnten die Fraktio-
nen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Drucksache 16/10071 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dorothee Bär, Angelika Krüger-Leißner, Christoph
Waitz, Dr. Lukrezia Jochimsen und Katrin Göring-Eckardt

I. Überweisung

Zu Buchstabe a

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/8880 in seiner 157. Sitzung am 24. April 2008 zur fe-
derführenden Beratung an den Ausschuss für Kultur und
Medien sowie zur Mitberatung an den Innenausschuss und
den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung überwiesen.

Zu Buchstabe b

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
16/8184 in seiner 145. Sitzung am 21. Februar 2008 zur
federführenden Beratung an den Ausschuss für Kultur und
Medien sowie zur Mitberatung an den Innenausschuss und
den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Zu Buchstabe a

Die Fraktion DIE LINKE. fordert in ihrem Antrag neue Kon-
zepte der historisch-kritischen Bildungsarbeit als Reaktion
auf Desinteresse und Abwehr, die Schülerinnen und Schüler
beim Thema Nationalsozialismus im Geschichtsunterricht
zeigten. Die Bundesregierung soll die Vermittlung des Wis-
sens über die NS-Zeit zu einem Schwerpunkt in der Bil-
dungsforschung machen, dazu internationalen Sachverstand
heranziehen und gemeinsam mit der Kultusministerkonfe-
renz den Austausch über die „Holocaust Education“ orga-
nisieren. Bis zum Ende der Wahlperiode soll sie ein Ge-
samtkonzept zur Vermittlungsarbeit der NS-Erinnerung
erarbeiten, das öffentlich diskutiert werden müsse. Die insti-
tutionell geförderten NS-Gedenkstätten seien so mit Perso-
nal auszustatten, dass sie jederzeit den Bedarf an pädago-
gisch orientierter Betreuung decken können.

Mit dem Abtreten der Erlebnisgeneration entstehe auf der
Seite der authentischen Erinnerungstradition eine Lücke,
während gleichzeitig die (emotionale) Distanz nachwach-
sender Generationen zum historischen Ereignis wachse. Auf
diese Situation sei mit neuen Konzepten zu reagieren, lautet
die Forderung.

Zu Buchstabe b

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt sich in
ihrem Antrag dafür ein, KZ-Gedenkstätten systematisch zu
Lernorten auszubauen, die dauerhaft mit Schulen kooperie-

bisher spielen. Außerdem fordert die Fraktion, dass For-
schungseinrichtungen, die sich der Geschichte und Wirkung
des Holocaust widmen, von Seiten des Bundes unterstützt
werden.

Die Fraktion begründet ihren Antrag mit eklatanten Wis-
senslücken über den Nationalsozialismus bei Jugendlichen
und dem Beginn einer neuen Erinnerungsepoche, in der
Überlebende und Zeitzeugen nicht mehr zur Verfügung ste-
hen, um diesen Teil der Geschichte anschaulich zu vermit-
teln. Es sei eine Bildungsoffensive erforderlich, um das
Wissen über den Nationalsozialismus lebendig und nach-
haltig zu vermitteln.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Buchstabe a

Der Innenausschuss hat am 25. Juni 2008 Ablehnung
empfohlen mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat in seiner Sitzung am 25. Juni 2008
ebenfalls Ablehnung empfohlen mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stim-
men der Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Zu Buchstabe b

Der Innenausschuss hat in seiner Sitzung am 25. Juni
2008 Ablehnung empfohlen mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktionen FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat ebenfalls am 25. Juni 2008 Ableh-
nung empfohlen mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen
FDP, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
Ausschuss für Kultur und Medien

Der Ausschuss für Kultur und Medien hat die Anträge
in seiner 62. Sitzung am 25. Juni 2008 abschließend bera-
luieren, in der Lehreraus- und fortbildung müsse das Thema
Aufarbeitung des Nationalsozialismus eine größere Rolle als

Fraktion DIE LINKE. bei Stimmenthaltung der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.

Berlin, den 25. Juni 2008

Dorothee Bär
Berichterstatterin

Angelika Krüger-Leißner
Berichterstatterin

Christoph Waitz
Berichterstatter

Dr. Lukrezia Jochimsen
Berichterstatterin

Katrin Göring-Eckardt
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/10071

Zu Buchstabe b

Den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
lehnten die Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.

Die Beratung war eingebettet in die Diskussion über eine
Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption der Bundes-
regierung. Zu einem Entwurf des Beauftragten der Bundes-
regierung für Kultur und Medien (BKM) hatte der Aus-
schuss am 7. November 2007 in einem öffentlichen und in
einem unmittelbar anschließenden nichtöffentlichen Exper-
tenhearing Vertreterinnen und Vertreter von Institutionen
sowie Einzelsachverständige gehört. Die Stellungnahmen
der Sachverständigen und das Protokoll des öffentlichen
Teils der Anhörung sind im Internet dokumentiert. Am
25. Juni 2008 lag dem Ausschuss für Kultur und Medien
die daraufhin überarbeitete Fortschreibung der Gedenkstät-
tenkonzeption vor.

Beide antragstellenden Fraktionen machten deutlich, dass
sie mit ihren parlamentarischen Initiativen darauf zielten,
die Erinnerungskultur aktiv zu gestalten und den veränder-
ten Bedingungen anzupassen, die nicht zuletzt dem Tod
der Zeitzeugen geschuldet sind.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hob hervor,
dass eine Bildungsoffensive auf Bundesebene zugunsten
der Erinnerungskultur im ganzen Land gebraucht werde,

um Defizite etwa in der Forschung oder in der Arbeit der
Erinnerungsstätten zu beheben. So könnten in Buchen-
wald mangels Personal nur 50 Prozent der nachgefragten
Führungen angeboten werden. Außerdem müssten die
Lehrpläne für die Schulen überarbeitet, müsse die Zusam-
menarbeit zwischen den Landeszentralen und der Bundes-
zentrale für politische Bildung verstärkt werden. Dass die
Fraktion mit ihrem Antrag wichtige Punkte aufgegriffen
hätten, zeige nicht zuletzt die positive Resonanz bei den-
jenigen, die in diesem Sektor arbeiten.

Die Fraktion DIE LINKE. erläuterte, die Konzepte zur
Wissensvermittlung über die NS-Zeit müssten überprüft
und den veränderten Bedingungen angepasst werden.
Wenn Staatsminister Bernd Neumann als Ziel der Gedenk-
stättenkonzeption deren Bedeutung für die Bildungsarbeit
hervorhebe, korrespondiere dies mit den Absichten der
Fraktion DIE LINKE. Angesichts von Antisemitismus und
wachsender Unkenntnis über die NS-Zeit, gelte es, durch
Bildung und Aufklärung gegenzusteuern. Im Kern gebe es
daher keinen Unterschied zwischen den Anträgen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Die Mehrheit im Ausschuss lehnte jedoch ab, weil zwar in
Teilen dieselben Ziele verfolgt würden, wie die Fraktion
der SPD zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN erklärte, aber kein Einvernehmen über den ein-
zuschlagenden Weg herrsche.

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