BT-Drucksache 15/729

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Dr. Christian Eberl, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -15/315- Ökologisch sinnvolle und effiziente Alternativen zum Zwangspfand auf Getränkeverpackungen

Vom 27. März 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/729
15. Wahlperiode 27. 03. 2003

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
(15. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Dr. Christian Eberl,
Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 15/315 –

Ökologisch sinnvolle und effiziente Alternativen zum Zwangspfand
auf Getränkeverpackungen

A. Problem
Mit dem Antrag soll die Bundesregierung u. a. aufgefordert werden, unverzüg-
lich eine ökologisch zweckdienliche und ökonomisch verantwortliche Novelle
der Verpackungsverordnung unter besonderer Berücksichtigung des Systems
handelbarer Lizenzen für ökologisch nachteilige Verpackungen zu erarbeiten
und zumindest bis zum Abschluss der in dieser Sache vor den höchsten deut-
schen Gerichten schwebenden Verfahren den weiteren Vollzug der sog.
Zwangspfandregelung im Rahmen der geltenden Verpackungsverordnung aus-
zusetzen.

B. Lösung
Der Ausschuss ist mehrheitlich der Auffassung, die mit dem Antrag erhobene
Forderung nach Aussetzung der Zwangspfandregelung sei angesichts der guten
Erfahrungen mit diesem Instrument seit dem 1. Januar 2003 abzulehnen. Zu-
dem hätten sich Bund und Länder im Februar 2003 bereits auf Eckpunkte einer
Novelle zur Verpackungsverordnung geeinigt, so dass die Forderung nach ei-
nem Systemwechsel zugunsten handelbarer Lizenzen wenig zielführend sei.
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP
und einige Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimmenthaltung der
Mehrheit der Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU

C. Alternativen
Annahme des Antrags.

D. Kosten
Die mit der geforderten Novellierung der Verpackungsverordnung bei der Wirt-
schaft entstehenden Kosten sind Gegenstand der politischen Diskussion (siehe
Bericht).

Drucksache 15/729 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 15/315 abzulehnen.

Berlin, den 12. März 2003

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker
Vorsitzender

Gerd Friedrich Bollmann
Berichterstatter

Werner Wittlich
Berichterstatter

Dr. Antje Vogel-Sperl
Berichterstatterin

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/729

Bericht der Abgeordneten Gerd Friedrich Bollmann, Werner Wittlich,
Dr. Antje Vogel-Sperl und Birgit Homburger

I.
Der Antrag auf Drucksache 15/315 wurde in der 28. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 20. Februar 2003 zur feder-
führenden Beratung an den Ausschuss für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit und zur Mitberatung an den
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und den Ausschuss für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft überwie-
sen.
Die mitberatenden Ausschüsse haben jeweils mit den Stim-
men der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthal-
tung der Fraktion der CDU/CSU empfohlen, den Antrag ab-
zulehnen.

II.
Mit dem Antrag soll die Bundesregierung u. a. aufgefordert
werden, unverzüglich eine ökologisch zweckdienliche und
ökonomisch verantwortliche Novelle der Verpackungsver-
ordnung zu erarbeiten und dabei das sog. Zwangspfand nicht
länger als Steuerungsinstrument vorzusehen, sondern statt-
dessen – unter Berücksichtigung einschlägiger Erfahrungen
in europäischen Partnerländern – auf ein System handelbarer
Lizenzen für ökologisch nachteilige Verpackungen abzustel-
len. Bis zum Abschluss der in dieser Sache vor den höchsten
deutschen Gerichten schwebenden Verfahren soll ferner der
weitere Vollzug der sog. Zwangspfandregelung im Rahmen
der geltenden Verpackungsverordnung ausgesetzt werden,
um ökologisch kontraproduktive, irreversible Investitions-
entscheidungen zu vermeiden und wettbewerblich un-
erwünschte Folgen abzuwenden.

