BT-Drucksache 15/919

Den Missbrauch von Mehrwertdiensterufnummern grundlegend und umfassend bekämpfen

Vom 6. Mai 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/919
15. Wahlperiode 06. 05. 2003

Antrag
der Abgeordneten Dr. Martina Krogmann, Ursula Heinen, Karl-Josef Laumann,
Dagmar Wöhrl, Peter H. Carstensen (Nordstrand), Albert Deß, Veronika Bellmann,
Peter Bleser, Jochen Borchert, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Klaus Brähmig,
Cajus Caesar, Gitta Connemann, Hubert Deittert, Alexander Dobrindt, Thomas
Dörflinger, Albrecht Feibel, Dr. Michael Fuchs, Dr. Reinhard Göhner, Kurt-Dieter
Grill, GerdaHasselfeldt, HelmutHeiderich,UdaCarmenFreiaHeller, ErnstHinsken,
Robert Hochbaum, Susanne Jaffke, Dr. Peter Jahr, Volker Kauder, Julia Klöckner,
Dr. HermannKues,WolfgangMeckelburg, LaurenzMeyer (Hamm),MarleneMortler,
Dr. Gerd Müller, Dr. Georg Nüßlein, Dr. Joachim Pfeiffer, Hans-Peter Repnik,
Dr. Heinz Riesenhuber, Franz Romer, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Dr. Klaus Rose,
Hartmut Schauerte, Norbert Schindler, Georg Schirmbeck, Bernhard Schulte-
Drüggelte, Kurt Segner, Johannes Singhammer, Max Straubinger, Volkmar Uwe
Vogel und der Fraktion der CDU/CSU

Den Missbrauch von Mehrwertdiensterufnummern grundlegend und umfassend
bekämpfen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Telefonmehrwertdienste, mit denen weitere Dienstleistungen neben den Tele-
kommunikationsdienstleistungen angeboten werden, erfreuen sich wegen der
einfachen Abrechnung über die Telefonrechnung, die der Netzbetreiber erstellt,
großer Beliebtheit bei den Verbrauchern. Ebenso bietet diese Abrechnungsmög-
lichkeit für die Anbieter im Dienstleistungssektor große Kommunikations- und
Vermarktungschancen. So erwirtschafteten die seriösen Anbieter vonMehrwert-
diensten im Jahr 2002 einen geschätzten Umsatz von 1,5 Mrd. Euro pro Jahr.
Seit über einem Jahr mehren sich aber die Hinweise auf betrügerische Vorge-
hensweisen einiger Diensteanbieter, die darauf abzielen, Mehrkosten bei den
Verbrauchern zu verursachen, ohne die Dienstleistung mit dem eindeutigen
Einverständnis des Verbrauchers zu erbringen. Aufgrund dieser Lage besteht
dringender gesetzgeberischer wie politischer Handlungsbedarf, um die Verun-
sicherung der Verbraucher bei der Nutzung dieser Dienste zu beenden und den
Mehrwertdienstleistungssektor vor weiterem Imageschaden zu schützen. Die
Bundesregierung hat zuviel Zeit ungenutzt verstreichen lassen. Schrittweise er-
folgende gesetzliche Regelungen wie durch eine geringfügige Änderung der
Telekommunikationskundenschutzverordnung im August 2002 sind unzurei-
chend. Missbrauch muss endlich grundlegend unterbunden werden, der Anreiz
für missbräuchliches Handeln genommen und umfassend bekämpft werden.
Erforderlich ist ein Gesetz, das diesen Anforderungen genügt. Es sollte von
Aufklärungsmaßnahmen begleitet und anderen Regelungen abgerundet werden.

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II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf:
1. Die Bundesregierung sollte ein Gesetz gegen den Missbrauch von Mehr-

wertdiensterufnummern erlassen, das folgende Grundsätze enthält:
l Das Gesetz sollte auf das Festnetz wie das Mobilnetz anwendbar sein, um

einer Verlagerung des Missbrauchs vom einen zum anderen Netz vorzu-
beugen.

l Das Gesetz sollte auf alle Nummerngassen für Mehrwertdienste wie
0190er-, 0900er-, (0)136er-, (0)137er- oder 0193er-Nummern anwendbar
sein, um eine Verlagerung des Missbrauchs von einer auf eine andere
Nummerngasse zum Schaden der Verbraucher und der seriösen Anbieter
zu vermeiden, zumal die Ausnahme einer Nummerngasse von dem Ge-
setz sachlich nicht begründet wäre.

l Es sollte eine Datenbank zur Erfassung der Mehrwertdiensterufnummern
bei der Regulierungsbehörde aufgebaut werden.

