BT-Drucksache 15/5941

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 25. bis 29. April 2005 in Straßburg

Vom 29. Juli 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5941
15. Wahlperiode 29. 07. 2005

Unterrichtung
durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates vom 25. bis 29. April 2005 in Straßburg

I n h a l t s v e r z e i c h n i s

Seite

I. Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

III. Schwerpunkte der Beratungen . . . . . . . . 2

IV. Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1. Entschließungen und Empfehlungen . . . . . 5
2. Redebeiträge deutscher Parlamentarier . . . . 27
3. Mitgliedsländer und Funktionsträger . . . . . 36

I. Teilnehmer

Der Deutschen Delegation gehörten folgende Mitglieder
an:

– Abg. Rudolf Bindig (SPD), Leiter der Delegation,

– Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU), stellvertretender
Leiter der Delegation,

– Abg. Ulrich Adam (CDU/CSU),

– Abg. Hubert Deittert (CDU/CSU),
– Abg. Klaus-Jürgen Hedrich (CDU/CSU),
– Abg. Gerd Höfer (SPD),
– Abg. Joachim Hörster (CDU/CSU),

– Abg. Jelena Hoffmann (SPD),
– Abg. Renate Jäger (SPD),
– Abg. Klaus-Werner Jonas (SPD),
– Abg. Peter Letzgus (CDU/CSU),
– Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP),

– Abg. Dr. Christine Lucyga (SPD),

– Abg. Walter Riester (SPD),

– Abg. Marlene Rupprecht (SPD),

– Abg. Bernd Siebert (CDU/CSU),

– Abg. Rainder Steenblock (Bündnis 90/Die Grünen),

– Abg. Marianne Tritz (Bündnis 90/Die Grünen),

– Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD).

II. Zusammenfassung

Die Entschließungen und Empfehlungen sind ebenso wie
die Reden und Fragen der Mitglieder der Delegation der
Bundesrepublik Deutschland im Anhang im Wortlaut ab-
gedruckt.

Zu Beginn der Tagung wurde der russische Abgeordnete
Konstantin Kosachev zum Vizepräsidenten der Parla-
mentarischen Versammlung gewählt.

Den Bericht des Ministerkomitees trug der amtierende
Vorsitzende des Ministerkomitees und polnische Außen-
minister, Adam Rotfeld, vor. Zu der Versammlung spra-
chen weiterhin der Präsident von Serbien und Monte-
negro, Svetozar Marovic, der Premierminister von
Luxemburg und Präsident des Rates der Europäischen
Union, Jean-Claude Juncker, und der Verwaltungs-
direktor der Internationalen Energiebehörde, Claude
Mandil.

An der Tagung nahmen Parlamentarier aus den 46 Mit-
gliedstaaten des Europarates sowie Beobachter aus Israel,
Kanada und Mexiko teil.

Viel Aufmerksamkeit fanden der bereits zum zweiten Mal
im Plenum diskutierte Bericht zum Thema Sterbehilfe
und der Bericht zur Rechtmäßigkeit der Inhaftierungen
durch die Vereinigten Staaten in der Bucht von Guan-
tánamo. Im Mittelpunkt einer weiteren Debatte stand der
Bericht zum Atomprogramm des Iran und der Notwen-
digkeit einer internationalen Antwort hierauf. In einer

Drucksache 15/5941 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Dringlichkeitsdebatte beriet die Versammlung über die
Freiheit der Presse und die Arbeitsbedingungen für Jour-
nalisten in Krisengebieten. In einer von der Gruppe der
UEL beantragten Aktualitätsdebatte erörterten die Dele-
gierten das laufende Ratifikationsverfahren des Europäi-
schen Verfassungsvertrages. Eine beantragte Dringlich-
keitsdebatte zum Verfassungsreformprozess in Armenien
fand nicht die erforderliche Zweidrittel Mehrheit und
wurde daher zurückgewiesen. Nach Ansicht einiger Dele-
gierter solle erst der Besuch des Berichterstatters des
Monitoringausschusses im Land abgewartet werden. Die
Durchführung einer Debatte wurde erst in der nächsten
Sitzung als sinnvoll erachtet. Weitere Themen waren die
Energiesysteme Europas und die Anfälligkeit der euro-
päischen Energieversorgung, die Rechte von in Heimen
untergebrachten Kindern, Migration und Integration in
Europa und die Meeresverschmutzung.

Des Weiteren wählte die Versammlung eine Richterin aus
Lettland für den Europäischen Gerichtshof für Menschen-
rechte.

III. Schwerpunkte der Beratungen

In einer sehr emotional geführten Debatte diskutierte die
Parlamentarische Versammlung erneut einen Bericht des
Schweizer Abgeordneten Dick Marty zum Thema „Ster-
behilfe – Hilfe für Patienten am Ende des Lebens“, den
dieser im Auftrage des Ausschusses für Sozialordnung,
Gesundheit und Familie bereits vor einem Jahr in der
Aprilsitzung 2004 in einer früheren Version im Plenum
vorgestellt hatte. Damals wurde der umstrittene Bericht
ohne Abstimmung in den genannten Ausschuss zurück-
überwiesen. Die jetzt durchgeführte Debatte zeigte erneut
die tiefgründigen Meinungsdifferenzen der Delegierten
zu diesem Thema. Obwohl der Berichterstatter in seinem
Text von seinen zuvor erhobenen Forderungen nach Ent-
kriminalisierung der Sterbehilfe abgerückt war und nun
einen weiteren Ausbau der Sterbebegleitung forderte, be-
standen nach wie vor viele Bedenken.

Der deutsche Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU) sprach
sich im Namen der Fraktion der EVP gegen die Annahme
der Entschließung aus, da auch im Text, trotz zahlreicher
Versicherungen, letztendlich immer noch an der aktiven
Sterbehilfe festgehalten werde. Auch könnten die in den
Niederlanden und Belgien existierenden Gesetze nicht als
eine Art Vorbild vorgestellt werden, da Untersuchungen
gezeigt hätten, dass sie keineswegs für die behauptete
Klarheit und Sicherheit gesorgt hätten. Er empfahl, die
Resolution 1418 (1999) beizubehalten.

Auch der deutsche Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD)
befürchtet, dass neue Grauzonen geschaffen würden,
wenn die Beispiele aus Belgien, den Niederlanden oder
der Schweiz einfach adoptiert würden, ohne sie näher zu
untersuchen. Wichtig sei die Verbesserung der Palliativ-
medizin, um Alternativen zur aktiven Sterbehilfe zu
schaffen.

Die Delegierten hatten – zum Teil in letzter Minute –
71 Änderungsanträge zu dem von Dick Marty vorgeleg-
ten Bericht eingereicht, die dessen Aussage nicht nur un-

wesentlich veränderten. Obwohl eine Mehrheit der Dele-
gierten den abändernden Anträgen zustimmten, wurde
der veränderte Text am Ende von der Versammlung ins-
gesamt abgelehnt. Es gab 138 Stimmen gegen den Ent-
wurf, 26 dafür und 5 Enthaltungen. Der Verfasser des Be-
richts, Dick Marty, stimmte schließlich selbst gegen die
stark veränderte Vorlage und forderte auch die Unterstüt-
zer seines Berichtes lautstark im Plenum auf, gegen den
geänderten Bericht zu stimmen.