III.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit hat den Antrag auf Drucksache 15/315 in seiner Sitzung
am 12. März 2003 beraten.
Von Seiten der Fraktion der FDPwurde ausgeführt, der An-
trag auf Drucksache 15/315 habe insbesondere zum Ziel, in
folgenden zwei Bereichen die im Zusammenhang mit der
Verpackungsverordnung geplanten Maßnahmen einer Sinn-
haftigkeitsprüfung zu unterziehen.
Zum einen sei es zwar richtig, eine Trennung zwischen öko-
logisch vorteilhaften und ökologisch nicht vorteilhaften Ge-
tränkeverpackungen vorzunehmen. Die im Februar 2003 von
Bund und Ländern verabredeten Eckpunkte einer Novellie-
rung der Verpackungsverordnung sähen aber zusätzlich eine
Trennung in Einweg und Mehrweg vor. Zwar knüpften sich
an die Mehrwegquote keine Rechtsfolgen mehr, gleichwohl
solle sie aber weiter veröffentlicht werden. Dies bedeute
mehr Statistik und damit unnötigen zusätzlichen büro-
kratischen Aufwand. Ferner führten die im Eckpunktepapier
festgelegten Regelungen für die Milch und Milchprodukte
sowie die Ausnahmeregelungen zu denselben Problemen,
wie man sie bisher schon habe. Der Verbraucher könne nicht

nachvollziehen, warum in einem Fall Pfand zu entrichten sei
und im anderen nicht. Solche Regelungen machten keinen
Sinn. Von daher dränge man auf Überprüfung.
Zum anderen sei man nach wie vor der Ansicht, dass die
Pfandpflicht zur Sicherung einer bestimmten Quote ökolo-
gisch vorteilhafter Getränkeverpackungen das falsche Instru-
ment sei. Bereits seit dem Jahr 1994 habe man sich für ein
System handelbarer Lizenzen für ökologisch nachteiligeVer-
packungen eingesetzt. Von der Bundesregierung sei ein sol-
ches System in der vergangenen Wahlperiode in einer Ant-
wort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP durchaus
als möglich und europarechtlich zulässig bezeichnet worden.
Gerade angesichts der wettbewerbsrechtlichen Probleme im
Zusammenhang mit dem DSD bzw. der in Aussicht genom-
menen Clearingstelle spreche man sich dafür aus zu prüfen,
ob ein System handelbarer Lizenzen nicht vorzuziehen sei.
Diese Lösung empfehle sich schon deshalb, weil man damit
nicht bei den Millionen Endverbrauchern ansetze, sondern
bei der deutlich geringeren Anzahl von Herstellern. Zudem
löse eine Pfandpflicht das Problem der Vermüllung der Land-
schaft nur in einem kleinen Teilbereich. In dem eigenen An-
trag habe man deshalb das Angebot der deutschen Getränke-
wirtschaft, einen Fonds für Landschaftsschutz einzurichten,
aufgegriffen.
Von Seiten derFraktion der SPDwurde festgestellt, die Ein-
führung des Dosenpfandes zum 1. Januar 2003 habe die
Mehrwegsysteme erheblich gestärkt. Dies halte man für eine
positive Entwicklung.
Was den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/
315 anbelange, so sei die erste Forderung nach einer unver-
züglichen Erarbeitung einer ökologisch zweckdienlichen
und ökonomisch verantwortbaren Novelle der Verpackungs-
verordnung überholt. Die Bundesregierung habe die notwen-
digen Schritte längst in die Wege geleitet. Dies betreffe auch
das geforderte Gespräch mit den Vertretern der Bundeslän-
der. Die geforderte Aussetzung der Pfandpflicht bis zum Ab-
schluss der schwebenden Verfahren erübrige sich, da das
Bundesverwaltungsgericht Leipzig inzwischen letztinstanz-
lich in einem Hauptsacheverfahren gegen die Pfandgegner
entschieden habe. Die Forderung, zur Fundierung umwelt-
politischer Ziele im Rahmen einer Novellierung der Verpa-
ckungsverordnung allein auf die Ergebnisse ökobilanzieller
Bewertungen von Verpackungsarten abzustellen, sei nicht zu
beanstanden. Sie entspreche auch dem Tenor des von Bund
und Ländern vereinbarten Eckpunktepapiers. Was die strit-
tige Frage mit den Milchbehältern anbelange, so gebe es für
die Styroporbehälter mit Aludeckel derzeit noch keine Öko-
bilanz.Wenn sie erstellt werde und bis dahin eineÜbergangs-
regelung greife, sei dies sicher tragbar. Die im letzten Tiret
des Antrags auf Drucksache 15/315 geforderte Einrichtung
eines Fonds für Landschaftsschutz sei aus eigener Sicht nicht
praktikabel. Nicht zustimmen könneman auch der im fünften
Tiret geforderten besonderen Berücksichtigung eines Sys-
tems handelbarer Lizenzen für ökologisch nachteilige Verpa-
ckungen, da das Pfandsystem ökologisch sinnvoller sei.

