BT-Drucksache 15/740

Benachteiligung von Frauen wirksam bekämpfen - Konsequenzen ziehen aus dem CEDAW-Bericht der Bundesregierung

Vom 1. April 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/740
15. Wahlperiode 01. 04. 2003

Antrag
der Abgeordneten Maria Eichhorn, Hannelore Roedel, Dr. Maria Böhmer,
Hermann Gröhe, Katherina Reiche, Annette Widmann-Mauz, Antje Blumenthal,
Thomas Dörflinger, Vera Dominke, Rainer Eppelmann, Ingrid Fischbach,
Dr. Maria Flachsbarth, Markus Grübel, Karl-Theodor Freiherr von und zu
Guttenberg, Holger Haibach, Hubert Hüppe, Dr. Egon Jüttner, Irmgard Karwatzki,
Julia Klöckner, Kristina Köhler (Wiesbaden), Werner Lensing, Walter Link
(Diepholz), Michaela Noll, Melanie Oßwald, Rita Pawelski, Daniela Raab,
Albert Rupprecht (Weiden), Dr. Wolfgang Schäuble, Andreas Scheuer, Arnold
Vaatz, Willi Zylajew und der Fraktion der CDU/CSU

Benachteiligung von Frauen wirksam bekämpfen –
Konsequenzen ziehen aus dem CEDAW-Bericht der Bundesregierung

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Bemühungen der Vereinten Nationen um die Gleichberechtigung von
Frauen und Männern lassen sich bis zu ihrer Gründung zurückverfolgen. Ein
Höhepunkt in dem weltweiten Bemühen um Gleichberechtigung und Gleich-
stellung bildet das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskrimi-
nierung der Frau vom 18. Dezember 1979. Dieses Übereinkommen zählt heute
zu den weltweit grundlegenden Rechtsinstrumenten im Bereich der Menschen-
rechte von Frauen.
Gemäß Artikel 18 des Übereinkommens berichtet die Bundesregierung alle vier
Jahre über den Stand zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung von
Frauen. Mit dem im November 2002 vorgelegten 5. Bericht kommt die
Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung aus dem CEDAW-Über-
einkommen (CEDAW = Ausschuss für die Beseitigung der Frauendiskrimi-
nierung) nach. In dem Bericht werden die Lebensbedingungen von Frauen
beschrieben und die rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen
Rahmenbedingungen für Frauen dargelegt.
Der vorliegende CEDAW-Bericht der Bundesregierung legt die frauenpoliti-
schen Defizite in Deutschland nicht in gegebenem Maße dar. So hat der für die
Prüfung der Staatenberichte zuständige Ausschuss erhebliche Benachteiligun-
gen von Frauen in verschiedenen Lebensbereichen festgestellt.
Ob auf dem Arbeitsmarkt, im Bereich der Familienpolitik oder in den sozialen
Sicherungssystemen: Auf all diesen Feldern sind Versäumnisse zu verzeichnen.
Die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt gefährdet die Gleichberechtigung
mehr als alles andere.

Drucksache 15/740 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Frauenpolitik als Querschnittsaufgabe muss in Deutschland wieder einen hohen
Stellenwert einnehmen. Deshalb ist in der Frauenpolitik ein grundlegendes
Umsteuern nötig. Frauen in Deutschland verdienen eine verlässliche Politik, die
es sich zum Ziel gesetzt hat, die Wirtschaft wieder auf positiven Kurs zu brin-
gen, das „entweder Erwerbstätigkeit oder Familie“ zu überwinden, nachhaltige
Reformen in der Rente und der Gesundheit durchzusetzen und die gleich-
berechtigte Teilhabe von Frauen in allen Bereichen der Gesellschaft zu ver-
wirklichen.

