BT-Drucksache 15/857

über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 27. bis 31. Januar 2003 in Straßburg

Vom 11. April 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/857
15. Wahlperiode 11. 04. 2003

Unterrichtung
durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates

über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates vom 27. bis 31. Januar 2003 in Straßburg

Während des ersten Teils der Sitzungsperiode 2003 vom 27. bis 31. Januar 2003 erörterte die
Parlamentarische Versammlung des Europarates Berichte, behandelte die üblichen geschäfts-
ordnungsmäßigen Vorgänge und fasste Beschlüsse zu folgenden Themen:

Tätigkeitsbericht des Präsidiums und des Ständigen Ausschusses der
Versammlung
Bericht des Ministerkomitees
– Vorlage durch den amtierenden Vorsitzenden, den Außenminister der Republik Malta,

Joseph Borg
Frage des Abg. Rudolf Bindig

Bericht zur Lage des Europarates
– Vorlage durch den Generalsekretär des Europarates, Walter Schwimmer

Politische Fragen
– Ansprache des Ministerpräsidenten der Republik Türkei, Abdullah Gül
– Ansprache des Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Bruce George
– Ansprache des Präsidenten des mexikanischen Senats, Enrique Jackson Ramirez
– Ansprache des Premierministers der Republik Malta, Edward Fenech-Adami
– Der Beitrag des Europarates zum Prozess der Ausarbeitung einer Verfassung der Europä-

ischen Union (Entschließung 1314 – S. 17)
– Ansprache des britischen Europaministers, Denis MacShane
– Die Evaluierung der Aussichten für eine politische Lösung des Konflikts in der Republik

Tschetschenien (Entschließung 1315 – S. 25, Empfehlung 1593 – S. 24, Richtlinie 584 –
S. 27)
Hierzu sprach Abg. Rudolf Bindig (S. 24)

– Irak (Entschließung 1316 – S. 27)
– Ansprache des Präsidenten der Republik Österreich, Thomas Klestil
– Ein Verhaltenskodex für Wahlangelegenheiten (Entschließung 1320 – S. 37, Empfehlung

1595 – S. 36)

Rechts- und Menschenrechtsfragen
– Der Protokollentwurf zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung

des Terrorismus (Stellungnahme 242 – S. 38)

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Hierzu sprach Abg. Eduard Lintner (S. 38)
Wirtschafts- und Entwicklungsfragen
– Die Fortschritte beim Stabilitätspakt für Südosteuropa: Stärkung von Sicherheit und politi-

scher Stabilität durch wirtschaftliche Zusammenarbeit (Entschließung 1312 – S. 8)
– Ansprache des Sonderkoordinators für den Stabilitätspakt für Südosteuropa, Erhard Busek

Soziale, Gesundheits- und Familienfragen
– Herausforderungen an die Sozialpolitik in unseren überalterten Gesellschaften (Empfeh-

lung 1591 – S. 19)
– Die soziale Eingliederung von Menschen mit Behinderungen (Empfehlung 1592 – S. 22)
– Ansprache der französischen Staatssekretärin für Behinderte, Marie-Thérèse Boisseau

Hierzu sprach Abg. Karl Hermann Haack (S. 21)
Wanderungs-, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
– Bevölkerungsvertreibungen in Südosteuropa: Tendenzen, Probleme, Lösungen (Empfeh-

lung 1588 – S. 9)
– Die Lage junger Migranten in Europa (Empfehlung 1596 – S. 39)
Kultur-, Wissenschafts- und Bildungsfragen
– Die Meinungsfreiheit in den europäischen Medien (Empfehlung 1589 – S. 11)
– Die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Europa und den Ländern des südlichen Mittel-

meerraums (Empfehlung 1590 – S. 14, Entschließung 1313 – S. 15)
– Ansprache des Ministers für Kultur und Kommunikation der Demokratischen Republik

Algerien, Khalida Toumi
– Ansprache des Ministers für Kultur des Königreichs Marokko, Mohamed Achaari
– Ansprache des Ministers für Kultur, Jugend und Freizeit der Tunesischen Republik,

Abdelbaki Hermassi

Umwelt-, Landwirtschafts-, kommunale und regionale Fragen
– Meeresverschmutzung (Entschließung 1317 – S. 30)

Hierzu sprach Abg. Dr. Christine Lucyga (S. 29)
Die Rede des Abg. Rainder Steenblock (S. 29) wurde zu Protokoll gegeben

– Globalisierung und nachhaltige Entwicklung (Entschließung 1318 – S. 31)
– Folgemaßnahmen zum Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung: Eine gemeinsame He-

rausforderung (Empfehlung 1594 – S. 35, Entschließung 1319 – S. 34)
Fragen betreffend die Einhaltung der von denMitgliedstaaten des Europarates
eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen
– Die Fortschritte des Überwachungsverfahrens der Versammlung (Richtlinie 585 – S. 43)
Zum Ablauf der Tagung
Die Reden und Fragen der Mitglieder der Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der
Parlamentarischen Versammlung sowie die Beschlusstexte sind nachstehend im Wortlaut ab-
gedruckt.
Zu Beginn der Tagung wurde der österreichische Abgeordnete Peter Schieder in seinem Amt
als Präsident der Parlamentarischen Versammlung bestätigt. Der Leiter der deutschen Delega-
tion, Abg. Rudolf Bindig (SPD), wurde neu in das Amt eines Vizepräsidenten der Versamm-
lung gewählt. Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU) wurde in seinem Amt als Vorsitzender des
Ausschusses für Recht und Menschenrechte bestätigt.
Den Bericht des Ministerkomitees trug der amtierende Vorsitzende des Ministerkomitees und
Außenminister der Republik Malta, Joseph Borg, vor. Der Generalsekretär des Europarates,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/857

Walter Schwimmer, legte einen Bericht zur Lage des Europarates vor. Zu der Versammlung
sprachen außerdem der Ministerpräsident der Republik Türkei, Abdullah Gül, der Präsident
der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Bruce George, der Präsident des mexikani-
schen Senats, Enrique Jackson Ramirez, der Premierminister der Republik Malta, Edward
Fenech-Adami, der britische Europaminister, Denis MacShane, der Präsident der Republik
Österreich, Thomas Klestil, der Sonderkoordinator für den Stabilitätspakt für Südosteuropa,
Erhard Busek, die französische Staatssekretärin für Behinderte, Marie-Thérèse Boisseau, der
Minister für Kultur und Kommunikation der Demokratischen Republik Algerien, Khalida
Toumi, der Minister für Kultur des Königreichs Marokko, Mohamed Achaari, sowie der Mi-
nister für Kultur, Jugend und Freizeit der Tunesischen Republik, Abdelbaki Hermassi.
An der Tagung nahmen eine Delegation aus Serbien und Montenegro mit Sondergaststatus
sowie Beobachter aus Kanada und Parlamentarier aus dem seit 1997 vom Sondergaststatus
suspendierten Belarus als Gäste teil.

Schwerpunkte der Beratungen
In Dringlichkeitsdebatten beriet die Versammlung über den Irak, die Verschmutzung der
Meere und einen Verhaltenskodex für Wahlangelegenheiten. Im Mittelpunkt der Beratungen
standen zudem der Konflikt in der Tschetschenischen Republik und die Meinungsfreiheit in
den europäischen Medien.
In der Dringlichkeitsdebatte über den Irak beschuldigte die Versammlung die irakische
Diktatur massiver Menschenrechtsverletzungen und erklärte ihre Solidarität mit denjenigen
im Land, die gegen die Diktatur kämpften und sich für die Schaffung von Demokratie ein-
setzten. Die Abgeordneten nahmen mit großer Mehrheit eine Entschließung zur Unterstüt-
zung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen an. Unter den gegenwärtigen Umständen
hielten die Parlamentarier die Anwendung von Gewalt gegen den Irak nicht für gerechtfertigt.
Die Entscheidung darüber könne jedoch nur der Sicherheitsrat treffen. Auch wenn die
Führung in Bagdad unzureichend mit den Waffeninspekteuren der Vereinten Nationen zusam-
menarbeitete, müsse die Krise entsprechend den völkerrechtlichen Prinzipien und in Überein-
stimmung mit den einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen gelöst werden. Die
Lösung müsse von der internationalen Staatengemeinschaft unterstützt werden, auch von den
Ländern in der Region. Die Versammlung rief deshalb die Regierungen der Mitglieds-,
Beobachter- und Bewerberländer des Europarates dazu auf, die Autorität und Rolle der Ver-
einten Nationen nicht zu schädigen und die Anwendung von Gewalt außerhalb des völker-
rechtlichen Rahmens und ohne einen ausdrücklichen Beschluss des VN-Sicherheitsrates aus-
zuschließen.
Im Anschluss an die Debatte übersandte der Präsident der Versammlung, Peter Schieder, die
Entschließung dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, und wies in diesem
Zusammenhang darauf hin, dass in der Europaratsversammlung Parlamentarier der Regie-
rungs- und Oppositionsparteien von 44 europäischen Ländern vertreten seien und die ange-
nommenen Texte deshalb gut die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung in Europa widerspie-
gelten.
Mit Blick auf die am Vortag von den Staats- und Regierungschefs aus Großbritannien, Italien,
Spanien, Portugal, Ungarn, Polen, Tschechien und Dänemark veröffentlichte Erklärung
„Europa und Amerika müssen zusammenstehen“ erklärte der österreichische Präsident
Thomas Klestil in seiner Ansprache vor der Versammlung, in der Europäischen Union
gebe es keine Teilung. Europa habe eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, und die
Initiative der griechischen Präsidentschaft, eine friedliche Problemlösung zu finden, werde
unterstützt.
Nach der Havarie des mit 77 000 Tonnen Schweröl beladenen Tankers „Prestige“ vor der
Küste Galiziens beriet die Versammlung in einer Dringlichkeitsdebatte über die Meeres-
verschmutzung. Die Abgeordneten riefen die Regierungen in Europa dazu auf, unverzüglich
die Sicherheit von Transporten auf dem Seeweg zu verbessern und jegliche Meeresver-
schmutzung radikal zu vermindern. Konkret empfahlen sie u. a., einwandigen Schiffen, die
ein Risiko darstellten, den Zugang zu Häfen zu verbieten und ihre Verschrottung zu beschleu-
nigen, die Kontrolle des Schiffsverkehrs stringenter zu gestalten und Schiffsstraßen zu erwei-
tern, mehr und bessere Auffangeinrichtungen für in Not geratende Schiffe sowie eine eindeu-
tige Festlegung der Haftung.
Die deutsche Abgeordnete Dr. Christine Lucyga (SPD) warnte, Schiffsunglücke wie das
der „Prestige“ könnten sich jederzeit und mit schlimmen Folgen wiederholen, solange alte

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Schiffe unter Billigflagge mit nicht hinreichend qualifizierten Mannschaften auf Billiglohn-
Niveau einerseits und Defizite beim gemeinsamen Handeln der Staaten andererseits erkenn-
bar seien. Es müsse vor allen Dingen präventiv gehandelt werden. In Deutschland sei nach
der Havarie der „Erika“, des Holzfrachters „Pallas“ und der „Baltic Carrier“ in der Kadett-
rinne ein deutlich verbessertes Notfall- und Sicherheitskonzept und vor allem ein effektiveres
Havarie-Management mit einem gemeinsamen Havarie-Kommando auf den Weg gebracht
worden, dessen praktische Erfahrungen auch andere europäische Staaten beim Aufbau ihrer
Notfallkapazitäten in Zukunft nutzen könnten.
Der deutsche Abgeordnete Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) forderte in
einer zu Protokoll gegebenen Rede, Kernprinzipien der Politik auf internationaler, nationaler
und regionaler Ebene müssten die strikte Anwendung des Verursacherprinzips, eine konse-
quente Verankerung von Vorsorgegesichtspunkten und eine Verstärkung des Haftungsrechts,
das sich an der tatsächlichen Schadenssumme orientieren müsse, sein. Die rechtlichen Rege-
lungen müssten so verschärft werden, dass sie tatsächlich eine abschreckende Wirkung entfal-
teten. Er schlug vor, das Thema Seesicherheit auch dann auf der Tagesordnung des Europara-
tes zu lassen, wenn es keine aktuellen Katastrophen gebe, damit der Europarat eine positive
Funktion bei der Entwicklung eines internationalen Abkommens zur Wrackbeseitigung über-
nehmen könne.
Auf der Grundlage der Ergebnisse einer gemeinsamen Mission der Berichterstatter aus dem
Politischen, dem Rechts- und dem Migrationsausschuss beriet die Versammlung erneut über
die Evaluierung der Aussichten für eine politische Lösung des Konflikts in der Republik
Tschetschenien. Sie stellte dabei fest, eine wirklich dauerhafte Lösung des Tschetschenien-
Konflikts könne hinsichtlich der Möglichkeiten für die Friedensschaffung durch Versöhnung
auf der ganzen Welt als positive Botschaft von großer Bedeutung gewertet werden. Ein Schei-
tern dagegen werde den Extremisten in die Hände spielen. Die Menschenrechte und humani-
tären Fragen müssten mit Blick auf die Aussichten und die Tragfähigkeit einer Konfliktlö-
sung im Mittelpunkt stehen. Es sei wichtig, dass eine politische Lösung von immer mehr
Menschen als unverzichtbar angesehen werde. Vor der Durchführung eines Referendums über
einen Verfassungsentwurf für die Republik Tschetschenien müssten jedoch Bedingungen er-
füllt werden, z. B. echte Informationen und Transparenz. Vorschläge für eine Verfassung
müssten zudem logisches Ergebnis eines „realistischen“ politischen Prozesses sein.
Derzeit hielten die Abgeordneten es für unwahrscheinlich, dass die Bedingungen für ein Re-
ferendum bis zum bislang für die Abstimmung vorgesehenen Termin am 23. März erfüllt wer-
den könnten. Die Versammlung forderte die russischen Behörden in diesem Zusammenhang
zu dringend notwendigen Maßnahmen auf, die u. a. die öffentliche Sicherheit, Versamm-
lungsfreiheit und eine freie politische Debatte durch freie und unabhängige Medien betrafen.
Die ursprüngliche Forderung nach einer Verschiebung des Referendums fand jedoch nach der
Annahme eines von russischen Abgeordneten vorgelegten Änderungsantrags im federführen-
den Politischen Ausschuss keinen Eingang in die Entschließung. Der Hauptberichterstatter
erklärte daraufhin am Tag nach der Debatte in der Versammlung, er sei durch die Formulie-
rung des Änderungsantrags abgelenkt gewesen, halte jedoch an seiner Bewertung fest, dass es
am 23. März kein gültiges Referendum geben könne. Finde das Referendum dennoch statt,
sei es ihm nicht gelungen, die zuständigen Stellen in Russland davon zu überzeugen, seine
Einschätzung zu akzeptieren. In diesem Fall habe er keine andere Möglichkeit als von seinem
Amt als Berichterstatter und als einer der beiden Vorsitzenden der Gemeinsamen Arbeits-
gruppe von Duma und Parlamentarischer Versammlung des Europarates zurückzutreten.
Der deutsche Abgeordnete Rudolf Bindig (SPD) bedauerte als Mitberichterstatter des Aus-
schusses für Recht und Menschenrechte der Versammlung zutiefst, dass in der tschetscheni-
schen Republik leider weiterhin ein Klima der Straflosigkeit herrsche. In allen schweren Fäl-
len von Verbrechen und vermeintlichen Massakern seien die Täter nach den offiziellen
Angaben der Generalstaatsanwaltschaft bisher nicht ermittelt worden. Leider bleibe daher nur
noch der Schluss, dass die Untersuchungsbehörden entweder unfähig oder unwillig seien, die
Fälle aufzuklären und die Täter vor Gericht zu bringen und zu bestrafen. Die Versammlung
forderte seinen Ausschuss in diesem Zusammenhang auf, bei der nächsten Teilsitzung einen
gesonderten Bericht über die Menschenrechtslage in der Republik Tschetschenien vorzule-
gen, der sich auf die Informationen der zuständigen Behörden, internationaler Organisatio-
nen, Nichtregierungsorganisationen und Journalisten stützen und u. a. Einzelfälle von beson-
derem Interesse behandeln solle. Darüber hinaus sollen die zuständigen Ausschüsse der
Versammlung nach einem Forum für einen breiten Dialog über eine politische Lösung
suchen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/857

Bei der Vorlage des Berichts des Ministerkomitees erklärte der amtierende Vorsitzende,
der maltesische Außenminister Joseph Borg, das Thema Tschetschenien spiele auch auf
der Tagesordnung des Komitees der Ministerbeauftragten weiterhin eine wichtige Rolle. So
unterrichte der Generalsekretär die Botschafter regelmäßig über die aktuellen Berichte der
Experten des Europarates, die er zur Unterstützung des von dem russischen Präsidenten ein-
gesetzten Sonderbeauftragten für Menschenrechte in Tschetschenien entsandt habe. Die Be-
richte würden ergänzt durch eine vom Generalsekretariat vorgelegte Bewertung der Lage in
den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in Tschetschenien. Die
Verlängerung des Mandats der Experten des Europarates für weitere sechs Monate sei ein gu-
tes Zeichen.
Der Kampf gegen den Terrorismus sei Hauptthema bei der 111. Tagung des Ministerkomitees
im November 2002 in Straßburg gewesen. Es sei dabei um die Fortschritte in den drei wesent-
lichen, im Jahr zuvor festgelegten Arbeitsfeldern gegangen, nämlich um eine stärkere Zusam-
menarbeit bei der Schaffung eines rechtlichen Rahmens zur Bekämpfung des Terrorismus,
den Schutz der grundlegenden Werte und Investitionen in die Demokratie. In diesem Zusam-
menhang unterrichtete der amtierende Vorsitzende die Versammlung auch über die Ausspra-
che über die Zusammenarbeit zwischen den Vereinten Nationen und dem Europarat während
der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 2002. Bei der Annahme einer
entsprechenden Entschließung habe es zwar keine Gegenstimmen, aber 65 Enthaltungen ge-
geben. Strittig seien vor allem die Erwähnung der Richtlinien des Europarates zur Bekämp-
fung des Terrorismus, des 13. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention
über die ausnahmslose Abschaffung der Todesstrafe sowie des Internationalen Strafgerichts-
hofs gewesen. Ein weiteres zentrales Thema der Ministertagung in Straßburg sei die für die
langfristige Arbeitsfähigkeit des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs dringend not-
wendige Reform der bestehenden Strukturen gewesen, da die enorme Zahl der Fälle und der
Mangel an Ressourcen die Arbeitsabläufe ernsthaft gefährdeten. Inzwischen sei ein Pro-
gramm für die Jahre 2003 bis 2005 verabschiedet worden, das erhebliche Sondermittel für
den Gerichtshof und die mit der Umsetzung der Urteile befassten Abteilungen vorsehe.
Neben der Förderung und dem Schutz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat-
lichkeit konzentriere sich Malta in seinem Arbeitsprogramm vor allem auf die Förderung so-
zialer Rechte als wichtigen Bestandteil einer spezifisch europäischen Regierungsführung so-
wie auf die Mittelmeer-Dimension Europas. So habe gleich zu Beginn der maltesischen
Präsidentschaft Mitte November 2002 eine Konferenz über den Zugang zu sozialen Rechten
stattgefunden, an der auch Vertreter aus Mittelmeeranrainerstaaten teilgenommen hätten, die
nicht Mitglied des Europarates seien.
Die Generalberichterstatterin für Medien legte einen Bericht über die Meinungsfreiheit in
den Medien in Europa vor. Mit der Beratung über die Länderanalyse schloss die Versamm-
lung an eine Empfehlung von April 2001 über die Meinungs- und Informationsfreiheit in den
europäischen Medien an. Sie stellte fest, dass viele der bereits vor zwei Jahren gerügten Pro-
bleme weiterhin bestünden und es zu weiteren schwerwiegenden Verletzungen der Meinungs-
freiheit in Mitgliedsländern des Europarates gekommen sei. Dazu gehörten Gewalt gegen
Journalisten bis hin zu Mord und Inhaftierung, rechtliche Schritte wie Verleumdungsklagen
und hohe Geldstrafen, Übertragungsgesetze, die direkten Einfluss von Regierungen erlaub-
ten, die Verletzung des Rechts von Journalisten auf Quellenschutz sowie die Bedrohung der
Vielfalt der Medien. Besorgt zeigten sich die Abgeordneten insbesondere über die Lage in
Belarus, Moldau, Russland, der Türkei und der Ukraine sowie im südlichen Kaukasus. In die-
sem Zusammenhang forderten sie das Ministerkomitee des Europarates zur Veröffentlichung
der Ergebnisse der im Bereich der Meinungsfreiheit in den Medien durchgeführten besonde-
ren Überwachungsverfahren auf.
Die Kritik der Abgeordneten richtete sich jedoch auch gegen bestimmte Länder in West-
europa, in denen trotz der umfangreichen Judikatur des Europäischen Menschenrechts-
gerichtshofs Gerichte das Recht von Journalisten auf Quellenschutz verletzten. Das Minister-
komitee solle deshalb bei den europäischen Regierungen darauf drängen, die Gerichtsurteile
des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes im Bereich der Meinungsfreiheit in die natio-
nale Gesetzgebung aufzunehmen und für eine einschlägige Ausbildung der Richter sorgen.
Zudem sei die Mediengesetzgebung in einigen dieser Länder veraltet, so z. B. das franzö-
sische Presserecht, und der mögliche Interessenkonflikt in Italien zwischen dem politischen
Amt Berlusconis und seinen privaten wirtschaftlichen und Medieninteressen sei ein schlech-
tes Beispiel für junge Demokratien.
Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Erweiterung der Europäischen Union und dem na-
hen Abschluss der Arbeit des Konvents zur Zukunft der EU beriet die Versammlung über den

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Beitrag des Europarates zum Prozess der Ausarbeitung einer Verfassung der Euro-
päischen Union. Redner aus den bisherigen Mitgliedsländern der EU und aus Bewerberlän-
dern unterstützten dabei gleichermaßen die drei wesentlichen Forderungen des Berichterstat-
ters. So solle die EU nach dem voraussichtlichen Erhalt einer eigenen Rechtspersönlichkeit
der Europäischen Menschenrechtskonvention des Europarates beitreten, und der Text der
Konvention bzw. ein entsprechender Verweis solle in die europäischen Verträge, in die
zukünftige europäische Verfassung, aufgenommen und auf diese Weise rechtsverbindlich
werden. Zudem müsse die europäische Verfassung auf die Fortschritte bei der Harmonisie-
rung der Gesetzgebung bzw. der Standards eingehen, die der Europarat in bestimmten Berei-
chen erreicht habe. Dazu gehörten neben dem Schutz der Menschenrechte und dem Verbot
von Folter und unmenschlicher Behandlung auch der Kulturbereich und die grenzüberschrei-
tende kulturelle Zusammenarbeit sowie die Bereiche Jugend und Soziales. Wenn die Mehr-
zahl der Mitgliedsländer des Europarates auch Mitglieder der Europäischen Union seien,
müsse man eine Form der Zusammenarbeit finden, bei der man sich nicht gegenseitig störe,
sondern vielmehr ergänze.
Der britische Europaminister Denis MacShane sagte in einer Ansprache vor der Ver-
sammlung, die Regierungen und Parlamente aller Mitgliedsländer nähmen diesen wichtigen
Vorschlag ernst. Auch die damit verbundenen ernsten politischen und praktischen Probleme
müssten jedoch ausreichend diskutiert werden. So könne es im europäischen Rechtsraum
z. B. eine gewisse Verwirrung geben, wenn die Charta der Grundrechte in der Form in die eu-
ropäischen Verträge Eingang fände, in der sie in Nizza proklamiert worden sei. Für Deutsch-
land sei in diesem Zusammenhang mit Blick auf die ca. 3,8 Millionen Beamten vor allem pro-
blematisch, dass die Charta das Recht zu streiken als Grundrecht ansehe. Einen Redetext
seiner französischen Amtskollegin zitierend ergänzte er, auch die französische Regierung sei
noch nicht davon überzeugt, dass die Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonven-
tion durch die Europäische Union wirklich angebracht sei.
Der Generalsekretär des Europarates, Walter Schwimmer, begrüßte dagegen in seiner
Ansprache zur Lage des Europarates den von dem Präsidenten des Konvents zur Zukunft
der Europäischen Union, Valéry Giscard d’Estaing, dem Europäischen Rat in Kopenhagen
vorgelegten Bericht, in dem dieser als Ergebnis der Beratungen eine positive Tendenz für ei-
nen Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention ausmache.
Nach den Vorstellungen des Generalsekretärs sollten als nächste Schritte der Beitritt der
Europäischen Union zum Europäischen Kulturabkommen sowie zur Europäischen Sozial-
charta folgen. Der Europarat sei ein Forum für den politischen Dialog und die Zusammenar-
beit mit den Staaten, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht Mitglied der Europäischen Union sein
könnten oder wollten. Deshalb sollten die Möglichkeiten für eine assoziierte Mitgliedschaft
der Europäischen Union im Europarat beraten werden.
In einer Dringlichkeitsdebatte begrüßten die Abgeordneten die Veröffentlichung eines Ver-
haltenskodex für Wahlangelegenheiten, in dem Standards für die Abhaltung und Beobach-
tung demokratischer Wahlen formuliert werden. Der Kodex sei ein wichtiger Schritt zur Har-
monisierung der Standards für die Durchführung und Beobachtung von Wahlen. Wenn er ein
Referenzdokument werde, könne er den Einfluss und die Glaubwürdigkeit der Wahlbeobach-
tungsmissionen stärken. Die Versammlung empfahl deshalb die Ausarbeitung eines euro-
päischen Übereinkommens auf der Grundlage des im Wesentlichen von der Europäischen
Kommission „Demokratie durch Recht“ („Venedig-Kommission“) erarbeiteten Kodex.
In einer weiteren Dringlichkeitsdebatte stellte die Versammlung fest, dass der Protokollent-
wurf zur Änderung des Europäischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terroris-
mus, der die Definition terroristischer Straftaten ausweitet, einige der in der Vergangenheit
von der Versammlung gemachten Empfehlungen berücksichtige. So könnten Staaten einen
Auslieferungsantrag ablehnen, wenn der auszuliefernden Person die Gefahr von Folter oder
Todesstrafe drohen könnte. Die Abgeordneten kritisierten jedoch, dass die Mitgliedsländer
immer noch Vorbehalte anbringen könnten, die den mit dem Übereinkommen verbundenen
Absichten entgegenstehen könnten. Der Erfolg des Dokuments hänge davon ab, dass das
Recht, Vorbehalte geltend zu machen, weder vollständig entzogen werde, noch zuviel Raum
lasse. In ihrer Stellungnahme forderten sie deshalb, dass ein Land die vorgesehene Frist von
drei Jahren, in der derartige Vorbehalte nach dem Wortlaut des Artikels des Änderungsproto-
kolls angebracht werden können, nur einmal für den gleichen Zeitraum verlängern können
solle.
Der stellvertretende Leiter der deutschen Delegation, Abgeordneter Eduard Lintner (CDU/
CSU), sagte in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des federführenden Ausschusses für Recht
und Menschenrechte, der Ausschuss sei zu der Überzeugung gekommen, dass die Arbeit an

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/857

der Konvention möglichst schnell abgeschlossen werden müsse, um bald praktische Fort-
schritte zu erreichen. Bei der Beratung sei zwar zum Ausdruck gekommen, dass es darüber
hinaus noch Wünsche gebe. Der Ausschuss werde jedoch sicher einen Weg finden, auch diese
Anregungen noch aufzugreifen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt solle sich die Versammlung
jedoch geschlossen hinter das stellen, was von der Berichterstatterin vorgelegt worden sei. Je
einheitlicher das Votum sei, umso eindrucksvoller werde die Kraft sein, mit der es durchge-
setzt werden könne.
Am Rande der Tagung nahm der Europarat den Preis der in Gijon/Spanien ansässigen Inter-
nationalen Gesellschaft für Bioethik (SIBI) für das Jahr 2002 entgegen. Bei der feier-
lichen Verleihung sagte SIBI-Präsident Marcelo Palacios, selbst ehemaliges Mitglied der spa-
nischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, der Preis gehe
an den Europarat, besonders an die Parlamentarische Versammlung, in Anerkennung der
Rolle als Vorreiter und für die beharrlichen Bemühungen zum Schutz der bioethischen Werte,
Bemühungen, die in das Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin gemündet
seien, das am 4. April 1997 in Oviedo (Spanien) zur Zeichnung aufgelegt worden sei. Die
Konvention habe sich als wesentliche Quelle und Leitfaden in Fragen der Bioethik und als be-
deutende Hilfe bei der Entwicklung eines rechtlichen Rahmens in vielen Ländern erwiesen.

Berlin, im Februar 2003
Rudolf Bindig, MdB
Leiter der Delegation

Eduard Lintner, MdB
Stellvertretender Leiter der Delegation

Drucksache 15/857 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Montag, 27. Januar 2003
Tag e s o r d n u n g s p u n k t

Ansprache des Ministerpräsidenten
der Republik Türkei, Abdullah Gül

(Themen: die Beziehungen zwischen der Türkei und dem
Europarat – die Reformvorhaben der neuen türkischen Re-
gierung – die Abschaffung der Todesstrafe – die Durchfüh-
rung der Urteile des Europäischen Menschenrechtsge-
richtshofes – die Lage im Irak – die Zypern-Frage)

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Tätigkeitsbericht des Präsidiums und des
Ständigen Ausschusses der Versammlung

(Drucksache 9621 + Addenda I – VIII)
Berichterstatter:

Bernard Schreiner (Frankreich)
(Themen: Vorlage der seit der letzten Vollversammlung vom
Präsidium getroffenen Entscheidungen und der Überwei-
sungen an die Fachausschüsse – die Wahl eines Richters am
Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs für Spanien –
Termine der Sitzungswochen der Versammlung in den Jah-
ren 2004 und 2005 – die Einsetzung eines Ad hoc-Ausschus-
ses des Präsidiums zur Untersuchung der Lage in Georgien
und den Auswirkungen auf die Stabilität in der Kaukasus-
Region sowie eines Unterausschusses des Politischen Aus-
schusses für Belarus)

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Ansprache des Präsidenten der

Parlamentarischen Versammlung der OSZE,
Bruce George

(Themen: die Beziehungen zwischen der Parlamentarischen
Versammlung der OSZE und der Parlamentarischen Ver-
sammlung des Europarates – die Rolle von Europarat und
OSZE bei der Transformation in Europa – Schwerpunkte
der Arbeit der OSZE-Versammlung – die Jahrestagung der
OSZE-Versammlung in Rotterdam zum Thema „Die Rolle
der OSZE in der neuen Architektur in Europa“ – die Bezie-
hungen zwischen der OSZE und den Partnern im Mittel-
meerraum und in Asien – die Zusammenarbeit von Europa-
rats- und OSZE-Versammlung bei der Beobachtung von
Wahlen, im Rahmen des Stabilitätspaktes für Südosteuropa
und in Bezug auf Belarus)

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Die Fortschritte beim Stabilitätspakt

für Südosteuropa: Stärkung von Sicherheit
und politischer Stabilität durch wirtschaftliche

Zusammenarbeit
(Drucksache 9638)
Berichterstatterin:

Abg. Baroness Hooper (Vereinigtes Königreich)

in verbundener Debatte mit
Bevölkerungsvertreibungen in Südosteuropa:

Tendenzen, Probleme, Lösungen
(Drucksache 9519 rev.)