Die Frage der Rechtmäßigkeit der Inhaftierungen durch
die Vereinigten Staaten in der Bucht von Guantánamo
war Gegenstand einer Entschließung und Empfehlung,
die im Plenum diskutiert wurden. Die Debatte war ge-
prägt von einer deutlichen Verurteilung der unmensch-
lichen und rechtswidrigen Haftbedingungen auf Guan-
tánamo und klaren Appellen an die USA, auch im Kampf
gegen den Terrorismus die Menschenrechte und die
Rechtsstaatlichkeit vollständig zu respektieren. In der
Entschließung wird die USA aufgefordert, unverzüglich
jegliche Misshandlung der Häftlinge in Guantánamo ein-
zustellen, alle Fälle von Misshandlungen zu untersuchen,
strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen sowie unver-
züglich alle Häftlinge freizulassen, gegen die keine aus-
reichenden Beweise vorliegen, die die Erhebung einer
Anklage rechtfertigen würden. Die Annahme der Ent-
schließung und Empfehlung wurde von allen Fraktionen
und Debattenrednern unterstützt (Entschließung 1433
(2005) und Empfehlung 1699 (2005)).

Die deutsche Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) gratulierte im Namen der LDR-Gruppe dem Be-
richterstatter Kevin McNamara (Großbritannien/SOC) für
seinen fundierten und klaren Bericht und die aufgestellten
Forderungen. Mehr als 660 Personen seien seit Jahren
– ohne konkrete Anhaltspunkte und Tatsachen – in Guan-
tánamo inhaftiert. Gerade der Europarat müsse mit sei-
nem Bericht deutlich machen, dass lang erkämpfte Men-
schenrechte und Rechtsstandards auch in dieser Situation
nicht preisgegeben werden dürfen.

Die deutsche Abg. Dr. Christine Lucyga (SPD) unter-
strich die Tatsache, dass hier nicht mehr die Stärke des
Rechts, sondern das Recht des Stärkeren zur Anwendung
komme. Sie empfinde es als ein ermutigendes Zeichen,
dass das Oberste Gericht der USA in einer Entscheidung
im Vorjahr klar und deutlich herausgestellt habe, dass die
Gefangenen von Guantánamo nicht in einem rechtsfreien
Raum leben, sondern das Recht haben, ihre Inhaftierung
in Frage zu stellen.

Das Atomprogramm des Iran und die Notwendigkeit
einer internationalen Antwort waren Gegenstand einer
Debatte in der Versammlung. Die Versammlung begrüßte
ausdrücklich die diplomatischen Bemühungen Groß-
britanniens, Frankreichs und Deutschlands, die in Ver-
handlungen versuchen, den Iran zu der Einhaltung seiner
Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag zu ver-
pflichten. Die Entschließung fordert unter anderem die
Behörden des Iran auf, mit der Internationalen Atomener-
giebehörde zusammen zu arbeiten, das Zusatzprotokoll
zum Atomwaffensperrvertrag zu ratifizieren und den
freien Zugang zu allen Nuklear- und Forschungseinrich-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5941

tungen zu erlauben. Weiterhin werden die Mitgliedstaaten
des Europarates aufgefordert, die diplomatische Initiative
der drei Länder zu unterstützen (Entschließung 1436
(2005)).

In einer Dringlichkeitsdebatte diskutierten die Abgeord-
neten über die Freiheit der Presse und die Arbeits-
bedingungen für Journalisten in Krisengebieten. Die
Versammlung sprach sich für die sofortige Freilassung
der entführten Journalisten im Irak aus und bedauerte den
Tod und das Verschwinden von vielen anderen Journalis-
ten in dieser Region. Die Versammlung forderte die Mit-
gliedstaaten auf, Journalisten, die in Krisengebiete reisen
und dort berichten, vor ihrer Abreise ein verpflichtendes
Training und Informationsprogramm anzubieten (Ent-
schließung 1438 (2005)). In ihrem Beitrag hob die deut-
sche Abg. Dr. Christine Lucyga (SPD) hervor, dass die
Sicherheit der Journalisten, die aus Konfliktgebieten be-
richten, im Vordergrund stehen müsse. Andererseits käme
es immer wieder zu Einschränkungen der Freiheit der Be-
richterstattung, so sei es seit dem ersten Golfkrieg Praxis,
Journalisten nur zur Berichterstattung zuzulassen, wenn
sie beim Militär registriert seien und sich in militärischen
Verbänden bewegten.

Die Ratifikation des Europäischen Verfassungsvertra-
ges und die Skepsis vieler EU-Bürger diesem gegenüber,
war Gegenstand einer Aktualitätsdebatte, die von der
Gruppe der UEL beantragt worden war. Abg. Mats
Einarsson (Schweden), Vorsitzender der UEL, begründete
die Initiative seiner Gruppe damit, dass er den Eindruck
habe, die Gegner eines Europäischen Verfassungsvertra-
ges – insbesondere vor dem Hintergrund eines möglichen
„Nein“ in Frankreich – würden als undemokratisch und
links diffamiert werden. In der anschließenden Debatte
überwog die Anzahl der Delegierten, die sich für die Rati-
fikation der Verfassung aussprachen.

Nach Ansicht des deutschen Abg. Rainder Steenblock
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist die Verfassung der
einzige Weg, um Europa demokratischer und handlungs-
fähiger zu machen, und um die Rechte der Menschen in
Europa zu stärken. Er wies darauf hin, dass Europa in sei-
ner Verfassung zum ersten Mal als „Europa der Staaten
und der Bürgerinnen und Bürger“ benannt werde.

In seiner Ansprache betonte der Ministerpräsident von
Luxemburg und Präsident des Rates der Europäischen
Union, Jean-Claude Juncker, dass der Europarat in der
Landschaft europäischer Institutionen unersetzbar sei.
Die Europäische Union könne ihn nicht einfach ersetzen,
und es sei an der Zeit, eine Verständigung zwischen die-
sen beiden großen europäischen Organisationen zu schaf-
fen. Mit Blick auf den Gipfel der Staats- und Regierungs-
chefs des Europarates am 16. und 17. Mai 2005 in
Warschau betonte Jean-Claude Juncker außerdem die
Notwendigkeit, das „Image des Europarates und seiner
Arbeit” zu verbessern. Für eine schnellere Bearbeitung
eingereichter Beschwerden beim Europäischen Gerichts-
hof für Menschenrechte müsste dringend eine Lösung ge-
funden werden. Mehr Personal sollte seine Operationali-
tät verbessern. Der amtierende EU-Ratspräsident sprach
sich zudem für die Europäische Verfassung aus.