Drucksache 15/729 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Von Seiten der Fraktion der CDU/CSUwurde vorgetragen,
ökologisch und ökonomisch gesehen mache die Einführung
der Dosenpfandpflicht zum 1. Januar 2003 keinen Sinn. Bei
Verbrauchern, Handel und Wirtschaftsunternehmen habe sie
zu erheblichen Problemen geführt. Viele Hersteller von Do-
sen sowie Unternehmen der Getränkewirtschaft seien in ihrer
Existenz bedroht. Man selbst habe sich immer dafür ausge-
sprochen, die Pfandpflicht bis zum Oktober 2003 auszuset-
zen. Es gehe auch nicht an, wie dies von Seiten der Bundes-
regierung getan werde, die Wirtschaft für das Fehlen eines
Rücknahmesystems verantwortlich zu machen. Bis zum
Ende des Jahres 2002 seien die Rechtsstreitigkeiten in dieser
Sache noch nicht abschließend geregelt gewesen. Aufwen-
dungen im Milliarden-Euro-Bereich ohne Rechtssicherheit
vornehmen zumüssen, könne aber derWirtschaft nicht zuge-
mutet werden.
Nach wie vor ungeklärt sei die Situation bei den Milchbe-
chern. Von daher fordereman, ökologisch vorteilhafteVerpa-
ckungen in einer sog. Innovationsklausel von der Pfand-
pflicht freizustellen. Die Ausnahme von der Pfandpflicht
müsse umgehend – auf Antrag – erfolgen. Es mache keinen
Sinn, jedes Mal den gesamten Verwaltungsapparat neu in
Gang zu setzen, wenn sich eine weitere Verpackung als öko-
logisch vorteilhaft herausgestellt habe. Das Pfand müsse fer-
ner einheitlich auf 0,25 Euro festgelegt werden. Schließlich
müsstenVerpackungen ab 3 l Inhalt von der Pfandpflicht aus-
genommen werden, da es dafür keine Rücknahmesysteme
gebe. Man spreche sich dringend dafür aus, diese Vorschläge
bei der anstehenden Novellierung der Verpackungsverord-
nung zu berücksichtigen, biete dem Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) aber
auch konstruktive Zusammenarbeit bei dieser Aufgabe an.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wurde daran erinnert, dass die Bundesregierung im Jahr 2001
eineNovelle zur Verpackungsverordnung vorgelegt habe, die
das Dosenpfand in einfacher Weise geregelt hätte. Im Bun-
desrat sei sie aber gescheitert. Mit der Einführung der Pfand-
pflicht für Einweg-Getränkeverpackungen von Bier, Mine-
ralwasser und kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken
zum 1. Januar 2003 habe die Bundesregierung geltendes
Recht vollzogen. Von daher lehne man die im Antrag der
Fraktion der FDP erhobene Forderung nach einer Ausset-
zung der Pfandpflicht entschieden ab. Dies betreffe auch die
geforderte Einführung eines Systems handelbarer Lizenzen
für ökologisch nachteilige Verpackungen, da das Pflicht-
pfand die ökologisch sinnvollere Lösung sei. Sie schaffe An-
reize, auf Mehrweg umzusteigen, wie sich heute schon am
Markt feststellen lasse. Das Umweltbundesamt (UBA) habe
zudem bestätigt, dass das Dosenpfand zu einer besseren Ver-
wertung der Rohstoffe führe. Ein System handelbarer Lizen-
zen löse zudem das Problem der Vermüllung der Landschaft