Der Deutsche Bundestag stellt weiterhin fest:
– Die Situation am Arbeitsmarkt benachteiligt insbesondere Frauen;
– Frauen sind in Wissenschaft und Forschung erheblich unterrepräsentiert;
– das Prinzip des Gender Mainstreamings ist in vielen Bereichen unzurei-

chend durchgesetzt;
– bedarfsgerechte Angebote zur Betreuung von Kindern verschiedener Alters-

stufen fehlen und benachteiligen vor allem Frauen bei der Vereinbarkeit von
Familie und Erwerbstätigkeit;

– Verbesserungen hinsichtlich der Altersvorsorge von Frauen mit dem Ziel
einer eigenständigen Alterssicherung wurden bislang unzureichend umge-
setzt;

– in der Frauengesundheit konnten die gewünschten Ziele nicht erreicht
werden;

– Gewalt gegen Frauen muss wirksamer bekämpft werden mit dem Ziel,
Frauenrechte in Deutschland und auf internationaler Ebene durchzusetzen.

1. Die Situation am Arbeitsmarkt benachteiligt insbesondere Frauen
Seit Antritt der jetzigen Bundesregierung ist die Zahl der Arbeitslosen kontinu-
ierlich gestiegen. Zurzeit sind 4,7 Millionen Menschen, davon etwa 2 Millionen
Frauen, auf der Suche nach einem Arbeitsplatz. Die Chancen insbesondere für
Frauen, eine unbefristete, existenzsichernde Vollzeitstelle zu finden, sind denk-
bar schlecht. Dies ist Folge der schlechten Wirtschaftspolitik der jetzigen Bun-
desregierung.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren im Jahr 2001 86 % der
abhängig Teilzeitbeschäftigten Frauen. Die Teilzeitarbeitsplätze sind aber vor
allem im Bereich der gering qualifizierten Beschäftigung angesiedelt und
bieten somit auch geringere berufliche Aufstiegschancen.
Durch das neue Gesetz über Teilzeit und befristete Arbeitsverträge, das seit
1. Januar 2001 in Kraft ist, wollte die Bundesregierung die Teilzeitquote für
Frauen und Männer auch für qualifizierte Tätigkeiten erhöhen. Der Sachver-
ständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage hatte in seinem
Jahresgutachten 2001 dargelegt, dass mit dem Gesetz eher beschäftigungshem-
mende Wirkungen verbunden sind.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat in einer Umfrage festge-
stellt, dass in rund einem Drittel der Betriebe, in denen Anträge auf Reduzie-
rung der Arbeitszeit gestellt wurden, derartige Anträge abgelehnt wurden.
In knapp einem Fünftel der Unternehmen, die einen Antrag abgelehnt haben,
ziehen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Klage in Erwägung oder aber eine
solche Klage ist bereits erfolgt. Ebenfalls jedes fünfte Unternehmen berichtet,
dass Mitarbeiter, deren Antrag abgelehnt wurde, ein Ausscheiden aus dem
Unternehmen in Erwägung ziehen. Bei den bislang veröffentlichten Entschei-
dungen deutscher Arbeitsgerichte ist bisher nicht eindeutig erkennbar, unter
welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Teilzeitarbeit mit Erfolg geltend