Berichterstatterin:
Abg. Ans Zwerver (Niederlande)

Ansprache des Sonderkoordinators für den
Stabilitätspakt für Südosteuropa, Erhard Busek

(Themen: die Abhaltung von Wahlen und die Demokrati-
sierung in Südosteuropa – die Sicherheitslage auf dem
Balkan – der Kampf gegen das organisierte Verbrechen und
gegen Korruption – Fortschritte bei den Infrastruktur-
projekten – die wirtschaftliche Lage – die Freihandels-
abkommen zwischen den Ländern der Region – die Notwen-
digkeit verstärkter Zusammenarbeit der Parlamentarier in
der Region)

En t s c h l i e ß u n g 1312 (2003)*
betr. die Fortschritte beim Stabilitätspakt

für Südosteuropa: Stärkung von Sicherheit
und politischer Stabilität durch wirtschaftliche

Zusammenarbeit
(Drucksache 9638)

1. Die Versammlung hat den Bericht ihres Ausschusses
für Wirtschaft und Entwicklung über die Ergebnisse der
Dritten Parlamentarischen Konferenz über den Stabili-
tätspakt für Südosteuropa, die vom 14. bis 16. Oktober
2002 in Tirana stattfand, zur Kenntnis genommen.

2. Unter dem Vorsitz der Parlamentarischen Versammlung
des Europarates sowie unter Beteiligung der Parlamen-
tarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Euro-
päischen Parlaments war die Konferenz dem Thema
„Stärkung von Sicherheit und politischer Stabilität
durch wirtschaftliche Zusammenarbeit: Fortschritte des
Stabilitätspakts für Südosteuropa“ gewidmet.

3. Die Versammlung unterstützt uneingeschränkt die per
Akklamation von der Konferenz verabschiedete Erklä-
rung von Tirana, die der vorliegenden Entschließung
beigefügt ist. Die Versammlung beschließt, die Umset-
zung der Erklärung von Tirana in Zusammenarbeit mit
den genannten parlamentarischen Partnerinstitutionen
genau zu verfolgen. Auf der Konferenz wurde die Not-
wendigkeit einer schnellen wirtschaftlichen Entwick-
lung und einer Integration zwischen den Ländern der
Region und im weiteren europäischen Kontext hervor-
gehoben, um nicht nur wachsenden Wohlstand, sondern
auch politische Stabilität, Frieden und regionale Sicher-
heit zu gewährleisten.

4. In diesem Zusammenhang stellt die Versammlung
einerseits die beträchtliche Frustration fest, die viele
Mitgliedsländer des Stabilitätspakts für Südosteuropa

* Debatte der Versammlung am 27. Januar 2003 (1. Sitzung). Siehe
Dok. 9638, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Entwicklung
(Berichterstatterin: Baroness Hooper). Von der Versammlung verab-
schiedeter Text am 27. Januar 2003 (1. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/857

angesichts der langsamen und organisatorisch schwer-
fälligen Verwirklichung einiger Projekte des Pakts
empfinden. Andererseits registriert sie auch die Unge-
duld zahlreicher Geberländer und Institutionen über
das, was sie als für den Erfolg des Pakts entscheidende,
jedoch ausbleibende Fortschritte der Länder in der Re-
gion in Bereichen betrachten, wie die wirksame Umset-
zung bilateraler Freihandelsabkommen, die Eindäm-
mung von Korruption und organisiertem Verbrechen,
die Freizügigkeit und die klare Festlegung und Durch-
setzung von Eigentumsrechten. Es ist unerlässlich, dass
alle betroffenen Parteien die notwendige Bereitschaft
zeigen, ihre Leistung in allen diesen Bereichen weiter
zu verbessern, um die Glaubwürdigkeit des Pakts zu er-
halten und seine Dynamik nicht zu schwächen.

5. Schließlich begrüßt die Versammlung und unterstützt
nachdrücklich den Beschluss der „Invest Compact Initi-
ative“ des Stabilitätspakts zur Einrichtung eines Über-
wachungsmechanismus für die Umsetzung der wich-
tigsten Grundsätze und „best practices“ (optimale
Verfahren), auf die sich die Minister der Länder Südost-
europas im Juli 2002 geeinigt hatten, um die Investiti-
onstätigkeit in Südosteuropa zu stärken.

Emp f e h l u n g 1588 (2003)*
betr. Bevölkerungsvertreibungen in

Südosteuropa: Tendenzen, Probleme, Lösungen
(Drucksache 9519 rev.)

1. Die Versammlung verweist auf ihre Empfehlung 1569
(2002) über die Lage von Flüchtlingen und Binnenver-
triebenen in der Bundesrepublik Jugoslawien; die Emp-
fehlung 1510 (2001) über die humanitäre Situation von
Kosovo-Rückkehrern; die Empfehlung 1424 (1999)
über die Beurteilung der humanitären Lage in der Bun-
desrepublik Jugoslawien, insbesondere im Kosovo und
in Montenegro; die Empfehlung 1406 (1999) über die
Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen in ihre
Wohnstätten in Kroatien und die Empfehlung 1357
(1998) über Bosnien-Herzegowina: Rückkehr von
Flüchtlingen und Vertriebenen.

2. Die Versammlung macht auf die ungelöste Frage der
Flüchtlinge und Vertriebenen in Südosteuropa aufmerk-
sam. Zurzeit beläuft sich die Zahl der Vertriebenen
(Binnenvertriebene und Flüchtlinge), die noch auf der
Suche nach dauerhaften Lösungen in der Region sind,
auf insgesamt 1,2 Millionen Menschen. Einige von ih-
nen sind mittlerweile seit über 10 Jahren in Flüchtlings-
lagern untergebracht.

3. Die Versammlung stellt mit Genugtuung fest, dass sich
die Lage in den letzten beiden Jahren deutlich verbessert
hat. Allein im Jahre 2001 konnten mehr Flüchtlinge und
Binnenvertriebene in von gegnerischen Volksgruppen
kontrollierte Gebiete zurückkehren als zu irgendeinem
anderen Zeitpunkt seit der Unterzeichnung des Frie-

densabkommens von Dayton. Darin wird ein Anzeichen
für das Verschwinden vieler rechtlicher, administrativer
und die Sicherheit betreffender Hindernisse gesehen.

4. Der Rückkehrprozess ist jetzt in eine entscheidende
Phase eingetreten. Der vor kurzem erzielte Durchbruch
kann zu einem wirklichen Erfolg in Form einer ver-
mehrten Rückkehr von Minderheiten führen, kann aber
auch durch eine Reihe bestehender Hindernisse ver-
langsamt oder gar aufgehalten werden.

5. Die Versammlung ist sich bewusst, dass eines der
Haupthindernisse für die Rückkehr die schlechte Wirt-
schaftslage in bestimmten Rückkehrgebieten und insbe-
sondere die hohe Arbeitslosenquote ist. Fehlende wirt-
schaftliche Perspektiven stellen für potenzielle
Rückkehrer einen stark demotivierenden Faktor dar.

6. Allerdings bestehen noch weitere Hindernisse im Woh-
nungsbereich, vor allem bei der Wiedereinsetzung der
Rückkehrer in ihre Eigentums- oder Wohnrechte sowie
angesichts des Fehlens von Ersatzunterkünften für Per-
sonen, die unrechtmäßig fremden Wohnraum besetzen.

7. Sowohl kurzfristige Strategien wie der Wiederaufbau
von Wohnraum, die Rückerlangung des Eigentums, der
Zugang zur Gesundheitsversorgung und zur Bildung
oder Nahrungsmittelsicherheit als auch Langzeitstrate-
gien, insbesondere eine nachhaltige Integration zwi-
schen den Volksgruppen auf dem Wege über Wirt-
schaftswachstum und politische Stabilität müssen von
der internationalen Gemeinschaft finanziell und sozial
abgefedert werden.

8. Eine dauerhafte Rückkehr erfordert die Wiederbele-
bung der gesamten Wirtschaft im Rückkehrgebiet, ins-
besondere die Schaffung von Arbeitsplätzen und der
nötigen Infrastruktur. Die verstärkte internationale fi-
nanzielle Unterstützung sollte durch Investitionen, Dar-
lehen und Hilfeleistung erfolgen.

9. Die Verbindung zwischen dem Prozess der „Hilfe“ und
dem der „Entwicklung“ darf nicht verloren gehen. Das
ist gerade jetzt besonders wichtig, wo die Ermüdung der
Geber offensichtlich ist und der Rückgang der humani-
tären Hilfe einer verstärkten Rückkehr gegenübersteht.

10. Die Versammlung unterstreicht, dass der Rückkehrpro-
zess in die Region sehr umsichtig gesteuert werden sollte
und die Flüchtlinge die Wahl zwischen Rückkehr und
lokaler Integration haben sollten. In dieser Hinsicht ist
die serbische Nationale Strategie zur Lösung der Flücht-
lingsprobleme als modellhafte Lösung zu betrachten.

11. Ungelöste interne politische Fragen in Bezug auf den
künftigen Status der verschiedenen Volksgruppen in der
Bundesrepublik Jugoslawien sowie in Bosnien-Herze-
gowina sollten nicht den Maßnahmen entgegenstehen,
durch die die humanitäre Situation der Flüchtlinge und
Vertriebenen verbessert werden soll.

12. Die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen im
Rückkehrgebiet ist ein entscheidender Faktor, und die
Versammlung stellt mit Genugtuung fest, dass es hier-
bei Verbesserungen gegeben hat. Sie muss jedoch wei-
ter gefestigt werden, insbesondere beim Informations-
austausch, der Registrierung von Flüchtlingen sowie
der Überweisung von Zuwendungen und Renten.

* Debatte der Versammlung am 27. Januar 2003 (1. Sitzung). Siehe
Dok. 9519 revised, Bericht des Ausschusses für Wanderbewegungen,
Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen (Berichterstatterin: Frau Zwer-
ver). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 27. Januar 2003
(1. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

13. Deshalb empfiehlt die Versammlung dem Minister-
komitee,
i. die Mitgliedstaaten des Europarates nachdrücklich

aufzufordern,
a. wirtschaftliches Engagement und Investiti-

onen in den Ländern der Region zu fördern;
b. im Rahmen des Stabilitätspakts für Südost-

europa eine umfassende Wirtschaftsstrategie
fortzuführen und voran zu bringen;

c. positiv zu reagieren und mögliche künftige
Projekte zu finanzieren und durch Kredite zu
fördern, die von den Ländern der Region erar-
beitet wurden und sich auf die Rückkehr von
Flüchtlingen und Vertriebenen beziehen;

d. interethnische Versöhnungsprogramme und
den Dialog zwischen den Volksgruppen in der
Region zu fördern und zu unterstützen;

e. eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den
Ländern der Region voran zu bringen und zu
fördern;

ii. im Hinblick auf die Umsetzung des Aktionsplans
über die Wiederinbesitznahme von Wohneigentum,
der bereits zu erheblichen Erfolgen geführt hat, die
kroatischen Behörden nachdrücklich aufzufordern,
a. die Haushaltsmittel aufzustocken und aktiv

nach weiteren Finanzmitteln für die Umset-
zung des Gesetzes über den Wiederaufbau be-
schädigter Häuser und den Bau von Ersatz-
unterkünften zu suchen;

b. das Gesetz über die Wiederinbesitznahme von
Grundvermögen zu überarbeiten, um sicherzu-
stellen, dass alle früheren Einwohner, auch
diejenigen, die aus nicht ihrem Einfluss unter-
liegenden Gründen nicht die kroatische Staats-
bürgerschaft besitzen, daraus Nutzen ziehen
dürfen;

c. die Finanzierung der Umsetzung des Wie-
derinbesitznahmegesetzes sicherzustellen;

d. bei Flüchtlingen, deren Wohnrecht erloschen
ist, die aber rückkehrwillig sind, für die ersatz-
weise Unterbringung in Sozialwohnungen zu
sorgen;

e. die Verfahren zur Bestätigung eines bestehen-
den Wohnrechts zu erleichtern;

f. die Haushaltsmittel für die wirtschaftlicheWie-
derbelebung und die Infrastruktur der unterent-
wickelten Rückkehrgebiete aufzustocken;

g. Beschäftigungsprojekte und eine Sozialpolitik
durch nationale Finanzierung und internatio-
nale Hilfe zu fördern, welche die wirtschaft-
lichen und sozialen Bedingungen aller ethni-
schen Minderheiten verbessern;

h. sicherzustellen, dass auf dem Gebiet der Be-
schäftigung und in anderen Bereichen der So-
zialpolitik keine Diskriminierung aufgrund der
Volksgruppenzugehörigkeit stattfindet;

i. durch Förderung und Unterstützung von Ver-
söhnungsprogrammen den Dialog zwischen
den Volksgruppen voran zu bringen;

j. die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisati-
onen zu fördern und zu unterstützen, die auf
dem Gebiet der Flüchtlingshilfe und der Ver-
söhnung zwischen den Volksgruppen tätig sind
und ihre Beteiligung an der Ausarbeitung und
Umsetzung der Integrations- und Rückkehr-
politik zu verstärken;

k. die Zusammenarbeit mit anderen Staaten der
Region auszubauen, insbesondere auf den
Gebieten Informationsaustausch, Flüchtlings-
registrierung und Überweisung von Renten
und Zuwendungen;

iii. die Behörden von Bosnien-Herzegowina nach-
drücklich aufzufordern,
a. die Haushaltsmittel aufzustocken und aktiv

nach einer Zusatzfinanzierung für die Umset-
zung der jüngsten Gesetze über die Wiederin-
besitznahme von Wohneigentum zu suchen;

b. jeden Einspruch von Binnenvertriebenen, die
aus illegal besetzten Häusern vertrieben wur-
den, sorgfältig prüfen zu lassen und ihnen in
berechtigten Fällen eine Ersatzunterkunft zu
verschaffen, auch wenn ihre eigenen Häuser
wieder aufgebaut worden sind, statt sie zur
Rückkehr in ihr jeweiliges Herkunftsgebiet zu
zwingen;

c. mehr Haushaltsmittel aufzuwenden und die
wirtschaftliche Wiederbelebung unterentwi-
ckelter Rückkehrgebiete aktiver zu fördern;

d. die Anwendung von Gesetzen sicherzustellen,
die eine diskriminierungsfreie Beschäftigung
und Behandlung gewährleisten;

e. durch Förderung und Unterstützung von Ver-
söhnungsprogrammen den Dialog zwischen
den Volksgruppen voran zu bringen;

f. im Bildungsbereich Versöhnung und Toleranz
zu fördern und insbesondere die Lehrpläne zu
überprüfen;

g. die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisati-
onen zu fördern und zu unterstützen, die auf
dem Gebiet der Flüchtlingshilfe und der Ver-
söhnung zwischen den Volksgruppen tätig sind
und ihre Beteiligung an der Ausarbeitung und
Umsetzung der Integrations- und Rückkehr-
politik zu verstärken;

h. die Zusammenarbeit mit anderen Staaten der
Region auszubauen, insbesondere auf den
Gebieten Informationsaustausch, Flüchtlings-
registrierung und Überweisung von Renten
und Zuwendungen;

iv. die Behörden von Serbien, Montenegro und des
Kosovo nachdrücklich aufzufordern,
a. die weitere Ausarbeitung und Umsetzung der

Nationalen Strategie zur Lösung der Probleme

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/857

der Flüchtlinge, Vertriebenen und Zwangsum-
siedler sicherzustellen;

b. in den Gebietsteilen Langzeitstrategien auszu-
arbeiten, in denen diese noch nicht vorliegen;

c. konkrete Rückkehrprojekte für Flüchtlinge
auszuarbeiten und sich um eine internationale
Finanzierung zu bemühen;

d. durch Förderung und Unterstützung von Ver-
söhnungsprogrammen den Dialog zwischen
den Volksgruppen voran zu bringen;

e. die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisati-
onen zu fördern und zu unterstützen, die auf
dem Gebiet der Flüchtlingshilfe und der Ver-
söhnung zwischen den Volksgruppen tätig sind
und ihre Beteiligung an der Ausarbeitung und
Umsetzung der Integrations- und Rückkehr-
politik zu verstärken;

f. die Zusammenarbeit mit anderen Staaten der
Region auszubauen, insbesondere auf den
Gebieten Informationsaustausch, Flüchtlings-
registrierung und Überweisung von Renten
und Zuwendungen;

v. die Behörden der „ehemaligen jugoslawischen Re-
publik Mazedonien“ nachdrücklich aufzufordern,
a. sich aktiv um internationale Finanzierungen,

Investitionen und Darlehen zu bemühen, um
die Wirtschaft in den Rückkehrgebieten wie-
der zu beleben;

b. konkrete Projekte für die Rückkehr von
Flüchtlingen auszuarbeiten und sich um inter-
nationale Mittelvergabe zu bemühen;

c. durch Förderung und Unterstützung von Ver-
söhnungsprogrammen den Dialog zwischen
den Volksgruppen voran zu bringen;

d. die Aktivitäten von Nichtregierungsorganisati-
onen zu fördern und zu unterstützen, die auf
dem Gebiet der Flüchtlingshilfe und der Ver-
söhnung zwischen den Volksgruppen tätig sind
und ihre Beteiligung an der Ausarbeitung und
Umsetzung der Integrations- und Rückkehr-
politik zu verstärken;

e. die Zusammenarbeit mit anderen Staaten der
Region auszubauen, insbesondere auf den Ge-
bieten Informationsaustausch, Flüchtlings-
registrierung und Überweisung von Renten
und Zuwendungen.

14. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
außerdem,
a. für die Fortsetzung der intensiven Beteiligung und

des nachdrücklichen Engagements des Europarates
im Rahmen des Prozesses des demokratischen
Wiederaufbaus einer multiethnischen Gesellschaft
und für Vertrauensbildung in den Ländern der
Region Sorge zu tragen;

b. den Gedanken einer engeren Zusammenarbeit zwi-
schen der internationalen Gemeinschaft und loka-
len Nichtregierungsorganisationen zu fördern, um

den Dialog zwischen den Volksgruppen voran zu
bringen und die Rechte der Binnenvertriebenen
und der Flüchtlinge zu schützen;

c. konkrete Versöhnungsprogramme auf dem Kultur-
und Bildungssektor auszubauen, insbesondere im
Hinblick auf die Überprüfung der Lehrpläne;

d. die entsprechenden Ausschüsse anzuweisen, die
Förderung der Leitlinien für den Umgang mit Bin-
nenflüchtlingskrisen zu verstärken.

15. Die Versammlung ruft die Entwicklungsbank des Euro-
parates auf, ihre Zusammenarbeit mit den Ländern der
Region auszuweiten, um Projekte für Flüchtlinge und
Binnenvertriebene zu finanzieren.

16. Die Versammlung bittet den Kongress der Gemeinden
und Regionen Europas, sein Städtepartnerschaftspro-
gramm für Flüchtlinge und Binnenvertriebene beher-
bergende Gemeinden der Region oder Gemeinden in
den Rückkehrgebieten auf Gemeinden in anderen Mit-
gliedstaaten des Europarates auszuweiten.

Dienstag, 28. Januar 2003
Tag e s o r d n u n g s p u n k t

Ansprache des Präsidenten des mexikanischen
Senats, Enrique Jackson Ramirez

(Themen: der Schutz der Menschenrechte und der Rechte
von Kindern in Mexiko – Chancengleichheit in Mexiko – die
wirtschaftliche Lage und die Situation der Bauern in
Mexiko – Migration – die Lage im Irak – die Beziehungen
zwischen Mexiko und Europa)

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Die Meinungsfreiheit in den europäischen Medien

(Drucksache 9640 rev.)
Berichterstatterin:

Abg. Tytti Isohookana-Asunmaa (Finnland)

Emp f e h l u n g 1589 (2003)*
betr. die Meinungsfreiheit

in den europäischen Medien
(Drucksache 9640 rev.)

1. Die Versammlung verweist auf ihre Empfehlung 1506
(2001) betr. die Meinungs- und Informationsfreiheit in
den europäischen Medien und auf ihren Beschluss, über
den Generalberichterstatter für die Medien moralischen
und politischen Druck auf Regierungen auszuüben, die
die Meinungsfreiheit in den Medien verletzen, und die-
ses Anliegen in jedem einzelnen Land zu verfolgen.

* Debatte der Versammlung am 28. Januar 2003 (3. Sitzung). Siehe
Dok. 9640 rev., Bericht des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft
und Bildung (Berichterstatterin: Frau Isohookana-Asunmaa). Von der
Versammlung verabschiedeter Text am 28. Januar 2003 (3. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2. Sie bedauert, dass es seit der Verabschiedung der Emp-
fehlung 1506 noch immer zahlreiche Probleme gibt und
weitere schwerwiegende Verstöße gegen die Meinungs-
freiheit in Europa und der restlichen Welt.

3. Gewalt ist weiterhin einMittel, umNachforschungen an-
stellende Journalisten einzuschüchternoderRechnungen
zwischen rivalisierenden politischen und wirtschaft-
lichen Gruppierungen zu begleichen, für die einige Me-
dien als Handlanger dienen. Die Zahl der in Russland tät-
lich angegriffenen oder sogar ermordeten Journalisten ist
alarmierend. Erst kürzlich ist es auch in Armenien, der
„ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien“,
Georgien, der Ukraine und Belarus zu Gewalt gekom-
men. Die Versammlung verurteilt insbesondere nach-
drücklich die Ermordung von Tighran Naghdalian, dem
Vorsitzenden des armenischen Fernseh- und Rund-
funkrates. Es kann nicht hingenommen werden, dass es
keine wesentlichen Fortschritte bei der Untersuchung
früherer Verbrechen wie der Ermordung von Georgy
Gongadze in derUkraine unddemVerschwindenvonDi-
mitri Zavadsky in Belarus gegeben hat.

4. Es ist in einer Demokratie ebenfalls nicht hinnehmbar,
dass Journalisten wegen ihrer Arbeit inhaftiert werden,
wie es in den Fällen Mikola Markewitsch, Paval
Mascheika und Viktar Iwaschkewitsch in Belarus und
Grigory Pasko in Russland geschehen ist. Die straf-
rechtliche Verfolgung von Journalisten in der Türkei
dauert an.

5. Andere Formen legaler Schikanierung wie Verleum-
dungsklagen oder unangemessen hohe Bußgelder, die
Medien an den Rand der Existenzgrundlage bringen,
sind in mehreren Ländern weiterhin stark verbreitet.
Fälle dieser Art wurden vor kurzem in Aserbaidschan,
Belarus, Kroatien, Russland und der Ukraine festge-
stellt. Ein Dutzend Prozesse wurden gegen Presspu-
blica, den Verlag der größten polnischen Tageszeitung
Rzeczpospolita, angestrengt. Die Einschüchterung von
Medien erfolgt auch über Polizeirazzien, Steuerprüfun-
gen und andere Formen des wirtschaftlichen Drucks.

6. In der Ukraine gibt es nach Auskunft zahlreicher Jour-
nalisten und den Schlussfolgerungen der parlamentari-
schen Anhörungen über Redefreiheit und Zensur An-
weisungen durch die Präsidialverwaltung bezüglich der
Berichterstattung über wichtige politische Ereignisse.

7. In den meisten Ländern der Gemeinschaft Unabhängi-
ger Staaten ist das nationale Fernsehen, die wichtigste
Informationsquelle für die Mehrheit der Bevölkerung,
noch immer in staatlicher Hand oder unter strenger
staatlicher Kontrolle. So ist es bedauerlich, dass z. B.
trotz der ausdrücklichen Empfehlungen des Europa-
rates an die moldauischen Behörden und trotz Mas-
senprotesten bei TeleRadio Moldau im vergangenen
Frühjahr das vor kurzem verabschiedete Rundfunk-
gesetz zahlreiche Formen der direkten politischen Ein-
mischung vorsieht. Das gleiche Problem besteht für den
vorgeschlagenen Gesetzesentwurf für das öffentliche
Fernsehen in Aserbaidschan.

8. In einigen Ländern ist es noch immer zu leicht, füh-
rende Positionen bei den öffentlichen Medien nach Be-
lieben der Behörden zu besetzen.

9. Auch die fortschrittlichsten neuen Demokratien stehen
noch immer vor Schwierigkeiten wenn es darum geht,
einen wirklich unabhängigen öffentlichen Rundfunk
und ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Regie-
rung und Opposition zu gewährleisten.

10. In bestimmten westeuropäischen Ländern verstoßen die
Gerichte weiterhin gegen das Recht von Journalisten
auf Schutz ihrer Informationsquellen, ungeachtet der
Gerichtsentscheidungen des Europäischen Gerichts-
hofes für Menschenrechte.

11. Die Mediengesetze in einigen dieser Länder sind veral-
tet (so stammt beispielsweise das französische Presse-
gesetz aus dem Jahr 1881), und obgleich in der Praxis
restriktive Bestimmungen nicht mehr angewandt wer-
den, stellen sie doch eine willkommene Rechtfertigung
für die neuen Demokratien dar, die nicht gewillt sind,
ihre eigenen Mediengesetze zu demokratisieren.

12. In Italien stellt der mögliche Interessenkonflikt zwi-
schen der Ausübung eines politischen Amts durch
Herrn Berlusconi und seinen privaten wirtschaftlichen
und Medieninteressen eine Bedrohung für den Medien-
pluralismus dar und ist – solange es keine eindeutigen
Regelungen gibt, um dies zu verhindern – ein schlech-
tes Beispiel für die jungen Demokratien.

13. Die Konzentration in den Medien stellt auf dem gesam-
ten europäischen Kontinent ein ernsthaftes Problem
dar. In einigen Ländern Mittel- und Osteuropas ist eine
sehr kleine Anzahl von Unternehmen heute im Besitz
des überwiegenden Teils der Printmedien. Auch beim
Zugang zum digitalen Fernsehen herrscht eine starke
Konzentration.

14. Die jüngsten Terroranschläge können als Vorwand für
die Einführung neuer Einschränkungen für die Informa-
tionsfreiheit dienen, wie es der Fall war bei der Verab-
schiedung von Änderungen zu den Gesetzen über die
Massenmedien und dem Gesetz über den „Kampf ge-
gen den Terrorismus“ durch die russische Duma, bei
denen Präsident Putin jedoch unter Inanspruchnahme
seines Vetorechts um eine Neuformulierung gebeten
hat.

15. Die Versammlung unterstreicht daher, dass es notwen-
dig ist, dass der Europarat über seine einschlägigen
Gremien damit fortfährt, die Lage in Bezug auf die
Meinungsfreiheit und den Medienpluralismus auf dem
gesamten Kontinent genau zu überwachen und seinen
ganzen Einfluss zur Geltung bringt für die aktive Ver-
teidigung seiner grundlegenden Normen und Grund-
sätze, einschließlich der Pflicht der Journalisten, sich an
einen ethischen verantwortungsbewussten Berufskodex
zu halten.

16. Sie ersucht das Ministerkomitee in diesem Zusammen-
hang, die Ergebnisse seines Überwachungsverfahrens
im Bereich der Meinungsfreiheit in den Medien zu ver-
öffentlichen.

17. Die Versammlung ersucht das Ministerkomitee eben-
falls, alle europäischen Staaten nachdrücklich dazu auf-
zufordern, im erforderlichen Falle:

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/857

i. sicherzustellen, dass wesentliche Fortschritte bei
der Untersuchung der Ermordung von Journalisten
erzielt und die Täter bestraft werden;

ii. alle Journalisten, die wegen ihrer rechtmäßigen be-
ruflichen Arbeit inhaftiert wurden, freizulassen
und alle Gesetze abzuschaffen, die die freie Mei-
nungsäußerung von Journalisten einer strafrecht-
lichen Verfolgung unterstellen;

iii. alle Formen rechtlicher und wirtschaftlicher Schi-
kanierung anders denkender Medien unverzüglich
einzustellen;

iv. ihre Mediengesetze in Einklang mit den Normen
und Empfehlungen des Europarates zu bringen und
eine ordnungsgemäße Umsetzung zu gewährleis-
ten;

v. insbesondere ihre Rundfunkgesetze zu überarbei-
ten und Einschränkungen hinsichtlich der Einfüh-
rung und des Betriebs von Privatrundfunksendern
in Minderheitensprachen abzuschaffen und dies im
Hinblick auf die Bereitstellung einer wirklichen
öffentlichen Dienstleistung umzusetzen;

vi. die Gerichtsentscheidungen des Europäischen Ge-
richtshofes für Menschenrechte auf dem Gebiet der
Meinungsfreiheit in ihre nationalen Gesetzgebun-
gen zu übernehmen und eine entsprechende Fort-
bildung von Richtern sicherzustellen;

vii. die Pluralität des Medienmarktes durch geeig-
nete Maßnahmen zur Verhinderung einer Medien-
konzentration sicherzustellen, insbesondere hin-
sichtlich eines fairen Zugangs zu den Podien
des digitalen Rundfunks und Fernsehens, und
sich für entsprechende diesbezügliche internatio-
nale Mechanismen einzusetzen;

viii. Abstand zu nehmen von der Verabschiedung un-
nötiger Einschränkungen des freien Informations-
flusses unter dem Vorwand der Terrorismus-
bekämpfung unter Beachtung von Artikel 10.2 der
Europäischen Menschenrechtskonvention.

18. Die Versammlung sollte weiterhin der Meinungsfreiheit
in den Massenmedien in allen europäischen Staaten be-
sondere Aufmerksamkeit widmen. Die Versammlung
hält eine aktive internationale Koordinierung für not-
wendig, um unverzüglich auf Verstöße und Druckaus-
übung auf Journalisten reagieren zu können.

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Ansprache des Premierministers der Republik

Malta, Edward Fenech-Adami
(Themen: die Beziehungen zwischen Malta und dem Euro-
parat – der Weg Maltas in die Europäische Union – die
Rolle des Europarates nach der Erweiterung der Euro-
päischen Union – die Zusammenarbeit im Kulturbereich –
das Europäische Sozialmodell)

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Bericht des Ministerkomitees

(Drucksache 9678 – Parlamentarische Fragen)
vorgelegt vom amtierenden Vorsitzenden,

dem Außenminister der Republik Malta, Joseph Borg
(Themen: der Stand des Verfahrens zur Aufnahme der Bun-
desrepublik Jugoslawien und von Monaco in den Europa-
rat – die Erfüllung der bei der Aufnahme von Bosnien und
Herzegowina eingegangenen Pflichten und Verpflichtun-
gen – die Beziehungen zu Belarus – die Lage im südlichen
Kaukasus – der Konflikt in Tschetschenien – der Kampf
gegen den Terrorismus – die Vorschläge für ein Drittes
Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs des Europa-
rates – die Reform des Europäischen Menschenrechts-
gerichtshofs – Dialog mit den Mittelmeeranrainern und so-
zialer Zusammenhalt als Prioritäten der maltesischen
Präsidentschaft im Europarat – die Beziehungen zwischen
dem Europarat und den Vereinten Nationen)
Frage des Abg. Rudolf Bindig (SPD): In Anbetracht des-
sen, dass Sie auf der Sitzung des Ministerkomitees in Vil-
nius im Mai 2002 angekündigt haben, dass das Programm
für den Malteser Vorsitz Initiativen zur Stärkung der interre-
gionalen Zusammenarbeit mit dem Nord-Süd-Zentrum im
Mittelmeerraum einschließen würde, frage ich den Vorsit-
zenden des Ministerkomitees, welche Rolle dem Europarat
im politischen und kulturellen Dialog mit den Mittelmeer-
ländern zukommt und ob es sinnvoll wäre, den Beitrag des
Europarates mit der euromediterranen Partnerschaft der Eu-
ropäischen Union (dem sog. Barcelona-Prozess) zu ver-
knüpfen.
Antwort des amtierenden Vorsitzenden: Danke für Ihre
Frage zu einem Thema, das von besonderem Interesse für
Malta ist.
In Bezug auf den politischen und kulturellen Dialog im Mit-
telmeerraum hat es eine große Reihe von Initiativen ge-
geben. Ein Beispiel war die erstmalige Anwesenheit von
Ministern aus Staaten der südlichen Mittelmeerküste bei der
im vergangenen September in Helsinki veranstalteten
Ministerkonferenz über Migration. Ein weiteres Beispiel
war der Besuch hochrangiger Delegationen aus den Sekreta-
riaten der Arabischen Liga und der Organisation der Islami-
schen Konferenz, die im vergangenen Oktober in Straßburg
zusammenkamen, um mögliche Ansätze für eine konkrete
Zusammenarbeit zu erörtern. Und ein weiteres Beispiel ist
das Euro-mediterrane Jugendkooperationsprogramm, das
gemeinsam vom Direktorat für Jugend und unserem in
Lissabon ansässigem Nord-Süd-Zentrum durchgeführt wird
und im März stattfinden soll. Es beinhaltet Kurse über inter-
kulturelles Lernen, aktive Bürgerschaft und Beteiligung von
Frauen und Minderheiten.
Dies bringt mich zum Tätigkeitsprogramm des Nord-Süd-
Zentrums für das Jahr 2003, bei dem es mehrere Initiativen
zur Vertiefung der interregionalen Zusammenarbeit in der
Mittelmeerregion gibt. Dazu gehört ein Seminar über Men-
schenrechte in der Mittelmeerregion, das zunächst für Ok-
tober 2003 in Straßburg geplant ist; eine Konferenz über
Demokratie und Bürgerschaft in den südlichen Mittelmeer-
staaten, die im Juni 2003 in Beirut stattfinden soll, sowie ein
Kolloquium über „den interkulturellen Dialog im Mittel-

Drucksache 15/857 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

meerraum als Grundlage für Frieden und Stabilität“, das im
September 2003 in Italien stattfinden soll.
Diese Initiativen beinhalten sowohl einen politischen als
auch kulturellen Dialog in der Mittelmeerregion und könn-
ten einen nützlichen Beitrag zur euro-mediterranen Partner-
schaft leisten, die auch von der Europäischen Union im
Rahmen des Barcelona-Prozesses gefördert wird. Es wäre in
der Tat sehr positiv, wenn eine angemessene Zusammen-
arbeit zwischen dem Europarat und der Europäischen Union
im Hinblick auf die Unterstützung von Aktivitäten dieser
Art durch beide Institutionen ermutigt werden könnte.