nicht. Darüber hinaus erfordere es einen hohen Verwaltungs-
aufwand.
Was den Problembereich Milchverpackungen anbelange, so
gebe es im Grundsatz bereits heute eine Pfandpflicht auf pas-
teurisierte Konsummilch und andere Milchgetränke. Ohne
eine solche Pfandpflicht werde der Anteil an Petflaschen in
diesem Bereich erheblich ansteigen. Insbesondere gehe es
aber darum, Umgehungsmöglichkeiten der Art zu verhin-
dern, dass beispielsweise durch Zumischen von Milch und
Molke in Säfte die Pfandpflicht vermieden werde. Die erfor-
derliche Übergangszeit werde bei der Novellierung der Ver-
packungsverordnung berücksichtigt werden. Zielrichtung
aber sei, das Umsteigen auf ökologisch vorteilhafte Geträn-
keverpackungen wie beispielsweise den Tetrapack zu beför-
dern.
Was die kartellrechtlichen Fragen anbelange, so habe sich der
Exekutivausschuss vonHandel undGetränkeindustrie darauf
verständigt, die Ausschreibung unter Beachtung der Vorga-
ben des Bundeskartellamtes zu wiederholen, so dass dieses
Problem nunmehr als gelöst angesehen werden könne. Im
Zusammenhang mit der Pfandclearingstelle sei von Seiten
des BMU mitgeteilt worden, dass eine Änderung des Kreis-
laufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) initiiert
werden solle, um auch in diesemBereich Rechtssicherheit zu
schaffen. Von daher sei die Entwicklung in diesem Bereich
auf gutemWege. Man lehne deshalb den Antrag der Fraktion
der FDP ab.
Von Seiten der Bundesregierung wurde festgestellt, die Ver-
braucher nähmen die seit dem 1. Januar 2003 geltende Pfand-
pflicht für Einweg-Getränkeverpackungen von Bier, Mine-
ralwasser und kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken
an. Gewisse Probleme träten auf, weil kein bundeseinheitli-
ches Pfandrücknahmesystem realisiert worden sei. Die Ver-
antwortung dafür trage die Wirtschaft, da ihr bekannt gewe-
sen sei, dass nach geltendem Recht die Pfandpflicht zum ge-
nannten Termin in Kraft treten werde.
Statt der Pfandpflicht ein System handelbarer Lizenzen für
ökologisch nachteilige Verpackungen einzuführen, sei im
Jahr 1991 von dem damaligen Wirtschaftsminister mit dem
Hinweis abgelehnt worden, dass damit eine nicht vertretbare
absoluteMengenbegrenzung vorgenommenwerde. Aus dem
gleichenGrunde sei heute eine europaweite Einführung eines
solchen Systems zwar vorstellbar, eine nationale Lösung
aber europarechtlich höchst bedenklich.
Der Ausschuss beschloss mit den Stimmen der Fraktionen
SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen
der Fraktion der FDP und einige Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU bei Stimmenthaltung der Mehrheit der Fraktion
der CDU/CSU, dem Deutschen Bundestag zu empfehlen,
den Antrag auf Drucksache 15/315 abzulehnen.

Berlin, den 27. März 2003
Gerd Friedrich Bollmann
Berichterstatter

Werner Wittlich
Berichterstatter

Dr. Antje Vogel-Sperl
Berichterstatterin

Birgit Homburger
Berichterstatterin

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