Die deutsche Abg. Jelena Hoffmann (SPD) fragte Pre-
mierminister Juncker, welche Politik er in Richtung des
neuen Nachbarn Ukraine verfolge, welche europäischen
Perspektiven es für die Ukraine gebe und inwieweit er mit
dem Wunsch der Ukraine einverstanden sei, die Visa-
Politik zu erleichtern. Premierminister Juncker entgeg-
nete, dass man der Ukraine eine europäische Perspektive
gebe, jedoch nicht einen relativ kurzfristigen Beitritt zur
Europäischen Union in Aussicht stelle. Da die Visafrage
gerade zur Beratung in den europäischen Gremien an-
stehe, könne er hierzu keine Auskunft geben.

Des Weiteren nahm die Parlamentarische Versammlung
eine Empfehlung betreffend die Rechte von in Heimen
untergebrachten Kindern an. Mit dieser Empfehlung
wollte die Versammlung erneut die Aufmerksamkeit auf
dieses Thema lenken, welches bereits Gegenstand der
Empfehlung 1601 (2003) gewesen ist. Es solle maximale
Priorität darauf verwandt werden, Kindern aus den Hei-
men herauszuholen, gesundheitswidrige und baufällige
Heime zu schließen und andere, soweit möglich, zu reno-
vieren. Das Problem der Heimkinder sei allen Mitglied-
staaten des Europarates zu eigen, man könne jedoch nicht
umhin festzustellen, dass die Lage von Heimkindern in
postkommunistischen Staaten weiterhin besonderes beun-
ruhigend sei. Die Versammlung begrüßte auch, dass das
Ministerkomitee derzeit eine Empfehlung betreffend die
Rechte von in Heimen untergebrachten Kindern an die
Mitgliedstaaten erarbeite (Empfehlung 1698 (2005)).

Die deutsche Abg. Marlene Rupprecht (SPD) wies da-
rauf hin, dass die These „Kinder sind in Familien besser
untergebracht, als in Heimen“ ihr als zu einfach er-
scheine. Für sie zählen das Interesse und das Wohl der
Kinder; so könnte auch bei einem schwer traumatisierten
Kind die Unterbringung in einem Heim mit adäquater pä-
dagogischer Betreuung die richtige Alternative sein.

Die Delegierten bekräftigten in ihrer Debatte zum Thema
Migration und Integration: eine Herausforderung
und eine Chance für Europa, wie wichtig es sei, effi-
ziente politische Maßnahmen umzusetzen, um die volle
Integration von Ausländern, die rechtmäßig in den Mit-
gliedsländern des Europarates leben, sicherzustellen. Die
Mitgliedstaaten sollten eine Migrationsstrategie festle-
gen, die alle Aspekte der Migration, einschließlich Be-
schäftigungsmigration und illegale Migration, sowie An-
strengungen zur Bekämpfung von Menschenhandel und
Terrorismus umfasse. Darüber hinaus forderte die Ver-
sammlung die Europäische Union auf, ihre Anstrengun-
gen fortzusetzen in Bezug auf die Festlegung einer
gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik (Entschlie-
ßung 1437 (2005)).

Die deutsche Abg. Jelena Hoffmann (SPD) wies auf die
Erfahrungen in Deutschland mit der Integration von Zu-
wanderern aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern
und mit unterschiedlichem religiösen und kulturellen
Hintergrund hin. Sie befürwortete einen intensiven Erfah-
rungsaustausch mit den anderen Mitgliedstaaten, um in
den wichtigen Fragen der Integrationspolitik von einan-
der zu lernen.

Drucksache 15/5941 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Versammlung beriet in einer gemeinsamen Debatte
über einen im Auftrag des Wirtschaftsausschusses erstell-
ten Bericht über die zunehmende Anfälligkeit der euro-
päischen Energieversorgung und einen im Auftrag des
Umweltausschusses erstellten Bericht zu Energiesyste-
men und Umwelt. Die Versammlung forderte die Mit-
gliedstaaten in ihren Entschließungen auf, dringende
Maßnahmen zur Verringerung der Umweltauswirkungen
der Energieerzeugung, des Transports und der Nutzung
zu ergreifen. Sie ersucht insbesondere die mittel- und ost-
europäischen Länder, ihre Energieeffizienz, Sicherheit
und industrielle Umstrukturierung weiter zu verstärken,
ihre Energiequellen zu diversifizieren und zu dezentrali-
sieren und ihren Energieverbrauch zu verringern (Ent-
schließung 1434 (2005) und Entschließung 1435 (2005)).

Der deutsche Abg. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) sprach die drei Komponenten an, die aus
seiner Sicht wichtig seien, um das Problem zu lösen: Dies
sei erstens die Energieeffizienz, zweitens eine stärkere
Berücksichtigung der nachlassenden Rohstoffe und drit-
tens eine Reduzierung der Nutzung von fossilen Energie-
trägern. Aufgrund der ungeklärten Sicherheitslage sollte
auch die Atomtechnologie nicht weiter gefördert und For-
schungsgelder in diesem Bereich investiert werden. Es sei
besser, Gelder in die Erforschung erneuerbarer Energien
zu investieren, in Brennstoffzellentechnik und in Effi-
zienztechnologie.

Vor dem Hintergrund schwerster Tankerunglücke in den
vergangenen Jahren, die äußerst schwerwiegende Folgen
für die Umwelt hatten, debattierten die Delegierten die

wichtigen Fragen der Seesicherheit und die Möglichkei-
ten, der Meeresverschmutzung vorzubeugen. Die Ver-
sammlung forderte die Regierungen der Mitgliedstaaten
auf, die bestehenden internationalen Bestimmungen auf
dem Gebiet der Seeschifffahrt vollständig anzuwenden
und insbesondere die Schulung der Seeleute zu verbes-
sern, um die Gefahren maritimer Unfälle zu verringern
und wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Stra-
fen für die für Meeresverschmutzung Verantwortlichen
vorzusehen, einschließlich der Möglichkeit von Haftstra-
fen im Falle von vorsätzlicher Verschmutzung. Die Ver-
sammlung appelliert auch an die Mitgliedstaaten der EU,
die dies noch nicht getan haben, das Zusatzprotokoll zur
Entschädigung von Ölverschmutzung-Schäden zu ratifi-
zieren.

Der deutsche Abg. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN) betonte, dass nach wie vor nicht befriedi-
gend gelöst sei, wer für die Schäden hafte, die von durch
Schiffe verursachten Ölkatastrophen auf Menschen, Um-
welt und die regionale Wirtschaft ausgingen. Er schlug
die Einführung höherer Versicherungsprämien, mit denen
sämtliche Havariekosten abgedeckt werden könnten, vor.
Hier solle das Verursacherprinzip gelten. Dies würde
erhebliche Anreize für die Reeder schaffen, nur noch
sichere Schiffe einzusetzen.

