BT-Drucksache 15/5947

zu dem Antrag der Abgeordneten Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer, Hubert Hüppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU -15/4934- Forschungsförderung der Europäischen Union unter Respektierung ethischer und verfassungsmäßiger Prinzipien der Mitgliedstaaten

Vom 10. August 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5947
15. Wahlperiode 10. 08. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(17. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer,
Hubert Hüppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 15/4934 –

Forschungsförderung der Europäischen Union unter Respektierung ethischer
und verfassungsmäßiger Prinzipien der Mitgliedstaaten

A. Problem

Die Antragsteller weisen darauf hin, dass die Forschungsrahmenprogramme
(FRP) der Europäischen Union als zentrales Instrument der europäischen For-
schungsförderung strukturierend auf Forschung und technologische Entwick-
lung wirken und zur Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums und
mehr Innovation beitragen sollen.

Gegenwärtig arbeite die Kommission an einem Konzept für die sich an das
6. FRP ab 2007 anschließende Periode für das 7. FRP. Jetzt sei es Zeit, der Kom-
mission konzeptionelle Anregungen zu geben.

Es schade der breiten Akzeptanz europäischer Forschungsförderung und be-
hindere die Verwirklichung gemeinschaftlicher Ziele, wenn nicht respektiert
werde, dass verbrauchende Embryonenforschung in mehreren Mitgliedstaaten
als Instrumentalisierung menschlichen Lebens, als Verstoß gegen die Men-
schenwürde und das Recht auf Leben verstanden werde. Die gemeinsame
Forschungsförderung müsse in diesem Bereich der Bioethik im Einklang mit
den grundlegenden Verfassungsgrundsätzen der Mitgliedstaaten stehen. Die
Vernichtung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken, die in EU-Mit-
gliedstaaten, darunter Deutschland, eine Straftat darstelle, dürfe nicht durch das
7. FRP der EU gefördert werden.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD,
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
der CDU/CSU bei einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der CDU/CSU

Annahme einer Entschließung mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP

Drucksache 15/5947 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

C. Alternativen

Annahme des Antrags auf Drucksache 15/4934.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5947

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Antrag – Drucksache 15/4934 – abzulehnen,

2. folgende Entschließung anzunehmen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Siebte Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union als zen-
trales Instrument europäischer Forschungsförderung soll eine strukturieren-
de Wirkung auf Forschung und technologische Entwicklung entfalten und
zur Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums und zur Innovation
beitragen. Der Europäische Forschungsraum ist die Vision zukünftiger For-
schung in Europa und soll zu einem gemeinsamen Markt für Wissenschaft
und Technologie führen. Einer der neun vorrangigen Themenbereiche des
Siebten Forschungsrahmenprogramms lautet „Gesundheit – Innovative
therapeutische Konzepte und Behandlungen“. Der Deutsche Bundestag
begrüßt diese grundsätzliche Zielvorgabe.

Die gemeinsame Forschungsförderung der Europäischen Union trifft bio-
ethische Richtungsentscheidungen. Im Interesse der Chancengleichheit aller
Mitgliedstaaten sollten daher solche Forschungsarbeiten nicht von der EU
gefördert werden, an denen sich einzelne Mitgliedstaaten aus Rechtsgrün-
den nicht beteiligen können, weil (und soweit) solche Forschungsvorhaben
nach der Rechtsordnung ihres Landes unter Strafe stehen. Dabei bleibt es
Mitgliedstaaten, die einen solchen Forschungsbereich unterstützen wollen,
unbenommen, ihn mit eigenen Förderungsinstrumenten auf nationaler Ebe-
ne zu finanzieren.

Bis Ende 2003 galt ein befristetes Moratorium für die Förderung von Em-
bryonenforschung innerhalb des Sechsten Forschungsrahmenprogramms.
Inzwischen wird im Rahmen des laufenden Sechsten Forschungsrahmen-
programms bereits ein Projekt gefördert, bei denen embryonale Stammzel-
len verwendet werden, die zu einem späteren Zeitpunkt als den nach dem
deutschen Stammzellgesetz geltenden Stichtag entwickelt wurden. Es findet
keine Förderung von Projekten statt, bei denen Embryonen zu Forschungs-
zwecken hergestellt oder vernichtet werden. Nach Auffassung des Deut-
schen Bundestages darf die Herstellung und Vernichtung menschlicher Em-
bryonen zu Forschungszwecken, die in EU-Mitgliedstaaten, darunter
Deutschland, eine Straftat darstellen, auch nicht durch das Siebte Forschungs-
rahmenprogramm der EU gefördert werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Europäische Kommission auf,

von der Förderung für Forschungsprojekte Abstand zu nehmen, die in EU-
Mitgliedstaaten verboten sind.