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Bericht zur Lage des Europarates

vorgelegt vom Generalsekretär des Europarates,
Walter Schwimmer

(Themen: der Beitrag des Europarates zu den Beratungen
des Konvents zur Zukunft der Europäischen Union – die Per-
spektiven für einen Beitritt der Europäischen Union zur
Europäischen Menschenrechtskonvention und anderen im
Rahmen des Europarates geschlossenen Übereinkommen –
die politische Rolle des Europarates nach der Erweiterung
der Europäischen Union – die Abschaffung der Todesstrafe –
die Aussichten für die Aufnahme von Serbien und Montene-
gro und von Monaco in den Europarat – der Konflikt in
Tschetschenien – die Besorgnis erregende Lage in Belarus,
im Kaukasus und in Moldau – die Situation der Medien in
der Ukraine – die Arbeit des Europarates in Südosteuropa –
die Rolle des Europarates bei der Lösung globaler Fragen)

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Europa
und den Ländern des südlichen Mittelmeerraums

(Drucksache 9626 + Addenda I + II)
Berichterstatter:

Abg. Luís Maria de Puig (Spanien)
Ansprache des Ministers für Kultur und

Kommunikation der Demokratischen Republik
Algerien, Khalida Toumi

Ansprache des Ministers für Kultur des
Königreichs Marokko, Mohamed Achaari

Ansprache des Ministers für Kultur, Jugend und
Freizeit der Tunesischen Republik,

Abdelbaki Hermassi
(Themen: kultureller Austausch im Mittelmeerraum – der
kulturelle Dialog zwischen den nördlichen und den südli-
chen Mittelmeeranrainern – die afrikanischen Wurzeln Al-
geriens – die Finanzierung des Schutzes des kulturellen Er-
bes – die Rolle Frankreichs in Algerien – Fortschritte beim
Schutz der Menschenrechte in Marokko – die Notwendigkeit
von Investitionen in den Tourismus – die Interdependenz
von kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Rechten –
Tunesiens Weg in die Moderne – die friedliche Koexistenz
von Anhängern des Christentums, Judentums und Islams)

Emp f e h l u n g 1590 (2003)*
betr. die kulturelle Zusammenarbeit zwischen

Europa und den Ländern des südlichen
Mittelmeerraums

(Drucksache 9626 + Addenda I + II)
1. Die Versammlung verweist auf ihre Entschließung

1313 betr. die kulturelle Zusammenarbeit zwischen Eu-
ropa und den Ländern des südlichen Mittelmeerraums.

2. Sie empfiehlt dem Ministerkomitee, eine solche Zu-
sammenarbeit als eine Priorität der Institution zu sehen
und die Länder des südlichen Mittelmeerraums so weit
wie möglich in die Arbeit des Europarates einzubezie-
hen und insbesondere
i. Kampagnen für religiöse Toleranz und Verständnis

zu organisieren;
ii. den Ländern des südlichen Mittelmeerraums Sach-

verständigenunterstützung, Programme und Mate-
rialien zur Verfügung zu stellen zur Bekämpfung
des Analphabetismus und Entwicklung einer Zu-
sammenarbeit in den Bereichen Schulbücher, Di-
plome, Berufsausbildung, Sprachenerwerb und
Nutzung audiovisueller Mittel;

iii. einen Ansatz zur Geschichtsinterpretation mit His-
torikern beider Seiten zu fördern und zu organisie-
ren, der gemeinsame Elemente der Geschichte des
Mittelmeerraums zusammenführt, um zu gewähr-
leisten, dass Geschichtsbücher eine integrierende
statt einer ausschließenden Sichtweise der Vergan-
genheit vermitteln und in diesem Zusammenhang
zu prüfen, ob die Schaffung einer Beobachtungs-
stelle für die Vermittlung der Mittelmeergeschichte
zweckmäßig wäre;

iv. die Idee der Schaffung einer geographisch dezen-
tralisierten euroarabischen Universität erneut zu
prüfen, die Fakultäten in den Ländern des südli-
chen und des nördlichen Mittelmeerraums hätte,
aber mit Hilfe eines virtuellen Campus vereint
wäre, der alle Vorteile vernetzter Universitäten bie-
ten würde;

v. gemeinsame Projekte auf dem Gebiet der Archäo-
logie und des Schutzes des archäologischen Erbes
zu entwickeln;

vi. Begegnungen und ständige Partnerschaften zwi-
schen Männern und Frauen aus beiden Kulturen zu
fördern, die sich um die gegenseitige Anerkennung
von Werten, Traditionen und Kulturen auf der
Grundlage der Menschenrechte und Grundfreihei-
ten bemühen;

vii. Begegnungen und einen Austausch zwischen
Schriftstellern, Philosophen, Intellektuellen und
Meinungsführern zu veranstalten;

* Debatte der Versammlung am 28. Januar 2003 (3. Sitzung). Siehe
Dok. 9626, Bericht des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und
Bildung (Berichterstatter: Herr de Puig). Von der Versammlung ver-
abschiedeter Text am 28. Januar 2003 (3. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/857

viii. die Interaktivität zwischen den verschiedenen Mu-
seen im Mittelmeerraum als ständige Zentren der
kulturellen Aktivitäten zu fördern;

ix. Begegnungen zwischen Jugendorganisationen bei-
der Seiten zu fördern unter Nutzung der Räumlich-
keiten der europäischen Jugendzentren in Straß-
burg und Budapest;

x. dem euroarabischen Jugenddialog neuen Antrieb
zu verleihen;

xi. so weit wie möglich die Erweiterung der Jugend-
programme im Rahmen des Barcelona-Prozesses
auf alle Länder des Europarates zu unterstützen,
d. h. des sich an Jugendliche richtenden Aktions-
plans für den Dialog zwischen den Kulturen und
Zivilisationen, sowie die Programme Tempus,
netd@ys und Euromed Jugend;

xii. einen Think-Tank aus Wissenschaftlern und Huma-
nisten zur Analyse der ethischen Auswirkungen
des wissenschaftlichen Fortschritts zu organisie-
ren;

xiii. die laufenden und ständigen Beziehungen zu den in
südlichen Ländern tätigen Organisationen wie
ALESCO, ISESCO, Arabische Liga, dem For-
schungszentrum für Islamische Geschichte, Kunst
und Kultur und dem Ständigen Ausschuss für In-
formation und kulturelle Angelegenheiten zu be-
leben mit dem Ziel einer pragmatischen Institutio-
nalisierung eines wirklichen Dialogs zwischen den
Zivilisationen und Kulturen;

xiv. einen Beitritt der südlichen Länder zu den Überein-
kommen des Europarates, denen nicht der Institu-
tion angehörende Staaten beitreten können, insbe-
sondere im kulturellen Bereich, zu ermutigen;

xv. die Voraussetzungen zu prüfen, unter denen die
Länder des südlichen Mittelmeerraums einen Beo-
bachterstatus beim Europarat erhalten können.

En t s c h l i e ß u n g 1313 (2003)*
betr. die kulturelle Zusammenarbeit zwischen

Europa und den Ländern des südlichen
Mittelmeerraums

(Drucksache 9626 + Addenda I + II)
1. Europa besteht aus Ländern mit unterschiedlichen Kul-

turen und Traditionen. Verbindendes Element für die
44 Länder des Europarates ist ihr Eintreten für einen
Wertekatalog, nämlich Demokratie, Wahrung der
Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, sowie ihre
Entschlossenheit, unter Wahrung ihrer jeweiligen kultu-
rellen Besonderheiten, im Hinblick auf eine gemein-
same Zukunft zusammenzuarbeiten.

2. Die Versammlung ist überzeugt, dass die vom Europa-
rat vertretenen Werte weltweit gültig sind und ist der

Auffassung, dass man am besten dadurch auf die Glo-
balisierung reagiert, dass man dieses Phänomen als
Mittel nutzt für eine Zusammenarbeit mit nichteuropä-
ischen Ländern, die einige dieser Werte teilen, angefan-
gen mit den Staaten, die Europa in geographischer Hin-
sicht am nächsten liegen.

3. Die Beziehungen zwischen Europa und den Ländern
des südlichen Mittelmeerraums, die alle die Charta der
Vereinten Nationen und die Allgemeine Erklärung der
Menschenrechte unterzeichnet haben, können und müs-
sen verbessert werden. Die Kultur, einschließlich Bil-
dung, kulturelles Erbe sowie Kunst, Wissenschaft,
Jugend, Sport und Medien, ist für eine solche Zusam-
menarbeit besonders gut geeignet.

4. In den meisten Teilen der Welt gibt es wirtschaftliche,
politische, soziale und auch kulturelle Spannungen. Es
bestehen Missverständnisse und ein gewisser Mangel
an gegenseitigem Verständnis. Die Versammlung wi-
dersetzt sich der allzu leichtfertigen Erklärung dieser
Spannungen als einem Kampf der Kulturen. Obwohl
tatsächlich erhebliche kulturelle Unterschiede zwischen
den verschiedenen Völkern bestehen, sollten diese Un-
terschiede zu einem Dialog und nicht zu einer Konfron-
tation führen.

5. Die Versammlung betrachtet die Säkularisierung der
politischen Institutionen in Europa als eine Leistung,
erkennt jedoch dessen ungeachtet den positiven Beitrag
der verschiedenen religiösen Traditionen, darunter des
Judentums, des Islams und vor allem der Christenheit,
zur europäischen Zivilisation an.

6. Der Europarat möchte nicht beanspruchen, eine ab-
schließende oder umfassende Lösung für alle diese Pro-
bleme zu haben. Die Versammlung ist jedoch über-
zeugt, dass bessere kulturelle Beziehungen zwischen
Europa und den Ländern des südlichen Mittelmeer-
raums der Ansatzpunkt für eine Lösung weiterreichen-
der Probleme sein würden.

7. Um erfolgreich zu sein, muss das Streben nach einer
Verbesserung der Beziehungen von einem starken poli-
tischen Willen in Europa und in den Ländern des süd-
lichen Mittelmeerraums getragen werden. Viele Ver-
änderungen sind noch erforderlich.

8. Die Versammlung könnte ihrerseits Kooperationsab-
kommen abschließen mit den Parlamenten in den Län-
dern des südlichen Mittelmeerraums als erster Schritt
zur Gewährung des Beobachterstatus.

9. Die Versammlung beschließt insbesondere:
i. Kontakte zwischen europäischen Ländern und den

Ländern des südlichen Mittelmeerraums in den
Bereichen Bildung, kulturelles Erbe sowie Kunst,
Wissenschaft, Jugend, Sport und Medien zu ent-
wickeln;

ii. die kulturelle Zusammenarbeit mit Parlamentariern
aus den Ländern des südlichen Mittelmeerraums
und mit internationalen Organisationen wie den
Kulturorganisationen der Liga der Arabischen
Staaten (ALESCO) und der der Islamischen Kon-
ferenz (ISESCO) zu verstärken;

* Debatte der Versammlung am 28. Januar 2003 (3. Sitzung). Siehe
Dok. 9626, Bericht des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und
Bildung (Berichterstatter: Herr de Puig). Von der Versammlung ver-
abschiedeter Text am 28. Januar 2003 (3. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

iii. den Dialog und die kulturelle Zusammenarbeit mit
anderen Ländern und Regionen, die nahe an Eu-
ropa liegen und seine Geschichte teilen, insbeson-
dere dem Libanon, zu fördern.

10. Die Versammlung möchte gleichzeitig und parallel
dazu die zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten
des Europarates und in Algerien, Ägypten, Libyen,
Mauretanien, Marokko und Tunesien auffordern, der
kulturellen Zusammenarbeit zwischen Europa und den
Ländern des südlichen Mittelmeerraums Priorität ein-
zuräumen und
im Bildungsbereich:
i. zusammenzuarbeiten, um Klischees und Vorurteile

auf beiden Seiten und Unwahrheiten aus den ver-
schiedenen Bildungssystemen zu beseitigen, indem
sie gemeinsam Schulbücher, insbesondere Ge-
schichtsbücher, überarbeiten;

ii. das Erlernen der arabischen Sprache in Europa und
der europäischen Sprachen in Ländern des südli-
chen Mittelmeerraums auf allen Bildungsstufen zu
fördern;

iii. die Einrichtung von Abteilungen für arabische
Sprache und Kultur in europäischen Universitäten
und von Abteilungen für europäische Sprachen und
Kulturen in Universitäten von Ländern des südli-
chen Mittelmeerraums zu fördern;

iv. die erforderlichen Mechanismen für einen
Studenten- und Lehreraustausch zu schaffen durch
die Weiterentwicklung und Ausweitung des
ERASMUS-Konzepts und die Erleichterung von
Visa-Vereinbarungen;

v. die nötigen Systeme zur Anerkennung von Qualifi-
kationen von der Sekundarstufe aufwärts umzuset-
zen mit besonderem Hinweis bei der Hochschulbil-
dung auf die Grundsätze, Ziele und Methoden des
Bologna-Prozesses und des Lissaboner Überein-
kommens des Europarates und der UNESCO über
die Anerkennung von Qualifikationen im Hoch-
schulbereich;

im kulturellen Bereich:
vi. die Übersetzung und Veröffentlichung der grundle-

genden Werke der arabischen Kultur in Europa und
der europäischen kulturellen Werke in den Ländern
des südlichen Mittelmeerraums zu fördern, ein-
schließlich zeitgenössischer Autoren und wissen-
schaftlicher Arbeiten über aktuelle Fragen;

vii. Kontakte und Austausch unter Künstlern herzustel-
len und auszubauen mit gemeinsamen Ausstellun-
gen und Musik-, Theater- und Filmfestivals;

viii. Kontakte und Begegnungen im Bereich der Volks-
kunde (Folklore, Gastronomie und traditionelle
Trachten) herzustellen;

ix. imBereich der Einwanderungspolitik zusammenzu-
arbeiten, um sicherzustellen, dass Einwanderer aus
den Ländern des südlichen Mittelmeerraums nach
Europa wirkliche Vermittler zwischen den Kulturen
des Herkunfts- und des Gastlandes werden;

im religiösen Bereich:
x. die Gewissensfreiheit und die Religionsfreiheit

zu garantieren, Fundamentalismus auszuschlie-
ßen und die Achtung der religiösen Unterschiede
dadurch zu fördern, dass alle Religionen gleiche
Entwicklungsbedingungen erhalten;

xi. Begegnungen zwischen verschiedenen religiösen
Führern zu ermutigen durch die Förderung der
Ökumene und der Einleitung eines echten
Dialogs zwischen Glaubensgemeinschaften;

xii. die Veranstaltung von Debatten zwischen Intel-
lektuellen und Theologen zu fördern über die
Vereinbarkeit der Religionsausübung mit den
Menschenrechten, (einschließlich der Aus-
wirkungen für Frauen), wie in der Charta der
Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte und der Europäischen
Menschenrechtskonvention dargelegt;

xiii. sicherzustellen, dass die Bildungssysteme Grund-
wissen über die verschiedenen Religionen ver-
mitteln;

im Medienbereich:
xiv. die öffentlichen Fernsehanstalten zu ermutigen,

Programme in Zusammenarbeit zwischen den
Fernsehgesellschaften im Norden und Süden zu
entwickeln und langfristig die Einrichtung eines
euromediterranen Fernsehkanals zu prüfen;

xv. in den öffentlichen Medien Informationspro-
gramme über die politischen, wirtschaftlichen,
sozialen und kulturellen Verhältnisse zu entwi-
ckeln, um eine objektive Information im Norden
über die arabisch-moslemischen Gesellschaften
und im Süden über die europäischen Gesellschaf-
ten zu gewährleisten;

xvi. eine Zusammenarbeit zwischen europäischen
Journalisten und Journalisten aus dem südlichen
Mittelmeerraum in Bezug auf das Berufsethos zu
fördern;

xvii. gemeinsame Arbeiten über das Internet energisch
voranzutreiben durch die Schaffung gemeinsa-
mer Websites und Portale sowie virtueller Berei-
che (Universitäten, Presse, Unternehmen, Kultur-
foren), die einen sofortigen und fortlaufenden
Austausch ermöglichen und die Programme
GALILEO (Satellitennavigation) und EUMEDIS
unterstützen und die EUREKA-Programme er-
weitern;

in anderen Bereichen:
xviii. Zusammenarbeit und Begegnungen zwischen

Frauen aus Europa und Frauen aus den Ländern
des südlichen Mittelmeerraums in Bezug auf
Fragen in Verbindung mit den Grundfreiheiten,
Menschenrechten und Chancengleichheit zu
fördern;

xix. Jugendkontakte und in verschiedene Tätigkeits-
felder unterteilte Kooperationsnetze für junge
Parlamentarier, Studenten aus unterschiedlichen
Bildungsstufen und Fachrichtungen, Mitglieder

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/857

religiöser Gruppen, Künstler, Sportler usw. zu
schaffen;

xx. die Möglichkeiten für die gemeinsame Veranstal-
tung von Amateur- oder professionellen Sport-
veranstaltungen zu prüfen, beispielsweise durch
Umstrukturierung und Verleihung neuer Anstöße
für die Mittelmeerspiele;

xxi. die Einbeziehung der südlichen Länder in die von
Regierungen, Hochschulen, Labors, Industrien
und Unternehmen geleiteten wissenschaftlichen
Forschungsprogramme, insbesondere diejenigen,
die einen Technologietransfer zur Folge haben,
zu ermutigen;

xxii. eine Partnerschaftspolitik zwischen den europä-
ischen Kommunalbehörden und den Behörden
der südlichen Mittelmeerländer zu fördern im
Hinblick auf eine enge Zusammenarbeit, insbe-
sondere im kulturellen Bereich;

xxiii. die Tourismuskooperation zwischen Nord und
Süd zu ermutigen mit Schwerpunkt auf den
Kulturtourismus, der Verknüpfung der Touris-
muswerbung auf beiden Seiten und die Schaffung
von Kulturstraßen und -programmen und einen
Kulturaustausch fördern;

xxiv. Initiativen des Barcelona-Prozesses wie Euromed
Heritage, Euromed Audiovisual und Culture
2000 sowie die Entwicklung des Civil Forums zu
unterstützen und umfassende Kooperations-
gremien in diesem Bereich einzurichten durch
eine Assoziierung aller Länder des Europarates
mit den Ländern des südlichen Mittelmeerraums.

Mittwoch, 29. Januar 2003
Tag e s o r d n u n g s p u n k t

Der Beitrag des Europarates zum
Verfassungsentwurf der Europäischen Union

(Drucksache: 9666)
Berichterstatter:

Abg. Theodoros Pangalos (Griechenland)
Ansprache des britischen Europaministers,

Denis MacShane
(Themen: der Beitritt der Europäischen Union zur Europä-
ischen Menschenrechtskonvention – der Beitrag des Euro-
parates zur Harmonisierung der Gesetzgebung im Bereich
des Grund- und Menschenrechtsschutzes sowie im kulturel-
len und sozialen Bereich – Hinweis auf die Standards des
Europarates im Verfassungsentwurf der Europäischen
Union – Perspektiven für eine engere Kooperation von
Europarat und Europäischer Union und eine Institutionali-
sierung der Beziehungen – die Verankerung der Charta der
Grundrechte im Verfassungsentwurf und die einschlägigen
Übereinkommen des Europarates)

En t s c h l i e ß u n g 1314 (2003)*
betr. den Beitrag des Europarates zum Prozess

der Ausarbeitung einer Verfassung
der Europäischen Union

(Drucksache: 9666)
1. Die Arbeit des Konvents zur Zukunft Europas verleiht

dem Prozess des europäischen Aufbauwerks neue Im-
pulse und bietet Gelegenheit für weit reichende De-
batten über die Zukunft der europäischen politischen
Integration, für die der Europarat und seine Parlamenta-
rische Versammlung immer eingetreten sind.

2. Die Versammlung hofft, dass diese umfassenden Bera-
tungen zu einem bedeutenden europäischen Gesamt-
werk führen werden, dass den Herausforderungen der
Erklärung von Laeken gerecht wird und den Weg für
eine europäische Verfassung, die eines ihrer Anliegen
ist, ebnet.

3. In dieser Hinsicht beglückwünscht die Versammlung
das Präsidium des Konvents, das acht Monate nach Be-
ginn seiner Arbeit auf der Plenartagung vom 28. und
29. Oktober 2002 einen Vorentwurf für einen EU-Ver-
fassungsvertrag vorgelegt hat.

4. Diese künftige Verfassung muss auf jeden Fall einen
Abschnitt über die Grundrechte enthalten. Die Ver-
sammlung befürwortet daher im Hinblick auf eine Stär-
kung der rechtlich bindenden Mechanismen zum
Schutz der Menschenrechte in Europa die Einbezie-
hung der Grundrechtecharta der Europäischen Union in
den grundlegenden Vertrag und den Beitritt der Europä-
ischen Union (nachdem sie Rechtspersönlichkeit er-
langt hat) zur Europäischen Menschenrechtskon-
vention. Die Versammlung ist überzeugt, dass ein
wirksamer Schutz der Menschenrechte auf dem gesam-
ten Kontinent nur dann erreicht werden kann, wenn die
Institutionen und Organe der Union nicht nur durch die
Charta, sondern auch durch die Europäische Menschen-
rechtskonvention gebunden sind.

5. Die Versammlung ist der Ansicht, dass der Beitritt der
Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Men-
schenrechtskonvention die derzeitige Gefahr einer Di-
vergenz zwischen der Rechtsprechung des Europä-
ischen Gerichtshofes für Menschenrechte einerseits und
der des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaf-
ten andererseits beseitigen würde. Er würde es jedem
Bürger, der der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats der
Union unterliegt, ermöglichen, eine direkte Klage beim
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straß-
burg einzureichen und auf diese Weise die Vereinbar-
keit von Beschlüssen, die nach Gemeinschaftsrecht ge-
troffen wurden ebenso wie von Beschlüssen, die nach
nationalem Recht getroffen wurden, mit der Europä-
ischen Menschenrechtskonvention zu prüfen.

6. Die Versammlung ist entschlossen, alles in ihren Kräf-
ten Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass das

* Debatte der Versammlung am 29. Januar 2003 (4. Sitzung). Siehe
Dok. 9666, Bericht des Politischen Ausschusses (Berichterstatter:
Herr Pangalos). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
29. Januar 2003 (4. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ministerkomitee dem Beitritt der EU zur EMRK
zustimmt und Verhandlungen mit den zuständigen
EU-Behörden zur Ausarbeitung des Rechtsinstruments,
das diesen Beitritt ermöglichen wird, einleitet.

7. Darüber hinaus weist die Versammlung darauf hin, dass
sich der Europarat und die Europäische Union zu den
gleichen Werten bekennen und gemeinsame Ziele im
Hinblick auf den Schutz der Demokratie, die Wahrung
der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der
Rechtsstaatlichkeit verfolgen. Ferner wird durch die
Förderung des multikulturellen Dialogs und des Dialogs
zwischen den Kulturen die religiöse Dimension der ver-
schiedenen europäischen Kulturen in das pluralistische
System des Europarates eingebettet und somit ein Mo-
dell der Toleranz für das gesamte Europa angeboten.

8. Die Versammlung misst der Stärkung der Zusammenar-
beit, die sich in den letzten Jahren zwischen dem Euro-
parat und der Europäischen Gemeinschaft entwickelt
hat, höchste Bedeutung bei. Sie ist in diesem Zusam-
menhang der Auffassung, dass das Zusammenspiel
zwischen der erweiterten Europäischen Union und dem
Europarat im künftigen Verfassungsvertrag Erwähnung
finden sollte.

9. Titel IX des Vorentwurfs des Verfassungsentwurfs mit
der Überschrift „Die Union und ihre Nachbarn“ schlägt
die Festlegung besonderer Beziehungen zwischen der
Union und ihren Nachbarstaaten vor. In diesem Fall
darf die Gelegenheit nicht versäumt werden, Nutzen
aus der Rolle zu ziehen, die der Europarat aufgrund sei-
nes paneuropäischen Charakters und der Tatsache, dass
alle seine Mitgliedstaaten gleichberechtigt zusammen-
arbeiten, in dieser Hinsicht spielen würde. Der Konvent
sollte diese Sachlage berücksichtigen und es als vorran-
gig betrachten, vollen Nutzen aus dieser Institution zu
ziehen, anstatt neue Gremien zu schaffen oder andere
institutionelle Vereinbarungen zu treffen, die zu einer
Überschneidung von Bemühungen und einer Ressour-
cenverschwendung führen würden.

10. Die Mitglieder des Konvents sollten ebenfalls beden-
ken, dass die Parlamentarische Versammlung des Euro-
parates die einzige wirklich paneuropäische Versamm-
lung ist, in der alle nationalen Parlamente in Europa
vertreten sind. Sie stellt daher ein Forum von entschei-
dender Bedeutung dar, das regelmäßig zusammentritt,
um den Dialog zwischen den Parlamentariern der der-
zeitigen und zukünftigen Mitgliedstaaten der Europä-
ischen Union und den der nicht der EU angehörenden
Staaten aufrechtzuerhalten.

11. Die Versammlung begrüßt die Vierparteien-Sitzungen
zwischen der Europäischen Union und dem Europarat.
Sie bekräftigt, dass diese Sitzungen eine parlamentari-
sche Dimension haben müssen. Sie spricht sich daher
dafür aus, dass der Präsident der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates und der Präsident des
Europäischen Parlaments zu den zukünftigen Koordi-
nierungssitzungen eingeladen werden.

12. Die Versammlung ersucht den Konvent, bei seiner
Überprüfung der bestehenden Verträge vorzusehen,
dass die Europäische Union bei der Ausarbeitung und

Umsetzung ihrer Politiken den Strukturen und der Ar-
beit des Europarates Rechnung trägt, um Überschnei-
dungen zu vermeiden. Daher wäre es wünschenswert,
den Geltungsbereich von Artikel 303 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf alle An-
gelegenheiten auszuweiten, die in den Zuständigkeits-
bereich der Europäischen Union fallen.

13. Viele im Rahmen des Europarates geschlossenen Über-
einkommen haben dazu beigetragen, ein Gebiet der
Freiheit, der Sicherheit und der Gerechtigkeit zu schaf-
fen, ein Ziel, das auch die Europäische Union verfolgt.
Die Versammlung fordert die Europäische Gemein-
schaft daher nachdrücklich auf, im Hinblick auf eine
kohärente Rechtsordnung den Übereinkommensacquis
des Europarates für den vom Gemeinschaftsrecht abge-
deckten Bereich zu übernehmen.

14. Die Versammlung fordert die EG/EU und ihre Mit-
gliedstaaten auf,
i. die Charta der Grundrechte und die Europäische

Menschenrechtskonvention in den Verfassungsver-
trag einzugliedern, so dass sie Rechtsverbindlich-
keit erlangen;

ii. in den zukünftigen Verfassungsvertrag eine Klau-
sel über den Beitritt der EG/EU zur Europäischen
Menschenrechtskonvention aufzunehmen;

iii. unverzüglich Verhandlungen mit dem Europarat
und seinen Mitgliedstaaten einzuleiten, um die für
diesen Beitritt erforderlichen Rechtsinstrumente
vorzubereiten;

iv. sich bereit zu erklären, Artikel 230 §4 des Vertrags
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft im
Hinblick auf eine Ausweitung der Einreichung di-
rekter Klagen durch jedermann beim Gerichtshof
der Europäischen Gemeinschaften zu ändern. Je-
dermann sollte das Recht haben, gegen eine Ge-
meinschaftsmaßnahme zu klagen, wenn diese
Maßnahme seinen Interessen oder Rechten in er-
heblichem Maße zuwider läuft oder zuwider laufen
könnte;

v. eine Neudefinition der vorgesehenen Staatsbürger-
schaft der Europäischen Union zu erwägen, welche
auf einem anderen Kriterium als dem der Nationa-
lität aufgebaut wird. Damit soll eine Staatsbürger-
schaft eingeführt werden, deren Grundlage der
ständige Wohnsitz ist. Dieses Kriterium würde die
Besonderheit des im Rahmen der internationalen
Beziehungen entstandenen Gemeinschaftsprozes-
ses betonen. Damit gäbe es für die Bevölkerung in
der Union ein eigenständiges Konzept nach ge-
meinschaftlichem Recht;

vi. die Rolle und die besonderen Merkmale des Euro-
parates unter anderem in seinen speziellen Tätig-
keitsbereichen, d. h. Schutz der Menschenrechte,
Demokratie, Entwicklung von Kultur und Bildung
sowie Umweltschutz, zu berücksichtigen durch die
Befürwortung auf Komplementarität und Zusam-
menarbeit mit ihm ausgerichteter grundlegender
Beziehungen;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/857

vii. folgende Punkte zu bedenken und in den zukünfti-
gen Verfassungsvertrag aufzunehmen:
a. einen Hinweis auf die überarbeitete Europä-

ische Sozialcharta, die einen der Pfeiler des
europäischen Sozialmodells und den normset-
zenden Referenztext für die sozialen Grund-
rechte darstellt, sowie auf das Europäische
Übereinkommen zur Verhütung von Folter
und unmenschlicher oder erniedrigender Be-
handlung oder Strafe, das Übereinkommen
zum Schutz des Menschen bei der automati-
schen Verarbeitung personenbezogener Da-
ten, die Charta der kommunalen Selbstverwal-
tung, das Europäische Kulturabkommen, das
Übereinkommen über die Beteiligung von
Ausländern am kommunalen öffentlichen Le-
ben, das Rahmenübereinkommen zum Schutz
nationaler Minderheiten, die Europäische
Charta der Regional- oder Minderheitenspra-
chen sowie das Übereinkommen über Men-
schenrechte und Biomedizin;

b. den Beitrag des Europarates zur Schaffung ei-
nes Raums der Freiheit und der Sicherheit, ein
gemeinsames Ziel beider Institutionen;

c. die Rolle des Europarates als ein paneuropä-
isches Forum, in dem die Vertreter aus ganz
Europa auf parlamentarischer, Regierungs-
und regionaler Ebene gleichberechtigt zusam-
menarbeiten;

d. die Arbeit des Europarates zur Konfliktver-
hütung und zur Konsolidierung des Friedens
im Rahmen ihrer gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik;

e. die Arbeit des Europarates im Hinblick auf die
Überwachung der beim Beitritt eingegangenen
Pflichten und Verpflichtungen der Mitglied-
staaten zur Erfüllung seiner Normen in Bezug
auf Demokratie, Menschenrechte und Rechts-
staatlichkeit.