Rudolf Bindig, MdB Eduard Lintner, MdB
Leiter der Delegation Stellvertretender Leiter

der Delegation

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5941

IV. Anhang

1. Entschließungen und Empfehlungen

Nummer Beschreibung Seite

Entschließung 1433 (2005) Die Rechtmäßigkeit der Inhaftierungen durch die Vereinigten Staaten in
der Bucht von Guantánamo 6

Entschließung 1434 (2005) Die zunehmende Anfälligkeit der europäischen Energieversorgung 8

Entschließung 1435 (2005) Energiesysteme und Umwelt 10

Entschließung 1436 (2005) Das Atomprogramm des Iran und die Notwendigkeit einer internationalen
Antwort 12

Entschließung 1437 (2005) Migration und Integration: eine Herausforderung und eine Chance
für Europa 14

Entschließung 1438 (2005) Die Medienfreiheit und die Arbeit von Journalisten in Konfliktgebieten 15

Entschließung 1439 (2005) Meeresverschmutzung 17

Empfehlung 1698 (2005) Die Rechte von in Heimen untergebrachten Kindern: Weiterverfolgung
von Empfehlung 1601 (2003) der Parlamentarischen Versammlung 18

Empfehlung 1699 (2005) Die Rechtmäßigkeit der Inhaftierungen durch die Vereinigten Staaten in
der Bucht von Guantánamo 19

Empfehlung 1700 (2005) Die Diskriminierung von Frauen in der Erwerbsbevölkerung und am
Arbeitsplatz 20

Empfehlung 1701 (2005) Die Diskriminierung von Frauen und Mädchen im Sport 21

Empfehlung 1702 (2005) Die Medienfreiheit und die Arbeit von Journalisten in Konfliktgebieten 23

Empfehlung 1703 (2005) Schutz und Hilfe für unbegleitete, asylsuchende Kinder 23

Empfehlung 1704 (2005) Referenden: Einführung guter Verfahren in Europa 25

Drucksache 15/5941 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 3 3 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Rechtmäßigkeit der Inhaftierungen
durch die Vereinigten Staaten in der Bucht

von Guantánamo

1. Die Parlamentarische Versammlung erinnert an und
bekundet erneut ihre Empörung und ihre Abscheu
über die Terroranschläge auf die Vereinigten Staaten
vom 11. September 2001, deren Schrecken nicht da-
durch beeinträchtigt wird, dass Zeit vergangen ist.
Sie teilt die Entschlossenheit der USA zur Bekämp-
fung des internationalen Terrorismus und unterstützt
voll und ganz die Bedeutung der Aufdeckung und
Verhütung von Terrorverbrechen, der Verfolgung und
Bestrafung von Terroristen und des Schutzes von
Menschenleben.

2. Während die Versammlung den USA daher ihre volle
Unterstützung bei ihren Anstrengungen zur Bekämp-
fung des Terrorismus anbietet, muss dies unter der
Voraussetzung geschehen, dass alle ergriffenen Maß-
nahmen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit
vollständig respektieren. Die Einhaltung der interna-
tionalen Menschenrechte und des humanitären
Rechts sind keine Schwäche im Kampf gegen den
Terrorismus, sondern vielmehr eine Waffe, die die
größtmögliche internationale Unterstützung für Maß-
nahmen sicherstellt und Situationen vermeidet, die
unangebrachte Sympathie für Terroristen oder ihre
Sache hervorrufen könnten.

3. Die USA sind viele Jahre ein leuchtendes Beispiel für
Demokratie und ein Vorreiter für die Menschenrechte
auf der ganzen Welt gewesen, und ihr diesbezüg-
licher positiver Einfluss auf die Entwicklungen in
Europa seit dem Ende des 2. Weltkriegs wird überaus
geschätzt. Dennoch ist die Versammlung der Auffas-
sung, dass die amerikanische Regierung in dem Eifer,
mit dem sie sich bemüht hat, den „Krieg gegen den
Terror“ zu führen, ihre eigenen höchsten Prinzipien
verraten hat. Diese Irrtümer sind im Hinblick auf die
Bucht von Guantánamo vielleicht am stärksten deut-
lich geworden.

4. Zu keinem Zeitpunkt befanden sich die Inhaftierun-
gen in Guantánamo in einem „rechtlichen schwarzen
Loch“. Die internationalen Menschenrechte waren
jederzeit in vollem Umfang auf alle Inhaftierten an-
wendbar. Für diejenigen, die während des internatio-
nalen bewaffneten Konflikts in Afghanistan gefangen
genommen wurden, dürfte der Schutz bestimmter
Rechte für die Dauer dieses Konflikts durch die Be-
stimmungen des humanitären Völkerrechts ergänzt
worden sein. Da dieser internationale bewaffnete
Konflikt jedoch beendet ist, wurden die internationa-

len Menschenrechtsnormen auf normale Art und
Weise angewandt.

5. Die Versammlung begrüßt und unterstützt die Arbeit
des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes
(IKRK) und der verschiedenen Einrichtungen der
Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte
sowie die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen
wie Human Rights First, dem Zentrum für Verfas-
sungsrechte und Amnesty International, bei dem
Bestreben, die Haftbedingungen in der Bucht von
Guantánamo zu verbessern und zu gewährleisten,
dass die Rechte der Inhaftierten gewahrt werden. Sie
dankt auch der Europäischen Kommission für Demo-
kratie durch Recht für ihre Stellungnahme im Hin-
blick auf die eventuelle Notwendigkeit einer Weiter-
entwicklung der Genfer Konventionen, die als
Antwort auf eine Anfrage vom Ausschuss für Recht
und Menschenrechte der Versammlung erstellt
wurde.

6. Die Versammlung erinnert an die Beweise, die bei
der Anhörung des Ausschusses für Recht und Men-
schenrechte am 17. Dezember 2004 in Paris von dem
ehemaligen Häftling Herrn Jamal Al Harith sowie
von derzeitige und ehemalige Häftlinge vertretenden
Rechtsanwälten und anderen internationalen Sach-
verständigen vorgelegt wurden.

