BT-Drucksache 15/5964

zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Heinz Schmitt (Landau), Jörg Tauss, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Ursula Sowa, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/4539- Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften stärken

Vom 23. August 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5964
15. Wahlperiode 23. 08. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(17. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Heinz Schmitt (Landau),
Jörg Tauss, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Ursula Sowa, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck
(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 15/4539 –

Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften stärken

A. Problem

Neben der finanziellen Unterstützung der Geistes-, Sozial- und Kulturwissen-
schaften halten die Initianten des Antrags Strukturveränderungen für die Zu-
kunftsfähigkeit von Wissenschaft und Forschung und die Bildung von wissen-
schaftlichen Exzellenzzentren für dringend geboten. Geistes-, Sozial- und
Kulturwissenschaften hätten einen spezifischen und unverzichtbaren Anteil an
gesellschaftlichen Innovationen, stünden aber aus unterschiedlichen Gründen
unter besonderem finanziellem sowie hohem Legitimations- und Leistungs-
druck.

B. Lösung

Die Bundesregierung wird aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass auch im Be-
reich der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften eigene Exzellenznetzwer-
ke aufgebaut werden, ein Konzept zur weiteren strukturellen Förderung vorzu-
legen sowie mit einem in zehn Punkten formulierten Maßnahmenbündel die
Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften zu stärken.

Annahme des Antrags in geänderter Fassung mit den Stimmen der Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP

C. Alternativen

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 15/4539.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 15/5964 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag – Drucksache 15/4539 – mit folgenden Maßgaben, im Übrigen un-
verändert anzunehmen:

1. Der Ziffer II wird folgender Absatz angefügt:

„In der öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag vom 11. Mai 2005
wurde die große Bedeutung der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften
in Deutschland einhellig hervorgehoben. Sie haben international eine heraus-
ragende Stellung, die jedoch durch eine zunehmend einseitige Schwerpunkt-
setzung gefährdet ist. Der Deutsche Bundestag sieht aufgrund der Ergebnisse
der öffentlichen Anhörung die Notwendigkeit, sich weiterhin intensiv mit
den Perspektiven der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften zu befas-
sen.“

2. Der Ziffer III wird folgende neue Nummer 13 angefügt:

„13. auf Grundlage der Ergebnisse der Anhörung vom 11. Mai 2005 sich in
der kommenden Legislaturperiode weiter intensiv mit den Perspektiven
der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften zu befassen.“

Berlin, den 29. Juni 2005

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Cornelia Pieper
Vorsitzende und Berichterstatterin

Swen Schulz (Spandau)
Berichterstatter

Bernward Müller (Gera)
Berichterstatter

Ursula Sowa
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5964

Bericht der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Bernward Müller (Gera),
Ursula Sowa und Cornelia Pieper

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 15/
4539 in seiner 160. Sitzung am 24. Februar 2005 beraten und
an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung zur federführenden Beratung sowie an
den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
und den Ausschuss für Kultur und Medien zur Mitberatung
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

Die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN er-
klären, dass Bund und Länder in der Vergangenheit hohe
Summen in Wissenschaft und Forschung investiert hätten.
Neben der finanziellen Unterstützung der Geistes-, Sozial-
und Kulturwissenschaften halten die Initianten des Antrags
aber Strukturveränderungen für die Zukunftsfähigkeit von
Wissenschaft und Forschung und die Bildung von wissen-
schaftlichen Exzellenzzentren für dringend geboten. Das
gelte sowohl für die natur- und ingenieurwissenschaftliche
als auch für die geistes-, sozial- und kulturwissenschaftliche
Forschung. Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften hät-
ten einen spezifischen und unverzichtbaren Anteil an gesell-
schaftlichen Innovationen, stünden aber aus unterschied-
lichen Gründen unter besonderem finanziellem sowie unter
hohem Legitimations- und Leistungsdruck. Die Antragstel-
ler verweisen auf das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel,
ein neues Förderkonzept für die Geistes-, Sozial- und Kul-
turwissenschaften zu entwickeln und begrüßen die bisheri-
gen Maßnahmen der Bundesregierung zu ihrer Stärkung.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, darauf hinzuwir-
ken, dass auch im Bereich der Geistes-, Sozial- und Kultur-
wissenschaften eigene Exzellenznetzwerke aufgebaut wer-
den und ein Konzept zur weiteren strukturellen Förderung
der Wissenschaftsbereiche vorzulegen. Die Förderung be-
trifft im Einzelnen u. a. die Grundlagenforschung im Aka-
demieprogramm, die Geistes-, Sozial- und Kulturwissen-
schaften in Ostdeutschland, die „Kleinen Fächer“ und die
Frauen-, Migrations-, Integrations- und Bildungsforschung.
Ferner wird die Bundesregierung aufgefordert, sich dafür
einzusetzen, dass die Geistes-, Sozial- und Kulturwissen-
schaften und ihre Grundlagenforschung auf europäischer
Ebene im 7. Europäischen Forschungsrahmenprogramm und
beim geplanten European Research Council berücksichtigt
werden.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der mitberatende Ausschuss für Familie, Senioren, Frau-
en und Jugend und derAusschuss für Kultur undMedien
haben jeweils mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 15/4539 in geänderter Fassung anzunehmen.