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Herausforderungen

an die Sozialpolitik in unseren
überalterten Gesellschaften

(Drucksache 9615)
Berichterstatter:

Abg. Gyula Hegyi (Ungarn)
(Themen: die Bevölkerungsentwicklung in Europa – nied-
rige Geburtenraten und längere Lebenserwartung als „Zeit-
bombe“ für die beitragsfinanzierten Rentensysteme – die
Sozialgesetzgebung in Ost- und Westeuropa – die Reform
verschiedener Elemente der Sozialpolitik zur Erhaltung des
Konzeptes eines sozialen Europas)

Emp f e h l u n g 1591 (2003)*
betr. Herausforderungen an die Sozialpolitik
in unseren überalterten Gesellschaften

(Drucksache 9615)
1. Mit weiter abnehmenden Geburtenzahlen und steigen-

der Lebenserwartung befindet sich Europa derzeit welt-
weit an der Spitze des Überalterungsprozesses der Be-
völkerung. In den letzten beiden Jahrzehnten sind die
Geburtenraten in Europa dramatisch auf durchschnitt-
lich 1,4 zurückgegangen und liegen nun in praktisch
allen Mitgliedstaaten des Europarates unter dem Ersatz-
niveau von 2,1. Die 60-Jährigen und die noch Älteren
machen heute in Europa rund 20% der Bevölkerung aus
und werden bis zum Jahr 2050 aller Wahrscheinlichkeit
nach auf einen Anteil von 33% kommen.

2. Von einer globalen Warte aus betrachtet hat die Weltbe-
völkerung demgegenüber im Jahr 2000 einen Stand von
6,1 Milliarden Menschen erreicht und wächst zurzeit
jährlich um 1,2%. Bevölkerungsschätzungen der Ver-
einten Nationen zufolge (2000 Revision) dürfte die
Weltbevölkerung bis 2050 auf 9,3 Milliarden ansteigen,
was eine Zunahme um 50% bedeuten würde.

3. Sowohl die europäische Situation einer alternden Be-
völkerung und eines Bevölkerungsrückgangs einerseits
als auch das weltweite beschleunigte Bevölkerungs-
wachstum andererseits stellen weitreichende wirt-
schaftliche, soziale, kulturelle und ökologische Heraus-
forderungen dar und erfordern kurz-, mittel- und
langfristig ein abgestimmtes politisches Handeln. Be-
sondere Aufmerksamkeit verdienen dabei die Bil-
dungs-, Familienplanungs- und Zuwanderungspolitik.

4. Die politische Diskussion in Europa ist bereits im
Gang. Die Versammlung erinnert an ihre Empfehlung
1428 (1999) über die Zukunft der älteren Mitbürger:
Schutz, Beteiligung und Förderung sowie die Empfeh-
lung 1254 (1994) über die medizinischen Rechte und
die Versorgungsansprüche der älteren Menschen: Ethik
und Politik und begrüßt die Reforminitiativen europä-
ischer Regierungen sowie die Hilfestellung und Koor-
dinierung seitens der Internationalen Arbeitsorganisa-
tion (IAO), der Weltgesundheitsorganisation (WHO),
der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD), der Wirtschaftskommission
der Vereinten Nationen für Europa (UN-ECE) und der
Europäischen Union.

5. Die Versammlung begrüßt die Regionale Umsetzungs-
strategie für den Madrider Internationalen Aktionsplan
2002 über das Altern, wie sie von der Ministerkonfe-
renz zum Thema „Altern“ angenommen wurde, die von
der UN-ECE am 10. bis 13. September 2002 in Berlin
als Folgekonferenz zur Weltversammlung über das Al-
tern (am 8. bis 12. April 2002 in Madrid) ausgerichtet
wurde. Die Versammlung unterstützt die Mitgliedstaa-

* Debatte der Versammlung am 29. Januar 2003 (4. Sitzung). Siehe
Dok. 9615, Bericht des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit
und Familie (Berichterstatter: Herr Hegyi). Von der Versammlung
verabschiedeter Text am 29. Januar 2003 (4. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ten uneingeschränkt bei ihren Bemühungen, diese Stra-
tegie in einer ganzen Reihe von Politikbereichen umzu-
setzen und begrüßt die Initiativen des Europarates zur
intergouvernementalen Koordinierung und zur Abstim-
mung zwischen verschiedenen internationalen Organi-
sationen.

6. Die Versammlung ist der Auffassung, dass die zur Be-
wältigung der Herausforderungen alternder Gesell-
schaften erforderlichen Reformen Teil einer breiteren
politischen Diskussion sein sollten. Alle europäischen
Regierungen sehen sich gegenwärtig der schwierigen
Aufgabe gegenüber, zwei relativ gegensätzliche Trends
miteinander zu vereinbaren: den Druck einer globali-
sierten Wirtschaft im Sinne einer Senkung der öffentli-
chen Ausgaben und Verringerung der Lohnkosten, um
wettbewerbsfähig zu bleiben und die berechtigte Forde-
rung der europäischen Bürger nach einem Ausbau des
europäischen Sozialmodells als Grundlage für ein stabi-
les und sozial prosperierendes Europa.

7. Es ist an der Zeit, die Sozialpolitik in Europa zu über-
denken, um sich dieser Herausforderung zu stellen.
Während jedes Land eine andere Bevölkerungsstruktur
hat und spezifische kulturelle, soziale und wirtschaftli-
che Traditionen besitzt, unterstreicht die Versammlung
eine Reihe von Grundsätzen, die sie als entscheidend
für die Steuerung der Reformen in Europa betrachtet.

8. Um Rentenpläne, Gesundheitssysteme und den sozia-
len Schutz auch künftig beizubehalten, besteht eines
der wichtigsten Reformziele in der Stabilisierung oder
der Senkung des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen
der Erwerbsbevölkerung und den nicht Erwerbstätigen
(den Arbeitslosen, den Rentnern, jungen Menschen,
den die Familie betreuenden Männern oder Frauen oder
chronisch Kranken), was einen neuen Ansatz bei der
Beschäftigungspolitik erfordern wird.

9. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen verschiedene poli-
tische Maßnahmen ergriffen werden, insbesondere um
den Beschäftigten eine längere Arbeit unter gesunden
Bedingungen zu ermöglichen, private und öffentliche
Investitionen in die Qualifizierung und Umschulung
von Beschäftigten auf dem Arbeitsmarkt sicherzustel-
len, insbesondere Anreize für die Beschäftigung junger
Menschen und älterer Arbeitnehmer zu schaffen und
schließlich wirkliche Veränderungen in der Unterneh-
menskultur zu fördern und auszuhandeln, um sich ver-
ändernde Familienstrukturen zu erkennen und eine grö-
ßere Vereinbarkeit zwischen dem Familienleben und
dem Beruf zu ermöglichen.

10. Die Überalterung der Bevölkerung wird zu veränderten
Anforderungen an die Gesundheitssysteme führen. Die
medizinischen Kosten der Behandlung von Krankhei-
ten, die in sehr hohem Alter auftreten, werden infolge
der wissenschaftlichen und technologischen Fort-
schritte in der Medizin exponenziell ansteigen. Das Al-
tern ist zwar an sich keine Krankheit, und hohes Alter
sollte nicht mit Gebrechlichkeit und Krankheit gleich-
gesetzt werden, doch eine wachsende Inanspruchnahme
des Gesundheitswesens ist unausweichlich.

11. Die Versammlung unterstreicht, dass die Nachhaltigkeit
von Rentenplänen sich nicht auf die finanzielle Dimen-

sion reduzieren lässt, sondern einer mehrfachen He-
rausforderung unterliegt: ihren sozialen Zielsetzungen
zu entsprechen, ihre Tragfähigkeit sicherzustellen und
auf die sich ändernden Bedürfnisse der Gesellschaft
und der Einzelnen einzugehen. Die Mindeststandards,
denen Rentenpläne genügen müssen, sind in den
Rechtsinstrumenten des Europarates verankert: der
Europäischen Sozialcharta, der überarbeiteten Europä-
ischen Sozialcharta, dem Europäischen Kodex für sozi-
ale Sicherheit, seinem Protokoll und dem (überarbeite-
ten) Europäischen Kodex für soziale Sicherheit. Die
Versammlung besteht darauf, dass diese Standards bei
einer Reform der Rentensysteme beachtet werden.

12. Drohende extreme Armut und der Verlust der Würde
für die Älteren stellen einen beträchtlichen Anlass zur
Besorgnis dar. Die Versammlung fordert die Regierun-
gen daher nachdrücklich dazu auf, das grundlegende
Solidaritätssystem durch staatliche Renten und die Auf-
nahme eines Grundrentensystems in ihre Versorgungs-
systeme beizubehalten.

13. Zu den derzeitigen Rentenmodellen in den Mitglied-
staaten gehören nach dem Umlageverfahren finanzierte
Systeme, die durch direkte Beiträge oder das Steuerauf-
kommen getragen werden oder aber auf dem Kapital-
deckungssystem (Finanzierung über den Kapitalmarkt)
beruhende Systeme. Eine Diversifizierung der Renten-
finanzierung mag als vorsichtiger Schritt erscheinen,
aber nur dann, wenn bestehende Ansprüche nicht ge-
fährdet werden. Darüber hinaus kann das Sozialver-
sicherungssystem des „defined benefit“-Typs nachhal-
tig bleiben, soweit es an das System der „Beitrags-
formel“ angepasst wird – wie das Beispiel der schwedi-
schen Rentenreform es verdeutlicht. Unter dem Blick-
winkel der Frühverrentung muss die Art der Arbeit
über einen höheren notwendigen Beitrag berücksichtigt
werden.

14. Die Versammlung begrüßt die Hilfestellung der OECD
und der Europäischen Union bei der Entwicklung von
Strategien für das aktive Älterwerden, der Schaffung
finanzieller Anreize für einen späten Rentenantritt, der
Befähigung alter Menschen zur Bewahrung ihrer sozi-
alen und beruflichen Aktivitäten, der Beseitigung recht-
licher und steuerlicher Schranken für den allmählichen
Einstieg in die Rente und der Regelung der Arbeit im
Rentenalter. Sie ist jedoch der Auffassung, dass das
Rentenalter umso differenzierter gehandhabt werden
sollte, je später die Menschen in Rente gehen, wobei
Unterschiede bei den Beitragsjahren und der Art der
Arbeit zu berücksichtigen sind.

15. Die Versammlung fordert die Mitgliedstaaten deshalb
dazu auf, mit den Sozialpartnern einen Dialog aufzu-
nehmen und aktiv für ein hohes Rentenalter zu werben.
Dabei sollten zur Unterstützung dieses Prozesses ver-
schiedene Anreize (z. B. Steuersenkungen) für ein ho-
hes Rentenalter und negative Anreize für eine Frühver-
rentung erwogen werden. Darüber hinaus betrachtet die
Versammlung es als entscheidend wichtiges Ziel, auch
für „flexible“ Beschäftigungsformen (Kurzzeitverträge,
unregelmäßige Beschäftigung, prekäre Selbstständig-
keitsmodelle usw.) Regelungen zu finden, die eine sozi-
ale Absicherung gewährleisten.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/857

16. Wenn ein hoher Frauenanteil an der Erwerbsbevölke-
rung erhalten bleiben soll, ist der Vereinbarkeit der Be-
rufsarbeit mit der Familienarbeit als einem Faktor, der
den Kinderwunsch und das Verhalten in der Familie be-
einflusst, größere Aufmerksamkeit zu schenken. Au-
ßerdem verlangen die gesellschaftlichen Veränderun-
gen ein höheres Maß an Gleichheit bei der Aufteilung
bezahlter und unbezahlter Arbeit auf Männer und
Frauen.

17. In den höher entwickelten Staaten mit einem gut ausge-
bauten Sozialsystem schlagen sich bessere Bedingun-
gen für Frauen und eine größere institutionelle Unter-
stützung in „modernen“ Verhaltensweisen nieder, mit
denen sich ein Kinderwunsch besser vereinbaren lässt.
Institutionelle Faktoren können somit dazu beitragen,
den Wunsch nach Kindern mit Veränderungen bei der
Art der Beziehung, späteren Geburten und dem Streben
der Frauen nach einem erfüllten Familien- und Berufs-
leben zu vereinbaren.

18. Die Versammlung erinnert an die Empfehlung Nr.
R (96) 5 des Ministerkomitees über die Vereinbarkeit
von Berufs- und Familienleben sowie an das Ab-
schlusskommuniqué der XXVII. Tagung der europä-
ischen Familienminister zur Frage der Vereinbarkeit
des Berufslebens und des Familienlebens, die am
20. bis 22. Juni 2001 in Ljubljana stattfand, spricht dem
Forum für Kinder und Familien ihre Anerkennung für
die von ihm geleistete Arbeit aus und betrachtet es als
entscheidend, gemeinsame Anstrengungen der ver-
schiedenen öffentlichen Stellen, der Arbeitgeber, der
Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen sowie
der Zivilgesellschaft voran zu bringen, nicht nur inner-
halb öffentlicher Strukturen, sondern im Geschäfts-
leben und ganz allgemein in der Gesellschaft eine wirk-
liche Einstellungsänderung zu bewirken.

19. Vor dem Hintergrund der langfristigen Abnahme der
europäischen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter,
immer älter werdender Beschäftigter, einer überalterten
Bevölkerung und eines immer höheren Anteils pflege-
bedürftiger alter Menschen wird sich zeigen müssen, ob
die künftigen wirtschaftlichen Gegebenheiten und tech-
nologischen Veränderungen zusätzliche Beschäfti-
gungschancen schaffen und die Nachfrage nach Ar-
beitskräften steigern werden. Mittel- und langfristig
lässt sich eine Senkung der vergleichsweise hohen Ar-
beitskosten dadurch ins Auge fassen, dass ein Teil der
Abgabenbelastung von der Lohn- und Einkommen-
steuer auf Umweltabgaben verlagert wird.

20. Auf lange Sicht wird der Alterungsprozess nicht nur
Steuerreformen, Reformen in der Sozialpolitik und bei
den Beschäftigungsformen erforderlich machen, son-
dern auch veränderte Einstellungen und eine Neube-
stimmung individueller und gesellschaftlicher Wertvor-
stellungen verlangen. Auch die Vorstellungen von und
die Einstellungen zu der Verantwortung in der Familie,
der Kinderbetreuung, der Teilnahme an informellen Be-
treuungsformen sowie Freiwilligenarbeit werden sich
ändern müssen. Der Wert unbezahlter Arbeit für die
Gesellschaft wird in vollem Umfang anerkannt werden
und sich in neuen, flexibleren Beschäftigungsformen
für Männer wie Frauen niederschlagen müssen.

21. Weltweit betrachtet wird die hoch gerechnete Zunahme
der Weltbevölkerung um 50% die natürlichen Ressour-
cen noch stärker beanspruchen und internationale Soli-
darität erfordern, damit die Verteilung des Reichtums,
die Nutzung der Ressourcen und der Umweltverbrauch
gerechter geregelt werden. Die Versammlung ruft die
Mitgliedstaaten auf, die auf dem Weltgipfel für nach-
haltige Entwicklung eingegangenen Verpflichtungen
voll und ganz umzusetzen.

22. Die Versammlung empfiehlt darum dem Minister-
komitee,
i. die Mitgliedstaaten aufzufordern, die oben darge-

stellten Grundsätze sorgfältig zu berücksichtigen;
ii. die zuständigen Gremien des Europarates anzuwei-

sen,
a. Hilfestellung zu leisten und die Mitgliedstaa-

ten bei ihren Bemühungen zu unterstützen, die
einzelstaatlichen Rentensysteme zu reformie-
ren;

b. die Mitgliedstaaten und ihre Sozialpartner auf-
zufordern, eine breite europäische Diskussion
über Rentenreformen durchzuführen;

c. die Arbeiten zur Vereinbarung des Berufs-
lebens mit dem Familienleben und zur Förde-
rung einer weniger ungleichen Aufteilung der
bezahlten wie der unbezahlten Arbeit auf die
beiden Geschlechter fortzuführen;

d. Aktivitäten in Bezug auf ältere Menschen fort-
zuführen und auszuweiten, insbesondere was
die Gewährleistung ihrer Menschenrechte an-
geht;

e. die Suche nach politischen Maßnahmen zu
verstärken, mit denen eine größere gesamt-
gesellschaftliche Solidarität, gerade auch zwi-
schen den Generationen und den beiden Ge-
schlechtern, gefördert werden kann;

f. die Migrationspolitik in Europa zu überprüfen
und die möglichen Auswirkungen einer sach-
gerechten Zuwanderungspolitik als Mittel zur
Überwindung der negativen Auswirkungen
des Alterns und des Bevölkerungsrückgangs
auf die hochgerechnete Erwerbsbevölkerung
in Europa zu untersuchen.

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Die soziale Eingliederung von Menschen

mit Behinderungen
(Drucksache 9632)
Berichterstatter:

Abg. László Surján (Ungarn)
Ansprache der französischen Staatssekretärin

für Behinderte, Marie-Thérèse Boisseau
Abg. Karl Hermann Haack (SPD): Herr Präsident, meine
sehr verehrten Damen und Herren.
Die sozialistische Fraktion begrüßt diesen Bericht unseres
Kollegen László Surján aus Ungarn und unterstützt die dort

Drucksache 15/857 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

angeregten Maßnahmen. Dieser Bericht erscheint im Euro-
päischen Jahr 2003, also dem Jahr für Menschen mit Behin-
derungen, und orientiert sich daran. Ich will uns alle ge-
meinsam daran erinnern, dass am letzten Wochenende in
Athen das europäische Jahr unter großer Beteiligung eröff-
net worden ist und sich die Europäische Union und nun
auch die Mitglieder des Europarates verpflichtet haben, sich
zukünftig in einer besonderen Weise des Themas Eingliede-
rung von Menschen mit Behinderungen anzunehmen.
So wie der Bericht nach vorn weist, muss man vielleicht
auch etwas in die Geschichte zurückschauen. Herr Präsi-
dent, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erlaube
mir zwei Bemerkungen.
Als die neuen Staaten aus der ehemaligen Sowjetunion dem
Europarat beitraten, haben wir gemeinsam in diesem Aus-
schuss die mittelosteuropäischen Staaten besucht. Insbeson-
dere auf Anregung unseres britischen Kollegen Mr. Han-
cock, waren wir in Rumänien und haben dort sehr intensive
Gespräche geführt. Über diese Gespräche zur Lage der
Menschen mit Behinderungen in Rumänien und den mittel-
osteuropäischen Staaten ist dann in den Medien viel berich-
tet worden, was zu einer großen Hilfswelle geführt hat. Dies
war also der Anlass dafür, dass der Ausschuss des Europara-
tes sich mit diesem Thema beschäftigt hat, und zwar mit der
Zielsetzung, eine Grundidee, eine Charta zu verabschieden.
Der zweite Grund, warum wir uns heute mit diesem Thema
befassen, sind die Behindertenorganisationen selbst, also
die betroffenen Menschen – in Deutschland nennen wir sie
Experten in eigener Sache –, die sich gewissermaßen als
Bürgerrechtsbewegung gesammelt und ihre Forderungen an
die etablierte Politik angemeldet haben. Ihr Vorbild war die
Bürgerrechtsbewegung der Menschen mit Behinderungen in
den USA, die in der Clinton-Ära zu einem Antidiskrimi-
nierungsgesetz geführt hat, das für die betroffenen Organi-
sationen als besonders vorbildlich gilt. Die sozialistische
Fraktion freut sich, dass dieser emanzipatorische Bürger-
rechtsansatz in der Resolution, dem Bericht, den wir heute
verabschiedet haben, enthalten ist.
Der Bericht stützt sich auf zwei Grundlagen, die für die Ar-
beit des Europarates konstitutiv sind: zum einen auf die
Konvention der Menschenrechte und zum anderen auf die
revidierte Sozialcharta. Diese beiden Grundlagen leiten den
Perspektiv- und Paradigmenwechsel in der Lebenssituation
von Menschen mit Behinderungen ein. Hier soll das kon-
krete Ziel verfolgt werden, den Menschen mit Behinderun-
gen nicht mehr als ein Objekt von Fürsorge zu sehen, son-
dern als einen Menschen, der an der Gesellschaft, an der
Welt der Arbeit und des sozialen Zusammenlebens sowie
am kulturellen Erbe und der Kultur unserer Gesellschaft
teilhat, die sich in der Versammlung des Europarates wider-
spiegelt.
Wir hätten einen weiteren Wunsch. Er betrifft zwei Punkte,
um die man sich vielleicht später noch wird kümmern müs-
sen: erstens die Berufung eines Kommissars für Menschen
mit Behinderungen; zweitens die Erstellung von Länderbe-
richten, das heißt konkreten Berichten zur Lebenssituation
von Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage des
heute zu verabschiedenden Berichtes. Herr Präsident, meine
sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, wir werden
diese beiden Gedanken in den nächsten Jahren nochmals
aufgreifen müssen.

Im Namen der sozialistischen Fraktion möchte ich dem Be-
richterstatter einen herzlichen Dank aussprechen.

Emp f e h l u n g 1592 (2003)*
betr. die soziale Eingliederung von Menschen

mit Behinderungen
(Drucksache 9632)

1. Es wird geschätzt, dass ungefähr 10 bis 15% der Ge-
samtbevölkerung in Europa Menschen mit Behinderun-
gen sind. Mit anderen Worten haben 80 bis 120 Millio-
nen europäische Bürger eine Behinderung, eine Zahl,
die die Bevölkerungszahl fast eines jeden europäischen
Staates übersteigt.

2. Einige der in der Europäischen Konvention zum
Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, in
ihren Protokollen und in der (überarbeiteten) Europä-
ischen Sozialcharta enthaltenen Rechte können von vie-
len Menschen mit Behinderungen noch immer nicht in
Anspruch genommen werden, wie das Recht auf Bil-
dung, das Recht auf Arbeit, das Recht auf Privat- und
Familienleben, das Recht auf Gesundheitsschutz und
soziale Sicherheit, das Recht auf Schutz vor Armut und
sozialer Ausgrenzung, das Recht auf angemessene Un-
terbringung usw.

3. Das Recht auf den Erhalt von Unterstützung und Hilfe
allein genügt nicht, obgleich es für die Verbesserung
der Lebensqualität von Behinderten unerlässlich ist. Zu
gewährleisten, dass Behinderte die gleichen politi-
schen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte
in Anspruch nehmen können wie ihre Mitbürger sollte
als ein gemeinsames politisches Ziel für das kommende
Jahrzehnt festgelegt werden. Gleichberechtigung, Inte-
gration, volle und alle einbeziehende Staatsbürgerschaft
und das Recht, selbst zu entscheiden, sollten weiter ge-
fördert und umgesetzt werden.

4. Rechte zu gewähren ist notwendig, jedoch nicht ausrei-
chend. Behinderte benötigen wie alle Menschen Liebe
und Zuneigung, die ihnen in den meisten Fällen am bes-
ten von ihrer Familie gegeben werden. Gezielte Maß-
nahmen und Unterstützung sind daher erforderlich, um
den Familien zu helfen, den in vielfacher Hinsicht dro-
henden Entbehrungen zu entgehen und ein fürsorgliches
Zuhause zu schaffen als eine sehr viel bessere und natür-
lichere Alternative zu einem Leben in großen Heimen.

5. Die Versammlung stellt mit Zufriedenheit fest, dass in
bestimmten Mitgliedstaaten im Laufe der letzten zehn
Jahre nach und nach eine Behindertenpolitik entwickelt
wurde, die sich von einem institutionellen Ansatz, bei
dem Behinderte als „Patienten“ betrachtet wurden, zu
einem holistischeren Ansatz entwickelt haben, der sie
als „Bürger“ sieht, die ein Recht auf individuelle Unter-
stützung und Selbstbestimmung haben.

6. Das Jahr 2003, das vom Rat der Europäischen Union
zum „Europäischen Jahr der Menschen mit Behinde-

* Debatte der Versammlung am 29. Januar 2003 (5. Sitzung). Siehe
Dok. 9632, Bericht des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit
und Familie (Berichterstatter: Herr Surján). Von der Versammlung
verabschiedeter Text am 29. Januar 2003 (5. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23 – Drucksache 15/857

rungen“ erklärt wurde, wird Gelegenheit zur Herbei-
führung einer wirklich veränderten Haltung gegenüber
Menschen mit Behinderungen und ihren Rechten bieten
durch die Sensibilisierung von Entscheidungsträgern,
Fachleuten und der allgemeinen Öffentlichkeit mit
Hilfe einer aktiveren Beteiligung europäischer Organi-
sationen, nationaler Regierungen, Sozialpartnern, Mas-
senmedien und verschiedener Nichtregierungsorganisa-
tionen und Interessengruppen in ganz Europa.

7. Die Versammlung begrüßt mit lebhafter Genugtuung
die „neue Vision“, dargelegt in der von den Teilneh-
mern des Europäischen Kongresses der Behinderten in
Madrid (März 2002) zur Vorbereitung des Europä-
ischen Jahrs der Menschen mit Behinderungen 2003
verabschiedeten Erklärung.

8. Die Versammlung unterstützt nachdrücklich die Initia-
tive des Europarates und der spanischen Regierung, die
Zweite Europäische Konferenz der Minister für Politi-
ken zur Integration von Behinderten am 7. und 8. Mai
2003 in Malaga abzuhalten. Die Konferenz hat das Ziel,
die Tagesordnung der europäischen Behindertenpolitik
für die nächsten zehn Jahre niederzulegen, indem sie
wichtige Aktionsbereiche definiert, in denen noch Fort-
schritte erzielt werden müssen.

9. Vor zehn Jahren verabschiedete die Versammlung nach
der Ersten Europäischen Konferenz der Minister für
Politiken zur Integration von Behinderten im Jahre
1991 ihre Empfehlung 1185 (1992) betr. Rehabilitati-
onspolitiken für Behinderte, und das Ministerkomitee
verabschiedete seine Empfehlung Nr. R (92) 6 betr. eine
kohärente Politik für Menschen mit Behinderungen.
Die darin aufgeworfenen Fragen und abgegebenen
Empfehlungen sind noch immer von großer Relevanz,
insbesondere im Hinblick auf die Bestandsaufnahme
der erzielten Leistungen und die Bestimmung der ver-
bleibenden Hindernisse für die soziale Integration von
Menschen mit Behinderungen in Europa.

10. Die Erweiterung des Europarates und die Perspektive
der Erweiterung der Europäischen Union um die Län-
der Mittel- und Osteuropas schaffen einen günstigen
politischen Kontext, um Menschenrechte und Sozial-
politiken, einschließlich Politiken für die Integration
von Menschen mit Behinderungen, über den Erfah-
rungsaustausch und die Verabschiedung von Normen
des Europarats und den acquis communautaire der
Europäischen Union voran zu bringen.

11. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee im
Verlaufe des Europäischen Jahres der Menschen mit
Behinderungen 2003,
i. alle Mitgliedstaaten aufzufordern, an der Zweiten

Europäischen Konferenz der Minister für Politiken
zur Integration von Behinderten (Malaga, 7. bis
8. Mai 2003) teilzunehmen und den dort eingegan-
genen Verpflichtungen nachzukommen;

ii. alle Mitgliedstaaten aufzufordern, regelmäßig über
die von ihnen erzielten Fortschritte bei der Umset-
zung ihrer Empfehlung Nr. R (92) betr. eine kohä-
rente Politik für Menschen mit Behinderungen Be-
richt zu erstatten;

iii. diejenigen Mitgliedstaaten, die noch nicht beige-
treten sind, aufzufordern, in Erwägung zu ziehen,
dem Teilabkommen des Europarates im Bereich
des Sozial- und Gesundheitswesens beizutreten
und sich in vollem Umfang an seinen Aktivitäten
zu beteiligen;

iv. die zuständigen Organe des Europarates anzuwei-
sen,
a. in Erwägung zu ziehen, ausdrückliche Hin-

weise auf eine Diskriminierung aufgrund einer
Behinderung in die beiden wichtigsten Rechts-
instrumente des Europarates aufzunehmen,
nämlich die Europäische Konvention zum
Schutz der Menschenrechte und Grundfreihei-
ten (Artikel 14) und die Europäische Sozial-
charta in ihrer überarbeiteten Fassung (Teil V,
Artikel E);

b. eine aktive Rolle zu übernehmen bei der Initia-
tive der Vereinten Nationen zur Ausarbeitung
von Vorschlägen für ein umfassendes interna-
tionales Übereinkommen zur Förderung und
zum Schutz der Rechte und der Würde von
Menschen mit Behinderungen;

c. unverzüglich die Ausarbeitung eines Überein-
kommens einzuleiten, das
– eine Mindesteinstellungsquote für Men-

schen mit Behinderungen in Unternehmen
vorsieht, die mehr als fünfzig Mitarbeiter
beschäftigen, die die Verpflichtung ein-
schließen sollte, dass die Unternehmen für
den Fall, dass sie nachweislich nicht in der
Lage sind, diese Quote zu erfüllen, Bei-
träge in einen Sonderfonds zugunsten von
Menschen mit Behinderungen einzahlen;

– in der staatlichen und kommunalen Verwal-
tung und im öffentlichen Dienst Stellen
freizuhalten für Behinderte mit einer ent-
sprechenden beruflichen Ausbildung;

– Vorteile, insbesondere in steuerlicher Hin-
sicht, für Unternehmen und Arbeitgeber
vorzusehen, die Menschen mit Behinde-
rungen einstellen, wobei diese Vorteile in
jedem Fall die Kosten für die Umgestal-
tung der Räumlichkeiten bzw. des Arbeits-
platzes aufwiegen sollten;

d. ein Aktionsprogramm für die umfassende so-
ziale Eingliederung von Menschen mit Behin-
derungen in Europa in Weiterverfolgung der
Zweiten Europäischen Konferenz der Minister
für Politiken zur Integration von Behinderten
zu verabschieden;

e. eine Übersicht über alle Berufsausbildungs-
kurse in spezialisierten Einrichtungen für
Menschen mit Behinderungen zu erstellen und
eine enge Koordinierung zwischen dieser Aus-
bildung und den tatsächlich verfügbaren Ar-
beitsplätzen herzustellen, um Menschen mit
Behinderungen einen größtmöglichen Zugang
zu Beschäftigung zu ermöglichen, die Unab-
hängigkeit und Würde sicherstellt;

Drucksache 15/857 – 24 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

f. ein Qualitätssiegel unter Aufsicht der zustän-
digen Behörden für Güter und Dienstleistun-
gen einzuführen, die die gesetzlichen Vor-
schriften oder anderen Bestimmungen für eine
Beschäftigung von Behinderten erfüllen;

g. in Erwägung zu ziehen, Nichtregierungsorgani-
sationenBeobachterstatus imAusschuss für die
Rehabilitation und Integration von Menschen
mit Behinderungen (CD-P-RR) zu erteilen;

h. eine „abteilungsübergreifende Arbeitsgruppe
Behindertenfragen“ einzusetzen zur Berück-
sichtigung von Behindertenfragen bei allen
Aktivitäten und Bereichen ihrer Arbeit, und
die Sensibilisierung für Behindertenfragen in
der Organisation zu verschärfen;

i. einen internen Verhaltenskodex festzulegen,
um zu gewährleisten,
– einen behindertengerechten Zugang zu den

Räumlichkeiten des Europarates,
– Zugang zu allen Websites des Europarates

für Menschen mit Behinderungen, insbe-
sondere mit Sehschwäche und Lernschwie-
rigkeiten, durch Anwendung der Leitlinien
der Web-Zugangsinitiative (WAI);

– Zugänglichkeit von Druckmaterial des Eu-
roparates in alternativen Formaten (Groß-
druck, Blindenschrift, Hörkassetten);

– Berücksichtigung der Bedürfnisse von Be-
hinderten bei ihrer Beschaffungspolitik;

– Einstellung eines höheren Prozentsatzes
von Behinderten;

v. die Entwicklungsbank des Europarates aufzufor-
dern, bei der Gewährung von Baudarlehen auf der
Erfüllung der Zugangsanforderungen zu bestehen.