7. Auf der Grundlage einer ausführlichen Prüfung des
rechtlichen und faktischen Materials aus diesen und
anderen verlässlichen Quellen kommt die Versamm-
lung zu dem Schluss, dass die Umstände der Inhaftie-
rungen durch die USA in der Bucht von Guantánamo
rechtswidrig und unvereinbar mit der Rechtsstaat-
lichkeit sind, und zwar aus folgenden Gründen:

i. viele, wenn nicht alle Häftlinge wurden einer
grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden
Behandlung unterzogen als direktes Ergebnis der
offiziellen Politik, die auf höchster Regierungs-
ebene genehmigt wurde;

ii. viele Häftlinge wurden Misshandlungen bis hin
zu Folter unterworfen, die systematisch und mit
dem Wissen und der Mitschuld der US-Regie-
rung stattfanden;

iii. die Rechte derer, die im Zusammenhang mit dem
zuvor von den USA in Afghanistan geführten
internationalen bewaffneten Konflikt inhaftiert
wurden, mutmaßlich als Kriegsgefangene an-
erkannt zu werden und ihren Status unabhängig
davon von einem zuständigen Gericht anerken-
nen zu lassen, wurden nicht respektiert;

iv. es gab zahlreiche Verletzungen verschiedener
Aspekte der Rechte aller Häftlinge auf Freiheit
und Sicherheit der Person, was ihre Inhaftierung
willkürlich macht;

v. es gab zahlreiche Verletzungen verschiedener
Aspekte der Rechte aller Flüchtlinge auf einen

* Versammlungsdebatte am 26. April 2005 (10. Sitzung) (siehe
Dok. 10497, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrech-
te, Berichterstatter: Herr McNamara). Von der Versammlung verab-
schiedeter Text am 26. April 2005 (10. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/5941

fairen Prozess, was gleichbedeutend mit einer
flagranten Justizverweigerung ist;

vi. die USA haben sich auf die rechtswidrige Praktik
der geheimen Haft eingelassen;

vii. die USA haben es durch die Praxis der „rendi-
tion“ (Überstellung von Personen in andere Län-
der ohne gerichtliche Kontrolle zum Zwecke des
Verhörs oder der Inhaftierung) erlaubt, dass die
Häftlinge Folter und grausamer, unmenschlicher
oder erniedrigender Behandlung unterworfen
werden, in Verletzung des Grundsatzes des Non-
Refoulement;

viii. amerikanische Vorschläge, Häftlinge in andere
Länder zurückzusenden oder zu überführen, lau-
fen selbst dort, wo sie sich auf „diplomatische
Versicherungen“ im Hinblick auf die nachfol-
gende Behandlung der Häftlinge stützen, Gefahr,
gegen den Grundsatz des Non-Refoulement zu
verstoßen.

8. Die Versammlung ruft die amerikanische Regierung
dazu auf, die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechten zu gewährleisten, indem sie diese
Situationen korrigieren, und sie ruft sie insbesondere
dazu auf,

i. unverzüglich jegliche Misshandlung der Häft-
linge in Guantánamo einzustellen;

ii. alle Fälle von rechtswidriger Misshandlung von
Häftlingen zu untersuchen, strafrechtlich zu ver-
folgen und zu bestrafen, ungeachtet des Status
oder des Amtes der für sie verantwortlichen Per-
son;

iii. es allen Häftlingen zu erlauben, die Rechtmäßig-
keit ihrer Inhaftierung vor einem rechtmäßig ein-
gesetzten Gericht in Frage zu stellen, das befugt
ist, ihre Freilassung zu verfügen, sofern die In-
haftierung nicht rechtmäßig ist;

iv. unverzüglich alle Häftlinge freizulassen, gegen
die keine ausreichenden Beweise vorliegen, die
die Erhebung einer Anklage rechtfertigen würden;

v. diejenigen, die Straftaten verdächtigt werden, an-
zuklagen und sie vor ein zuständiges, unabhängi-
ges und unparteiisches Gericht zu bringen, das
alle verfahrensrechtlichen Schutzmaßnahmen,
die nach dem Völkerrecht erforderlich sind, un-
verzüglich garantiert, wobei die Verhängung der
Todesstrafe gegen sie ausgeschlossen sein sollte;

vi. ihre Verpflichtungen nach dem Völkerrecht und
der Verfassung der Vereinigten Staaten zu re-
spektieren, alle Erklärungen von einem Verfah-
ren auszuschließen, bei denen erwiesen ist, dass
sie infolge Folter oder anderer grausamer, un-
menschlicher oder erniedrigender Behandlung
oder Strafe abgegeben wurden, mit Ausnahme
von Erklärungen, die sich gegen eine Person
richten, die einer derartigen Misshandlung ange-

klagt wird, als Beweis dafür, unter welchen Um-
ständen die Erklärung abgegeben wurde;

vii. die Praxis der heimlichen Inhaftierungen unver-
züglich einzustellen und die Rechte aller Häft-
linge, die derzeit geheim gefangen gehalten wer-
den, in vollem Umfang zu gewährleisten,
insbesondere das Verbot von Folter und grau-
samer, unmenschlicher oder erniedrigender Be-
handlung sowie die Rechte der Information der
Angehörigen über die Tatsache der Inhaftierung
und auf Anerkennung als Person vor dem Gesetz,
auf gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der
Inhaftierung und auf Freilassung oder unverzüg-
lichen Prozess;

viii.Familienmitgliedern, rechtlichen Vertretern, kon-
sularischen Vertretern und Mitarbeitern humani-
tärer Völkerrechts- und Menschenrechtsorgani-
sationen Zugang zu allen Verhafteten zu
gewähren;

ix. die Praxis der „rendition“ als Verstoß gegen das
Verbot des Non-Refoulement zu beenden;

x. Häftlinge nicht zurückzusenden oder zu überstel-
len, indem man sich auf „diplomatische Versi-
cherungen“ aus Ländern stützt, die dafür bekannt
sind, dass sie die systematische Anwendung von
Folter betreiben, und in jedem Fall nur dann,
wenn das Fehlen einer Gefahr von Misshandlung
eindeutig nachgewiesen ist;

xi. die Empfehlungen des IKRK vollständig und
umgehend zu erfüllen und alle Maßnahmen zu
vermeiden, die eine Aushöhlung seiner Aktivitä-
ten, seines Rufes oder seines Ansehens zur Folge
haben.

9. Ferner ruft die Versammlung die amerikanische Re-
gierung ebenfalls dazu auf sicherzustellen, dass der
„Krieg gegen den Terror“ in jeder Hinsicht im Ein-
klang mit dem Völkerrecht geführt wird, insbeson-
dere mit den internationalen Menschenrechten und
dem Völkerrecht.

10. Darüber hinaus ruft die Versammlung die Mitglied-
staaten des Europarates dazu auf,

i. ihre diplomatischen und konsularischen Anstren-
gungen zu verstärken zum Schutz der Rechte und
Gewährleistung der Freilassung aller ihrer Bür-
ger, Staatsangehörigen oder ehemaligen Aufent-
haltsberechtigten, die gegenwärtig in Guantá-
namo inhaftiert sind, gleich, ob sie rechtlich dazu
verpflichtet sind oder nicht;

ii. im Hinblick auf ihre Bürger, Staatsangehörigen
oder ehemaligen Aufenthaltsberechtigten, die
aus der Haft in Guantánamo in ihr Land zurück-
gesandt oder überwiesen wurden,

a. diese Personen nach den üblichen Bestim-
mungen des Strafrechts zu behandeln, unter
Wahrung der Vermutung zugunsten einer so-
fortigen Freilassung bei ihrer Ankunft;