IV. Beratungsverlauf und -ergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung hat am 11. Mai 2005 eine öffentliche
Anhörung mit dem Titel „Situation der Geistes-, Sozial- und
Kulturwissenschaften in Deutschland“ durchgeführt.

Er hat die Vorlage in seiner 63. Sitzung am 29. Juni 2005 be-
raten und empfiehlt:

Annahme des Antrags – Drucksache 15/4539 – in geänderter
Fassung mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP.

Die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
haben in der Ausschusssberatung folgenden Änderungsan-
trag zum Antrag auf Drucksache 15/4539 gestellt:

1. Auf Seite 3 wird vor der Ziffer II. folgender Absatz einge-
fügt:
„In der öffentlichen Anhörung im Deutschen Bundestag
vom 11. Mai 2005 wurde die große Bedeutung der Geis-
tes-, Sozial- und Kulturwissenschaften in Deutschland
einhellig hervorgehoben. Sie haben international eine
herausragende Stellung, die jedoch durch eine zuneh-
mend einseitige Schwerpunktsetzung gefährdet ist. Der
Deutsche Bundestag sieht aufgrund der Ergebnisse der
öffentlichen Anhörung die Notwendigkeit, sich weiterhin
intensiv mit den Perspektiven der Geistes-, Sozial- und
Kulturwissenschaften zu befassen.“

2. Unter Ziffer III. wird nach Forderung Nr. 12 folgende
Forderung neu angefügt:
„13. auf Grundlage der Ergebnisse der Anhörung vom

11. Mai 2005 sich in der kommenden Legislaturpe-
riode weiter intensiv mit den Perspektiven der Geis-
tes-, Sozial- und Kulturwissenschaften zu befassen.“

Von Seiten der Fraktion der SPD wird erklärt, dass die An-
hörung die Kernaussagen des Antrags bestätigt habe. Geis-
tes-, Sozial- und Kulturwissenschaften hätten eine große Be-
deutung für gesellschaftliche Innovationen und national wie
auch international eine herausragende Stellung in der Wis-
senschaftslandschaft. Problematisch seien Kürzungen in den
verschiedenen Länderhaushalten und Fokussierungen auf
die Natur- und Ingenieurwissenschaften. Insbesondere die so
genannten „Kleinen Fächer“ stünden unter Druck. Die An-
hörung habe gezeigt, dass eine bundesweite Koordinierung
erforderlich sei, um diesen Tendenzen entgegenzuwirken.

Zur Förderung der geisteswissenschaftlichen Zentren
müssten gemeinsame Lösungen gefunden werden. Die Ex-
zellenzinitiative sei auch für die Förderung der Geistes-,
Sozial- und Kulturwissenschaften bedeutend. Es wird her-
vorgehoben, dass der Bund auch schon heute im Rahmen
seiner Möglichkeiten über die Förderung der Deutschen
Forschungsgemeinschaft (DFG) oder auch durch das neu
aufgelegte Förderprogramm „Geisteswissenschaften im ge-
sellschaftlichen Dialog“ Verantwortung für die Geistes-,
Sozial- und Kulturwissenschaften wahrnehme.