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Die Evaluierung der Aussichten

für eine politische Lösung des Konflikts
in der Republik Tschetschenien

(Drucksache 9687)
Berichterstatter:

Abg. Lord Judd (Vereinigtes Königreich)
Abg. Rudolf Bindig (SPD)*: Frau Präsidentin, verehrte
Kolleginnen und Kollegen.
Zunächst möchte ich für den Ausschuss für Recht und
Menschenrechte ausdrücklich die Grundlinie des Berichts
und des Resolutionsentwurfes von Lord Judd und des Poli-
tischen Ausschusses unterstützen.
Als Berichterstatter des Ausschusses für Recht und
Menschenrechte ist es leider meine traurige Pflicht gewor-
den, feststellen zu müssen, dass die Menschenrechtssitua-
tion in Tschetschenien weiterhin äußerst unbefriedigend ist.
2001, 2002 und auch bereits im Januar 2003 ist es in Tschet-
schenien immer wieder zu schweren Menschenrechtsverlet-

zungen auf beiden Seiten des Konfliktes gekommen. Die
tschetschenischen Kämpfer richten ihre Gewaltakte zuneh-
mend auch gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere sol-
che Personen, die in der Zivilverwaltung Tschetscheniens
arbeiten. Aber auch einige russische Kräfte überziehen die
Zivilbevölkerung weiterhin mit Terror. Fast täglich ver-
schwinden Leute, die verhaftet worden sind. Später werden
dann die verstümmelten Körper in Massengräbern oder ein-
fach am Straßenrand wiedergefunden. Es gibt Fälle von un-
gesetzlichen Tötungen, für welche russische Nichtregie-
rungsorganisationen das Militär verantwortlich machen. In
allen schweren Fällen von Verbrechen und vermeintlichen
Massakern, die jetzt ein, zwei oder bereits drei Jahre zu-
rückliegen, konnten die Täter nach den offiziellen Angaben
der Generalstaatsanwaltschaft bisher nicht ermittelt werden.
Leider bleibt uns nur noch der Schluss, dass die Untersu-
chungsbehörden entweder unfähig oder unwillig sind, die
Fälle aufzuklären und die Täter vor Gericht zu bringen und
zu bestrafen. Es herrscht also weiterhin leider ein Klima der
Straflosigkeit in der tschetschenischen Republik.
Wer einen politischen Prozess in Tschetschenien in Gang
setzen will, der auch von der Bevölkerung akzeptiert wer-
den kann, muss zuvorderst dafür sorgen, dass von Schika-
nierungen, Misshandlungen und Verschwindenlassen von
Personen sofort und nachhaltig Abstand genommen wird.
Dies und die Bestrafung der Täter bereits vergangener Ver-
brechen sind Grund- und Vorbedingungen für eine begin-
nende Normalisierung in Tschetschenien. Wir werden in
unseren Änderungsanträgen vorschlagen, dass diese Ge-
sichtspunkte noch stärker in die Resolution eingearbeitet
werden. Wir werden auch um eine Order bitten, damit sich
der Rechtsausschuss noch einmal intensiv mit den Einzel-
fällen befassen kann, über die es zum Teil recht gute Doku-
mentationen von Nichtregierungsorganisationen gibt, und
damit wir uns klar zu den schwierigen, extrem schlechten
Menschenrechtsbedingungen äußern können, die leider im-
mer noch in Tschetschenien herrschen.
Vielen Dank.

Emp f e h l u n g 1593 (2003)*
betr. die Evaluierung der Aussichten

für eine politische Lösung des Konflikts in der
Republik Tschetschenien

(Drucksache 9687)
1. Die Versammlung nimmt Bezug auf ihre Entschließung

1315 (2003) betr. die Evaluierung der Aussichten für
eine politische Lösung des Konflikts in der Republik
Tschetschenien.

2. Die Versammlung fordert das Ministerkomitee des
Europarates auf, seine konkrete Unterstützung für die
Behörden der Russischen Föderation und der Republik
Tschetschenien in allen einschlägigen Bereichen, ein-
schließlich der Rechtsstaatlichkeit, der Menschen-
rechte, des Funktionierens der Demokratie, der kultu-

* Im Auftrag des Ausschusses für Recht und Menschenrechte

* Debatte der Versammlung am 29. Januar 2003 (5. Sitzung). Siehe
Dok. 9687, Bericht des Politischen Ausschusses (Berichterstatter:
Lord Judd). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
29. Januar 2003 (5. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 25 – Drucksache 15/857

rellen Zusammenarbeit und der humanitären Prioritäten
zu verstärken; sie fordert das Ministerkomitee ferner
auf, als Antwort auf jede gezielte und überzeugende
Anforderung angemessene Unterstützung für den Pro-
visorischen Rat (Consultative Council) und andere zu-
ständige politische, soziale und Jugendorganisationen
zur Verfügung zu stellen; sie fordert das Ministerkomi-
tee ferner dazu auf, gemeinsam mit Herrn Sultygow,
dem Sonderbeauftragten des Präsidenten der Russi-
schen Föderation, Mittel und Wege zu erwägen, wie die
Arbeit der Sachverständigen des Europarates noch effi-
zienter gestaltet werden könnte.

3. Die Versammlung ersucht das Ministerkomitee, auf die
sofortige Umsetzung der jüngsten Empfehlungen des
Menschenrechtskommissars des Europarates durch die
zuständigen Behörden zu drängen, wonach bestimmte
Rechte während der Verhaftung und Inhaftierung von
Personen infolge von „Säuberungsoperationen“ in der
Republik Tschetschenien der Russischen Föderation
garantiert werden müssen.

4. Die Versammlung fordert das Ministerkomitee auf, So-
fortmaßnahmen zu ergreifen, um diese Empfehlung der
Parlamentarischen Versammlung des Europarates der
Regierung der Russischen Föderation zur Kenntnis zu
bringen und auf ein rasches Handeln in Bezug auf alle
ihrer Empfehlungen zu drängen.

En t s c h l i e ß u n g 1315 (2003)*
betr. die Evaluierung der Aussichten

für eine politische Lösung des Konflikts in der
Republik Tschetschenien

(Drucksache 9687)
1. Die Versammlung verweist darauf, wie in ihrer Stel-

lungnahme Nr. 193 (1996) betr. Russlands Antrag auf
Mitgliedschaft im Europarat zum Ausdruck gebracht,
dass der Konflikt in Tschetschenien nicht durch den
Rückgriff auf Gewalt gelöst werden kann und dass we-
der ein Frieden in der Region noch ein Ende der Terror-
anschläge ohne eine politische Lösung auf der Grund-
lage von Verhandlungen und basierend auf den
europäischen demokratischen Werten möglich sind.
Dass eine solche demokratische Lösung noch nicht ge-
funden werden konnte, hat die Bevölkerung in der Re-
publik Tschetschenien und die gesamte Bevölkerung
Russlands allzu lang auf schmerzhafte und grausame
Weise erfahren müssen. Der Europarat kann seinem
Anspruch nicht gerecht werden, wenn diese schwerwie-
gende Situation fortdauert. Wir sind alle geschwächt.

2. Die Versammlung nimmt die Erklärung der Staatsduma
der Russischen Föderation vom 24. Dezember 2002 zur
Kenntnis, die 2003 zum Jahr des Friedens und der nati-
onalen Eintracht erklärt und zum Wiederaufbau der Re-
publik Tschetschenien und zu einer umfassenden politi-
schen Lösung aufgerufen hat. Die Versammlung nimmt

ebenfalls die jüngsten Erklärungen des Präsidenten der
Russischen Föderation zur Kenntnis, der sich dafür aus-
spricht, die militärischen Operationen durch einen poli-
tischen Prozess zu ersetzen.

3. Die Versammlung beklagt nachdrücklich den Verlust
von Menschenleben bei den letzten Terroranschlägen in
Moskau und Grosny und bekräftigt, dass der politische
Prozess nicht aufgegeben werden darf. Sie ist der An-
sicht, dass alles andere als ein unablässiges Eintreten
für Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Humanita-
rismus, die zentrale Ziele des Europarates sind, falsch
und kontraproduktiv wäre.

4. Im Hinblick auf die Menschenrechtslage in der Repu-
blik Tschetschenien ist die Versammlung weiterhin
höchst beunruhigt darüber, dass eine Reihe politisch ak-
tiver Personen ermordet wurde, dass immer wieder Per-
sonen verschwinden, die mit der Untersuchung dieser
Fälle betrauten Behörden ineffektiv arbeiten und dass
es weit verbreitete Anschuldigungen und Hinweise auf
Brutalität und Gewalt gegenüber der Zivilbevölkerung
in der Republik gibt.

5. Die russischen Behörden scheinen nicht in der Lage zu
sein, den schweren Menschenrechtsverletzungen in
Tschetschenien ein Ende zu setzen. In Anbetracht der
Tatsache, dass einige Untersuchungen über die spekta-
kulärsten Fälle von Massenmord und verschwundenen
Personen seit nunmehr drei Jahren ohne greifbare Er-
gebnisse durchgeführt werden, kann die Versammlung
nur zu dem Schluss kommen, dass die Strafverfol-
gungsbehörden entweder nicht willens oder nicht in der
Lage sind, die Schuldigen zu finden und vor Gericht zu
bringen. Die Versammlung beklagt das aus diesem
Grunde in der Republik Tschetschenien herrschende
Klima der Straflosigkeit, das ein normales Leben in der
Republik unmöglich macht.

6. Die Versammlung ruft daher die zuständigen Behörden
der Russischen Föderation und der Republik Tschet-
schenien auf, sicherzustellen, dass
a. die Gesamtstärke der Bundesstreitkräfte verringert

wird und diese Kräfte nur zu militärischen Operati-
onen eingesetzt werden, während Strafverfolgungs-
aktivitäten den Strafverfolgungsbehörden der Re-
publik Tschetschenien überlassen werden sollten;

b. Richtlinie Nr. 80 bei militärischen Operationen
strikt durchgesetzt und Richtlinie Nr. 46 bei Opera-
tionen zur Personenkontrolle von Bürgern vollstän-
dig eingehalten werden sowie eine enge Zusam-
menarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden der
Republik Tschetschenien jederzeit aufrechterhalten
wird;

c. für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung
mehr Polizeieinheiten von gemischter ethnischer
Zugehörigkeit aufgestellt werden und diese Einhei-
ten eine entsprechende Ausbildung für die Terroris-
musbekämpfung und Beachtung der Menschen-
rechte erhalten;

d. die Polizei- und Sicherheitskräfte jederzeit den vom
Europarat empfohlenen Verhaltenskodex beachten
und alle in der russischen Verfassung vorgesehenen

* Debatte der Versammlung am 29. Januar 2003 (5. Sitzung). Siehe
Dok. 9687, Bericht des Politischen Ausschusses (Berichterstatter:
Lord Judd). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
29. Januar 2003 (5. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 26 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Garantien für Verhaftete anwenden, ungeachtet des-
sen, wo sie verhaftet werden und inhaftiert sind;

e. die Unabhängigkeit und Effizienz der Justizbehör-
den gestärkt, Untersuchungen entschiedener und
strenger geführt werden und Verfahren gegen Ver-
dächtige einen weniger verzögerten und überzeu-
genderen Abschluss finden;

f. die Berichte des Europarats-Ausschusses für die
Verhütung von Folter veröffentlicht und seine
Empfehlungen umgesetzt werden;

g. das Gesetz der Russischen Föderation aus dem
Jahre 1998 zur Bekämpfung des Terrorismus da-
hingehend geändert wird, dass es die in Dokument
Nr. 9634 dargelegten Empfehlungen der Sachver-
ständigen widerspiegelt, damit das Gesetz in Ein-
klang mit den Normen des Europarates gebracht
wird;

h. die Weitergabe von Waffen an tschetschenische
Kämpfer eingedämmt wird und bewaffnete Kämp-
fer ermutigt werden, ihre Waffen freiwillig abzuge-
ben, beispielsweise durch Straferlass gemäß dem
Dekret des Leiters der Verwaltung der Republik
Tschetschenien vom 24. Oktober 2002 und im Ein-
klang mit dem humanitären Völkerrecht.

7. Die Versammlung ersucht die russischen Behörden, ihr
eine aktualisierte und ausführliche Liste aller strafrecht-
lichen Ermittlungen durch militärische und zivile Straf-
verfolgungsbehörden über von Angehörigen des Mili-
tärs und Mitgliedern aller Polizei- und Spezialeinheiten
sowie von tschetschenischen Kämpfern gegen die
Zivilbevölkerung, die örtliche tschetschenische Verwal-
tung und Truppen der Russischen Föderation in der
Republik Tschetschenien begangene Verbrechen zur
Verfügung zu stellen. Außer statistischen Angaben
sollte diese Liste auch nähere Angaben zur Art der be-
gangenen Verbrechen und dem gegenwärtigen Stand
der Untersuchungen bzw. der Anklagen und Verurtei-
lungen enthalten.

8. Die Versammlung nimmt die Absicht der Behörden der
Russischen Föderation und der Republik Tschetsche-
nien zur Kenntnis, am 23. März 2003 ein Referendum
über einen Verfassungsentwurf für die Republik Tschet-
schenien zu veranstalten. Auch wenn sie die Rolle eines
Referendums im Hinblick auf Entscheidungen über den
zukünftigen demokratischen Aufbau und die Verfas-
sung der Republik anerkennt, stellt die Versammlung
mit Besorgnis fest, dass es unwahrscheinlich ist, dass
die erforderlichen Voraussetzungen für die Durchfüh-
rung eines solchen Referendums bis dahin erfüllt sein
werden. Die Versammlung fordert daher die zuständi-
gen Behörden auf, die hierfür unerlässlichen Maßnah-
men zu ergreifen, um die erforderlichen Voraussetzun-
gen zu schaffen.
a. Gewährleistung eines angemessenen Maßes an öf-

fentlicher Sicherheit für alle Personen in der Repu-
blik Tschetschenien vor und während eines Refe-
rendums;

b. Erstellung eines transparenten und genauen Wäh-
lerverzeichnisses, in dem alle Bürger der Republik
Tschetschenien aufgeführt sind, die zur Teilnahme

an Referenden und Wahlen berechtigt sind, unge-
achtet dessen, ob sie in der Republik Tschetsche-
nien ansässig sind oder vorübergehend in einem
anderen Teil der Russischen Föderation leben, ein-
schließlich der in Lagern lebenden Binnenvertrie-
benen, sowie Bereitstellung der erforderlichen Mit-
tel für ihre Teilnahme an dem Referendum;

c. Prüfung möglicher Mittel und Wege zur Ergreifung
konkreter Vorkehrungen, die es den tschetscheni-
schen Binnenvertriebenen in den benachbarten Re-
publiken, insbesondere in Inguschetien, ermögli-
chen würden, ihr Wahlrecht auszuüben;

d. Gewährleistung zweckmäßiger und geeigneter
Vorkehrungen für das Wahlverfahren unter Be-
rücksichtigung des vom Europarat erstellten Ver-
haltenskodex für Wahlangelegenheiten;

e. Beachtung des Rechts auf Vereinigungsfreiheit für
politische Parteien, wie in Artikel 11 der Europä-
ischen Menschenrechtskonvention garantiert, um
es den politischen Parteien zu ermöglichen, sich im
Rahmen einer offenen demokratischen Debatte an
der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen;

f. Sicherstellung einer fairen und ausgewogenen Zu-
sammensetzung der zuständigen Wahlkommissio-
nen, die mit der Vorbereitung von Referenden und
Wahlen beauftragt sind;

g. Wahrung der freien politischen Diskussion mit
Hilfe freier und unabhängiger Medien, wie in Arti-
kel 10 der Europäischen Menschenrechtskonven-
tion garantiert;

h. Anerkennung und Unterstützung der Stärkung ei-
ner Zivilgesellschaft in der Republik Tschetsche-
nien zur Förderung eines konstruktiven politischen
Dialogs auf einer möglichst breiten Grundlage;

i. Wahrung von Transparenz für den gesamten Ver-
lauf des Referendums und späterer Wahlen.

9. Die Versammlung begrüßt die Zusage des Präsidenten
von Inguschetien, allen Binnenvertriebenen aus der Re-
publik Tschetschenien zu erlauben, in Inguschetien zu
bleiben und denjenigen, die dies wünschen, ein Aufent-
haltsrecht in Inguschetien zu gewähren. Die Versamm-
lung ruft daher die russischen Migrations- und anderen
zuständigenBehörden auf, niemals Rückgriff auf direkte
oder indirekte Gewalt zu nehmen oder unangemessenen
Druck auszuüben, umVertriebene zu zwingen, gegen ih-
renWillen in die Republik Tschetschenien zurückzukeh-
ren. Die Versammlung bekräftigt, dass Zwang ein Ver-
stoß gegen die Grundrechte ist und ist davon überzeugt,
dass dies die Instabilität nur noch steigern würde.

10. Die Versammlung appelliert an die zuständigen Behör-
den der Russischen Föderation und der Republik Tschet-
schenien, im Zusammenarbeit mit den europäischen
Staaten und der Staatengemeinschaft insgesamt, einen
koordinierten Aktionsplan für den Wiederaufbau und
die humanitäre Hilfe zu erstellen und die faire, angemes-
sene und transparente Nutzung dieser Hilfe sicherzustel-
len. Die Versammlung betont die Bedeutung eines unge-
hinderten Zugangs der humanitären Organisationen zur
Republik Tschetschenien und ersucht diese Organisatio-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27 – Drucksache 15/857

nen zu prüfen, welche Beiträge sie leisten könnten.
Gleichzeitig ruft die Versammlung die russischen Be-
hörden auf, die Zugangsregelungen zu vereinfachen und
alle bürokratischen Hindernisse zu beseitigen, die die
Arbeit dieser Organisationen gefährden könnten.

11. Die Versammlung ruft diejenigen in der Republik
Tschetschenien, die mit Waffengewalt gegen die Behör-
den der Russischen Föderation und der Republik Tschet-
schenien vorgegangen sind, dazu auf, ihre Waffen nie-
derzulegen und sich an einem ernsthaften politischen
Prozess zu beteiligen; sie ruft sie ferner dazu auf, sich
auf überzeugende Art und Weise von Terroranschlägen
und anderen Verbrechen, die in Verbindung mit dem
Konflikt in der Republik Tschetschenien stehen, zu dis-
tanzieren; und sie ruft sie darüber hinaus dazu auf, alle
entführten Personen unverzüglich freizulassen. Die Ver-
sammlung bekräftigt, dass bei einer politischen Lösung
im Interesse der gesamten Bevölkerung der Republik
Tschetschenien Gewalt keinen Platz haben darf.

R i c h t l i n i e 584 (2003)*
betr. die Evaluierung der Aussichten

für eine politische Lösung des Konflikts in der
Republik Tschetschenien

(Drucksache 9687)
1. Die Versammlung nimmt Bezug auf ihre Entschließung

1315 (2003) und Empfehlung 1593 (2003) betr. die
Evaluierung der Aussichten für eine politische Lösung
des Konflikts in der Republik Tschetschenien.

2. Die Versammlung fordert den Politischen Ausschuss,
den Ausschuss für Recht und Menschenrechte und den
Ausschuss für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und
Bevölkerungsfragen gemeinsam mit ihren Berichter-
stattern auf, in ihrem Namen ihre unmittelbare Befas-
sung und aktive Beteiligung in Bezug auf Fragen hin-
sichtlich der Zukunft der Republik Tschetschenien
weiter fortzuführen. Sie fordert sie insbesondere auf,
Mittel und Wege in Betracht zu ziehen, wie sie dazu
beitragen können, eine wirksame europäische und in-
ternationale humanitäre Antwort zu ermutigen und ein
Forum für einen umfassenden Dialog im Hinblick auf
eine politische Lösung zur Verfügung zu stellen.

3. Die Versammlung weist ihren Ausschuss für Recht und
Menschenrechte an, ihr bei ihrer nächsten Teilsitzung
einen Bericht über die Menschenrechtslage in der Re-
publik Tschetschenien vorzulegen. Dieser Bericht sollte
auf der Grundlage von Informationen erstellt werden,
die von den zuständigen Behörden, internationalen Or-
ganisationen, NGOs und Journalisten zur Verfügung
gestellt wurden und unter anderem auf Einzelfälle, die
Anlass zu besonderer Besorgnis geben, eingehen.

Donnerstag, 30. Januar 2003
Tag e s o r d n u n g s p u n k t

Irak
(Drucksache 9690)
Berichterstatter:

Abg. Guillermo Martínez Casañ (Spanien)
(Themen: die massiven Menschenrechtsverletzungen durch
die irakische Diktatur – die drohende Anwendung von Ge-
walt gegen den Irak – Autorität und Rolle des Sicherheits-
rates der Vereinten Nationen – die Perspektiven für eine
friedliche Lösung des Konflikts – die Haltung der europä-
ischen Regierungen in der Irak-Frage)

En t s c h l i e ß u n g 1316 (2003)*
betr. Irak

(Drucksache 9690)
1. Die Versammlung nimmt Bezug auf ihre Entschließung

1302 (September 2002) über die Gefahr einer militäri-
schen Aktion gegen den Irak und stellt fest, dass die
Irak-Krise mehr als je zuvor eine Gefahr für Frieden
und Stabilität im Nahen Osten und der Region des Per-
sischen Golfs und in der gesamten Welt bleibt.

2. Die am 8. November 2002 einstimmig verabschiedete
Resolution 1441 (2002) des Sicherheitsrates der Verein-
ten Nationen war Ausdruck des gemeinsamen Willens
der Staatengemeinschaft, die Entwaffnung des Iraks
durch politische und diplomatische Mittel herbeizufüh-
ren. Sie stellt fest, dass die Vereinten Nationen den Irak
wiederholt davor gewarnt haben, dass er mit schwer-
wiegenden Konsequenzen aufgrund seiner wiederhol-
ten Verletzung seiner Verpflichtungen zu rechnen haben
würde. Ein verstärktes Inspektionsregime wurde ein-
gerichtet, welches es ermöglichte nachzuprüfen, ob der
Irak die ihm durch die einschlägigen Resolutionen des
Sicherheitsrates auferlegten Verpflichtungen einhält.

3. Die internationalen Chefinspektoren der Vereinten Na-
tionen, Herr Blix und Herr El Baradei, legten dem
Sicherheitsrat am 27. Januar 2003 einen Zwischen-
bericht nach Ablauf der zweimonatigen Inspektionen
vor. Nach diesem Bericht arbeiten die irakischen Be-
hörden nicht ausreichend mit den Inspektoren zusam-
men und haben keine glaubwürdigen Belege für die
Einstellung aller verbotenen Programme oder die Zer-
störung von Massenvernichtungswaffen vorgelegt, ins-
besondere im Hinblick auf das gelagerte VX-Nerven-
gas und Substanzen, die eine Produktion von Anthrax
ermöglichen. Trotz der von der irakischen Regierung
gemachten Versprechungen war es den Inspektoren bis-
lang nicht möglich, Gespräche mit Wissenschaftlern
und Sachverständigen, die an den Waffenprogrammen

* Debatte der Versammlung am 29. Januar 2003 (5. Sitzung). Siehe
Dok. 9687, Bericht des Politischen Ausschusses (Berichterstatter:
Lord Judd). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
29. Januar 2003 (5. Sitzung).

* Debatte der Versammlung am 30. Januar 2003 (6. Sitzung). Siehe
Dok. 9690, Bericht des Politischen Ausschusses (Berichterstatter:
Herr Martínez Casañ). Von der Versammlung verabschiedeter Text
am 30. Januar 2003 (6. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 28 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

des Landes beteiligt waren, zu führen. Darüber hinaus
hat es der Irak den Inspektoren verweigert, Flüge über
seinem Staatsgebiet mit dem ihnen zur Verfügung ste-
henden U2-Aufklärungsflugzeug durchzuführen.

4. Daher haben die Inspektoren weder bestätigt, dass der
Irak über Massenvernichtungswaffen und ballistische
Flugkörper verfügt, noch festgestellt, dass er ihre Pro-
duktion eingestellt hat, wie in der Resolution 687
(1991) und der Resolution 1441 (2002) gefordert.

5. Trotzdem waren die Inspektoren in der Lage, seit dem
27. November 2002 ihre Arbeit im Irak ohne größere
Behinderung durchzuführen und haben bislang keine
Beweise dafür gefunden, dass der Irak noch immer über
Massenvernichtungswaffen oder ballistische Flugkör-
per verfügt, noch dass er Vorbereitungen für eine ent-
sprechende Herstellung trifft.

6. Einige Länder sind jedoch der Auffassung, dass es den
Inspektoren nicht möglich war, ihr Mandat auszuüben,
da der Irak nicht aktiv zusammengearbeitet hat bei der
Erfüllung seiner Verpflichtungen gemäß Resolution
1441 (2002) des VN-Sicherheitsrates in Bezug auf den
Nachweis, dass er alle Massenvernichtungswaffen und
Trägersysteme für ballistische Flugkörper und sonstige
Waffen zerstört hat, von denen bekannt war, dass sie
seit Dezember 1998 in seinem Besitz waren, als das
frühere VN-Inspektorenteam gezwungen wurde, das
Land zu verlassen.

7. Die Versammlung stellt ferner fest, dass es bislang
keine substanziellen Hinweise auf eine Verbindung
zwischen dem Irak und den internationalen Terrornet-
zen gegeben hat.

8. Die Versammlung schließt daraus, dass unter den ge-
genwärtigen Umständen die Anwendung von Gewalt
gegen den Irak nicht gerechtfertigt wäre. Die Inspekto-
ren müssen ein letztes Mal ihre Arbeit fortsetzen und
intensivieren – objektiv, unparteiisch und ohne äußeren
Druck, um die Inspektionen innerhalb angemessener
Zeit abschließen zu können. Ihnen muss jedes notwen-
dige Personal, Ausstattung und logistische Unterstüt-
zung zur Verfügung gestellt werden.

9. Die öffentliche Meinung in den Mitgliedstaaten des Eu-
roparates ist mehrheitlich für eine Lösung der Irak-
Krise durch politische Mittel und gegen einseitige In-
terventionen im Irak. Die öffentliche Meinung in Ame-
rika favorisiert zunehmend eine multilaterale Lösung
im Einklang mit dem Völkerrecht.

10. Die Versammlung nimmt jedoch mit großer Besorgnis
zur Kenntnis, dass die Vereinigten Staaten ihre Bereit-
schaft erklärt haben, einseitige Maßnahmen zu ergrei-
fen, auch ohne einen ausdrücklichen Beschluss des
Sicherheitsrates, der die Anwendung von Gewalt ge-
stattet.

11. Die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich
bekräftigen, dass sie über Informationen verfügen, die
beweisen, dass der Irak noch immer im Besitz von
Massenvernichtungswaffen ist und/oder die Absicht
und die Fähigkeit zur Herstellung dieser Waffen besitzt.
Die Versammlung weist in diesem Zusammenhang da-
rauf hin, dass im Einklang mit Resolution 1441 des

Sicherheitsrates jeder Staat aufgefordert ist, den In-
spektoren alle Informationen im Zusammenhang mit
verbotenen Programmen des Iraks zur Verfügung zu
stellen.

12. Die Versammlung bekräftigt ihre nachdrückliche Über-
zeugung, dass die Lösung der Irak-Krise im Einklang
mit den Grundsätzen des Völkerrechtes, auf der Grund-
lage der besonderen Autorität des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen und auf einer breiten internationa-
len Unterstützung, einschließlich jene der Staaten der
Regionen, erfolgen muss. Die Versammlung begrüßt in
diesem Zusammenhang die Anstrengungen aller Regie-
rungen, die sich für eine friedliche Lösung der Krise
einsetzen und insbesondere jene der Regierung der Tür-
kei mit dem Ziel, eine gemeinsame Position zwischen
den wichtigsten Staaten der Region herbeizuführen, um
Krieg zu vermeiden und eine umfassende und vollstän-
dige Zusammenarbeit des Iraks mit den Vereinten Nati-
onen herbeizuführen.

13. Die Versammlung ist der Ansicht, dass das Regime
Saddam Husseins verantwortlich ist für das Leiden der
irakischen Bevölkerung und Schuld trägt für Men-
schenrechtsverletzungen, deren Opfer eine große Zahl
von Irakern war. Sie bringt ihre Solidarität mit denjeni-
gen im Irak zum Ausdruck, die gegen die Diktatur
kämpfen und sich für die Schaffung von Demokratie
einsetzen.

14. Die Versammlung fordert
i. die irakischen Behörden auf:

a. aktiv und unverzüglich, offen und ohne Ein-
schränkung mit den Inspektoren der Vereinten
Nationen zusammenzuarbeiten und unwider-
legbare Beweise vorzulegen über den Abbau
ihrer Arsenale von Massenvernichtungswaffen
und die Einstellung ihrer Programme in die-
sem Bereich, um den Verdacht der Staatenge-
meinschaft hinsichtlich der Nichteinhaltung
der Resolutionen des Sicherheitsrates der Ver-
einten Nationen und der Nichtbefolgung der
geforderten Abrüstung zu widerlegen;

b. keine Hindernisse in den Weg zu legen und die
Zusammenarbeit zwischen irakischen Wissen-
schaftlern und Sachverständigen und den in-
ternationalen Inspektoren zu ermutigen;

ii. alle Mitgliedstaaten des Europarates, die
Beobachterstaaten und die Kandidatenstaaten auf:
a. ihre Anstrengungen zu verstärken, um mit

politischen Mitteln und im Rahmen der Instru-
mente der Vereinten Nationen die nachprüf-
bare Abrüstung des Iraks, wie in den einschlä-
gigen Resolutionen des Sicherheitsrates der
Vereinten Nationen gefordert, herbeizuführen;

b. ihre uneingeschränkte Unterstützung den
internationalen Inspektoren zukommen zu las-
sen, sie mit allen Informationen und allen Mit-
teln auszustatten, die ihnen helfen könnten,
ihre Arbeit abzuschließen und die Vorausset-
zungen zu schaffen, die es ihnen ermöglichen,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/857

ihr Mandat innerhalb angemessener Zeit zum
Abschluss zu bringen;

c. Abstand von allen Handlungen zu nehmen, die
die Autorität und Rolle der Vereinten Nationen
schädigen könnten, und jede Anwendung von
Gewalt außerhalb des internationalen Rechts-
rahmens und ohne einen ausdrücklichen Be-
schluss des Sicherheitsrates der Vereinten
Nationen auszuschließen.