Drucksache 15/5941 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

b. diesen Personen alle erforderliche Hilfe und
Unterstützung zu bieten, insbesondere Rechts-
hilfe, um gerichtliche Maßnahmen im Zu-
sammenhang mit ihrer Inhaftierung in Guan-
tánamo einzuleiten;

c. diese Personen vor Nachteilen oder Diskri-
minierung zu schützen und ihr geistiges und
körperliches Wohlergehen während des Re-
integrationsprozesses zu gewährleisten;

d. sicherzustellen, dass diese Personen infolge
ihrer rechtswidrigen Inhaftierung in der
Bucht von Guantánamo keine Beeinträchti-
gung ihrer Rechte oder Interessen erleiden,
vor allem im Zusammenhang mit ihrem Ein-
wandererstatus;

iii. es ihren Behörden nicht zu erlauben, sich am
Verhör der Häftlinge von Guantánamo zu beteili-
gen oder ihm beizuwohnen;

iv. ihre Verpflichtungen nach dem Völkerrecht zu
respektieren, alle Erklärungen von einem Verfah-
ren auszuschließen, bei denen erwiesen ist, dass
sie infolge Folter oder anderer grausamer, un-
menschlicher oder erniedrigender Behandlung
oder Strafe abgegeben wurden, mit Ausnahme
von Erklärungen, die sich gegen eine Person
richten, die einer derartigen Misshandlung ange-
klagt wird, als Beweis dafür, unter welchen Um-
ständen die Erklärung abgegeben wurde;

v. sich zu weigern, amerikanischen Anträgen auf
Auslieferung mutmaßlicher Terroristen, die vo-
raussichtlich in Guantánamo inhaftiert werden
würden, nachzukommen;

vi. sich zu weigern, amerikanischen Anträgen auf
gegenseitige Rechtshilfe in Verbindung mit Häft-
lingen in Guantánamo nachzukommen, wenn es
sich um etwas anderes als um die Bereitstellung
von entlastenden Beweisen handelt oder es im
Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren vor
einem rechtmäßig eingesetzten Gericht steht;

vii. sicherzustellen, dass ihre Staatsgebiete und Ein-
richtungen nicht im Zusammenhang mit Prakti-
ken der geheimen Inhaftierung oder Ausliefe-
rung genutzt werden in eventueller Verletzung
der internationalen Menschenrechte;

viii. die Erga-Omnes-Verpflichtungen aus den Men-
schenrechten zu respektieren, indem sie alle
möglichen Maßnahmen ergreifen, um die ameri-
kanischen Behörden davon zu überzeugen, die
Rechte aller Häftlinge in Guantánamo nach dem
Völkerrecht zu respektieren.

11. Schließlich beschließt die Versammlung, diese Frage
über einen bilateralen Dialog mit dem amerikani-
schen Abgeordnetenhaus weiter zu verfolgen.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 3 4 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die zunehmende Anfälligkeit der
europäischen Energieversorgung

1. Die meisten europäischen Länder erleben einen
wachsenden Energieverbrauch und eine zunehmende
Abhängigkeit von der Einführung fossiler Brenn-
stoffe. Die Parlamentarische Versammlung sieht dies
mit Besorgnis, insbesondere vor dem Hintergrund ei-
nes wachsenden globalen Wettbewerbs für primäre
Energieressourcen, der von der wirtschaftlichen Ent-
wicklung und dem Bevölkerungswachstum sowie
von den ehrgeizigen, willkommenen ökologischen
Verpflichtungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls
getrieben wird. Außerdem tragen der jüngste Anstieg
des Ölpreises (und folglich auch der Erdgas- und
Kohlepreise) sowie geopolitische Unsicherheiten im
Hinblick auf die Kontinuität ausreichender Erdöl-
lieferungen zur Anfälligkeit der europäischen Ener-
giesysteme bei.

2. Fossile Brennstoffe, insbesondere Erdöl, Erdgas und
Kohle, sind die dominierenden Quellen des europäi-
schen Energieverbrauchs, und ihre Nutzung wird in
den nächsten Jahrzehnten weiter ansteigen, sofern
keine politischen Maßnahmen zur Umkehrung dieses
Trends ergriffen werden. Da die Erdöl- und Erdgas-
lieferungen aus der Nordsee in den nächsten Jahren
beträchtlich zurückgehen sollen und der Abbau euro-
päischer Kohle zu teuer wird, werden wachsende
Mengen dieser Ressourcen aus entfernteren Regio-
nen importiert werden müssen, insbesondere aus den
asiatischen Teilen der Russischen Föderation, dem
Nahen Osten, der Region des Kaspischen Meers und
Afrika.

3. Die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen
einer solchen zunehmenden Energieabhängigkeit von
fossilen Brennstoffimporten sind mittelfristig be-
trächtlich und von noch größerer Besorgnis, wenn
man sie in der Perspektive der kommenden Jahr-
zehnte betrachtet, da davon ausgegangen wird, dass
die weltweiten Reserven an fossilen Brennstoffen
dramatisch zurückgehen werden. Bei vier Fünfteln
von Europas eigenen Brennstoffreserven handelt es
sich um Kohle und andere solide Brennstoffe, die
weiterhin eine wichtige Reservequelle für die Energie-
erzeugung bleiben werden, obgleich der Kohleabbau
und die Nutzung von Kohle in Kraftwerken zurück-
gehen werden. Es gibt derzeit nur wenige wirkliche
Ersatzstoffe für Erdöl im Transportsektor, dem größ-
ten ölverbrauchenden Sektor, obwohl die Nutzung bio-
logischer Kraftstoffe auf der Ebene der Europäi-
schen Union nachdrücklich gefördert wird und die
Entwicklung wasserstoffhaltiger Brennstoffzellen viel

* Versammlungsdebatte am 26. April 2005 (10. Sitzung) (siehe
Dok. 10458, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Entwick-
lung, Berichterstatter: Herr Berceanu). Von der Versammlung verab-
schiedeter Text am 26. April 2005 (10. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/5941

versprechend erscheint. Sollte der Erdölpreis weiter
ansteigen, werden diese neuen Energieformen zuneh-
mend wettbewerbsfähig.

4. Elektrizität als sekundäre Energiequelle wird auf-
grund ihrer hohen Qualität zunehmend geschätzt. Da
die Verbrennung von Erdöl und Kohle zu ihrer Erzeu-
gung jedoch eine erhebliche Umweltverschmutzung
hervorruft, gehen immer mehr europäische Länder zu
erdgasbetriebenen Kraftwerken über, die geringere
Kohlendioxid- und sonstige Treibhausgasemissionen
verursachen. Die Atomenergie – die als relativ sauber
vom Standpunkt der Emissionswerte aus gesehen
wird, jedoch problematischer ist, was Abfallentsor-
gung, betriebliche Sicherheit und Schutz vor Terror-
anschlägen angeht – hat die Meinungen in Europa
polarisiert. Strengere betriebliche Normen, verstärkte
Sicherheit, neue Technologien und eine bessere
Kommunikation mit der Öffentlichkeit dürften die
Atomenergie akzeptabler machen – insbesondere an-
gesichts der Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähig-
keit der europäischen Industrien zu wahren und die
Umweltverpflichtungen einzuhalten – bis dass große
Mengen sauberer und sicherer Energie zu wettbe-
werbsfähigen Preisen durch die Kernfusion verfügbar
werden.

