BT-Drucksache 15/803

Hürden für die Biotechnik abbauen

Vom 8. April 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/803
15. Wahlperiode 08. 04. 2003

Antrag
der Abgeordneten Peter H. Carstensen (Nordstrand), Albert Deß, Helmut
Heiderich, Peter Bleser, Gitta Connemann, Ursula Heinen, Uda Carmen Freia
Heller, Dr. Peter Jahr, Julia Klöckner, MarleneMortler, Bernhard Schulte-Drüggelte,
Kurt Segner, Jochen Borchert, Cajus Caesar, Hubert Deittert, Thomas Dörflinger,
Dr. Maria Flachsbarth, Gerda Hasselfeldt, Susanne Jaffke, Volker Kauder,
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr, Dr. Klaus Rose, Norbert Schindler, Georg Schirmbeck,
Max Straubinger, Volkmar Uwe Vogel und der Fraktion der CDU/CSU

Hürden für die Biotechnik abbauen

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Seit 1999 besteht in der EU ein De-facto-Moratorium für alle Neuzulassungen
von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Sechs Mitgliedstaaten (Däne-
mark, Griechenland, Italien, Frankreich, Luxemburg und Österreich) hatten zu-
vor im EU-Umweltministerrat entschieden, in Zukunft keine Genehmigung
mehr auszusprechen. Aufgrund der Stimmengewichtung im Rat bestand damit
eine „blocking minority“, die eine Zulassung unmöglich macht.
Auslöser der Moratoriumsbestrebungen waren damals verschiedene Studien
über die Sicherheit von GVO-Produkten (gentechnisch veränderte Organismen)
der Grünen Gentechnik, die in der Öffentlichkeit großes Aufsehen erregten, in
der Wissenschaft aber höchst umstritten blieben. Die EU-Umweltminister ver-
ständigten sich mehrheitlich darauf, die Zulassung von GVO erst dann wieder
zu beginnen, wenn neue strengere Rechtsvorschriften angenommen sind. Ins-
besondere bei der Kennzeichnungspflicht, den Bestimmungen zur Rück-
verfolgbarkeit und den Haftungsregelungen sahen die Befürworter des Morato-
riums noch politischen Handlungsbedarf, von dem die Wiederaufnahme des
Zulassungsverfahrens abhängig zu machen sei.
Die Genehmigung zum Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organis-
men, die in der Verantwortlichkeit der EU-Mitgliedstaaten liegt, wurde in der
Zwischenzeit durch die novellierte EU-Freisetzungsrichlinie 2001/18/EG neu
geregelt. Im März 2003 haben die EU-Landwirtschaftsminister u. a. durch eine
Einigung auf einen Schwellenwert, die Rahmenbedingungen für die Kenn-
zeichnung und Rückverfolgbarkeit gentechnisch modifizierter Lebens- und
Futtermittel festgelegt. Im Rahmen des Mitentscheidungsrechts wurde die
gemeinsame Position der Agrarminister an das Europäische Parlament weiter-
geleitet, wo in Kürze die zweite Lesung stattfindet.
Wie es aus einer Mitteilung der Kommission an den EU-Ministerrat hervorgeht,
soll die Gewährleistung der Haftungssicherheit bei Schäden, die durch die An-
wendung der Grünen Gentechnik entstehen können, auf der nationalen Ebene
geregelt werden. Die wissenschaftlichen Ausschüsse der Europäischen Kom-
mission sind in den bisherigen Genehmigungsverfahren ohne Ausnahme zu der

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Bewertung gelangt, dass es keinen Grund zu der Annahme gibt, dass das Inver-
kehrbringen der genehmigten gentechnisch veränderten Pflanzen eine Gefahr
für Mensch oder Umwelt darstellt (vgl. Entscheidung der Kommission 98/294
EG vom 22. April 1998) Das Haftungsrisiko beschränkt sich daher auf wirt-
schaftliche Schäden, die etwa durch Auskreuzung gentechnisch veränderter
Pflanzen entstehen können. Hierfür bietet das deutsche Zivilrecht bereits jetzt
ausreichende Mittel, um die Haftung bei der Verwendung gentechnisch ver-
änderter Pflanzen zu gewährleisten, wie von dem Bundesumweltminister (in
vwd Nachrichten vom 26. März 2003) bestätigt wurde.
Die negativen Wirkungen des seit knapp 4 Jahren bestehenden De-facto-Mora-
toriums sind in Europa deutlich erkennbar, die Zulassungssituation von GVO in
anderen Ländern der Welt und Europa zeigt dies deutlich. In 2003 wurden welt-
weit knapp 57 Mio. ha GVO angebaut, in Europa nur 15 000 ha. Diese Situa-
tion schafft Unsicherheit am Markt und nicht die eingeforderte Transparenz für
den Verbraucher. Das Eintreten für unrealistische Regelungen schafft nicht nur
Probleme für Unternehmen der Biotechnologie-Branche, sondern auch für die
Politik und verunsichert vor allem den Verbraucher.
Die bisherigen Erfahrungen haben bestätigt, dass durch die bisher praktizierte
schrittweise Vorgehensweise aus dem Labor in das Gewächshaus und danach in
das Freiland höchstmögliche Sicherheit erreicht werden kann. Jeder Schritt er-
möglicht eine erneute Prüfung und fördert die Sicherheit. Bei keinem der bisher
über 38 000 weltweit durchgeführten Feldversuche konnten schädliche Auswir-
kungen für Mensch, Tier oder Biodiversität festgestellt werden. Die Zahl der
Anträge für Freilandversuche in Deutschland ist im vergangenen Jahr, vergli-
chen mit 1998, EU-weit um 80 % zurückgegangen. Dies bedeutet faktischen
Stillstand in der Erforschung und Weiterentwicklung dieser Technologie.
Die Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben bewiesen, dass es eine Viel-
zahl von interessanten, möglichen und sicheren Produktentwicklungen in der
Sparte der Grünen Gentechnik gibt. Allerdings ist dafür eine stimmige natio-
nale und europäische Politik notwendig.
Die ursprünglichen Bedenken und Argumente gegen die Zulassung gentech-
nisch veränderter Organismen sind mittlerweile ihrer Grundlage entzogen wor-
den. Die Potentiale der Biotechnik können durch das verhängte Moratorium
nicht umgesetzt werden.
II. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf,
l sich für die unverzügliche Aufhebung des Moratoriums auf EU-Ebene ein-

zusetzen;
l sich bei den bevorstehenden Diskussionen und Entscheidungen dafür ein-

zusetzen, dass das Subsidaritätsprinzip bei der Koexistenzregelung vom
Anbau von gentechnisch veränderten und herkömmlichen Kulturpflanzen in
der EU verwirklicht wird;

l dem Beispiel anderer Mitgliedstaaten zu folgen und die Zulassung gen-
technisch veränderter Organismen in der Pflanzenzüchtung wieder aufzu-
nehmen;

l die Schaffung von Rechtssicherheit und klarer politischer Unterstützung für
Unternehmen der Biotechnik-Branche.

Berlin, den 8. April 2003
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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