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Ansprache des Präsidenten der Republik

Österreich, Thomas Klestil
(Themen: Österreich und der Prozess der europäischen Ei-
nigung – der Dialog über die gemeinsame europäische Zu-
kunft bis in die Zivilgesellschaft hinein als zentrale Aufgabe
des politischen Meinungsbildungsprozesses – der Einsatz
des Europarates für ein den gemeinsamen Werten verpflich-
tetes Europa – die Rolle des Europarates nach der Erweite-
rung der Europäischen Union und die Neuordnung des Ver-
hältnisses der beiden Organisationen – die Signalwirkung
eines Dritten Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs
der Mitgliedsländer des Europarates – die Parlamentari-
sche Versammlung als Motor des Europarates – die Reform
des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes – der Dia-
log der Kulturen und Religionen – der Konflikt im Irak)

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Meeresverschmutzung

(Drucksache 9684)
Berichterstatter:

Abg. Daniel Goulet (Frankreich)
Abg. Dr. Christine Lucyga (SPD): Herr Präsident, meine
lieben Kolleginnen und Kollegen.
Auch ich möchte mich den Worten anschließen, die zu dem
Bericht gesagt wurden und dem Berichterstatter danken. Ich
bin inhaltlich völlig einverstanden, denn so dramatisch, wie
die Lage hier beschrieben wurde, so dramatisch ist sie auch.
Seit November des Vorjahres haben uns fast täglich
Schreckensbilder von der galizischen Küste erreicht. Wir
müssen zunächst daran erinnern, was hier von einheimi-
schen und internationalen Helfern bei der Bekämpfung die-
ser Umweltkatastrophe getan wird. Dies verdient zunächst
einmal unseren Dank und unsere Anerkennung, denn es
wurde wirklich Unmenschliches geleistet. Denen aber, die
sich vielleicht klammheimlich gesagt haben, dass der Kelch
zum Glück an ihnen vorbeigegangen ist, sei gesagt, dass sie
irren. Denn nicht erst seit aus dem Wrack der „Tricolor“ Öl
austritt, das an Belgiens und Hollands Strände treibt und
nicht erst seit der Ölteppich der „Prestige“ Frankreichs
Küste erreicht, müsste jedermann klar sein, dass die Bedro-
hung der Meere allgegenwärtig ist.
Umso mehr sollte gefragt werden, warum es eigentlich bis
jetzt im Schadensfalle kein abgestimmtes internationales
Vorgehen gibt, um Umweltrisiken zu minimieren. Tatsache
ist, dass europaweit noch erheblicher Koordinierungs- und
Optimierungsbedarf besteht, um die Seesicherheit zu erhö-
hen. Es muss vor allen Dingen präventiv gehandelt werden.

Leider ist es bisher so, dass erst dann eingegriffen wird,
wenn etwas geschehen ist. So wird zum Beispiel momentan
immer noch darüber gestritten, ob das „Prestige“-Unglück
nicht vermeidbar gewesen wäre oder seine Folgen zumin-
dest hätten gemindert werden können, wenn rechtzeitig ein
Notfallhafen bereitgestanden hätte.
Schiffsunglücke wie das der „Prestige“ können sich jeder-
zeit und mit schlimmen Folgen wiederholen, denn solange
alte Schiffe unter Billigflagge mit nicht hinreichend qualifi-
zierten Mannschaften auf Billiglohn-Niveau einerseits und
Defizite beim gemeinsamen Handeln der Staaten anderer-
seits erkennbar sind, werden diese Probleme viel zu lange
ignoriert. Ich möchte im Übrigen daran erinnern, dass der
Europarat bereits nach der Havarie der „Erika“ eine Resolu-
tion mit vielen Handelsvorschlägen verabschiedet hat. Ich
erinnere an die Havarie des Holzfrachters „Pallas“ und die
der „Baltic Carrier“ in der Kadettrinne. Wir haben in
Deutschland nach diesen Vorfällen ein deutlich verbessertes
Notfall- und Sicherheitskonzept und vor allem ein effektive-
res Havarie-Management mit einem gemeinsamen Havarie-
Kommando auf den Weg gebracht, dessen praktische Erfah-
rungen auch andere europäische Staaten beim Aufbau ihrer
Notfallkapazitäten in Zukunft nutzen sollten.
An dieser Stellemöchte ich aber auch an die Debatte zumZu-
stand der Ostsee erinnern, denn gerade die Ostsee ist ein zu-
nehmend gefährdetes Gewässer, das sich durch seinen Bin-
nenmeer-Charakter imHavariefalle kaum selber helfen kann.
Die Kadettrinne ist, wie der Ärmelkanal, einer der gefähr-
lichsten und meist befahrenen Schifffahrtswege, dessen Ver-
kehr zunimmt, seit Sankt Petersburg als Ölhafen Russlands
immer mehr Tanker hindurch leitet. Greenpeace hat die
Kadettrinne vier Wochen lang überwacht und festgestellt,
dass in dieserZeitspannevierundzwanzig schrottreifeTanker,
das heißt über zwanzig Jahre alte Einhüllentanker, gesichtet
worden sind.Darunterwaren auch drei Schwesternschiffe der
„Prestige“, die ja bereits in solch einem Zustand war, dass sie
jederzeit und überall hätte sinken können.Das zeigt, wie stark
die Gefährdungen sind; und es sind noch fast 3 500 schwim-
mende Schrottkisten weltweit unterwegs. Es ist höchste Zeit,
sie eher heute als morgen außer Dienst zu stellen. Deshalb
sind auch die Beschlüsse der EU-Kommission, die ja immer-
hinnocheineLebenszeit bis zumJahre2009vorsehen, nur ein
ganz kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Ich muss zum Schluss kommen, aber ich möchte, dass wir
noch einmal ganz kurz innehalten und daran denken, was
das Meer uns bedeutet, wie es von Generation zu Genera-
tion den Menschen Arbeit und Brot gibt, wie es Völker und
Kulturen geprägt und große Seefahrernationen hervorge-
bracht hat und wie wir damit umgehen. Auf der Fahrt nach
Straßburg habe ich im Autoradio einen Song gehört, in dem
es heißt: „Wir brauchen das Meer, das Meer braucht uns
nicht.“ Ich sage, das Meer braucht uns, damit es uns erhal-
ten bleibt.
Abg. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Die Katastrophe in der Folge der Havarie der „Prestige“
macht schmerzhaft deutlich, dass die internationalen See-
sicherheitsstandards ausgebaut und strikter umgesetzt
werden müssen. Die strikte Anwendung des Verursacher-
prinzips, eine konsequente Verankerung von Vorsorgege-
sichtspunkten und eine Verstärkung des Haftungsrechts, das
sich an der tatsächlichen Schadenssumme orientieren muss:

Drucksache 15/857 – 30 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

dies müssen die Kernprinzipien der Politik auf internationa-
ler, nationaler und regionaler Ebene sein.
Die rechtlichen Regelungen müssen so verschärft werden,
dass sie tatsächlich eine abschreckende Wirkung entfalten.
Deshalb begrüßen wir die weltweite Erhöhung der Entschä-
digungssummen bei Unfällen mit Öltankschiffen um etwa
50 Prozent als richtigen Schritt. Allerdings reicht dieser
Schritt nicht aus, um die Schäden in Milliardenhöhe, wie
jetzt beim Untergang der „Prestige“, tatsächlich den Verur-
sachern anzulasten. Die Situation, dass die Steuerzahler im-
mer noch das Gros der Schäden bezahlen, ist unerträglich.
Besonders gefährlich spitzt sich die Situation in der Ostsee
zu. Der Ausbau der russischen Ölhäfen in der Ostsee wird
zu einer weiteren Steigerung der Tankerschifffahrt führen,
während die Sicherheitsvorkehrungen immer noch zu wün-
schen übrig lassen. Leider gelten die EU-Beschlüsse für
doppelwandige Tanker nicht für Russland. Ein Verbot ein-
wandiger Tankschiffe für die gesamte Ostsee muss aber in
Verhandlungen mit allen Ostseeanrainern schnellstmöglich
umgesetzt werden. Gleiches gilt für die Lotsenpflicht in der
Kadettrinne, für eine verstärkte Sicherheitskontrolle der
Schiffe in den Häfen und den raschen Ausbau von Not-
häfen.
Das Thema Seesicherheit muss auf der Tagesordnung des
Europarates bleiben, auch gerade dann, wenn es keine aktu-
ellen Katastrophen gibt. So könnte der Europarat eine posi-
tive Funktion bei der Entwicklung eines internationalen Ab-
kommens zur Wrackbeseitigung übernehmen.
Für den Bereich der Vorsorge gilt aber auch: nur wenn es
gelingt, die Energiepolitik in andere Bahnen zu lenken und
so die Abhängigkeit vom Öl und von Öltransporten zu
beenden, werden wir einen umfassenden internationalen
Meeresschutz erreichen können.

En t s c h l i e ß u n g 1317 (2003)*
betr. Meeresverschmutzung

(Drucksache 9684)
1. Drei Jahre nach dem Unfall der Erika und seinen

schwerwiegenden Auswirkungen auf die Umwelt ist
der Tanker Prestige vor der Küste Galiziens (Spanien)
mit einer Ladung von 77 000 Tonnen Schweröl gesun-
ken, was zu einer gravierenden Verschmutzung des
Meeres und der Küsten geführt hat.

2. Der Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und kom-
munale und regionale Angelegenheiten, dessen Delega-
tion am 17. und 18. Januar 2003 Galizien besuchte und
eine unmittelbare Einschätzung der Lage in der Region,
die am meisten von den Auswirkungen des Untergangs
der Prestige betroffen war, vornahm, hat mit Entsetzen
das Ausmaß der Schäden auf die Umwelt und die sozio-
ökonomische Lage festgestellt.

3. Die Versammlung bringt ihre Solidarität mit den am
meisten betroffenen Regionen in Spanien und in Frank-
reich zum Ausdruck und hofft, dass die internationale
Zusammenarbeit in Bezug auf die Umwelt in Zukunft
fortgesetzt und vertieft werden wird.

4. Kurz danach ereigneten sich weitere Tankerunfälle in
der Nordsee und im Mittelmeer, die sicherlich nicht we-
niger tragisch und unannehmbar waren, jedoch weniger
weitreichende Auswirkungen auf die Umwelt hatten.

5. Die Versammlung hält es für nicht länger hinnehmbar,
nur Bedauern über solche Unfälle zum Ausdruck zu
bringen, und ist der Auffassung, dass es vielmehr uner-
lässlich für Staaten und die internationale Gemeinschaft
ist, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, damit das
Risiko derartiger Unfälle und ihrer Konsequenzen auf
ein Minimum reduziert werden kann. Aus diesem
Grunde betont sie, dass eindeutige Regelungen beste-
hen und angewandt werden müssen und dass neue Re-
gelungen erarbeitet werden müssen, falls dies erforder-
lich ist.

6. Die Versammlung verweist darauf, dass sie bereits kon-
krete Handlungsvorschläge vorgelegt hat, insbesondere
nach dem Unfall der Erika, und zwar in ihrer Entschlie-
ßung 1229 (2000) über Unfälle, die Umweltschäden
verursachen, und in ihrer Entschließung 1295 (2002)
über den Umweltzustand der Ostsee.

7. Die Versammlung fordert die Regierungen der Mit-
gliedstaaten des Europarates auf, unverzüglich die von
ihr selbst, der Europäischen Union und vielen einschlä-
gigen internationalen Organisationen befürworteten
Maßnahmen umzusetzen, um die Sicherheit von Trans-
porten auf See zu verbessern und jegliche Meeres-
verschmutzung radikal zu verringern.

8. Sie betont insbesondere die Notwendigkeit, in allerers-
ter Linie:
i. die Verschrottung potenziell gefährlicher einwan-

diger Schiffe zu beschleunigen;
ii. Meeresstraßen, deren Enge eine Schiffskollision

begünstigt, wo immer es möglich ist, zu erweitern
und gleichzeitig sicherzustellen, dass dies den Zu-
gang von Fischerbooten zur Fischerei nicht beein-
trächtigt und dass die Kontrolle des Schiffsver-
kehrs stringenter gestaltet wird;

iii. eine angemessene Zahl von Auffangeinrichtungen
festzulegen (Häfen oder Buchten), und die zustän-
digen Staaten zu ermutigen, den Zugang zu ihnen
zu gestatten, damit in Not geratende Schiffe
schnell dort Schutz suchen können, um die Risiken
einer Verschmutzung einzudämmen;

iv. bestehende Häfen mit Infrastrukturen für die Auf-
nahme von Schiffen in Not und mit angemessenen
Auffangmöglichkeiten für diese Schiffe auszustat-
ten und die zuständigen Behörden zu verpflichten,
die Schiffe jederzeit aufzunehmen;

v. ein Verfahren für Schiffe in Seenot festzulegen, das
von den zuständigen Behörden zu befolgen ist;

vi. eindeutig die jeweilige/oder gemeinsame Haftung
durch alle beteiligten Seiten festzulegen – sowohl

* Debatte der Versammlung am 30. Januar 2003 (7. Sitzung). Siehe
Dok. 9684, Bericht des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft und
kommunale und regionale Angelegenheiten (Berichterstatter: Herr
Goulet). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 30. Januar
2003 (7. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/857

für Schiffseigner, Ausstatter oder Charterunterneh-
men, Klassifizierungsgesellschaften und Versiche-
rer, Mannschaft, betroffene Behörden, usw.;

vii. Feststellungs- und Überwachungsverfahren anzu-
wenden, die es ermöglichen, Schadstoffe und Ver-
ursacher festzustellen und schwere Strafen zu ver-
hängen für diejenigen, die verantwortlich sind für
Fälle einer absichtlichen Verschmutzung durch
Kohlenwasserstoffe infolge einer Emission gasför-
miger Schadstoffe oder der Einleitung von Abfäl-
len und Lagerrückständen;

viii. ein einheitliches Verfahren für die Überwachung
der langfristigen Umweltfolgen durch schwer ab-
baubare und giftige Schadstoffe und zur Minimie-
rung der sich ergebenden Risiken und Schäden
festzulegen;

ix. sicherzustellen, dass die EU-Agentur für Meeres-
sicherheit ordnungsgemäß arbeiten kann, indem sie
die erforderlichen Mittel für eine volle Funktions-
fähigkeit erhält;

x. dafür zu sorgen, dass das VN-Seerechtsüberein-
kommen dahingehend geändert wird, dass es Küs-
tenstaaten einen besseren Schutz vor Risiken bietet
im Zusammenhang mit dem Transit gefährlicher
Schiffstransporte, insbesondere indem diese weiter
von der Küste entfernt durchgeführt werden;

xi. dafür Sorge zu tragen, dass alle auf europäischer
Ebene ergriffenen Maßnahmen von der Interna-
tionalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) unter-
stützt werden, damit sie in die von dieser Organi-
sation festgelegten internationalen Regelungen
aufgenommen werden.

9. Die Versammlung fordert die Regierungen und nationa-
len Parlamente der Mitgliedstaaten, die das Überein-
kommen zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht
(ETS Nr. 172, 1998) noch nicht unterzeichnet und rati-
fiziert haben, auf, dies zu tun.

10. Die Versammlung verpflichtet sich, sich weiter mit die-
sem Thema zu befassen, in Verbindung mit Verfahren
und Maßnahmen, die sie entwickeln könnte, um die
Umsetzung einer noch sicheren und wirksamen europä-
ischen Schifffahrtspolitik zu unterstützen und den euro-
päischen und internationalen Organisationen, die sich
für dieses Ziel einsetzen, ihre uneingeschränkte Unter-
stützung zukommen zu lassen.

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Globalisierung und nachhaltige Entwicklung

(Drucksache 9660)
Berichterstatter:

Abg. Bill Etherington (Vereinigtes Königreich)
in verbundener Debatte mit

Folgemaßnahmen zum Weltgipfel
für nachhaltige Entwicklung:

Eine gemeinsame Herausforderung
(Drucksache 9659)

Berichterstatter:
Abg. Alan Meale (Vereinigtes Königreich)

(Themen: die Auswirkungen der Globalisierung auf alle As-
pekte des gesellschaftlichen Lebens – die damit verbunde-
nen Herausforderungen für die Gesellschaft – Möglichkei-
ten für die Politik, negativen Auswirkungen zu begegnen –
das Konzept der nachhaltigen menschlichen Entwicklung
als Beitrag zur Demokratisierung der Wirtschaft – soziale
Verantwortlichkeit und sozialer Zusammenhalt und soziale
Gerechtigkeit – neue Formen der politischen Beteiligung –
eine ausgeglichene Entwicklungspolitik in den Bereichen
Wirtschaft, Soziales und Umwelt – Bekämpfung der Armut
und Zugang zu Wasser als Hauptziele eines erneuerten
Nord-Süd-Dialogs – die Perspektiven für die Umsetzung der
beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannes-
burg gefassten Beschlüsse)

En t s c h l i e ß u n g 1318 (2003)*
betr. Globalisierung und nachhaltige Entwicklung

(Drucksache 9660)
1. Die Globalisierung und ihre Auswirkungen haben welt-

weit Ängste darüber ausgelöst, in welche Richtung sich
die Gesellschaft entwickelt. Wurde die Globalisierung
anfangs als ein Phänomen der Wirtschaft gesehen, das
mit der Entstehung, Ausweitung und Konsolidierung
des globalen Marktes zu tun hatte, steht sie nun in Ver-
bindung mit Bereichen, die früher nur eine geringe Be-
deutung für die wirtschaftliche Entwicklung zu haben
schienen.

2. Heute können wir sagen, dass Globalisierung die welt-
weite Ausweitung, Vertiefung und Beschleunigung
wechselseitiger Verbindungen zwischen allen Aspekten
des Zusammenlebens abdeckt, von Kultur bis Krimina-
lität, von Finanzen bis zur Religion. Die Welt verwan-
delt sich in einen einzigen sozialen Raum, der von
komplexen wirtschaftlichen und technologischen Kräf-
ten gestaltet wird.

3. Für die Gesellschaft sind neue Probleme und Heraus-
forderungen entstanden. Ereignisse, die in einem Teil
der Welt stattfinden und Beschlüsse und Maßnahmen,
die dort eingeleitet werden, können erhebliche Auswir-
kungen auf das Leben Einzelner oder von Gemein-
schaften in anderen Teilen der Welt haben. Die Auswir-
kungen dieser Veränderungen sind so immens, dass
Regierungen und Einzelpersonen wenig tun können,
um sich mit ihnen auseinander zu setzen oder sich ih-
nen zu widersetzen.

4. Vier Haupttrends kennzeichnen die Globalisierung: er-
höhter Waren- und Personenverkehr, Ausweitung und
Diversifizierung finanzieller Aktivitäten, Ausbau von
Kommunikation, Netzwerken, Wissen und Beziehun-
gen, wachsende Ungleichheiten, auch wenn gleichzei-
tig anerkannt werden muss, dass der allgemeine Wohl-

* Debatte der Versammlung am 30. Januar 2003 (7. Sitzung). Siehe
Dok. 9660, Bericht des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft und
kommunale und regionale Angelegenheiten (Berichterstatter: Herr
Etherington). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
30. Januar 2003 (7. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 32 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

stand infolge der Globalisierung und des damit
verbundenen offeneren Handels enorm zugenommen
hat – sowohl weltweit und für viele sich rasch entwi-
ckelnde Staaten wie China und Indien als auch in den
Übergangsstaaten in Mittel- und Osteuropa.

5. Auch wenn sie diese positiven Entwicklungen aner-
kennt, ist die Versammlung doch besorgt über die in
manchen Fällen wachsenden Ungleichheiten zwischen
entwickelten und anderen Gesellschaften und innerhalb
der Gesellschaften selbst, die zu sozialen Schichtungen
zwischen Arm und Reich in Ländern mit schlechter Re-
gierungsführung führen.

6. Die Versammlung bedauert es, dass die Reaktion auf
die Globalisierung und der Widerstand gegen sie, sich
manchmal in gewalttätigen Ausbrüchen entladen, die
erheblichen Sach- und Personenschaden verursachen,
und verurteilt solche Aktionen nachdrücklich. Die Ver-
sammlung verweist in diesem Zusammenhang auf ihre
Entschließung 1269 (2002) betr. den Umgang mit der
Globalisierung: die Rolle der WTO in der Weltwirt-
schaft, „in der sie die Gewalt in allen ihren Formen ver-
urteilt und der Ansicht ist, dass das Recht auf friedliche
Vereinigung, wie es in der Europäischen Konvention
zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten
verankert ist, unantastbar ist und auch von den Globali-
sierungsgegnern vollen Respekt erfordert.“

7. Die Versammlung ist überzeugt, dass die Weltordnung
nicht auf eine von rein finanziellen Überlegungen gelei-
tete Wirtschaftsordnung gegründet sein sollte, in der le-
bende Organismen patentiert und Schadstoffemissions-
rechte verkauft und gekauft werden können und
zwischenmenschliche Beziehungen sich primär auf das
Prinzip des Freihandels stützen. Die Welt braucht eine
alternative Definition dessen, was Wohlstand ist und
wie er gemessen werden soll, sie braucht vorrangig eine
nachhaltige menschliche Entwicklung.

8. Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung stand erst-
mals beim „Erdgipfel“ von Rio im Jahr 1992 im Vor-
dergrund; von hier aus nahm der Begriff der nachhalti-
gen Entwicklung seine Verbreitung und förderte ein
stärkeres Bewußtsein für die schwerwiegenden Um-
weltprobleme und internationalen Ungleichheiten. Die-
ser Gipfel war eine entscheidende Etappe, indem er die
Existenz von Herausforderungen und Problemen aner-
kannte, die den ganzen Planeten und die ganze Mensch-
heit betreffen, und er versuchte, Bereiche zu identifizie-
ren, in denen eine gemeinsame Verantwortung fest-
gestellt werden konnte. Er hat somit den Kreis der welt-
weiten Probleme erheblich erweitert und schloss nun
Themen wie Umwelt, Gesundheit, Handel und Armut
mit ein. Ebenfalls hervorgehoben wurden die Bezie-
hungen zwischen Globalisierung, weltweiten Risiken
und gemeinsamen Zuständigkeiten, was die Notwen-
digkeit für ein gemeinsames Handeln durch die Staa-
tengemeinschaft schuf.

9. In den letzten Jahren sind jedoch zwei gegenläufige
Tendenzen entstanden, wobei beide gleichermaßen res-
triktiv in ihrem Verständnis des Konzepts einer nach-
haltigen Entwicklung sind: für die einen ist sie Gegen-
stand eines wirtschaftlichen Übergewichts geworden
und wird oftmals als Rechtfertigung benutzt für schnel-

leres Wachstum mit der Begründung, dies helfe bei der
Verringerung der Armut und führe zu ökologischer Sta-
bilität mit dem gleichzeitigen Ziel der Förderung einer
Öffnung der Märkte, einer finanziellen Deregulierung,
Privatisierung natürlicher Ressourcen und Biopiraterie.
Von den anderen erfährt sie eine Art grober ökologi-
scher Vereinfachung, bei der das Konzept auf ökologi-
sche Nachhaltigkeit reduziert wird.

10. Diesen Trends muss immer eine Form der nachhaltigen
Entwicklung gegenübergestellt werden, in deren Zen-
trum der Mensch steht und die umfassender und radika-
ler ist.

11. Eine nachhaltige menschliche Entwicklung kann defi-
niert werden als die Fähigkeit aller menschlichen Ge-
meinschaften, auch der ärmsten, ihre Grundbedürfnisse
zu befriedigen – die nach Unterkunft, Trinkwasser,
Nahrung, zufriedenstellender Gesundheit und Hygiene,
nach Mitwirkung in Entscheidungsprozessen, sozialem
Zusammenhalt, kulturellem und spirituellem Ausdruck
usw. Aus diesem Grund müssen Technologien und Le-
bensstile an die sozioökonomischen und ökologischen
Potenziale einer jeden Region angepasst werden, unter
Einbeziehung der Kosten und durch Schaffung von
Systemen, die mit der Biosphäre im Einklang stehen.

12. Ein solcher Ansatz verwandelt die nachhaltige Ent-
wicklung in einen vielschichtigen Prozess. Er versucht,
ein Gleichgewicht zu finden zwischen Umwelt, Wirt-
schaft und Gesellschaft, während er gleichzeitig politi-
sche (Mitwirkung und Demokratisierung), ethische
(Verantwortung, Solidarität, soziale Gerechtigkeit und
Auskommen) und kulturelle (lokale Vielfalt und künst-
lerischer Ausdruck) Überlegungen berücksichtigt.

13. Eine nachhaltige menschliche Entwicklung erfordert
ebenfalls eine grundsätzliche Neubewertung unserer
Grundsätze und Lebensstile und der Art und Weise, wie
unsere Gesellschaften funktionieren, insbesondere in
Bezug auf Produktion und Konsum. Das beinhaltet er-
hebliche Veränderungen bei unseren Einstellungen und
bei unserem Verhalten, um zu der Erkenntnis zu gelan-
gen, dass ein Leben in einem gemeinsamen Umfeld, die
Verantwortung des Einzelnen für sein Handeln, das Er-
kennen langfristiger Perspektiven und Partnerschaften
zwischen Akteuren verschiedener Regionen der Welt,
einschließlich Regierungen, internationaler Institutio-
nen, der Geschäftswelt und der Zivilgesellschaft, Vor-
rang vor materiellen Faktoren haben soll.

14. Die Versammlung ist der Auffassung, dass die kürzliche
Entwicklung der „solidarischen Wirtschaft“ ein lehrrei-
ches Beispiel für ein neues Entwicklungsmodell und
eine neue Form der Wirtschaftsaktivitäten darstellt. Sie
umfaßt alle Aspekte der Herstellung, des Vertriebs und
des Verbrauchs, die dazu beitragen, die Wirtschaft zu
demokratisieren, gestützt auf die bürgerschaftliche Ver-
pflichtung gegenüber einer größeren sozialen Verant-
wortung, eines Zusammenhaltes und der Gerechtigkeit.

15. Die Versammlung nimmt die wachsende Rolle des dua-
len Delegierens (an diejenigen, die über Fachkenntnisse
verfügen und an gewählte Vertreter) und die dadurch
bedingte Professionalisierung der Politik zur Kenntnis.
Partizipatorische Demokratie erfordert eine stärkere

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33 – Drucksache 15/857

Verantwortung der „Nähe“ und ein breiteres Mitwirken
der Bevölkerung an der Entscheidungsfindung. Dies
könnte durch entsprechende Gremien gefördert werden,
die in einigen Ländern eingerichtet wurden, beispiels-
weise Bürgerausschüsse, Bürgerforen oder „Konsens-
Konferenzen“.

16. Die Versammlung erkennt an, dass es, um die Heraus-
forderungen der Globalisierung zu bewältigen, einer
Weltordnungspolitik bedarf, die fähig ist, die Komplexi-
tät und wechselseitige Abhängigkeit der zu behandeln-
den Themen zu erkennen, und die danach strebt, diese im
Rahmen eines umfassenden Ansatzes unter Beteiligung
allerMitwirkenden zu behandeln. Sie sollte einAufgebot
an Repräsentationssystemen, Institutionen, Verfahren,
sozialen Gremien und Informationssystemen umfassen,
die die menschlichen Gemeinschaften in die Lage ver-
setzenwürden, ihre unterschiedlichen Formen der wech-
selseitigen Abhängigkeit und ihre friedliche und nach-
haltige Integration in die Biosphäre zu gestalten.

17. Die Versammlung hält es für notwendig, dass die Um-
welt den Kern der Debatte über eine Erneuerung der
weltweiten Ordnungspolitik bilden sollte. Multilaterale
Vereinbarungen haben heute geringe Auswirkungen; sie
sind sehr unterschiedlich und decken bestimmte Berei-
che ab. Die Kodifizierung dieser Vereinbarungen würde
die Formulierung grundlegender Regelungen hinsicht-
lich einer nachhaltigen Entwicklung fördern und würde
diese Regelungen leichter zugänglich machen sowohl
hinsichtlich des Verständnisses als auch hinsichtlich der
Verabschiedung und der wirksamen Umsetzung. Um-
weltthemen sollten automatisch aus einer globalen Per-
spektive heraus behandelt werden, und ihre Lösung
sollte viele Partner und Länder umfassen. In diesem Zu-
sammenhang sollte die Einrichtung einer einzigen inter-
nationalen Umweltinstitution ins Auge gefasst werden
– diese beim Johannesburg-Gipfel formulierte, aber
nicht aufrechterhaltene Idee – die die Aufgabe hätte, die
Umsetzung der internationalen Protokolle und ihre
Kohärenz zu überwachen, zusammen mit dem zukünfti-
genMandat einer solchen Institution imHinblick auf die
Vorbereitung der Kodifizierung bestehender multilate-
raler Instrumente, um auf diese Weise die Formulierung
grundlegender Regelungen für eine nachhaltige Ent-
wicklung zu fördern und diese zugänglicher zu machen.

18. Die Versammlung ist der Überzeugung, dass eine nach-
haltige menschliche Entwicklung zu einer Form der so-
zialen Organisation führen kann, die allen wirkliche
Wahlfreiheit zwischen alternativen Formen des Kon-
sums, der Arbeit, des Sparens und der Nutzung von
Zeit bieten könnte, wobei alle Formen im Einklang mit
ihrem menschlichen und ökologischen Umfeld stehen.

19. Sie vertritt ebenfalls die Auffassung, dass eine Anpas-
sung der Weltwirtschaft mit dem Ziel, sie sozial, ökolo-
gisch und wirtschaftlich nachhaltig zu gestalten, die
größte Investitionschance in der Geschichte der
Menschheit darstellt.