5. Die Versammlung betrachtet das Emissionshandels-
system der Europäischen Union, mit dem 2005 be-
gonnen werden soll, als ein wichtiges Instrument zur
Erreichung einer dauerhaften Verringerung der Treib-
hausgasemissionen, insbesondere in Westeuropa, wo
die Mengen trotz gewisser Anstrengungen über dem
europäischen Durchschnitt liegen.

6. Die Versammlung bedauert, dass erneuerbare Ener-
giequellen – darunter Sonne, Wind, Wasser und geo-
thermische Energie sowie Biomasse, Biokraftstoffe,
Wasserstoff und brennbare Abfälle – trotz ihres be-
trächtlichen Potenzials in Europa insgesamt zu wenig
genutzt werden. Die Entschlossenheit der Europäi-
schen Union, den Anteil erneuerbarer Energien an ih-
rem gesamten Energieverbrauch bis 2010 um
12 Prozent zu erhöhen und beim Verkehr bis 2010 ei-
nen Ersatz fossiler Brennstoffe von 5,75 Prozent
durch Biokraftstoffe zu erreichen, ist lobenswert und
sollte auch für Länder außerhalb dieses Gebiets ein
Bezugswert sein. Erneuerbare Energiequellen werden
jedoch keine vollständige Antwort auf die Realität ei-
ner ständig wachsenden Energienachfrage bieten.

7. Zu einem Zeitpunkt, da die Öffnung der Energie-
märkte in Europa den Druck auf einzelne Länder er-
höht, die Beziehungen zwischen dem Staat und den
verschiedenen Energieunternehmen erneut zu prüfen,
ist es höchste Zeit, zu diskutieren und informierte
politische Entscheidungen zu treffen – angefangen
mit der Europäischen Union und ihrem internen Bin-
nenmarkt – was prioritäre Aktionsbereiche zur Unter-
stützung von Forschung, Ressourcenentwicklung,
strategische Reserven, Investitionen in Stromerzeu-
gung, Netzwerkinfrastrukturen und Regelung auf
paneuropäischer Ebene angeht. Gleichzeitig ist für

die einzelnen Länder eine länderspezifische Mi-
schung der Energieressourcen, die die nationale Lage
widerspiegeln, wünschenswert, ebenso wie Anstren-
gungen zur Verringerung der Abhängigkeit von ir-
gendeiner Energieart oder einem einzelnen Lieferan-
ten, insbesondere in Mittel- und Osteuropa.

8. Die Versammlung verweist auf ihre Entschließung 1413
(2004) zur Vermeidung von Stromausfällen in Europa,
in der sie die Auffassung vertritt, dass beträchtliche
Energieeinsparungen in ganz Europa erzielt werden
können, ohne den Lebensstandard oder die Industrie-
produktion zu beeinträchtigen. Dies ist entscheidend
für die Stabilisierung der Energienachfrage in Europa
durch weitere Verbesserungen bei der Energie-End-
nutzungseffizienz und größere Anreize für Energie-
einsparungen im Transport-, Energie- und Bausektor.

9. In Anbetracht der begrenzten einheimischen Energie-
ressourcen in den meisten europäischen Ländern be-
sitzt Europa ein vitales Interesse an der Verstärkung
des Energiedialogs mit seinen engsten Partnern, um
die physischen, wirtschaftlichen und politischen Ge-
fahren für die Sicherheit der Energielieferungen für
die importierenden und die exportierenden Länder zu
minimieren. Im Gebiet des Europarates impliziert
dies eine Stärkung der langfristigen Zusammenarbeit
im Energiebereich mit unter anderem der Russischen
Föderation und den Ländern der Region des Kas-
pischen Meers. Die Versammlung erneuert in diesem
Zusammenhang ihren in Entschließung 1324 (2003)
betr. Europa und die Entwicklung von Energie-
ressourcen in der Region des Kaspischen Meeres ent-
haltenen Aufruf an die betroffenen Länder, die beste
Nutzung ihrer Energieressourcen sicherzustellen, in-
dem sie eine frühzeitige Einigung über den recht-
lichen Status des Kaspischen Meeres erzielen, den
Vertrag über die Energiecharta und ihr Protokoll über
Energieeffizienz und damit verbundene Umwelt-
aspekte ratifizieren und die Verhandlungen über ein
Transitprotokoll abschließen.

10. Die Versammlung ruft schließlich die Mitgliedstaaten
des Europarates auf,

i. gemeinsam kohärente paneuropäische Rahmen-
politiken zu gestalten, die größere Energieein-
sparungen und eine schrittweise Verlagerung hin
zu alternativen Energiequellen ermöglichen, ein-
schließlich Biokraftstoffe und wasserstoffhaltige
Brennstoffzellen für die Nutzung in Hybrid-
Fahrzeugen, um die sich schnell abbauenden Re-
serven an fossilen Brennstoffen zu ersetzen;

ii. die derzeit im Gang befindliche Modernisierung
von Kohlefeueranlagen zu betreiben und weitere
„saubere Kohletechnologien“ und Techniken für
die Kohlenstoffsequestrierung zu entwickeln;

iii. vor dem Hintergrund einer wachsenden Knapp-
heit an fossilen Brennstoffen und strengeren Um-
weltauflagen im Rahmen des Kyoto-Protokolls
ihre Atomenergiepolitiken, sofern sie solche be-
sitzen, einer erneuten Überlegung zu unterziehen;

Drucksache 15/5941 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

iv. eine gemeinsame Kernfusionsforschung zu be-
treiben und die notwendigen finanziellen Res-
sourcen für den Bau des Internationalen Thermo-
nuklearen Experimentalreaktors (ITER-Projekt)
zur Verfügung zu stellen;

v. geeignete Sicherheitsmaßnahmen für die lang-
fristige Entsorgung hochradioaktiver Atomab-
fälle zu gewährleisten und eine Diskussion über
die Entwicklung regionaler Lager zu fördern;

vi. zusätzliche Ressourcen in die Entwicklung neuer
Technologien zur verstärkten Nutzung erneuer-
barer Energiequellen, insbesondere Biokraftstof-
fen, zu investieren;

vii. das Emissions-Handelssystem der Europäischen
Union zu unterstützen und sich an ihm zu beteili-
gen;

viii. sich auf prioritäre Bereiche für die gemeinsame
Energieforschung, Ressourcenentwicklung, stra-
tegische Reserven, Investitionen in Energie-
erzeugungs- und Netzwerkinfrastrukturen und
Regelungsrahmen zu einigen;

ix. die Energiepreise die realen Kosten dieser Res-
source für die Gesellschaft besser reflektieren zu
lassen, ein Energiesparverhalten herbeizuführen
und einen faireren Wettbewerb zwischen unter-
schiedlichen Energiequellen zu gewährleisten;

x. nationale Energiesparpläne zu erstellen, energie-
effiziente Technologien zu verbreiten, das Un-
gleichgewicht zwischen den verschiedenen
Transportarten zu beheben und mehr Energie-
sparmaßnahmen in Gebäuden umzusetzen.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 3 5 ( 2 0 0 5 ) *

betr. Energiesysteme und Umwelt

1. So wie die weltweite Besorgnis über Luftverschmut-
zung und Klimawandel wächst, erkennt die Parla-
mentarische Versammlung an, dass den Umwelt-
auswirkungen von Energieproduktion, -transport und
-nutzung größere Beachtung geschenkt werden
sollte.

