BT-Drucksache 16/10053

Gewalttaten von Soldaten im Vergleich zu Zivilisten und Bemühungen zur Erforschung des Zusammenhangs von militärischer Sozialisation und Kriminalverhalten

Vom 29. Juli 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/10053
16. Wahlperiode 29. 07. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger und der Fraktion
DIE LINKE.

Gewalttaten von Soldaten im Vergleich zu Zivilisten und
Bemühungen zur Erforschung des Zusammenhangs von
militärischer Sozialisation und Kriminalverhalten

Soldaten begehen im Vergleich zur zivilen männlichen Bevölkerung überdurch-
schnittlich viele Gewalttaten. Die Antworten auf eine Kleine Anfrage der Frage-
steller sind in dieser Hinsicht eindeutig (Bundestagsdrucksache 16/3168). Ab-
gefragt wurden unter anderem Vergleichszahlen zwischen Grundwehrdienstleis-
tenden und Zivildienstleistenden. Da beide Gruppen ausschließlich aus Män-
nern bestehen und sich sowohl von ihrer Größe als auch vom Altersdurchschnitt
her stark ähneln, ist ein Vergleich zwischen ihnen geeignet, um herauszufinden,
ob es einen signifikanten Unterschied im Kriminalverhalten von Soldaten und
Zivilisten gibt.

Die Antworten zeigen eindeutig, dass ein solcher Unterschied vorliegt. Zwar
stellte die Bundesregierung den Zahlen in der Vorbemerkung die Interpretation
voran, „dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr mit Blick auf ihr
Kriminalverhalten sogar eher ‚gefestigte Menschen‘ sind.“

Die erteilten Angaben zeigen aber etwas ganz anderes: So ist die Zahl der
Grundwehrdienstleistenden, die wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbst-
bestimmung (§ 174 ff. StGB) verurteilt worden sind, im Durchschnitt der Jahre
2000 bis 2005 fast 25-mal so hoch wie diejenige der Zivildienstleistenden (in
absoluten Zahlen: 74:3). Noch frappierender ist der Vergleich bzgl. Straftaten
gegen die körperliche Unversehrtheit (§ 223 ff. StGB). Hier sind 336-mal so
viele Grundwehrdienstleistende wie Zivildienstleistende verurteilt worden
(1 345:4). Auch Mord und Totschlag wird wesentlich häufiger von Soldaten als
von Zivilisten begangen.

Es bleibt offen, wie hoch der Anteil der Bundeswehr an der Brutalisierung jun-
ger Männer ist, und inwiefern sie aufgrund ihrer militärischen Struktur und
ihrer auf Gewaltanwendung vorbereitenden Ausbildung solche jungen Männer
anzieht, die ohnehin besonders gewaltbereit sind. Dies wäre dringend zu unter-
suchen. Demgegenüber erscheint den Fragestellern die Meinung der Bundes-
regierung, es gäbe „keine Notwendigkeit, Konsequenzen für den Bereich der
Kriminalprävention zu ziehen“, regelrecht unverantwortlich.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele männliche Soldaten der Bundeswehr sind in den Jahren 2006 und
2007 wegen Straftaten nach § 211 und § 212 des Strafgesetzbuches ( StGB)
(Mord bzw. Totschlag) verurteilt worden (bitte einzeln nach Deliktgruppen
darstellen und nach Wehrpflichtigen, Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten
aufgliedern)?

Drucksache 16/10053 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Wie viele Zivildienstleistende sind in den Jahren 2006 und 2007 wegen
Straftaten nach § 211 und § 212 StGB verurteilt worden (bitte einzeln nach
Deliktgruppen darstellen)?

3. Wie viele männliche Soldaten der Bundeswehr sind in den Jahren 2006 und
2007 wegen Straftaten nach § 174 ff. StGB (Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung) verurteilt worden (bitte nach Wehrpflichtigen, Soldaten
auf Zeit und Berufssoldaten aufgliedern)?

4. Wie viele Zivildienstleistende sind in den Jahren 2006 und 2007 wegen
Straftaten nach § 174 ff. StGB verurteilt worden?

5. Wie viele männliche Soldaten der Bundeswehr sind in den Jahren 2006 und
2007 wegen Straftaten nach § 223 ff. StGB (Straftaten gegen die körper-
liche Unversehrtheit) verurteilt worden (bitte nach Wehrpflichtigen, Solda-
ten auf Zeit und Berufssoldaten aufgliedern)?

6. Wie viele Zivildienstleistende sind in den Jahren 2006 und 2007 wegen
Straftaten nach § 223 ff. StGB verurteilt worden?

7. Wie viele der wegen der vorgenannten Straftaten verurteilten männlichen
Nichtmilitärs und Nichtzivildienstleistenden waren bei der Begehung der
Straftat

a) zwischen 17 und 20 Jahre alt,

b) zwischen 21 und 25 Jahre alt,

c) zwischen 26 und 30 Jahre alt,

d) zwischen 31 und 40 Jahre alt,

e) zwischen 41 und 50 Jahre alt,

f) über 50 Jahre alt (bitte jeweils nach Deliktgruppen aufgliedern; sollte
das Alter zum Zeitpunkt der Straftat nicht erfasst worden sein, bitte das
Alter zum Zeitpunkt der Verurteilung angeben)?

8. Wie viele der wegen vorgenannter Straftaten verurteilten männlichen Sol-
daten waren bei der Begehung der Straftat

a) zwischen 17 und 20 Jahre alt,

b) zwischen 21 und 25 Jahre alt,

c) zwischen 26 und 30 Jahre alt,

d) zwischen 31 und 40 Jahre alt,

e) zwischen 41 und 50 Jahre alt,

f) über 50 Jahre alt (bitte jeweils nach Deliktgruppen aufgliedern; sollte
das Alter zum Zeitpunkt der Straftat nicht erfasst worden sein, bitte das
Alter zum Zeitpunkt der Verurteilung angeben)?

9. Wie viele der wegen vorgenannter Straftaten verurteilten Zivildienstleis-
tenden waren bei der Begehung der Straftat

a) zwischen 17 und 20 Jahre alt,

b) zwischen 21 und 25 Jahre alt,

c) über 25 Jahre alt (bitte jeweils nach Deliktgruppen aufgliedern; sollte
das Alter zum Zeitpunkt der Straftat nicht erfasst worden sein, bitte das
Alter zum Zeitpunkt der Verurteilung angeben)?

10. Welche Signifikanz ergibt sich aus Sicht der Bundesregierung hinsichtlich
des Zusammenhangs zwischen Wehrdienst und Kriminalverhalten bei

Frauen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/10053

11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus ihren Antwor-
ten, und welche Konsequenzen will sie ziehen?

12. Inwiefern sieht sich die Bundesregierung veranlasst, Forschungsaufträge
etwa an das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr oder andere
Einrichtungen zu erteilen, um den Zusammenhang zwischen Gewaltanwen-
dung und Wehrdienst weiter zu erforschen?

Berlin, den 21. Juli 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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