BT-Drucksache 16/10061

Rechtsextreme Vorfälle im Zusammenhang mit der Fußball-Europameisterschaft 2008

Vom 29. Juli 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10061
16. Wahlperiode 29. 07. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen und der Fraktion DIE LINKE.

Rechtsextreme Vorfälle im Zusammenhang mit
der Fußball-Europameisterschaft 2008

Unter Millionen friedlicher Fußballfans während der Europameisterschaft (EM)
im Juni 2008 mischten sich auch Rechtsextreme. Diese hofften, den nationalen
Taumel für ihre eigenen fremdenfeindlichen Ziele zu nutzen.

Bereits zum EM-Auftakt verteilten Rechtsextreme an Public-Viewing-Zonen in
Hannover Flugzettel und organisierten Demonstrationen. Nach dem Viertel-
finalsieg der deutschen Mannschaft gegen Portugal zogen mehrere Dutzend
Neonazis durch die Bautzener Innenstadt und skandierten Parolen wie „Sieg
heil“ und „Deutschland über alles.“ In Frankfurt an der Oder griffen 250 teils
vermummte Rechtsextreme die Polizei und einen Linienbus mit Steinen und
Flaschen an. Vorübergehend musste die Grenze nach Polen geschlossen werden.
In Pforzheim provozierten Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung „Heid-
nischer Sturm“ mit der Reichskriegsflagge und schlugen zwei Jugendliche
blutig (www.pz-news.de).

Bereits im Vorfeld des Halbfinalspiels Türkei gegen Deutschland hatten Rechts-
extreme auf einschlägigen Internetseiten wie Altermedia zum „Rassenkrieg“
aufgerufen und mit Gewalttaten gedroht (www.jungewelt.de). In Dresden grif-
fen Rechtsextreme nach dem Spiel türkische Imbissläden an und verletzten meh-
rere Gäste (www.sz-online.de). In Burg (Sachsen-Anhalt) gingen Randale nach
Angaben des Sächsischen Staatsministeriums des Innern von Mitgliedern
rechtsextremer Gruppierungen wie der im April 2008 verbotenen Fan-Gruppe
des 1. FC Magdeburg „Blue White Street Elite“ und neonazistischen Kamerad-
schaften aus (www.ftd.de). In München meldete der Polizeipressebericht, es
seien auch einige Personen des rechten Spektrums aufgefallen, die türkische
Fans anpöbelten und beleidigten (www.region-muenchen.de).

Am Austragungsort der EM in Österreich nahmen österreichische und deutsche
Polizeibeamte vor dem Spiel Deutschland gegen Polen in Klagenfurt rund 140
Deutsche fest, die rechtsextreme Parolen gerufen hatten. Unter anderem hatten
die Rechtsextremen skandiert: „Alle Polen müssen einen gelben Stern tragen“
(www.kurier.at).

Auch ausländische Rechtsextremisten nutzten die EM zur Verbreitung rassis-

tischer Parolen. Kurden in Berlin klagten über Drohungen und Übergriffen von
türkischen Nationalisten, die ihnen vorwarfen, nicht die türkische National-
mannschaft zu unterstützen (www.tagesspiegel.de).

Drucksache 16/10061 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche rechtsextrem motivierten Vorkommnisse während der EM 2008 sind
der Bundesregierung bekannt?

a) Welche angemeldeten oder spontanen Aufmärsche rechtsextremer oder
rechtsextrem durchsetzter Gruppierungen im Zusammenhang mit der EM
2008 sind der Bundesregierung bekannt (bitte nach Ort, Datum, Art des
Aufmarsches, Teilnehmerzahl und Veranstalter aufschlüsseln)?

b) Wie viele und welche gewalttätigen Übergriffe von Rechtsextremisten
und rechtsextremistisch motivierte Angriffe auf Personen oder Sachen im
Umfeld der Fan-Feiern während der EM 2008 sind der Bundesregierung
bekannt?

c) Welche spontanen Zusammenrottungen gewaltbereiter Personen im
Zusammenhang mit der EM sind der Bundesregierung bekannt, die von
den Polizeibehörden nicht als rechtsextrem eingestuft wurden?

d) Welche von deutschen Staatsbürgern begangenen rechtsextrem motivier-
ten Propagandadelikte innerhalb von Austragungsstadien der EM 2008
sind der Bundesregierung bekannt geworden?

2. Wie viele deutsche Staatsbürger wurden im Zusammenhang mit rechts-
extremen Delikten während der EM 2008 in Österreich und der Schweiz
festgenommen?

3. Wie viele Personen sind aufgrund von Vorfällen im Rahmen der Fußball-EM
in die Gewalttäterdatei Sport aufgenommen worden, und was waren die
Gründe für die Aufnahme?

4. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über ein zusammenwirken
deutscher und ausländischer Rechtsextremisten im Rahmen der EM 2008?

5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Drohungen oder
Übergriffe, die im Zusammenhang mit der EM 2008 von türkischen Rechts-
extremisten oder Nationalisten gegen Kurden in Deutschland ausgingen?

Berlin, den 28. Juli 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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