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/740

gemacht werden kann oder welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber genügen
muss, um den Anspruch berechtigterweise zurückweisen zu können (vgl.
DIHK-Umfrage von Herbst 2001, BDA vom 17. Januar 2002, iwd vom 3. Ok-
tober 2002).
Eine positive Wirkung auf die – bereits auf freiwilliger Basis – in den 90er-Jah-
ren gestiegene Teilzeitquote ist daher nicht eingetreten. Unternehmen sehen im
Rechtsanspruch auf Teilzeit ein Einstellungshemmnis, da sich aus diesem
Rechtsanspruch weitreichende Verpflichtungen ergeben.
Die Fraktion der CDU/CSU im Deutschen Bundestag hatte bereits in ihrem An-
trag vom 7. November 2001 „Teilzeitbeschäftigung wirtschaftsverträglich und
familiengerecht fördern“ deutlich gemacht, die Teilzeitarbeit durch möglichst
flexible Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Mitarbeitern auf freiwilli-
ger Basis zu ermöglichen. Ferner wurde gefordert, Rahmenbedingungen zu
schaffen, die die Errichtung von Teilzeitarbeitsplätzen attraktiver gestalten.
Nach unserer Einschätzung hätten freiwillige Vereinbarungen die Chancen auf
mehr Teilzeitangebote erhöht.
Frauen, die wegen der Kindererziehung einige Jahre auf Erwerbstätigkeit ver-
zichten, dürfen bei der Integration am Arbeitsmarkt nicht benachteiligt werden.
Nach einer OECD-Studie werden die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert, bessere
Betreuungsangebote insbesondere für Mütter anzubieten, um diesen den Weg in
die Beschäftigung zu erleichtern. Der erfolgreiche Wiedereinstieg für Frauen
ins Erwerbsleben, insbesondere nach einer längeren Zeit der Familienarbeit, be-
darf einer guten Vorbereitung und Beratung. Damit werden Frauen bei der
Wahlfreiheit, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit ihren Wün-
schen entsprechend gestalten zu können, unterstützt.
2. Frauen sind in Wissenschaft und Forschung erheblich unterrepräsentiert
Frauen sind in Wissenschaft und Forschung nach wie vor deutlich unterreprä-
sentiert. Es gibt zwar eine zunehmend breiter werdende Basis hoch qualifizier-
ter Frauen, aber die Führungspositionen sind überwiegend von Männern be-
setzt. Gerade in Deutschland ist der Blick auf die aktuelle Berufungsstatistik
ernüchternd. Bundesweit sind nur knapp ein Zehntel aller Professuren von
Frauen besetzt. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit weit zurück
und wird von der Türkei (21,5 %), Finnland (18 %), Frankreich (13,8 %) und
Spanien (18 %) überholt.
Die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes hat die „Aufstiegs“-Möglich-
keiten für Wissenschaftlerinnen noch verschlechtert: Die Juniorprofessur als
die künftig vorrangige Qualifizierung für eine ordentliche Professur verschärft
die Arbeitsbedingungen gerade in dem Lebensabschnitt, in dem die Wissen-
schaftlerinnen vorwiegend Familie und Erwerbstätigkeit in Einklang zu bringen
haben. Für Frauen wird der akademische Berufsweg durch die Kombination
von zeitlicher Beschränkung auf sechs Jahre und übermäßiger Arbeitsleistung
noch unattraktiver als er es jetzt schon ist. Die Zwölfjahresbefristung lässt
völlig unberücksichtigt, wenn Arbeitsverhältnisse in dieser Frist in Teilzeit-
beschäftigung erfolgen. Das trifft insbesondere Frauen, die wegen Kindererzie-
hung oft mit reduzierter Stundenzahl arbeiten und denen wegen der
Befristungsregelung die volle Zeit zur wissenschaftlichen Qualifizierung nicht
mehr zur Verfügung steht.
3. Das Prinzip des Gender Mainstreamings ist in vielen Bereichen unzurei-

chend durchgesetzt
Aus Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes leitet sich die Pflicht des Staates zu
einer aktiven und wirkungsvollen Gleichstellungspolitik ab. Damit sind alle
staatlichen Organe gefordert, Maßnahmen zur Herstellung der tatsächlichen
Gleichberechtigung zu ergreifen.

Drucksache 15/740 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Alle Versuche der Bundesregierung, die Gleichstellung von Frauen zwangs-
weise durchzusetzen, z. B. durch ein Gleichstellungsgesetz in der Privatwirt-
schaft, sind bislang gescheitert. Im Gegenteil: Durch starke Reglementierungen
werden zusätzliche Einstellungen von Frauen eher behindert als gefördert. Für
eine verbesserte Gleichstellung von Frauen muss auf mehr Eigenverantwortung
der Unternehmen gesetzt und Spielraum für die Entwicklung eigener familien-
freundlicher und flexibler Arbeitszeitmodelle gegeben werden.
Mit gerade einmal 4 % Frauen im Top-Management ist Deutschland weiterhin
Schlusslicht in Europa. Entgegen aller Versprechungen konnte die Bundes-
regierung den Anteil der Frauen in Top-Positionen nicht steigern.
Nach dem Prinzip des Gender Mainstreamings müssen beide Geschlechter ver-
stärkt in den Blick genommen werden, also nach der Auswirkung gesetzlicher
Maßnahmen auf Frauen und Männer gefragt werden. Dies setzt auch eine aus-
gewogene Besetzung der Gleichstellungsgremien mit Frauen und Männern
voraus.
Der verbesserten Förderung von Frauen in so genannten Männerberufen muss
umgekehrt auch eine stärkere Förderung von Männern in so genannten Frauen-
berufen gegenüberstehen. Dazu gehört beispielsweise die immer wieder gefor-
derte Erhöhung des Männeranteils in vorschulischen Einrichtungen und in
Grundschulen. Die wechselseitige Förderung würde dazu beitragen, Vorurteile
abzubauen, typisch weibliche Berufe aufzuwerten und eine bessere Entlohnung
gemäß dem Gleichbehandlungsgrundsatz und den Bestimmungen der EU „glei-
ches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit“
wirksam durchzusetzen.
4. Bedarfsgerechte Angebote zur Betreuung von Kindern verschiedener Alters-

