BT-Drucksache 15/654

Sachgerechte Planungsentscheidungen zum Bau einer Europäischen Spallations-Neutronenquelle ermöglichen

Vom 17. März 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/654
15. Wahlperiode 17. 03. 2003

Antrag
der Abgeordneten Katherina Reiche, Thomas Rachel, Dr. Christoph Bergner,
Dr. Maria Böhmer, Michael Kretschmer, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen),
Helge Braun, Vera Dominke, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Volker Kauder,
Werner Lensing, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Uwe Schummer, Marion Seib,
Angelika Volquartz und der Fraktion der CDU/CSU

Sachgerechte Planungsentscheidungen zum Bau einer Europäischen
Spallations-Neutronenquelle ermöglichen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Der Deutsche Bundestag bekennt sich zu dem von den europäischen Staats-
und Regierungschefs auf der Tagung des Europäischen Rates im März 2000
formulierten Ziel, die Europäische Union bis 2010 zum „wettbewerbsfähigsten
und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ umzugestal-
ten.
Er erinnert die Bundesregierung an die von ihr eingegangenen Verpflichtungen
im Ratsbeschluss von Barcelona (2002), zur Erhöhung der Investitionsausgaben
für Forschung und technologische Entwicklung beizutragen, die im Jahre 2010
im Durchschnitt der gesamten EU bei 3 % des BIP (Bruttoinlandsprodukt)
liegen sollen.
Bei der Erfüllung dieser anspruchsvollen Ziele kommt den Entscheidungen
über Großgeräte der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung eine strate-
gische Bedeutung zu. Die in diesem Zusammenhang notwendigen politischen
und finanziellen Prioritäten müssen mit großer Sorgfalt gesetzt werden und den
erheblichen Nachholbedarf an Investitionen für Forschung und Entwicklung im
Hinblick auf die Ratsziele von Lissabon und Barcelona berücksichtigen.

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
– Die Entscheidungen der Bundesregierung über Großgeräte der naturwissen-

schaftlichen Grundlagenforschung, über die der Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung auf Ausschussdrucksache 15(17)43
im Nachhinein informiert wurde, erfolgten ohne angemessene Einbeziehung
des Parlaments. Damit wurde dem Deutschen Bundestag keine Gelegenheit
gegeben, sich an der damit verbundenen forschungs- und haushaltspoliti-
schen Prioritätensetzung zu beteiligen.

– Die Bewertung des beantragten Großprojektes Europäische Spallations-
Neutronenquelle kann auch nach Einschätzung des begutachtenden Wissen-
schaftsrates nicht als endgültige Ablehnung des Vorhabens gelten.

Drucksache 15/654 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf:
1. Anstrengungen zu unternehmen, damit Europa seine wissenschaftliche Füh-

rungsrolle in der Forschung im Bereich der Neutronenspallationsquelle nicht
an die USA und Japan verliert.

2. Das zweite vom Wissenschaftsrat beabsichtigte Begutachtungsverfahren zur
ESS (Europäische Spallations-Neutronenquelle) einzuräumen. In diesem
Rahmen soll eine neue Prüfung und unabhängige wissenschaftliche Bewer-
tung des Projektes durch den Wissenschaftsrat ermöglicht werden.

3. Die Bewertung soll, wie zwischen den antragstellenden Ländern (Nordrhein-
Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt) und dem Wissenschaftsrat vereinbart,
nach einem zeitlich getrennten zweistufigen Verfahren erfolgen. Die Finanzie-
rung und die Standortfrage sollen erst in der zweiten Stufe behandelt werden.

4. Die Ergebnisse der Bewertung und die Schlussfolgerungen der Bundesregie-
rung sind im zuständigen Parlamentsausschuss zu erörtern.

5. Erst am Abschluss dieses zweiten Bewertungsverfahrens soll die Entschei-
dung über das Projekt Spallations-Neutronenquelle fallen.

6. Nach erfolgreicher Begutachtung durch den Wissenschaftsrat, Verhandlun-
gen mit europäischen Partnern zur gemeinsamen Umsetzung des Projektes
Europäische Spallations-Neutronenquelle zu führen.

Berlin, den 11. März 2003

Begründung
Die Entscheidung über den Bau einer europäischen Neutronen-Spallations-
quelle besitzt eine beträchtliche strategische Bedeutung für die Wissenschafts-
entwicklung und die Ausprägung zukünftiger Innovationspotentiale in
Deutschland und Europa. Die Neutronenforschung ist eines der Wissenschafts-
gebiete, auf denen Europa weltweit eine Spitzenposition einnimmt. Diese Füh-

Katherina Reiche
Thomas Rachel
Dr. Christoph Bergner
Dr. Maria Böhmer
Michael Kretschmer
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Helge Braun
Vera Dominke
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Volker Kauder
Werner Lensing
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Uwe Schummer
Marion Seib
Angelika Volquartz
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/654

rungsstellung wird nur zu behaupten sein, wenn die EU auch zukünftig über
modernste Ausstattung auf diesem Sektor verfügt.
Gegenwärtig werden sowohl in den USA (SNS) wie auch in Japan (I-PARC)
neue leistungsfähige MW-Spallationsquellen entwickelt, die dem Konzept der
ESS entsprechen. Das „European Strategy Forum for Research Infrastructures“
(ESFRI) hält nicht zuletzt auch mit Blick auf diese Projekte den Bau einer gro-
ßen Neutronenquelle für notwendig, um die internationale Wettbewerbsfähig-
keit der EU zu erhalten.
Von der Verfügbarkeit einer leistungsfähigen Neutronenquelle würden unter-
schiedlichste Wissenschaftsgebiete wie Physik, Chemie, Pharmazie, Biologie,
Werkstoffforschung u. a. profitieren. Eine solche Anlage böte Arbeitsmöglich-
keiten der Grundlagen- wie der angewandten Forschung und könnte führende
Wissenschaftler aus aller Welt an europäische Forschungsstandorte binden.
Angesichts der hohen Bedeutung des Projektes muss die Entscheidung der
Bundesregierung, die im Rahmen des jüngsten Beschlusses über Großprojekte
der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung zur Ablehnung des ESS-
Vorhabens führte, als unzureichend begründet gelten.
Das Parlament, das hierbei bisher nicht hinreichend beteiligt war, sollte deshalb
eine weitere Prüfung des Projektes ermöglichen.
Dabei kann das zwischen Wissenschaftsrat und den antragstellenden Bundes-
ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen ausgehandelte Ver-
fahren Grundlage für eine angemessene Entscheidungsfindung sein.

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