Drucksache 15/5964 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Es wird darauf hingewiesen, dass die verbleibende Zeit in
der 15. Wahlperiode voraussichtlich nicht mehr ausreiche,
um zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Mit dem An-
trag solle aber ein Zeichen, auch für die nächste Wahlperio-
de, gesetzt werden.

Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wird Bezug auf die
Anhörung genommen. Sie habe die große Bedeutung der
Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften in Deutschland
aufgezeigt und damit auch dazu beigetragen, eine Art „Lob-
byentwicklung“ für die Geisteswissenschaften anzustoßen.

Drei aktuell bedeutsame gesellschaftliche Themenfelder der
Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften seien angespro-
chen worden: die Wertediskussion, die Extremismusdebatte
und die Islamforschung. Es wird auf das Problem der Stel-
lung der Geisteswissenschaften innerhalb der Universitäten
und die Unterfinanzierung dieser Wissenschaftsbereiche
hingewiesen. Schuld an dieser Situation habe auch die
Kosten-Nutzen-Debatte innerhalb der Forschung. Hier sei
die Politik gefordert.

Dem von der Bundesregierung eingeschlagenen Weg wird
zugestimmt, der Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gehe jedoch nicht weit genug. Die Finan-
zierungsgrundlagen der Hochschulen müssten insgesamt
verbessert werden, so dass auch mehr Geld für die Geistes-,
Sozial- und Kulturwissenschaften zur Verfügung stehe.

Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wird die Bedeutung der Stärkung der Geisteswissenschaften
vor dem Hintergrund der Geistesgeschichte in Deutschland,
der Zäsur durch die beiden Weltkriege, der Vertreibung und
Vernichtung der jüdischen Intelligenz, des Neubeginns und
der Identitätssuche nach 1945 hervorgehoben.

Es wird die Frage gestellt, welche Rolle der Bildungsauftrag
und die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften am An-
fang eines neuen Jahrtausends im Kontext der Ökonomie
einnähmen. Wachstumsraten wie in den 50er bis 80er Jahren
würden voraussichtlich nicht mehr erreicht werden. Daher
sollten Kultur und Bildung im Zentrum einer Selbstdefini-
tion stehen und könne der Stellenwert der Geistes- und Sozi-
alwissenschaften nicht hoch genug eingeschätzt werden. Da-
her werde der Antrag begrüßt. Man befürworte eine weitere
Anhörung zu dem Themenfeld in der nächsten Legislatur-
periode.

Von Seiten der Fraktion der FDP wird erklärt, dass die An-
hörung sehr informativ gewesen sei. Die Geistes-, Sozial-
und Kulturwissenschaften könnten einen unschätzbaren Bei-
trag zur Sicherung und Aufbereitung des kulturellen Erbes
leisten, aber auch gewährleisten, dass die Gesellschaft inno-
vationsfähig bleibe. Es sei wichtig, dass diese Wissenschaf-
ten auch im Pakt für Forschung und bei der Exzellenzinitia-
tive von Bund und Ländern berücksichtigt würden. Die
Bestrebungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, neue
Förderinstrumente für die Geistes-, Sozial- und Kulturwis-
senschaften zu entwickeln, müssten unterstützt werden. Fer-
ner sollten die Leibniz-Institute und insbesondere die geis-
teswissenschaftlich orientierten Institute nach Artikel 91b
GG gefördert werden. Die Empfehlung des Wissenschafts-
rates zum Akademieprogramm mache deutlich, dass die
Forschungen in diesen Bereichen gestärkt werden müssten.
Daher müsse ein neues Förderkonzept für die geisteswissen-
schaftlichen Zentren entwickelt werden. Die Bund-Länder-
Kommission (BLK) sollte beauftragt werden, eine Koordi-
nierungsstelle für die Sicherung des Bestandes der „Kleinen
Fächer“ zu schaffen. Die Fraktion der FDP erwartet, dass
sich der Deutsche Bundestag auch in der nächsten Legisla-
turperiode mit dem Thema befasst.

Berlin, den 29. Juni 2005

Swen Schulz (Spandau)
Berichterstatter

Bernward Müller (Gera)
Berichterstatter

Ursula Sowa
Berichterstatterin

Cornelia Pieper
Berichterstatterin

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