20. Im Lichte dieser Aspekte empfiehlt die Versammlung
den Mitgliedstaaten:
a. den Menschen in den Mittelpunkt jeder Entwick-

lungspolitik zu stellen;

b. sozioökonomische Politiken umzusetzen, die im
Einklang stehen mit dem Leben und dem Wohlbe-
finden, d. h. ein System, welches schrittweise die
letztlich widersinnigen Auswirkungen von Sub-
ventionen abbaut und ein Besteuerungssystem ein-
führt, das soziale und ökologische Werte wider-
spiegelt;

c. neue Produktions- und Konsummuster zu fördern,
wie sie der Gipfel von Johannesburg definiert hat,
die dazu beitragen würden, die Wirtschaft weiter
zu demokratisieren, u. a. auf der Grundlage einer
stärkeren bürgerschaftlichen Verpflichtung zu stär-
kerer sozialer Verantwortung, Zusammenhalt und
Gerechtigkeit;

d. den internationalen Handel so zu unterstützen, dass
er im Einklang steht mit den erforderlichen Verän-
derungen und unter Berücksichtigung der Notwen-
digkeit, die Kluft zwischen Arm und Reich in der
ganzen Welt zu schließen;

e. sicherzustellen, dass sowohl in der Politik als auch
bei der Gesetzgebung die Dominanz des Handels-
rechts vor dem Umweltrecht ersetzt wird durch
eine gleichberechtigte Stellung, insbesondere
durch die Einrichtung von Schlichtungsverfahren
für Streitfälle, die sowohl umweltrelevante als
auch wirtschaftliche Komponenten enthalten; den
politischen Willen zu bekräftigen, Umweltvor-
schriften durchzusetzen, insbesondere gegen wirt-
schaftliche Interessen;

f. insbesondere in Koordinierung mit dem Minister-
komitee Maßnahmen im Hinblick auf die Kodifi-
zierung bestehender internationaler Rechtsinstru-
mente einzuleiten, zu unterstützen und hierbei
zusammenzuarbeiten, um einen zugänglichen Text
zu schaffen, der grundlegende weltweit anwend-
bare Regelungen enthält;

g. den auf dem Johannesburg-Gipfel formulierten
Vorschlag zu unterstützen in Bezug auf die Ein-
richtung einer einzigen internationalen Umwelt-
institution innerhalb der Strukturen der Vereinten
Nationen;

h. sich zu verpflichten, kulturelle und linguistische
Vielfalt als einen entscheidenden Faktor bei einer
nachhaltigen menschlichen Entwicklung zu unter-
stützen und zu fördern und sicherzustellen, dass
auf dem Wege über ein internationales Rechts-
instrument das kulturelle Eigentum bei multilate-
ralen Handelsabkommen nicht ausschließlich als
Ware behandelt wird;

i. neue Formen der Partizipation in der Zivilgesell-
schaft zu fördern, indem sowohl Staatsbürger als
auch Nichtstaatsbürger in die Politikgestaltung ein-
gebunden werden, und einen Dialog auf nationaler
und regionaler Ebene und innerhalb der Gemein-
schaften zu fördern;

j. die Mitwirkung der Gegner der Globalisierung an
der Politikgestaltung auf friedlichem Wege zu för-
dern, um sich so zu bemühen, der Gewalt, zu der

Drucksache 15/857 – 34 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

einige Proteste gegen die Globalisierung geführt
haben, entgegenzuwirken;

k. eine Weltordnungspolitik zu fördern, die es den
menschlichen Gemeinschaften ermöglichen würde,
ihre unterschiedlichen Formen der wechselseitigen
Abhängigkeit und ihre friedliche und nachhaltige
Integration in die Biosphäre zu bewerkstelligen;

l. globale Bildung zu fördern durch verstärkte Sensi-
bilisierung der Öffentlichkeit für eine nachhaltige
Entwicklung unter Berücksichtigung der Tatsache,
das weltweite Bildung von grundlegender Bedeu-
tung für alle Bürger ist, um das Wissen und die
Kenntnisse zu erwerben, damit sie sich an unserer
globalen Gesellschaft als mündige Weltbürger be-
teiligen und sich kritisch mit ihr auseinander setzen
können.

En t s c h l i e ß u n g 1319 (2003)*
betr. Folgemaßnahmen zum Weltgipfel

für nachhaltige Entwicklung:
Eine gemeinsame Herausforderung

(Drucksache 9659)
1. Zehn Jahre nach dem Gipfel von Rio trafen die Staats-

und Regierungschefs der Staaten der Welt vom 26. Au-
gust bis 4. September 2002 in Johannesburg zusammen,
um einen Plan für die praktische Durchführung der vor
zehn Jahren festgelegten, aber noch umzusetzenden
Maßnahmen zu erarbeiten.

2. Der Gipfel wies erneut auf die drei Stränge der nachhal-
tigen Entwicklung (sozial, wirtschaftlich, umweltrele-
vant) hin und bekräftigte die Entschlossenheit, extreme
Armut, soziale Ausgrenzung und die Zerstörung der na-
türlichen Ressourcen unseres Planeten zu bekämpfen.

3. Die Versammlung stellte fest, dass hinsichtlich der Er-
gebnisse der Gipfel von Johannesburg gegenüber dem
Gipfel von Rio etwas besser dasteht. Dieser Fortschritt
ist zurückzuführen auf einen stärkeren politischen Wil-
len und wahrscheinlich die größere Präsenz wirtschaft-
licher Akteure, mit denen die Regierenden und die
Zivilgesellschaft auf spezielle Ziele ausgerichtete Part-
nerschaftsmaßnahmen zementierten.

4. Dessen ungeachtet hält die Versammlung den Aktions-
plan für kraftlos und für immer noch ziemlich enttäu-
schend in Bezug auf bestimmte Themen wie Energie,
Artenvielfalt, Regulierung der Weltmärkte und Verän-
derungen bei den Herstellungs- und Verbrauchsmus-
tern.

5. Die schlechte Beurteilung eines solchen Gipfels traf auf
eine nachdrückliche Mißbilligung eines großen Teils
der Staatengemeinschaft, wobei einige soweit gingen,
dass sie die multilaterale Zusammenarbeit infrage ge-
stellt sahen.

6. Die Versammlung bedauert es zwar, dass die Ergeb-
nisse des Johannesburg-Gipfels nicht schlüssiger sind,
sie ist aber trotzdem überzeugt von der Nützlichkeit
eines Prozesses, der es ermöglicht hat, sinnvolle Über-
legungen anzustrengen und damit sicherzustellen, dass
Themen ins Blickfeld gerückt werden, die ansonsten
vernachlässigt werden.

7. Leider muss man sich der Tatsache stellen, dass einige
der bei diesem Treffen eingegangenen Verpflichtungen
umsonst sein mögen. Die Versammlung vertritt daher
die Auffassung, dass es unerlässlich ist, dass alle betei-
ligten Parteien alles in ihrer Macht Stehende tun, um si-
cherzustellen, dass den Absichtserklärungen konkrete
Schritte folgen.

8. In diesem Zusammenhang bedauert es die Versamm-
lung, dass die Vereinigten Staaten sich aus dem Kyoto-
Prozess zurückgezogen haben und dass Russland, nach-
dem es auf dem Gipfel die baldige Ratifizierung des
Kyoto-Protokolls angekündigt hatte, noch nicht bereit
zu sein scheint, diese Entscheidung zu treffen und da-
mit das In-Kraft-Treten des Protokolls behindert.

9. Hier können parlamentarische Maßnahmen einen nütz-
lichen Beitrag leisten. Nationale Parlamente ebenso wie
Gremien der interparlamentarischen Zusammenarbeit
wie die Parlamentarische Versammlung können eine
Rolle dabei spielen, die vereinbarten Ziele zu erreichen,
sowohl durch ihre gesetzgeberischen Maßnahmen und
dem Druck, den sie auf ihre Regierungen ausüben als
auch als gewählte Vertreter der Zivilgesellschaft.

10. In diesem Zusammenhang begrüßt die Versammlung
insbesondere die Zusammenarbeit, die anlässlich der
letzten Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkon-
vention mit dem Europäischen Parlament aufgebaut
wurde.

11. Sie stellte ebenfalls mit Genugtuung fest, dass beim
Johannesburg-Gipfel ein interparlamentarischer runder
Tisch mit dem Europäischen Parlament veranstaltet
wurde mit dem Ziel, einen möglichen parlamentari-
schen Beitrag zum Prozess festzulegen.

12. Die Versammlung teilt ferner das Anliegen der in
Johannesburg anwesenden Parlamentarier, dass parla-
mentarische Gremien stärker in diese Verhandlungen
und in die Folgemaßnahmen zu diesen Beschlüssen ein-
gebunden werden sollten. Sie besteht daher darauf, dass
die neuen Vereinbarungen einer stärkeren parlamentari-
schen Kontrolle unterliegen und Parlamentarier in stär-
kerem Maße in die Aktivitäten zur Umsetzung dieser
Beschlüsse eingebunden werden.

13. Folglich bekundet sie ihr großes Interesse an dem zum
Abschluss des runden Tisches vorgebrachten Vorschlag,
die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, Vereinbarungen
zu treffen hinsichtlich einer parlamentarischen Über-
wachung der in Bezug auf die Umwelt eingegangenen
Verpflichtungen, insbesondere des Kyoto-Protokolls.

14. Die Parlamentarische Versammlung, im Lichte der vor-
genannten Erwägungen,
a. beschließt, die Zusammenarbeit mit dem Europä-

ischen Parlament in diesem Bereich fortzuführen
und auszubauen mit dem Ziel, Mittel und Wege

* Debatte der Versammlung am 30. Januar 2003 (7. Sitzung). Siehe
Dok. 9659, Bericht des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft und
kommunale und regionale Angelegenheiten (Berichterstatter: Herr
Meale). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 30. Januar
2003 (7. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 35 – Drucksache 15/857

sicherzustellen für eine Überwachung durch beide
Versammlungen der in Bezug auf die Umwelt ein-
gegangenen Verpflichtungen, insbesondere der des
Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung und des
Kyoto-Protokolls;

b. befürwortet und unterstützt ihr gemeinsames Vor-
gehen mit dem Europäischen Parlament gegenüber
der Duma im Hinblick auf eine zügige Ratifizie-
rung des Kyoto-Protokolls durch Russland;

c. vertritt in diesem Sinne die Auffassung, dass An-
strengungen unternommen werden sollten, um die
Vereinigten Staaten und andere Länder, die bislang
Widerstand gegenüber dem Kyoto-Protokoll zum
Ausdruck gebracht haben, dazu zu bewegen, ihre
Haltung zu überdenken;

d. fordert die nationalen Parlamente, die Interparla-
mentarische Union (IPU) und die Parlamentarische
Versammlung der Schwarzmeerkooperation (PAB-
SEC) auf, sich an den Anstrengungen, die sie und
das Europäische Parlament bei der nächsten Ver-
tragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention
unternehmen werden, zu beteiligen, ebenso wie an
der Überwachung der in Johannesburg eingegange-
nen Verpflichtungen;

e. ist ferner der Auffassung, dass die Umsetzung der
sozialen Rechte, insbesondere Anstrengungen zur
Bekämpfung der extremen Armut und der sozialen
Ausgrenzung eine der Prioritäten der Parlamentari-
schen Versammlung sein sollte bei der Beurteilung
der von den Mitgliedstaaten eingegangenen Ver-
pflichtungen im Rahmen des Überwachungsver-
fahrens.

Emp f e h l u n g 1 5 9 4 ( 2 0 0 3 ) *
betr. Folgemaßnahmen zum Weltgipfel

für nachhaltige Entwicklung:
Eine gemeinsame Herausforderung

(Drucksache 9659)
1. Im Jahr 1992 verabschiedete die in Rio de Janeiro ver-

anstaltete Konferenz für Umwelt und Entwicklung die
Erklärung von Rio, in der Umweltschutz und die so-
ziale und wirtschaftliche Entwicklung als wesentlich
für die Sicherstellung einer nachhaltigen Entwicklung
bezeichnet wurden. Ein Aktionsprogramm, die
„Agenda 21“, wurde festgelegt mit dem Ziel, diese
Entwicklung zu erreichen.

2. Zehn Jahre danach ist der Zustand unserer Erde noch
genau so beunruhigend, und die Resultate der in Rio er-
griffenen Maßnahmen sind enttäuschend. Die Vernich-
tung der Wälder und der Ausstoß von Treibhausgasen
schreiten fort, für eine Mehrheit ist der Zugang zu Was-
ser immer noch nicht sichergestellt, und die Erschöp-
fung der Ressourcen hält an. In Bezug auf die Entwick-

lung sieht die Lage kaum besser aus: Ungleichheiten
und bittere Not mehren sich. Darüber hinaus sind Um-
weltprobleme und nachhaltige Entwicklung weit davon
entfernt, in den politischen Aktionsprogrammen unse-
rer Regierungen an vorderster Stelle zu stehen.

3. Der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung (WSSD),
der vom 26. August bis zum 4. September 2002 in
Johannesburg stattfand, bekräftigte die zentrale Rolle
der nachhaltigen Entwicklung und hob die Notwendig-
keit eines globalen Handelns beim Kampf gegen Armut
und Ausbeutung natürlicher Ressourcen und beim akti-
ven Schutz der Umwelt hervor.

4. Aus diesem Grunde ist es zu begrüßen, dass es dem
Gipfel gelungen ist, die Bekämpfung der Umwelt-
zerstörung und die Ausrottung der Armut als ein duales
Ziel eng zu verknüpfen.

5. Die Versammlung stellt mit Zufriedenheit fest, dass der
Gipfel mit der Verabschiedung der vorhergesehenen
Texte schloss, nämlich mit einer politischen Erklärung
und einem konkreten Aktionsprogramm, in dem die
Prioritäten und die erforderlichen Maßnahmen für die
Umsetzung der Agenda 21 niedergelegt sind.

6. Ein weiterer Gewinn des Gipfels war es, dass er Regie-
rungen, Nichtregierungsorganisationen und Unterneh-
men in einem umfassenden Programm freiwilliger Part-
nerschaften zusammengeführt hat mit dem Ziel, die
nachhaltige Entwicklung auf lokaler, nationaler und in-
ternationaler Ebene zu fördern. An dieser Stelle muss
man den Nutzen dieser Partnerschaften hervorheben,
vorausgesetzt, dass sie nicht zum Schaden der unter-
privilegiertesten und schwächsten Bevölkerungen ge-
knüpft werden.

7. In Anbetracht der negativen Bewertung der Folgemaß-
nahmen zum Rio-Gipfel kann an dieser Stelle festge-
halten werden, dass die Ergebnisses von Johannesburg
die von Rio insofern übertreffen, als dass die Regierun-
gen in Johannesburg eine Reihe von Verpflichtungen
und konkreten Zielsetzungen für Maßnahmen beschlos-
sen, um die vereinbarten Ziele zu erreichen.

8. In diesem Zusammenhang betont und begrüßt die Ver-
sammlung insbesondere die Zielsetzungen, die darauf
ausgerichtet sind, die Zahl der in größter Armut leben-
den Menschen und derer, die keinen Zugang zu Wasser
und zu sanitären Anlagen haben, zu verringern.

9. Umgekehrt bedauert sie es, dass der Gipfel keine Ziele
für die Förderung von Formen erneuerbarer Energien
festlegte und dass, abgesehen vom Fischereiwesen, die
Beschlüsse in den Bereichen Artenvielfalt und natür-
liche Ressourcen eher zurückhaltend sind.

10. In Bezug auf das Kyoto-Protokoll ist es bedauerlich,
dass eine kleine, aber bedeutende Zahl von Mitglied-
staaten des Europarates den Schritt noch immer nicht
unternommen und das Instrument ratifiziert hat und so-
mit sein Inkrafttreten behindert.

11. Es muss darüber hinaus auch festgestellt werden, dass
der Johannesburg-Gipfel keine Fortschritte im Bereich
der institutionellen Reformen erzielt hat, die erforder-
lich sind für eine neue Weltordnung, die einerseits eine
Überprüfung der Rolle von Welthandelsorganisation

* Debatte der Versammlung am 30. Januar 2003 (7. Sitzung). Siehe
Dok. 9659, Bericht des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft und
kommunale und regionale Angelegenheiten (Berichterstatter: Herr
Meale). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 30. Januar
2003 (7. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 36 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

und Weltbank in der nachhaltige Entwicklung umfasst,
andererseits aber auch die Schaffung einer neuen welt-
weiten Umweltorganisation ins Auge fassen könnte.
Die Versammlung ist in der Tat überzeugt, dass eine
nachhaltige Entwicklung durch die Einführung neuer
Herstellungs- und Verbrauchsmuster erreicht werden
muss, die ein Umdenken in der internationalen Wirt-
schaftspolitik erfordern.

12. Was die politischen Entscheidungen von Johannesburg
betrifft, so muss man vor allem realisieren, dass sie
solange wirkungslos bleiben werden, wie sie nicht mit
der konkreten Umsetzung des Aktionsplans verkoppelt
werden, die wiederum in der kollektiven Verantwor-
tung aller Beteiligten liegt.

13. Daher sind die nationalen Parlamente und die multilate-
ralen interparlamentarischen Gremien wie die Parla-
mentarische Versammlung des Europarates verpflich-
tet, sowohl durch ihre gesetzgeberischen Maßnahmen
und den Druck, den sie auf die Regierungen ausüben
können, als auch als gewählte Vertreter der Zivilgesell-
schaft einen Beitrag zu leisten.

14. Die Versammlung erklärt ihre Verpflichtung gegenüber
dem Johannesburg-Prozess und begrüßt die Kontakte,
die die am Gipfel teilnehmenden Parlamentarier ge-
knüpft haben, insbesondere die in Zusammenarbeit mit
dem Europäischen Parlament ergriffene Initiative mit
dem Ziel, einen interparlamentarischen runden Tisch zu
veranstalten. Dadurch wurde es möglich festzustellen,
welcher Beitrag zum Prozess geleistet werden kann und
Vorschläge zu formulieren.

15. Die Versammlung ist vor allem überzeugt, dass es loh-
nend wäre, der Rolle der Parlamentarier bei zukünfti-
gen Verhandlungen und vergleichbaren Gipfeltreffen
im Allgemeinen größere Bedeutung zuzumessen. Wie
die meisten Parlamentarier, die in Johannesburg waren,
hatte auch sie das Gefühl, dass ihr Beitrag zum Vorbe-
reitungsprozess des WSSD nicht angemessen berück-
sichtigt wurde und dass diese Situation zukünftig geän-
dert werden muss. Sie fordert daher nachdrücklich, dass
die neuen Vereinbarungen einer stärkeren parlamentari-
schen Kontrolle unterliegen sollten und dass Parlamen-
tarier in stärkerem Maße in die Umsetzung der gefass-
ten Beschlüsse eingebunden werden.

16. Die Versammlung ihrerseits begrüßt den Vorschlag, den
ihre Vertreter und die des Europäischen Parlaments, die
in Johannesburg anwesend waren, formuliert haben und
der darauf abzielt, die Möglichkeit einer Vereinbarung
zur Überwachung der Verpflichtungen in Betracht zu
ziehen, die die Staaten im Rahmen bestimmter Um-
weltübereinkommen, insbesondere des Kyoto-Proto-
kolls und anderer Verpflichtungen, eingegangen sind.

17. Im Lichte der vorgenannten Erwägungen empfiehlt die
Versammlung dem Ministerkomitee:
a. den in Johannesburg gefassten Beschlüssen Rech-

nung zu tragen und sicherzustellen, dass das inter-
gouvernementale Arbeitsprogramm des Europa-
rates einen Beitrag zu ihrer Umsetzung leistet,
insbesondere in Bezug auf den sozialen Zusam-
menhalt und den Umweltschutz;

b. die Gründe zu nennen, weswegen die Euro-
päischen Übereinkommen über die zivilrechtliche
Haftung für Schäden durch Umwelt gefährdende
Tätigkeiten (Lugano, 1993) und über den Schutz
der Umwelt durch das Strafrecht (Straßburg, 1998)
noch nicht in Kraft getreten sind, und mögliche
Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, die die Mit-
gliedstaaten zur Ratifizierung dieser beiden Instru-
mente veranlassen könnten;

c. sicherzustellen, dass die nächste paneuropäische
Konferenz der Umweltminister (Kiew, 21.–23. Mai
2003), zu deren Vorbereitung der Europarat bei-
trägt, auch in den Kontext der Umsetzung des
Aktionsprogramms von Johannesburg gestellt wird
und dass der Beitrag, den der Europarat in diesem
Zusammenhang leisten kann, umfassend gewürdigt
wird;

d. die Regierungen der Mitgliedstaaten zu bitten, eine
Aufforderung an den Europarat zu richten in Bezug
auf die nach Johannesburg eingerichteten Partner-
schaften, insbesondere durch die Inanspruchnahme
der Projektmöglichkeiten, die die Entwicklungs-
bank des Europarates bietet.

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Ein Verhaltenskodex für Wahlangelegenheiten

(Drucksache 9624 + 9646 + 9682)
Berichterstatter:

Abg. Georges Clerfayt (Belgien)
(Themen: Ursprung und Zweck des vorgelegten Verhaltens-
kodex für Wahlangelegenheiten – Harmonisierung der
Wahlgesetzgebung in Europa unter Berücksichtigung der
verschiedenen Traditionen – Festlegung von Kriterien und
Richtlinien für die Durchführung und Beobachtung von
Wahlen – die Notwendigkeit einheitlicher Standards bei
Wahlbeobachtungsmissionen von Europarat und OSZE –
die Perspektiven für die Ausarbeitung eines europäischen
Übereinkommens auf der Grundlage des vorgelegten Refe-
renztextes)

Emp f e h l u n g 1595 (2003)*
betr. einen Verhaltenskodex für

Wahlangelegenheiten
(Drucksache 9624 + 9646 + 9682)

1. DieVersammlung stellt fest, dass der Europarat imLaufe
des letzten Jahrzehnts zahlreiche Aktivitäten im Zusam-
menhang mit der Organisation und Beobachtung von
Wahlen entwickelt hat und daher eine weit anerkannte
internationale Erfahrung in diesem Bereich besitzt.

2. Die Versammlung verweist auf ihre Entschließung 1264
(2001) und ihre Empfehlung 1320 (2003), in der sie den
Europarat aufforderte, seine Vorreiterrolle bei der Kodi-

* Debatte der Versammlung am 30. Januar 2003 (7. Sitzung). Siehe
Dok. 9682, Bericht des Politischen Ausschusses (Berichterstatter:
Herr Clerfayt). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
30. Januar 2003 (7. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 37 – Drucksache 15/857

fizierung vonWahlbestimmungen erneut zu bekräftigen,
indem er die Europäische Kommission für Demokratie
durch Recht (Venedig-Kommission) dazu auffordert,
eine Arbeitsgruppe einzusetzen, die einen Verhaltens-
kodex für Wahlangelegenheiten verfassen sollte.

3. Die Versammlung erinnert daran, dass sie in ihrer Emp-
fehlung 1578 (2002) den Europarat nachdrücklich dazu
auffordert, seine Aktivitäten im Zusammenhang mit der
Harmonisierung von Wahlbestimmungen fortzusetzen
und auszuweiten, damit sie den neuen Herausforderun-
gen für Europa gerecht werden.

4. Der Verhaltenskodex für Wahlangelegenheiten ist von
großer Bedeutung, da er die grundlegenden Prinzipien
der europäischen Wahlsysteme darlegt und die Bedin-
gungen für ihre Anwendungen festlegt.

5. Die Versammlung ist der Auffassung, dass der Verhal-
tenskodex für Wahlangelegenheiten als ein Referenz-
dokument für die Mitgliedstaaten die Glaubwürdigkeit
der Wahlbeobachtungs- und Überwachungsaktivitäten
des Europarates stärken würde.

6. Die Versammlung nimmt den vorläufigen Übereinkom-
mensentwurf der ACEEEO (Vereinigung der Wahl-
beamten in Mittel- und Osteuropa) zur Kenntnis, der
vorschlägt, eine rechtliche Grundlage für die Anglei-
chung der Wahlgesetze und -praktiken an die interna-
tionalen Normen zu schaffen.

7. Die Versammlung fordert das Ministerkomitee daher
dazu auf,
i. den Verhaltenskodex für Wahlangelegenheiten in

ein europäisches Übereinkommen umzuwandeln,
ggf. unter Berücksichtigung des Übereinkommens-
entwurfs der ACEEEO und der Arbeit des BDIMR
der OSZE;

ii. im Hinblick auf die Vorbereitung eines Rechtsin-
struments die Einsetzung einer Sachverständigen-
gruppe zu vereinbaren, in der die Parlamentarische
Versammlung, der Kongress der Gemeinden und
Regionen in Europa und die Venedig-Kommission
als Beobachter vertreten wären.

En t s c h l i e ß u n g 1320 (2003) *
betr. einen Verhaltenskodex für

Wahlangelegenheiten
(Drucksache 9624 + 9646 + 9682)

1. Die Durchführung freier, gleicher, allgemeiner, gehei-
mer und direkter Wahlen in regelmäßigen Zeitabstän-
den ist ein sine qua non dafür, dass ein politisches Sys-
tem als demokratisch anerkannt wird.

2. In Anbetracht dessen, dass bisher jede europäische oder
internationale Organisation dazu tendiert hat, ihren ei-
genen Kriterien in Bezug auf die Beobachtung und
Evaluierung von Wahlen zu folgen und dass es weder
einen offiziellen Text gibt, der alle grundlegenden Prin-

zipien der europäischen Wahlsysteme darlegt, noch ein
ständiges europäisches Gremium, das für die Wahl-
beobachtung verantwortlich ist, ist die Versammlung
der Auffassung, dass der Europarat aufgrund seiner be-
sonderen Rolle als Hüter der Demokratie in Europa
eine Vorreiterrolle bei der Kodifizierung von Wahl-
bestimmungen spielen sollte.

3. Angesichts der weit anerkannten Erfahrung des Euro-
parates bei der Beobachtung von Wahlen und Referen-
den in seinen Mitgliedstaaten oder Bewerberländern
forderte Entschließung 1264 (2001) die Europäische
Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-
Kommission) daher dazu auf, eine Arbeitsgruppe zur
Erstellung eines Verhaltenskodex für Wahlangelegen-
heiten einzusetzen.

4. Die Versammlung begrüßt die Einsetzung des Rates für
demokratische Wahlen, ein dreiseitiges Gremium, an
dem sich die Versammlung gemeinsam mit dem Kon-
gress der Gemeinden und Regionen in Europa aktiv
beteiligt hat, und dankt insbesondere der Venedig-
Kommission für ihren bedeutenden Beitrag zur Aus-
arbeitung des Verhaltenskodex für Wahlangelegenhei-
ten, der jetzt veröffentlicht wurde.

5. Die Versammlung ist der Ansicht, dass der Verhaltens-
kodex für Wahlangelegenheiten einen wichtigen Schritt
zur Harmonisierung der Normen für die Organisation
und Beobachtung von Wahlen und zur Aufstellung von
Verfahren und Voraussetzungen für die Organisation
des Wahlprozesses darstellt.

6. Die Versammlung nimmt mit Interesse die vor kurzem
vom BDIMR (dem Büro für Demokratische Institutio-
nen und Menschenrechte der OSZE) und der ACEEEO
(Vereinigung der Wahlbeamten in Mittel- und Osteu-
ropa) verfassten Dokumente zur Kenntnis, die ebenfalls
auf die Festlegung von Bestimmungen für demokrati-
sche Wahlen abzielen.

7. Die Versammlung ist der Auffassung, dass die Verab-
schiedung des Verhaltenskodex für Wahlangelegenhei-
ten es den Mitgliedstaaten des Europarates ermöglichen
würde, ihre Wahlgesetze erneut zu evaluieren bzw. zu
überarbeiten. Die Wahlbeobachtungsberichte könnten
prüfen, ob die in den Mitgliedstaaten angewandten Ge-
setze und Verordnungen mit den verschiedenen im Ko-
dex enthaltenen Kriterien und Bestimmungen vereinbar
sind, um ihren demokratischen Charakter zu prüfen.

8. Die Versammlung ist der Auffassung, dass der Verhal-
tenskodex für Wahlangelegenheiten als ein Referenz-
dokument nicht nur für die Mitgliedstaaten, sondern
auch für die Versammlung die Wirkung und die Glaub-
würdigkeit der vom Europarat durchgeführten Wahl-
beobachtungs- und Überwachungsaktivitäten stärken
würde.

9. In Anbetracht dessen, dass der Kodex keine Sanktionen
für den Fall einer Nichteinhaltung seiner Bestimmun-
gen durch die Mitgliedstaaten vorsieht, ist die Ver-
sammlung der Auffassung, dass diese Frage weiterer
Überlegung bedarf.

10. Die Versammlung schlägt vor, den Verhaltenskodex für
Wahlangelegenheiten an die nationalen Delegationen
und Parlamente weiterzuleiten, so dass er in den Mit-

* Debatte der Versammlung am 30. Januar 2003 (7. Sitzung). Siehe
Dok. 9682, Bericht des Politischen Ausschusses (Berichterstatter:
Herr Clerfayt). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
30. Januar 2003 (7. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 38 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

gliedstaaten des Europarates so bald wie möglich ange-
wandt werden kann, und unterstützt auch alle ähnlichen
Initiativen.

11. Die Versammlung fordert die Venedig-Kommission da-
her dazu auf,
i. eine permanente Grundlage für die Aktivitäten des

Rates für demokratische Wahlen zu schaffen und
den Rat als eines ihrer eigenen Organe zu betrach-
ten, bei gleichzeitiger Beibehaltung der gemischten
Mitgliedschaft, wie in Entschließung 1264 vorge-
sehen;

ii. die Zielsetzungen des Rates für demokratische
Wahlen gemäß Entschließung 1264 umzusetzen
und insbesondere seine Aktivitäten fortzusetzen im
Hinblick auf
a. die Einrichtung einer Datenbank, die unter

anderem die Wahlgesetze der Mitgliedstaaten
des Europarates enthalten würde;

b. die Formulierung von Stellungnahmen in Ab-
sprache mit der Versammlung über alle allge-
meinen Fragen im Zusammenhang mit Wahl-
angelegenheiten sowie Stellungnahmen im
Hinblick auf mögliche Verbesserungen der Ge-
setze und Praktiken in bestimmten Mitglied-
staaten oder Bewerberländern des Europarates;

c. die möglichst baldige Erstellung eines compu-
tergestützten Fragebogens, der in praktischer
Form die allgemeinen Grundsätze des Verhal-
tenskodex für Wahlangelegenheiten darlegt,
was den Beobachterdelegationen einen besse-
ren Überblick über die Wahllage verschaffen
würde.

Freitag, 31. Januar 2003
Tag e s o r d n u n g s p u n k t

Der Protokollentwurf zur Änderung
des Europäischen Übereinkommens
zur Bekämpfung des Terrorismus

(Drucksache 9649)
Berichterstatterin:

Abg. Carmen Alvarez-Arenas (Spanien)
Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU)*: Herr Präsident, meine
lieben Kolleginnen und Kollegen.
Ich möchte nur noch einmal auf diesen einen Aspekt hin-
weisen und dringend appellieren, heute zu einem möglichst
einmütigen Ergebnis zu kommen. Wir sind der Meinung,
dass wir schnellstmöglich abschließen müssen, um bald
praktische Fortschritte zu erreichen. In der Diskussion des
Ausschusses ist zum Ausdruck gekommen, dass es darüber

hinaus noch Wünsche gab. Wie die Berichterstatterin bereits
erwähnt hat, werden wir sicher einen Weg finden, auch
diese Anregungen noch aufzugreifen. Wir sollten uns des-
halb heute geschlossen hinter das stellen, was von der Be-
richterstatterin vorgelegt worden ist. Je einheitlicher das Vo-
tum ist, umso eindrucksvoller wird die Kraft sein, mit der es
durchgesetzt werden kann.

S t e l l u n g n a hme 242 (2003) * *
betr. den Protokollentwurf zur Änderung
des Europäischen Übereinkommens
zur Bekämpfung des Terrorismus

(Drucksache 9649)
1. Die am Protokollentwurf zur Änderung des Europä-

ischen Übereinkommens zur Bekämpfung des Terroris-
mus vorgenommenen Änderungen spiegeln in großem
Maße die Besorgnisse wider, die die Versammlung in
der Vergangenheit zum Ausdruck gebracht hat.

2. Die Versammlung bedauert dennoch, dass die Änderun-
gen am gegenwärtigen Artikel 13 nicht so weit gehen,
wie von ihr empfohlen, da sie noch immer Einschrän-
kungen ermöglichen, die dem Zweck des Übereinkom-
mens zuwider laufen könnten. Sie erkennt jedoch an,
dass es jetzt erheblich weniger Möglichkeiten zur Vor-
nahme von Einschränkungen und Sonderbedingungen,
die einzuhalten sind, sowie ein besonderes Weiterver-
folgungsverfahren gibt.

3. Die Versammlung glaubt auch, dass sie ebenso wie das
Ministerkomitee den Bericht des Europäischen Aus-
schusses für Kriminalitätsprobleme (CDPC) erhalten
sollte, der im neuen Artikel 10 vorgesehen ist, in dem
der Ausschuss angewiesen wird, die Anwendung des
Übereinkommens zu verfolgen.

4. Die Versammlung ist der Ansicht, dass es eine gute
Idee wäre, zu gegebener Zeit die Möglichkeit der Aus-
arbeitung eines allgemeinen Übereinkommens des Eu-
roparates zur Bekämpfung des Terrorismus in Erwä-
gung zu ziehen, das die Arbeit der Vereinten Nationen
berücksichtigt.