stufen fehlen und benachteiligen vor allem Frauen bei der Vereinbarkeit von
Familie und Erwerbstätigkeit

Nach der jüngsten Shell-Jugendstudie wollen 80 % der jungen Frauen und
Männer Familie und Erwerbstätigkeit miteinander vereinbaren. Erforderlich
sind vielfältige und qualifizierte Kinderbetreuungsangebote, z. B. Krippen-
plätze, Spielgruppen, Elterninitiativen, Tagesmütter und Kindergärten – auch in
betrieblicher Trägerschaft – die den Bedürfnissen der Kinder und den Wün-
schen der Eltern gerecht werden. Für eine bessere Betreuung von Schulkindern
sind Schulen mit betreuendem Ganztagsangebot, Ganztagsschulen und Horte
notwendig.
Voraussetzung für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit
sind ferner flexible Arbeitszeiten sowie verschiedenste Formen von Teilzeitar-
beit.
Die Bundesregierung setzt mit ihrer Unterstützung für die Einrichtung von
Ganztagsschulen in Höhe von 4 Mrd. Euro für die Jahre 2003 bis 2007 einseitig
auf den Ausbau von Ganztagsangeboten. Während der Bund seine Förderung
ausschließlich auf Investitionen für die Renovierung, den Ausbau, Neubau und
die Ausstattung von Schulen beschränken will, liegen die eigentlichen
Probleme in der Finanzierung der langfristigen Personal- und Betriebskosten.
Allein die Bereitstellung des Lehrpersonals kostet die Länder bei den vom
Bund angestrebten 10 000 neuen Ganztagsschulen mindestens 1,5 Mrd. Euro
im Jahr, wenn man von drei zusätzlichen Lehrkräften pro Ganztagsschule aus-
geht. Hinzu kommen weitere Kosten für Sozialpädagogen sowie Ausstattung
und Betrieb der Räumlichkeiten. Damit Länder und Kommunen die weit über
das vier Jahre bestehende Investitionsprogramm hinausgehenden Belastungen
tragen können, ist eine ausreichende Finanzausstattung der Kommunen not-
wendig.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/740

5. Verbesserungen hinsichtlich der Altersvorsorge von Frauen mit dem Ziel
einer eigenständigen Alterssicherung wurden bislang unzureichend um-
gesetzt

Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte 1998 in seiner Regierungserklärung,
dass Frauen nicht dafür bestraft werden dürfen, dass Phasen der Kindererzie-
hung und der Erwerbsarbeit abwechseln.
In der Rentenversicherung werden Frauen, die wegen der Kindererziehung auf
Erwerbstätigkeit verzichten und damit keine lückenlose Erwerbsbiografie auf-
weisen, weiterhin benachteiligt. Nach einer Statistik der Bundesversicherungs-
anstalt zum Ende des Jahres 2001 erhalten etwa 41 % der Frauen eine Rente,
die bei 600 Euro und weniger im Monat liegt. Die Schwierigkeiten bei der
Akzeptanz und Umsetzung der Riesterrente zeigen, dass der Aufbau einer
eigenständigen Alterssicherung erschwert wird.
Aus dem Vorsorgereport der Bertelsmann-Stiftung geht hervor, dass die Ange-
bote für eine Riester-Rente für viele Menschen zu kompliziert sind. Für Gering-
verdiener, zu denen vor allem Frauen gehören, wird der Aufbau einer staatlich
geförderten Altersvorsorge schwierig, da beim jetzigen Zuschnitt der Riester-
Berechtigung Niedrigeinkommenshaushalte und nicht Erwerbstätige unter-
durchschnittlich förderberechtigt sind. Aufgrund ihrer statistisch höheren
Lebenserwartung müssen Frauen höhere Beiträge einzahlen als Männer, um die
gleiche monatliche Rente zu erhalten. Dies ist eine nicht zumutbare Ungleich-
behandlung für Frauen, da einer Studie des Deutschen Instituts für Altersvor-
sorge zufolge bei drei Viertel der 30- bis 59-jährigen Frauen in Deutschland die
Einkommen im Alter nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Diese Un-
gleichbehandlung kann als Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes gewertet
werden, demzufolge niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt oder
bevorzugt werden darf.
Die Absenkung des Rentenniveaus durch die Bundesregierung trifft Frauen in
doppelter Weise bei ihrer eigenen Rente und bei der Witwenrente. Die Absen-
kung der Witwenrente von 60 auf 55 % entspricht einer realen Kürzung um
8,3 %. Diese Einschnitte können auch durch die Zuschläge für Kinder nicht
ausgeglichen werden. Da nach Expertenberechnungen die Rente von Frauen
auch in 30 Jahren im Durchschnitt nur etwa die Hälfte der Rente der Männer
betragen wird, kann auf die Witwenrente in ausreichender Höhe auf absehbare
Zeit nicht verzichtet werden.
6. In der Frauengesundheit konnten die gewünschten Ziele nicht erreicht

werden
Es gibt zahlreiche frauenspezifische Gesundheitsprobleme, die Anlass zur
Besorgnis geben. Hierzu zählen unter anderem Brustkrebs, Depressionen,
Herz- und Kreislauferkrankungen, Rheumatoide Arthritis, Osteoporose, Ess-
störungen sowie Demenz.
Die Bundesregierung versucht zwar, eine Qualitätsverbesserung z. B. durch das
Disease-Management-Programm „Brustkrebs“ zu erreichen. Mit diesem
Programm kann jedoch keine grundlegende Verbesserung der Qualität in der
gesundheitlichen Versorgung von Brustkrebskranken durchgesetzt werden.
Vielmehr droht in vielen Fällen eine Verschlechterung der Qualität, weil bereits
erreichte Behandlungsstandards gefährdet sind und Innovationen praktisch
keine Berücksichtigung finden.
Zur nachhaltigen Verbesserung der Frauengesundheitspolitik ist es insbeson-
dere nötig,
– eine konkrete Gesundheitspolitik für Frauen zu realisieren, welche die

Lebenswelt und die persönliche Geschichte von Frauen einbezieht,

Drucksache 15/740 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– die konkrete Versorgungsforschung voranzubringen,
– eine Intensivierung der Gesundheitserziehung von Mädchen und jungen

Frauen sowie den Ausbau der präventiven Maßnahmen zu erreichen,
– mehr frauenspezifische Gesundheitsaufklärung zu betreiben, verbunden mit

dem Ziel, mehr Frauen für die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen zu
gewinnen,

– eine grundlegende Gesundheitsreform auf den Weg zu bringen mit dem Ziel,
die Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland insgesamt wieder
zu steigern. Das deutsche Gesundheitswesen ist unter dieser Bundesregie-
rung auf dem besten Weg in eine Zweiklassenmedizin, unter der vor allem
sozial schwache Versicherte zu leiden haben werden.