III. Der Deutsche Bundestag bekräftigt seine Beschlüsse vom 30. Januar 2002
(Bundestagsdrucksache 14/8102) und 16. Oktober 2003 (Bundestagsdruck-
sache 15/1310 in Verbindung mit Bundestagsdrucksache 15/1725) und for-
dert die Bundesregierung auf, darauf hinzuwirken,

– dass auch auf europäischer Ebene bei den Forschungsprojekten eine Be-
schränkung auf bestehende Stammzelllinien im Sinne des deutschen
Stammzellgesetzes vorgenommen wird;

– dass keine Projekte gefördert werden, bei denen Embryonen zu For-
schungszwecken hergestellt oder vernichtet werden;

Drucksache 15/5947 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– dass keine Projekte gefördert werden, bei denen die freiwillige und
unentgeltliche Spende von Geweben und Zellen für die Forschung nicht
sichergestellt ist;

– dass keine Projekte zum Klonen von Embryonen und zu Versuchen zu
Keimbahneingriffen gefördert werden.

Berlin, den 29. Juni 2005

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Cornelia Pieper
Vorsitzende

René Röspel
Berichterstatter

Thomas Rachel
Berichterstatter

Hans-Josef Fell
Berichterstatter

Ulrike Flach
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5947

Bericht der Abgeordneten René Röspel, Thomas Rachel, Hans-Josef Fell
und Ulrike Flach

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
15/4934 in seiner 166. Sitzung am 17. März 2005 beraten
und an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Tech-
nikfolgenabschätzung zur federführenden Beratung sowie
an den Auswärtigen Ausschuss, den Rechtsausschuss, den
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung und an
den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach einer Darstellung der wesentlichen Funktion und der
wesentlichen Inhalte der Forschungsrahmenprogramme der
Europäischen Union weisen die Antragsteller daraufhin, dass
die EU auf ausdrückliche Bitte mehrerer EU-Mitgliedstaaten
ergänzend zu den Restriktionen, die das Rahmenprogramm
selbst definiert, beschlossen hatte, bis zum 31. Dezember
2003 keine Vorhaben zu finanzieren, bei denen menschliche
Embryonen und menschliche embryonale Stammzellen ver-
wendet werden.

Der Deutsche Bundestag hatte die Bundesregierung am
16. Oktober 2003 aufgefordert, auf eine Lösung hinzuwirken,
die der deutschen Rechtslage entspricht und einen aus-
reichenden Embryonenschutz gewährleistet. Verhandlungen
im November und Dezember 2003 auf EU-Ebene über die
Frage, unter welchen Bedingungen Embryonale Stammzell-
forschung nach Auslaufen des Moratoriums gefördert werden
sollten, scheiterten und wurden ergebnislos abgebrochen.

Vor diesem Hintergrund wird die Europäische Kommission
aufgefordert, in ihren Planungen zum 7. FRP von einer För-
derung der Forschungsvorhaben Abstand zu nehmen, bei de-
nen menschliche Embryonen getötet werden. Gegenüber der
Bundesregierung wird die Erwartung geäußert, dass sie dar-
auf hinwirkt, dass auch auf europäischer Ebene bei den
Forschungsprojekten eine Beschränkung auf bestehende
Stammzelllinien vorgenommen werde und dass sie sich hin-
sichtlich der kommenden Verhandlungen aktiv um die Um-
setzung eines effektiven Embryonenschutzes bemühe und
entsprechende Regelungen im 7. FRP durchsetze.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Die mitberatenden Ausschüsse haben jeweils mit den Stim-
men der Fraktionen der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU
empfohlen, den Antrag abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und -ergebnisse im feder-
führenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat die Vorlage in seiner Sitzung am 29. Ju-
ni 2005 beraten und empfiehlt:

1. Ablehnung des Antrags – Drucksache 15/4934 – mit den
Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei
einer Stimmenthaltung aus der Fraktion der CDU/CSU.

2. Annahme des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN im Ausschuss eingebrachten Entschließungs-
antrags (Ausschussdrucksache 15(17)336), dessen Inhalt
sich aus Nummer 2 der Beschlussempfehlung ergibt, mit
den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und FDP.

Von Seiten der Fraktion der SPD wird darauf hingewiesen,
dass von den Mitgliedern fast aller Fraktionen vor eineinhalb
Jahren gemeinsam ein Antrag erarbeitet worden war, der
dann weiter in die Fraktionen getragen wurde und im Okto-
ber 2003 zu einem Beschluss geführt hatte, der die Bundes-
regierung aufforderte, sich weiterhin auf europäischer Ebene
dafür einzusetzen, dass embryonale Stammzellenforschung
unter Einhaltung entsprechender Kriterien gefördert werde.
Damit habe man die Bundesregierung in ihrem bisherigen
und künftigen Verhalten unterstützt. Von diesem Verfahren
sei durch den Antrag der CDU/CSU-Fraktion abgewichen
worden. In der Debatte im Deutschen Bundestag sei seitens
der SPD-Fraktion deutlich gemacht worden, dass sie die
gleichen Ziele wie der CDU/CSU-Antrag verfolge. Ein ge-
meinsamer Antrag sei aus zeitlichen Gründen nicht zustande
gekommen. Die Koalition sei der Auffassung, mit dem Ent-
schließungsantrag diese Zielsetzung unterstreichen zu müs-
sen. Der Antrag der Koalition enthalte zwei Unterschiede
zum CDU/CSU-Antrag. Die Koalition fordere, dass entspre-
chend einer Forderung aus dem EU-Parlament keine Projek-
te gefördert werden, bei denen die freiwillige und unentgelt-
liche Spende von Gewebe und Zellen für die Forschung nicht
sichergestellt sei, und zudem wolle die Koalition eine Be-
schränkung auf bestehende Stammzelllinien im Sinne des
Deutschen Stammzellgesetzes vornehmen. In dem Unions-
antrag scheine es eine Öffnung zu geben, weil eine Be-
schränkung auf bestehende Stammzelllinien ohne Bezug auf
die deutsche Regelung vorgenommen werden solle. Dies
stelle eine Ausweitung des gültigen Rechts dar und beinhalte
insofern eine Erweiterung gegenüber dem früheren gemein-
samen Antrag.

Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wird das Ziel ihres
Antrags unterstrichen, dass keine verbrauchende Embryo-
nenforschung innerhalb der Europäischen Union finanziert
werden solle. Zu dem Entschließungsantrag der Koalitions-
fraktionen wolle die CDU/CSU-Fraktion betonen, dass sie
mit einer Stichtagsregelung, wie sie in Deutschland und in
Amerika existiere, als Prinzip sehr einverstanden sei. Man
müsse allerdings bedenken, dass man bei einer Einigung auf
europäischer Ebene nicht davon ausgehen könne, dass alle
anderen EU-Staaten eins zu eins einen deutschen Stichtag
akzeptieren würden. Es könne daher ein Ziel auf europäi-
scher Ebene sein, einen europäischen Stichtag zu etablieren,
der sicherstelle, dass keine verbrauchende Embryonenfor-
schung stattfinde und dass auch keine Embryonen zu For-

Drucksache 15/5947 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

schungszwecken hergestellt würden. Dies sei in dem Antrag
zum Ausdruck gebracht worden. Die Bundesregierung
müsse sich für dieses Ziel entsprechend den Beschlüssen des
Deutschen Bundestages auch auf europäischer Ebene einset-
zen, was aber in der Vergangenheit nicht erfolgt sei.

Der Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN widerspreche im Übrigen fundamental den Äuße-
rungen, die der Bundeskanzler in Göttingen von sich ge-
geben habe. Der Bundeskanzler habe sich für eine grund-
sätzliche Öffnung und Freigabe ausgesprochen und er stehe
damit in vollem Widerspruch zu dem, was die Koalitions-
fraktionen in ihrem Entschließungsantrag vorgelegt hätten.
Die Ankündigungen des Bundeskanzlers in Göttingen liefen
auf eine totale Freigabe und eine verbrauchende Embryo-
nenforschung hinaus. Dies lehne die CDU/CSU-Fraktion ab.

Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
wird herausgestellt, inwiefern sich der Koalitionsantrag und
der Antrag der CDU/CSU-Fraktion unterscheiden. Es gebe
seit den letzten Beschlüssen des Deutschen Bundestages neue
bedenkliche Entwicklungen in diesen Forschungsfragen. Zu
erinnern sei an den nicht legitimen Eizellhandel in einer
rumänischen Klinik als Ausfluss dessen, dass man dort
Stammzellen entwickeln wolle. Diese neue Entwicklung ha-
be der Koalitionsantrag aufgegriffen und dies fehle in dem

Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Zu den Äußerungen des
Bundeskanzlers in Göttingen sei festzuhalten, dass es das
gute Recht eines Bundeskanzlers sei, seine persönliche Mei-
nung darzustellen. Dies gelte auch, wenn wie hier die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diese Auffassung nicht
teile. Bemerkenswert sei, dass führende Unionspolitiker ein-
deutig gegen den Antrag der CDU/CSU-Fraktion sprächen.
So habe sich der bayerische Staatsminister Dr. Thomas Go-
ppel in einer Ausschusssitzung deutlich gegen diese Be-
schränkung in der Stammzellforschung ausgesprochen. Die
Zerstrittenheit in der CDU/CSU-Fraktion und in der Partei
sei offensichtlich und deutlich. Angesichts der wichtigen
ethischen Fragen sei es ein Anliegen der Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN, auf die Zerstrittenheit der Union hinzu-
weisen.

Von Seiten der Fraktion der FDP wird begrüßt, dass es von
beiden großen Volksparteien ganz offensichtlich eine wach-
sende Zahl von Abgeordneten gebe, die der Auffassung der
FDP-Fraktion sei. Es sei erfreulich, dass Bundesministerin
Edelgard Bulmahn sich sehr deutlich hinter eine Liberalisie-
rung der bestehenden Gesetze gestellt habe. Die FDP-Frak-
tion betone, dass es keine Projekte geben solle, bei denen die
freiwillige, unentgeltliche Spende von Gewebe und Zellen
für die Forschung nicht sichergestellt sei.

Berlin, den 29. Juni 2005

René Röspel
Berichterstatter

Thomas Rachel
Berichterstatter

Hans-Josef Fell
Berichterstatter

Ulrike Flach
Berichterstatterin

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