l Dialer sollten vor Inbetriebnahme bei der Regulierungsbehörde bei Erfül-
lung von Mindestvoraussetzungen registriert werden. Der Rahmen für
das Verfahren und den Inhalt der Registrierungs-Mindestvoraussetzungen
für Dialer sollte hierbei im Gesetz vorgegeben werden und nicht zur
Gänze der Regulierungsbehörde überlassen werden. Die Mindestvoraus-
setzungen sollten sich an die Vorgaben des FST-Kodex (Freiwillige
Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste e. V.) anlehnen.

l Die Dialer müssen die rechtswidrige Nutzung der Nummern bei der
Registrierung ausschließen. Der Verstoß dagegen muss durch die Regu-
lierungsbehörde sanktioniert werden können. Der Begriff der rechtswid-
rigen Nutzung, der daher für die Registrierung der Dialer und die Befug-
nisse der Regulierungsbehörde entscheidend ist, sollte mindestens in der
Gesetzesbegründung, wenn nicht im Gesetz selbst, näher erläutert wer-
den. Erfasst sein muss neben der inhaltlich rechtswidrigen Nutzung, z. B.
durch Täuschung über die Kosten, die formal rechtswidrige Nutzung,
z. B. durch Unterlassen der Registrierung. Mindestens beispielhaft sollte
aufgezählt sein, welche Verstöße zum Einschreiten berechtigen. Damit
können die Anbieter die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens besser einschät-
zen und planen und kann die Regulierungsbehörde ihre Befugnisse effizi-
enter nutzen, um die Abschreckungswirkung für Missbrauch zu erhöhen.

l Zum Schutz der Verbraucher müssen Preisansagepflichten vor Beginn der
Entgeltpflichtigkeit und bei Tarifänderung festgelegt werden und Ver-
stöße dagegen mit einem Bußgeld belegt werden. Zur Ansage von Preis-
änderungen während der Nutzung von Mehrwertdiensten vor Beginn
eines neuen Tarifabschnitts soll der Diensteanbieter verpflichtet werden,
weil nur er diese Pflicht erfüllen kann.

l Die Regulierungsbehörde muss den Verbrauchern Auskunft erteilen kön-
nen über Namen und Anschrift der Diensteanbieter. Dabei muss intern die
Erteilung sämtlicher Auskünfte über diejenigen, die die entsprechende
0190-Mehrwertdiensterufnummer weitergegeben haben oder nutzen, ge-
genüber der Regulierungsbehörde erfolgen. Hier muss eine Bringschuld
der Diensteanbieter festgeschrieben werden, die bei Nichtbefolgung sei-
tens der Regulierungsbehörde mit einem Bußgeld geahndet wird. Denn
die Netzbetreiber, welche 0190er-Mehrwertdiensterufnummern zuteilen,
bzw. ihre Zuteilungsnehmer, stehen aufgrund von Reselling in den sel-
tensten Fällen in direkter Geschäftsbeziehung zu sämtlichen – also auch
den letztverantwortlichen – Diensteanbietern. Die Möglichkeit, über
deren Namen und Anschrift Auskunft zu erteilen, besteht daher nicht ohne
weiteres. Da die Zuteilungsnehmer keine Handhabe gegenüber den-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/919

jenigen Diensteanbietern, die der Verpflichtung zur Auskunftserteilung
nicht nachkommen, haben können, müssen die Diensteanbieter daher un-
ter Androhung von Sanktionen der Regulierungsbehörde – und nicht dem
Zuteilungsnehmer/Netzbetreiber – gegenüber zur Auskunft verpflichtet
werden. Diese muss auch die Sanktionen zur Ermittlung des letztverant-
wortlichen Diensteanbieters durchsetzen. Nur so ist die lückenlosen Aus-
kunft über die Kette der Nummerninhaber möglich und durchsetzbar.