Daher ist ein völliger Neuanfang mit einer grundlegenden Kehrtwende notwen-
dig. Das zentrale Ziel jeder Gesundheitsreform muss die Sicherstellung einer
qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung aller Bürgerinnen und Bür-
ger sein. Und dies unabhängig von Alter, Einkommen, Geschlecht oder gesund-
heitlichem Zustand. Ein solidarisches, sozial gerechtes und fortschrittliches
Gesundheitswesen ist kein Selbstzweck. Er muss die Patientinnen und Patien-
ten in den Mittelpunkt aller Handlungen stellen. Dieser Grundgedanke muss
der Maßstab in der Gesundheitspolitik sein. Dabei muss auf die vier Säulen
Prävention, Transparenz, Wettbewerb und Selbstbestimmung gebaut werden.
7. Gewalt gegen Frauen muss wirksamer bekämpft werden mit dem Ziel,

Frauenrechte in Deutschland und auf internationaler Ebene durchzusetzen
Das „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der
Frau“ der Vereinten Nationen bildet die Grundlage für die internationale
Durchsetzung von Frauenrechten als Menschenrechte und die Bekämpfung von
Gewalt gegen Frauen. In Deutschland wurde daher schon unter der unions-
geführten Regierung z. B. die Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland unter
Strafe gestellt, das Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von
Frauen und Männern verabschiedet und eine Verbesserung des strafrechtlichen
Schutzes ausländischer Mädchen und Frauen vor sexueller Ausbeutung in
Deutschland durch Neuregelung der Strafvorschriften über Menschenhandel
erreicht.
Gerade der Bekämpfung des Frauenhandels muss noch weit größeres Augen-
merk gewidmet werden. Das Gewaltschutzgesetz bietet zwar eine Handhabe
gegen häusliche Gewalt gegen Frauen. Es ist aber auch festzustellen, dass in
Deutschland an Mädchen und Frauen die brutale Prozedur der Genitalverstüm-
melung vollzogen wird und dass Mädchen und Frauen Opfer von Schande-
morden werden. Auf diese Gewalttaten geht die Bundesregierung in ihrem
5. Staatenbericht nicht ein.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– vielfältige qualifizierte und bedarfsgerechte Angebote der Kinderbetreuung

für alle Altersstufen zu fördern,
– zur Verbesserung der Gleichstellung die Förderung von Frauen in sog. Män-

nerberufen sowie der Förderung von Männern in sog. Frauenberufen voran-
zubringen,

– den Frauenanteil in den Bereichen Wissenschaft und Technik durch gezielte
Förderung in Schule, Ausbildung, Studium und Weiterbildung zu erhöhen,

– die Rahmenbedingungen für verbesserte Zugangsmöglichkeiten von Frauen
zu Führungspositionen in Wissenschaft und Forschung herzustellen,

– den generellen Rechtsanspruch auf Teilzeit abzuschaffen und ihn auf Zeiten
der Kindererziehung und Pflege zu begrenzen,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/740

– Maßnahmen für eine familienfreundliche Gestaltung der Arbeitswelt und
zur Umsetzung der Idee einer angemessenen Balance zwischen Privatleben
und Arbeitswelt zu ergreifen,

– den Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung von Frauen zu unterstüt-
zen und geschlechtsspezifische Benachteiligungen zu beseitigen,

– eine konkrete Gesundheitspolitik für Frauen konsequent umzusetzen,
– Menschenrechtsverletzungen an Frauen, wie Genitalverstümmelungen und

Schandemorde, auch in Deutschland zu thematisieren und Maßnahmen zu
deren Eindämmung zu ergreifen.

Berlin, den 1. April 2003
Maria Eichhorn
Hannelore Roedel
Dr. Maria Böhmer
Hermann Gröhe
Katherina Reiche
Annette Widmann-Mauz
Antje Blumenthal
Thomas Dörflinger
Vera Dominke
Rainer Eppelmann
Ingrid Fischbach
Dr. Maria Flachsbarth
Markus Grübel
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
Holger Haibach
Hubert Hüppe
Dr. Egon Jüttner
Irmgard Karwatzki
Julia Klöckner
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Werner Lensing
Walter Link (Diepholz)
Michaela Noll
Melanie Oßwald
Rita Pawelski
Daniela Raab
Albert Rupprecht (Weiden)
Dr. Wolfgang Schäuble
Andreas Scheuer
Arnold Vaatz
Willi Zylajew
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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