5. Die Versammlung schlägt daher folgende Änderungen
zum Protokollentwurf vor:
i. in Artikel 6 Absatz 2.g. Hinzufügen der Worte:

„der anschließend an die Parlamentarische Ver-
sammlung weitergeleitet wird“,

ii. in Artikel 12 Absatz 6: Ersetzen des letzten Satzes
durch den Satz „derartige Einschränkungen können
nur einmal für einen Zeitraum derselben Dauer er-
neuert werden“.

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Die Lage junger Migranten in Europa

(Drucksache 9645)
Berichterstatter:

Abg. Luis Yáñez-Barnuevo (Spanien)
(Themen: Motive für die Migration junger Menschen – die
mit der Migration verbundenen Gefahren – die Herausfor-

** Im Auftrag des Ausschusses für Recht und Menschenrechte.
** Debatte der Versammlung am 31. Januar 2003 (8. Sitzung). Siehe

Dok. 9649, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrechte
(Berichterstatterin: Frau Alvarez-Arenas). Von der Versammlung
verabschiedeter Text am 31. Januar 2003 (8. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 39 – Drucksache 15/857

derung für die europäischen Gesellschaften mit Blick auf
den sozialen Zusammenhalt – die Ausarbeitung eines lang-
fristigen Politikansatzes zur Teilnahme junger Migranten
am gesellschaftlichen Leben und zu ihrem Schutz vor Dis-
kriminierung und Ausbeutung)

Emp f e h l u n g 1596 (2003)*
betr. die Lage junger Migranten in Europa

(Drucksache 9645)
1. Junge Migranten bilden eine verschiedenartige, hetero-

gen zusammengesetzte Gruppe. Dazu gehören Kinder,
junge Frauen und junge Männer, die Menschenhändlern
in die Hände gefallen sind, oder sich in der Hoffnung in
ein Land einschmuggeln ließen, der Armut, der Verfol-
gung oder einer Situation allgemeiner Gewalttätigkeit
zu entkommen; ebenso auch junge Menschen, die
zwecks Studium, Arbeit oder zur Familienzusammen-
führung nach Europa gekommen sind, sowie Migranten
der zweiten Generation, die im Aufnahmeland geboren
wurden. Viele von ihnen kommen aus nicht europä-
ischen Staaten, doch viele sind auch Europäer, die – le-
gal oder illegal – von einem Mitgliedstaat in den ande-
ren reisen. Für einige Staaten sind sie Zuwanderer, für
andere Auswanderer oder Rückkehrer.

2. Eingedenk der Arbeiten des Europarates auf dem
Gebiet der Migration sowie der zahlreichen Aktivitäten
zur Lage der Jugend in Europa, insbesondere der Tätig-
keit der Direktion für Jugend und Sport, erinnert die
Versammlung an die Arbeiten bei der Anhörung zur
speziellen Situation junger Migranten (Europäisches
Jugendzentrum Budapest, 15. bis 16. November 2001),
als 30 junge Leute aus 27 europäischen Staaten ihre Er-
fahrungen mit dem Thema Migration mit Mitgliedern
des Unterausschusses für Migration des Ausschusses
für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölke-
rungsfragen austauschten und ihre Unzufriedenheit und
Besorgnis angesichts der derzeitigen Politik bzw. des
Fehlens einer auf ihre Situation abgestimmten Politik
zum Ausdruck brachten.

3. Die Versammlung ist überzeugt, dass die Lage junger
Migranten in Europa dringend Maßnahmen seitens des
Europarates in Zusammenarbeit mit den entsprechenden
internationalen Organisationen verlangt, um den Grün-
den nachzugehen, weshalb diese Menschen auswandern
wollen oder dazu gezwungen sind, ihre Rechte und
Lebensbedingungen als Zuwanderer und schließlich
ihre Rechte und Bedürfnisse zu prüfen, die sie bei einer
eventuellen Rückkehr in ihre Herkunftsländer haben.

4. Die Versammlung empfiehlt deshalb dem Minister-
komitee,
i. in Absprache mit den zuständigen internationalen

Behörden wie der UNICEF, der Internationalen Or-
ganisation für Migration (IOM) und dem Hoch-

kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlings-
fragen (UNHCR) sowie unter Beachtung des
Mandats dieser Organisationen ein multidisziplinä-
res Langzeitprogramm über junge Migranten in
Europa aufzulegen, um auf diese Weise den so-
zialen Zusammenhalt und die Einbindung junger
Migranten zu fördern, und zwar durch Verbesse-
rung ihrer Rechtsstellung, Unterstützung geeigne-
ter Eingliederungs- und Wiedereingliederungspro-
jekte, Erarbeitung von Lehrmaterialien und
Bildungsangeboten und Organisation verschiede-
ner Initiativen, die den Bedürfnissen junger Mi-
granten entsprechen und ihren positiven Beitrag
zur Festigung der demokratischen Gesellschaft
deutlich machen;

ii. in das Arbeitsprogramm der Generaldirektion für
Bildung, Kultur und Kulturerbe, Jugend und Sport
regelmäßige Sitzungen – in Form von Seminaren,
Anhörungen, Konferenzen und dgl. – zum Thema
junge Migranten unter Beteiligung junger Migran-
ten aufzunehmen;

iii. die Mitgliedstaaten dazu anzuregen, der Entwick-
lungsbank des Europarates Projekte zu unterbrei-
ten, um Eingliederungsprogramme für junge Mi-
granten in Aufnahmeländern wie auch Wiederein-
gliederungsprojekte für in ihre Herkunftsländer
zurückkehrende junge Migranten, insbesondere
junge Opfer des Menschenschmuggels, zu finan-
zieren oder mit zu finanzieren;

iv. eine Studie zu initiieren, mit der die Umsetzung
der Empfehlung (2000) 15 des Ministerkomitees
zum sicheren Wohnrecht von Langzeitmigranten
und der Empfehlung (2002) 4 zur Rechtsstellung
von zwecks Familienzusammenführung eingereis-
ter Personen, unter besonderer Berücksichtigung
des Schutzes von Migranten, die in Mitgliedstaaten
des Europarates geboren wurden oder aufgewach-
sen sind oder die minderjährig sind, überprüft wer-
den soll;

v. in Bezug auf die gegenwärtige Ausarbeitung eines
Berichts über die Voraussetzungen für den Staatsan-
gehörigkeitserwerb oder -verlust durch seinen Aus-
schuss der Staatsangehörigkeitsexperten (CJ-NA)
seine zuständigen Ausschüsse zu bitten, eine Studie
über die Nutzung des Staatsangehörigkeitsrechts als
Instrument zur Förderung des sozialen Zusammen-
halts und der Eingliederung jungerMigranten inAn-
griff zu nehmen und diese Frage zu denen hinzuzu-
nehmen, die auf der nächsten Europäischen
Staatsangehörigkeitskonferenz (European Confe-
rence on Nationality) angesprochen werden sollen;

vi. eine Durchführbarkeitsstudie über die Harmonisie-
rung der einzelstaatlichen Gesetze betreffend die
gesetzliche Vormundschaft bei unbegleiteten Min-
derjährigen im Sinne von Unterabsatz 7 iv. der vor-
liegenden Empfehlung einzuleiten, um ein interna-
tional bindendes Rechtsinstrument mit folgenden
Richtlinien zu erarbeiten:
a. alle Mitgliedstaaten des Europarates sollten ei-

nen rechtlichen Rahmen für die Ernennung

* Debatte der Versammlung am 31. Januar 2003 (8. Sitzung). Siehe
Dok. 9645, Bericht des Ausschusses für Wanderbewegungen, Flücht-
lings- und Bevölkerungsfragen (Berichterstatter: Herr Yáñez-Barnu-
evo). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 31. Januar
2003 (8. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 40 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

eines gesetzlichen Vormunds für unbegleitete
Minderjährige verabschieden, die ihrer Recht-
sprechung unterliegen, ob sie nun einen Asyl-
antrag gestellt haben oder nicht;

b. der gesetzliche Vormund sollte eine Einzelper-
son sein und aus dem Kreise erwiesenermaßen
zuverlässiger Personen oder Institutionen aus-
gewählt werden, die die ganz besonderen,
auch kulturellen Bedürfnisse, unbegleiteter
Minderjähriger wie auch die Institutionen des
Aufnahmelandes gut kennen;

c. die Ernennung des gesetzlichen Vormunds
sollte im Wege der Dringlichkeit erfolgen, auf
jeden Fall binnen zwei Wochen, nachdem die
Behörden von der Anwesenheit des Minder-
jährigen Kenntnis erhalten haben;

d. der gesetzliche Vormund sollte dafür Sorge
tragen, dass alle den Minderjährigen betreffen-
den Entscheidungen in dessen wohlverstande-
nen Interessen erfolgen und dieser über eine
für die Regelung seiner Rechtsstellung geeig-
nete gesetzliche Vertretung verfügt, sowie eine
geeignete Versorgung, Unterbringung, Bil-
dung, sprachliche Förderung und gesundheitli-
che Betreuung erhält;

e. der gesetzliche Vormund sollte außerdem als
Bindeglied zwischen dem Minderjährigen und
den verschiedenen Dienstleistern auftreten und
bei Bedarf für diesen eintreten.

5. Darüber hinaus empfiehlt die Versammlung demMinis-
terkomitee, um die Einbindung und den sozialen Zu-
sammenhalt zu fördern, an die Mitgliedstaaten gerich-
tete Maßnahmen zu erarbeiten, die diesen dabei helfen
sollen,
i. Migranten, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsge-

biet niedergelassen haben und dort seit mindestens
drei Jahren wohnen, das aktive und passive Wahl-
recht bei Kommunalwahlen zu gewähren;

ii. geeignete Rechtsvorschriften zu verabschieden,
um Migranten, die in dem betreffenden Land seit
langem rechtmäßig ihren Wohnsitz haben, den Er-
werb der Staatsangehörigkeit zu erleichtern;

iii. in ihrem Staatsgebiet geborenen Kindern rechtmä-
ßig wohnhafter ausländischer Eltern den Erwerb
der Staatsangehörigkeit zu erleichtern;

iv. Eingliederungsprogramme aufzubauen oder deren
Aufbau zu fördern, und zwar nach folgenden
Richtlinien:
a. die Staaten sollten alle ihnen zu Gebote stehen-

den Instrumente einsetzen, um die Finanzie-
rung von Eingliederungsprogrammen zu finan-
zieren oder zu unterstützen, insbesondere die
Darlehen der Entwicklungsbank des Europa-
rates und anderer internationaler Institutionen;

b. die Staaten und die Kommunalbehörden soll-
ten
– Mittel mobilisieren, um genügend Personal

für die Umsetzung von Eingliederungspro-

grammen zu beschäftigen und dieses aus-
reichend zu schulen;

– die Umsetzung von Eingliederungspro-
grammen überwachen und regelmäßig
Evaluierungsstudien durchführen;

– die Einbeziehung der Migranten in die
Ausarbeitung, Umsetzung und Evaluierung
von Eingliederungsprogrammen sicherstel-
len;

– besondere Eingliederungsprogramme für
junge Migranten – und nicht nur für neu
eingetroffene Migranten – aufbauen;

c. die Teilnahme an Eingliederungsprogrammen
sollte freiwillig sein, auch wenn die Staaten
und die Kommunalbehörden zur Sicherung ei-
ner größeren Teilnehmerzahl finanzielle An-
reize bereitstellen könnten;

d. Eingliederungsprogramme sollten Sprachun-
terricht und eine Berufsberatung und/oder eine
berufliche Ausbildung einschließen;

e. Eingliederungsprogramme sollten auf einer in-
dividuellen Beurteilung des Integrationsbe-
darfs des jeweiligen Teilnehmers beruhen;

f. fehlen spezielle Eingliederungsprogramme für
junge Migranten, sollten junge Migranten mit
zu versorgenden Angehörigen, insbesondere
Frauen, vorrangig Zugang zu ordentlichen
Eingliederungsprogrammen erhalten;

g. Eingliederungsprogramme sollten auf die per-
sönliche Entwicklung der Teilnehmer abzielen
und ihnen Hilfsmittel an die Hand geben, um
sich in allen gesellschaftlichen Bereichen be-
teiligen zu können, während sie gleichzeitig
unter Achtung der Europäischen Menschen-
rechtskonvention ihre Sprache, Kultur und na-
tionale Identität bewahren können.

6. Mit dem Ziel, die Bildung als wirksames Instrument
zur Förderung der Gleichheit, der multikulturellen Ent-
wicklung und der gegenseitigen Verständigung zu nut-
zen, empfiehlt die Versammlung dem Ministerkomitee
außerdem, an die Mitgliedstaaten gerichtete Maßnah-
men mit dem Ziel auszuarbeiten,
i. Migrantenkindern unbeschadet ihrer eigenen

Rechtsstellung oder der ihrer Eltern den ungehin-
derten Zugang zum Pflichtschulunterricht zu ge-
währleisten;

ii. Migranten unter 18 Jahren, die nicht in anderen
Ländern den Pflichtschulunterricht absolviert ha-
ben, unbeschadet ihrer eigenen Rechtsstellung oder
der ihrer Eltern, den Zugang zum Pflichtschul-
unterricht zu gewähren;

iii. auf die besonderen Bedürfnisse von zugewander-
ten Schülern einzugehen und den ordentlichen
Lehrplan darum mit zusätzlichen Kursen zu ver-
binden, in denen der Schwerpunkt auf der Unter-
richtung der Sprache des Aufnahmelandes und der
Beschäftigung mit seiner Gesellschaft und seiner
Kultur liegt;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 41 – Drucksache 15/857

iv. zusätzliche Mittel in die Beschäftigung fachlich
ausgebildeter Mitarbeiter in Bildungseinrichtun-
gen, z. B. von Psychologen, Pädagogen, Sozialar-
beitern und kulturellen Mediatoren, zu investieren
und ihnen wie auch den Lehrern eine angemessene
Schulung für den Umgang mit jungen Migranten
zukommen zu lassen;

v. sicherzustellen, dass die Inhalte der Lehrpläne und
der Schulbücher keine nationalen oder ethnischen
Vorurteile enthalten und keine diskriminierende
oder rassistische Interpretation der Geschichte, der
Kultur und der Gesellschaft ausländischer Staaten
oder Gemeinschaften vermitteln;

vi. außerhalb der Lehrpläne Aktivitäten zur Verdeutli-
chung des Werts der Kultur und der Zivilisation der
Migrantengemeinschaften und ihrer Herkunftslän-
der zu finanzieren und zu unterstützen;

vii. lokale Initiativen zur Förderung von Kontakten
zwischen zugewanderten Eltern, der Schule und
der Gemeinschaft zu unterstützen.

7. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
außerdem, in sein Arbeitsprogramm Tätigkeiten auf-
zunehmen, die den Mitgliedstaaten dabei helfen sollen,
i. in jede Kinder betreffende innerstaatliche Rechts-

vorschrift oder politische Maßnahme einen beson-
deren Hinweis auf die Lage von Migrantenkindern
aufzunehmen;

ii. dem Grundsatz der wohlverstandenen Interessen
des Kindes den Vorrang und verbindliche Wirkung
zu geben, wobei dies in jedem Gesetz, jeder Ver-
ordnung und jeder Verwaltungsvorschrift über Mi-
grations- und/oder Asylfragen ausdrücklich ausge-
sprochen werden muss;

iii. davon abzusehen, Minderjährige allein aus Zuwan-
derungsgründen festzuhalten, sondern ihnen viel-
mehr eine angemessene Ersatzunterkunft zu ver-
schaffen;

iv. in die inländischen Gesetze und die nationale
Rechtspraxis für „unbegleitete Minderjährige“ (se-
parated children) die Begriffsbestimmung „Kinder
unter 18 Jahren, die sich außerhalb ihres Her-
kunftslandes befinden und von beiden Eltern und/
oder ihren gesetzlichen/gewöhnlichen vorrangi-
gen Betreuern getrennt sind“ aufzunehmen und ih-
nen ein wirksames Schutz- und Betreuungssystem
zu bieten, das der vorliegenden Empfehlung wie
auch den Empfehlungen des vom UNHCR und ei-
nigen Mitgliedern der International Save the
Children Alliance errichteten „Separated Children
in Europe Programme“ entspricht;

v. sicherzustellen, dass die Definition unbegleiteter
Minderjähriger und die besondere Betreuung wie
auch der Schutz, auf die sie Anspruch haben, über-
all in ihren Staatsgebieten einheitlich ausgelegt und
angewandt wird, auch wenn die entsprechende Zu-
ständigkeit bei den bundesstaatlichen, regionalen
oder lokalen Behörden liegt;

vi. gesetzliche Bestimmungen zu beschließen, die eine
Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger, auch

solcher, die keinen Asylantrag gestellt haben, in
bedarfsgerechten Aufnahmezentren oder Betreu-
ungseinrichtungen ermöglichen, gegebenenfalls in
die Schaffung solcher Zentren und Einrichtungen
zu investieren und zu gewährleisten, dass unbeglei-
tete Minderjährige in dem gleichen Maße Schutz
und Hilfe erhalten wie Kinder mit der Staatsange-
hörigkeit des Aufnahmelandes;

vii. entsprechend dem Grundsatz, die wohlverstande-
nen Interessen des Kindes zu wahren, eine Fami-
lienzusammenführung zwischen unbegleiteten
Minderjährigen und ihren Eltern in anderen Mit-
gliedstaaten auch dann zu erleichtern, wenn die
Eltern kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht genießen
oder ihr Asylverfahren noch läuft;

viii. Anträge auf Familienzusammenführung zwischen
unbegleiteten Minderjährigen und anderen Ange-
hörigen als den Eltern wohlwollend zu prüfen,
wenn diese Angehörigen einen Rechtsanspruch auf
Verbleib in dem Mitgliedstaat haben, über 18 Jahre
alt sind und zu einer Betreuung bereit und in der
Lage wären;

ix. eine Familienzusammenführung zwischen geistig
oder körperlich behinderten unbegleiteten Minder-
jährigen, auch wenn sie über 18 Jahre alt sind, und
ihren Eltern oder anderen erwachsenen Angehöri-
gen zu erleichtern, von denen sie im Herkunftsland
oder dem Land des gewöhnlichen Wohnsitzes be-
treut wurden und die ihren rechtmäßigen Wohnsitz
in einem anderen Mitgliedstaat haben;

x. bei jedem ordentlichen oder beschleunigten Ver-
fahren, bei dem es zur Rückkehr unbegleiteter
Minderjähriger in ihr jeweiliges Herkunftsland
oder ein anderes Land kommen könnte – ein-
schließlich von Verfahren mit Einreiseverweige-
rung an der Grenze – die nachstehenden Richt-
linien zu befolgen:
a. Die Staaten sollten sicherstellen, dass eine

Rückkehr nicht gegen ihre internationalen Ver-
pflichtungen nach dem Genfer Übereinkom-
men von 1951 über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge und dessen Protokoll von 1967
oder die Europäische Menschenrechtskonven-
tion und andere einschlägige Rechtsinstru-
mente verstößt;

b. eine Rückkehr sollte nicht vor der Benennung
eines gesetzlichen Vormunds für den Minder-
jährigen möglich sein;

c. vor der Entscheidung, einen unbegleiteten
Minderjährigen zurückzuschicken, sollten die
Staaten die Stellungnahme des gesetzlichen
Vormunds des Minderjährigen zu dieser Frage
einholen und berücksichtigen, ob eine Rück-
kehr im wohlverstandenen Interesse des Min-
derjährigen läge;

d. eine Rückkehr sollte von den Ergebnissen ei-
ner sorgfältigen Prüfung der Familiensituation
abhängig gemacht werden, die der Minderjäh-
rige nach seiner Rückkehr vorfinden würde

Drucksache 15/857 – 42 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

und davon, ob seine Angehörigen in der Lage
wären, für eine angemessene Betreuung zu
sorgen. Sind weder die Eltern noch andere An-
gehörige zugegen, sollte die Eignung der Ju-
gendämter in dem Rückkehrland untersucht
werden. Die Beurteilung sollte durch eine
fachkundige und unabhängige Organisation
oder Person vorgenommen werden und objek-
tiv, unpolitisch und darauf bedacht sein, für die
Wahrung der wohlverstandenen Interessen des
Minderjährigen zu sorgen;

e. vor einer Rückkehr sollten die Staaten von den
Eltern, den Verwandten oder einem anderen
erwachsenen Betreuer oder einer möglichen
Betreuungseinrichtung im Rückkehrland die
ausdrückliche, bindende Zusage erhalten, sich
nach dem Eintreffen des Minderjährigen sofort
und auf Dauer seiner anzunehmen;

f. die Entscheidung, einen unbegleiteten Minder-
jährigen zurückzuschicken, sollte begründet
und dem Minderjährigen und seinem gesetz-
lichen Vormund zusammen mit Angaben dazu,
wie Einspruch eingelegt werden kann, schrift-
lich mitgeteilt werden;

g. der Minderjährige und/oder sein gesetzlicher
Vormund sollten das Recht haben, gerichtlich
gegen einen Rückkehrbeschluss Einspruch ein-
legen zu können. Ein solcher Einspruch sollte
aufschiebende Wirkung haben und auch die
Frage der Gesetzmäßigkeit und den Sachhinter-
grund der Entscheidung zur Sprache bringen;

h. bei seiner Rückkehr sollte der Minderjährige
begleitet und altersgemäß behandelt werden;

i. das Wohlergehen des Minderjährigen nach sei-
ner Rückkehr sollte von geeigneten Behörden
oder Einrichtungen vor Ort überwacht werden,
die sich mit den Stellen des Staates, aus dem
der Minderjährige zurückgeschickt wurde, in
Verbindung setzen und ihnen berichten sollten;

j. Migranten, die als unbegleitete Minderjährige
in einem Aufnahmeland eintrafen, zum Zeit-
punkt der Rückkehr jedoch das 18. Lebensjahr
erreicht haben, sollten als sensible Fälle be-
handelt und zu den Voraussetzungen für eine
erfolgreiche Wiedereingliederung in ihrem
Herkunftsland befragt werden.

8. Was die Frage des Handels mit Kindern und Jugend-
lichen angeht, empfiehlt die Versammlung dem Minis-
terkomitee, in sein Arbeitsprogramm Tätigkeiten auf-
zunehmen, die den Mitgliedstaaten dabei helfen sollen,
i. die einschlägigen internationalen Rechtsinstru-

mente zu unterzeichnen und zu ratifizieren, nament-
lich das Protokoll zur Verhütung, Bekämpfung und
Bestrafung des Menschenhandels und insbesondere
des Handels mit Frauen und Kindern als Zusatz zu
dem Übereinkommen gegen die grenzüberschrei-
tende organisierte Kriminalität, das Zusatzprotokoll
zur Kinderkonvention betreffend den Verkauf von

Kindern, Kinderprostitution und Kinderpornogra-
phie sowie das Übereinkommen Nr. 182 der Inter-
nationalen Arbeitsorganisation über das Verbot und
sofortige Maßnahmen zur Beseitigung der
schlimmsten Formen der Kinderarbeit;

ii. wirksame Schutzsysteme für Kinder und Jugend-
liche, die Opfer des Menschenschmuggels werden,
aufzubauen und für den Zugang zu psychologi-
scher Beratung und Unterstützung zu sorgen, soll-
ten die Opfer, ihre gesetzlichen Vormünder oder
ihre Betreuungseinrichtungen dies beantragen;

iii. geeignete Programme zu erarbeiten und umzuset-
zen, um den Betreuungs- und Unterstützungsbe-
darf traumatisierter Kinder und Jugendlicher, die
Opfer des Menschenschmuggels waren, in den
Aufnahmeländern zu decken;

iv. geeignete Wiedereingliederungsprogramme für
junge Opfer des Menschenschmuggels, die in ihre
Herkunftsländer zurückkehren, zu erarbeiten und
umzusetzen;

v. für Präventionsmaßnahmen in den Herkunftslän-
dern möglicher Opfer des Menschenhandels (Kin-
der und Jugendliche) zusätzliche Finanzmittel zu
bewilligen und Informationskampagnen in Schulen
und anderen Kontakt- oder Betreuungsstellen unter
Einschluss von Waisenhäusern, gerade auch in Ri-
sikogebieten, durchzuführen;

vi. die Initiativen der IOM, des UNHCR und anderer
Stellen – im Rahmen ihres Mandats – zu unterstüt-
zen, Polizeibeamte, Grenzpolizisten und Einwan-
derungsbeamte in Bezug auf den für Menschen-
schmuggel geltenden völkerrechtlichen Rahmen zu
schulen, und zwar unter besonderer Berücksichti-
gung der Schutz- und Hilfsbedürfnisse von Opfern
im Kindes- und Jugendalter.

9. Abschließend bittet die Versammlung, während sie an
ihre Empfehlung 1547 (2002) zu ebenso sicheren wie
menschenwürdigen menschenrechtskonformen Ab-
schiebungsverfahren erinnert, den Menschenrechts-
kommissar, eine Untersuchung über die Lage unbeglei-
teter Minderjähriger in den Mitgliedstaaten des
Europarates durchzuführen und der Versammlung und
dem Ministerkomitee Bericht zu erstatten.

Tag e s o r d n u n g s p u n k t
Die Fortschritte des Überwachungsverfahrens

der Versammlung
(Drucksache 9651)
Berichterstatterin:

Abg. Josette Durrieu (Frankreich)
(Themen: die Zusammenarbeit der verschiedenen mit der
Überwachung der Einhaltung der von den Mitgliedsländern
bei der Aufnahme in den Europarat eingegangenen Ver-
pflichtungen – die Einhaltung der Standards im Sinne der
Glaubwürdigkeit des Europarates – die Beteiligung und
Mitarbeit der Mitglieder des Monitoring-Ausschusses)

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 43 – Drucksache 15/857

R i c h t l i n i e 585 (2003) *
betr. die Fortschritte des

Überwachungsverfahrens der Versammlung
(Drucksache 9651)

1. Die Versammlung verweist auf den vom Ausschuss für
die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europa-

rates eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen vor-
gelegten Fortschrittsbericht.

2. Der Überwachungsausschuss ersucht in diesem Bericht
darum, die Anzahl der Ausschusssitze an die der ande-
ren großen Ausschüsse der Versammlung anzugleichen
und sie auf 80 zu erhöhen. Die Versammlung weist ih-
ren Geschäftsordnungsausschuss an, diesen Vorschlag
zu prüfen.

3. Sie weist ihren Ausschuss für die Einhaltung der von
den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen
Pflichten und Verpflichtungen ferner an, die Kriterien
zu definieren, die der Entscheidung zugrunde gelegt
werden, ob ein Überwachungsverfahren eröffnet oder
wieder eröffnet wird.

* Debatte der Versammlung am 31. Januar 2003 (8. Sitzung). Siehe
Dok. 9651, Bericht des Ausschusses für die Einhaltung der von den
Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Ver-
pflichtungen (Monitoring Ausschuss) (Berichterstatterin: Frau Dur-
rieu). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 31. Januar
2003 (8. Sitzung).

Drucksache 15/857 – 44 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Anlage

Mitgliedsländer der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (44)

Länder mit Sondergaststatus (1)
– zur Mitwirkung in der Parlamentarischen Versammlung ohne Stimmrecht berechtigt
Serbien und Montenegro
Der Sondergaststatus von Belarus wurde am 13. Januar 1997 ausgesetzt.

Beobachter (3)
Israel
Kanada
Mexiko

Albanien
Andorra
Armenien
Aserbaidschan
Belgien
Bosnien und Herzegowina
Bulgarien
Dänemark
Deutschland
Estland
Finnland
Frankreich
Georgien
Griechenland
Irland
Island
Italien
Kroatien
Lettland
Liechtenstein
Litauen
Luxemburg

„ehem. jugoslawische Republik Mazedonien“
Malta
Moldau
Niederlande
Norwegen
Österreich
Polen
Portugal
Rumänien
Russland
San Marino
Schweden
Schweiz
Slowakische Republik
Slowenien
Spanien
Tschechische Republik
Türkei
Ukraine
Ungarn
Vereinigtes Königreich
Zypern

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 45 – Drucksache 15/857

Anhang

Funktionsträger der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
Präsident Peter Schieder (Österreich – SOC)
Vizepräsidenten 19, darunter Rudolf Bindig (Bundesrepublik Deutschland – SPD/SOC)
Generalsekretär Bruno Haller (Frankreich)

Politischer Ausschuss
Vorsitzender Roman Jaki (Slowenien – LDR)
Stv. Vorsitzende Dimitri Rogosin (Russland – EDG)

Mirjana Feric-Vac´ (Kroatien – SOC)
Michael Spindelegger (Österreich – EVP)

Ausschuss für Wirtschaft und Entwicklung
Vorsitzende Rosmarie Zapfl-Helbling (Schweiz – EVP)
Stv. Vorsitzende Evgeni Kirilov (Bulgarien – SOC)

N.N.
Sigita Burbienè (Litauen – SOC)

Ausschuss für Sozialordnung, Gesundheit und Familie
Vorsitzende Lára Margrét Ragnarsdóttir (Island – EDG)
Stv. Vorsitzende Doros Christodoulides (Zypern – UEL)

László Surján (Ungarn – EVP)
Christine McCafferty (Vereinigtes Königreich – SOC)

Ausschuss für Recht und Menschenrechte
Vorsitzender Eduard Lintner (Bundesrepublik Deutschland – CDU/CSU/EVP)
Stv. Vorsitzende Dick Marty (Schweiz – LDR)

Jerzy Jaskiernia (Polen – SOC)
Erik Jurgens (Niederlande – SOC)

Ausschuss für Kultur, Wissenschaft und Bildung
Vorsitzender Lluís Maria de Puig (Spanien – SOC)
Stv. Vorsitzende Baroness Hooper (Vereinigtes Königreich – EDG)

Ghiorghi Pris caru (Rumänien – SOC)
Jerzy Smorawin´ski (Polen – EVP)

Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und kommunale und regionale Angelegenheiten
Vorsitzender Guillermo Martínez Casañ (Spanien – EVP)
Stv. Vorsitzende Allan Meale (Vereinigtes Königreich – SOC)

Renzo Gubert (Italien – EVP)
Walter Schmied (Schweiz – LDR)

c^

a^

Drucksache 15/857 – 46 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ausschuss für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
Vorsitzender Tadeusz Iwin´ski (Polen – SOC)
Stv. Vorsitzende Mats Einarsson (Schweden – UEL)

Zdravka Bu ic´ (Kroatien – EVP)
Tana de Zulueta (Italien – SOC)

Geschäftsordnungsausschuss
Vorsitzender Serhiy Holovaty (Ukraine – LDR)
Stv. Vorsitzende Rudolf Vis (Vereinigtes Königreich – SOC)

Ionel Olteanu (Rumänien – SOC)
Rosa Posada (Spanien – EVP)

Ausschuss für die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten
und Verpflichtungen (Monitoring-Ausschuss)
Vorsitzende Josette Durrieu (Frankreich – SOC)
Stv. Vorsitzende György Frunda (Rumänien – EVP)

Claude Frey (Schweiz – LDR)
Elene Tevdoradze (Georgien – EDG)

Ausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern
Vorsitzende Lydie Err (Luxemburg – SOC)
Stv. Vorsitzende Manuela Aguiar (Portugal – EVP)

Danguté Mikutiené (Litauen – LDR)
N.N. (EDG)

SOC Sozialistische Gruppe
EVP Gruppe der Europäischen Volkspartei
EDG Gruppe der Europäischen Demokraten
LDR Gruppe der Liberalen, Demokraten und Reformer
UEL Gruppe der Vereinigten Europäischen Linken

s^

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