l Ein Inkassoverbot für den Rechnungssteller bei Einwendungserhebung
oder Zahlungsverweigerung durch den Rechnungsempfänger in der
Telekommunikationskundenschutzverordnung soll als wichtigste Schutz-
vorschrift für die Verbraucher gegen unberechtigte Forderungen aufge-
nommen werden. Es kann nur dann unterbleiben, wenn die Diensteanbie-
ter bis zum letztverantwortlichen Glied der Kette registriert sind und es
zu einer direkten Aufnahme von Kundenbeziehungen zwischen dem
rechnungstellenden Diensteanbieter und dem Verbraucher gekommen ist.
Derzeit dürfen Anschlussanbieter (Netzbetreiber) in ihren Geschäftsbe-
dingungen festlegen, dass Forderungen von Mehrwertdiensteanbietern
gegenüber Verbrauchern selbst dann eingezogen werden, wenn die Ver-
braucher gegen eine Forderung eine Einwendung erhoben haben oder die
Zahlung verweigern. Damit übt der Rechnungssteller (Netzbetreiber) für
den Diensteanbieter eine Inkassofunktion in Bezug auf fremde Forderun-
gen aus. Im Klageverfahren haben die Verbraucher aufgrund von Beweis-
schwierigkeiten nur selten die Möglichkeit, ihr Recht durchzusetzen und
das Geld zurückzubekommen. Diese Inkassomöglichkeit der Rechnungs-
steller ist ein Sonderrecht, das jeder sachlichen Grundlage entbehrt und
daher abgeschafft werden muss. Das Inkassorecht widerspricht auch der
erst kürzlich erfolgten gerichtlichen Klarstellung, dass den Rechnungs-
steller keine Inkassoverpflichtung gegenüber demMehrwertdiensteanbie-
ter in Bezug auf dessen Forderungen gegen den Verbraucher trifft. Ein
Inkassoverbot ist eines der wichtigsten und effektivsten Instrumente zum
Schutz der Verbraucher vor ungerechtfertigten Forderungen. Es ist nur
dann entbehrlich, wenn der Diensteanbieter seine Forderungen direkt
beim Verbraucher geltend macht.
Dass der Rechnungssteller möglicherweise intern gegenüber seinem Ver-
tragspartner, dem Diensteanbieter, zur Vorleistung verpflichtet ist, ist im
Verhältnis zum Verbraucher unerheblich und kann nicht als Argument
dienen, die Inkassomöglichkeit aufrechtzuerhalten. Die Aufrechterhal-
tung dieser Regelung wäre vielmehr eine unzulässige Verquickung ge-
trennter Vertragsverhältnisse (Durchgriff von einem auf ein anderes Ver-
tragsverhältnis).
Demgegenüber offenbart die Bundesregierung in der Beantwortung der
Kleinen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU (Bundestagsdrucksache
15/455), dass sie den Schutz unseriöser Anschlussanbieter höher bewer-
tet als den der ungerechtfertigt geschädigten Verbraucher: Noch in der
letzten Legislaturperiode war anlässlich der Novelle der Telekommuni-
kationskundenschutzverordnung (TKV) ein Inkassoverbot geplant. Die
nunmehr vorgebrachten Argumente der Remonopolisierung des Mehr-
wertdienstemarktes und der Umgehungsmöglichkeit durch Forderungs-
abtretung sind nicht stichhaltig. Denn ein Inkassoverbot träfe lediglich
unseriöse Anbieter, die den Nachweis der Berechtigung ihrer Forderung
nicht führen können. Eine Umgehung des Inkassoverbots durch Forde-
rungsabtretung ist ausgeschlossen, weil der neue Forderungsinhaber die
Einwendung gegen den alten Forderungsinhaber gegen sich gelten las-
sen muss.

Drucksache 15/919 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
2. Weitere gesetzliche Regelungen müssen erlassen werden:
l Für den § 312d BGB soll eine Klarstellung erfolgen, dass das Widerrufs-

recht nur erlischt, wenn der Erfüllungsbeginn der Fernabsatzleistung be-
wusst veranlasst wurde. Das zivilrechtliche Widerrufsrecht für Fernab-
satzverträge erlischt bei der Inanspruchnahme von Mehrwertdiensten
(§ 312d Abs. 1 und 3 BGB), wenn der Verbraucher den Beginn der
Dienstleistung selbst veranlasst hat oder dem Beginn ausdrücklich zuge-
stimmt hat, somit über den Beginn selbst entschieden hat. Diese Rege-
lung ist unbefriedigend, wenn der Erfüllungsbeginn der Fernabsatzleis-
tung unbewusst veranlasst wurde, weil z. B. ein unbewusster Download
stattfand.

l Weitere Regelungen, die erforderlich sind, um die Belästigungen und den
Missbrauch im Zusammenhang mit Mehrwertdiensterufnummern per
Internet, elektronischer Post, Fax, Telefon oder der sms-Funktion der
Mobiltelefone abzustellen, sollten schnellstmöglich erlassen werden und
dazu Bestimmungen in die geeigneten Fachgesetze wie das Telekommu-
nikationsgesetz (TKG) und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
(UWG) aufgenommen werden.

3. Die Bundesregierung sollte andere geeignete Maßnahmen treffen, um Ver-
braucher und Anbieter über den Missbrauch von Mehrwertdiensterufnum-
mern und über die möglichen praktischen Schutzmöglichkeiten wie Dialer-
schutzprogramme aufzuklären.

4. Die Gerichte sollten in fachlicher Hinsicht, z. B. in Fortbildungen, unter-
stützt werden, um die technisch komplexen Vorgänge rechtlich handhaben
zu können.

Berlin, den 6. Mai 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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