2. Fossile Brennstoffe (Erdöl, Kohle und Erdgas) haben
schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt. Sie
erzeugen Treibhausgase, die zur globalen Erwär-
mung und zur Feinstaubverschmutzung beitragen.
Neben der Frage der Sicherheit der Lieferungen er-
schöpfen sich diese Energiequellen schnell, ohne
dass die Möglichkeit einer natürlichen Erneuerung
besteht.

3. Moderne Atomkraftwerke, die von bestimmten euro-
päischen Staaten als eine mögliche mittelfristige Lö-
sung betrachtet werden, vermeiden eine zunehmende
Luftverschmutzung (Treibhausgase und Feinstaub),
bringen jedoch das bisher ungelöste Problem der Ver-
arbeitung und Lagerung radioaktiven Atommülls mit
sich. Daher muss von den europäischen Staaten eine
dringende Beurteilung der langfristigen sicheren La-
gerung verbrauchter Brennstoffe und anderer Atom-
abfälle, die im Gebiet des größeren Europa produ-
ziert wurden, unternommen werden.

4. Von besonderer Besorgnis ist die Notlage in der
„Schutzhülle“, die 200 Tonnen nukleare Brennstoffe
enthält, die nach dem Unfall in Block 4 des Atom-
kraftwerks Tschernobyl noch vorhanden sind, sowie
die gefährlichen Lagerbedingungen von 1 800 Ton-
nen nuklearer Brennstoffabfälle, die aus den übrigen
drei Blöcken des Werkes abgeladen wurden und jetzt
in dem provisorischen Lager aufbewahrt werden, das
auf dem Gelände des Atomkraftwerks Tschernobyl
liegt.

5. Ferner hätten Unfälle, gleich, ob es sich um natür-
liche, technische oder durch terroristische Akte ver-
ursachte Unfälle handelt, verheerende Folgen für die
Sicherheit der Bevölkerung. Die Gefahr einer radio-
aktiven Verseuchung dürfte auch dem Image qualita-
tiv hochwertiger landwirtschaftlicher und Nahrungs-
mittelerzeugnisse aus Gebieten abträglich sein, in
denen sich Atomkraftwerke befinden.

6. Erneuerbare Energiequellen (z. B. Biomasse, geo-
thermische, Wasserkraft-, Sonnen-, Wind-, Gezeiten-
und Wellenenergie usw.) scheinen das Problem der
Nachhaltigkeit zu lösen und dürften langfristig eine
gangbare Alternative zu konventionellen Energie-
erzeugungssystemen sein. Ziele zur Erhöhung des
Anteils erneuerbarer Energien wurden in der Euro-
päischen Union festgelegt, obwohl jüngste Informa-
tionen darauf hinweisen, dass sie nicht bis zu der ge-
setzten Frist des Jahres 2010 erreicht sein werden.

7. Die Parlamentarische Versammlung ist der Auffas-
sung, dass die positiven Auswirkungen erneuerbarer
Energien auf die Umwelt gesondert beurteilt werden
sollten.

8. Zur Milderung des Klimawandels ist eine starke Ver-
ringerung der Treibhausgasemissionen, die haupt-
sächlich vom Verkehrssektor verursacht werden,
erforderlich. In Anbetracht des Anstiegs der Energie-
produktion werden die Ziele des Kyoto-Protokolls
(Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen
über Klimaänderungen) noch schwieriger zu erfüllen
sein, wenn die Umweltauswirkungen der gegenwärti-
gen Energiequellen nicht behoben werden.

9. Neben dem Klimawandel ist die weitere Hauptgefahr
in Verbindung mit der Energieerzeugung der Fein-
staub, der von Verbrennungsanlagen und Verbren-
nungsmotoren (insbesondere Dieselmotoren) erzeugt
wird. Bei einer Verringerung der Treibhausgasemis-
sionen sollte auch eine Verringerung der Feinstaub-
emission erwogen werden.

* Versammlungsdebatte am 26. April 2005 (11. Sitzung) (siehe
Dok. 10486, Bericht des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft
und kommunale und regionale Angelegenheiten, Berichterstatter:
Herr Etherington). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
26. April 2005 (11. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/5941

10. Sorgen über Umweltgefahren werden bei der Pla-
nung von Energiepolitiken zunehmend berücksich-
tigt, was Energieerzeugung, -transport und -nutzung
angeht, und werden bei der Bewältigung von Um-
weltfragen zwangsläufig entscheidend werden. Zum
Treffen korrekter Entscheidungen benötigen die Ent-
scheidungsträger genaue Informationen über die Um-
weltgefahren und -risiken der unterschiedlichen En-
ergiesysteme. Daher besteht ein starker Bedarf an
einer standardisierten Methode zur Beurteilung der
Umweltgefahren und -risiken.

11. Die Parlamentarische Versammlung fordert die Mit-
gliedstaaten daher dazu auf, dringende Maßnahmen
zur Verringerung der Umweltauswirkungen der Ener-
gieerzeugung, des Transports und der Nutzung zu er-
greifen, insbesondere mit Hilfe

i. technologischer Maßnahmen:

a. schrittweise Verringerung der Abhängigkeit
von fossilen Brennstoffen und die Gewähr-
leistung einer sicheren und nachhaltigen
Energielieferung durch Optionen wie eine
Weiterentwicklung erneuerbarer Energien,
einschließlich der Festlegung kohärenter
Ziele auf paneuropäischer Ebene unter Be-
rücksichtigung der Ziele der Europäischen
Union;

b. Hinarbeiten auf die Erfüllung der im Kyoto-
Protokoll gesetzten Ziele für den Emissions-
abbau von Treibhausgasen unter besonderer
Beachtung des Energie-, Industrie- und
Transportsektors;

c. schrittweise Umsetzung moderner Technolo-
gien bei der Erzeugung von Energien aus
fossilen Brennstoffen (z. B. „saubere Kohle-
technologie“, Kraft-Wärme-Kopplung (Ver-
wertung der während der Stromproduktion
erzeugten Hitze)) ohne dabei Politiken für
die Abfallverringerung, -Sortierung und -Re-
cycling zu gefährden, denen weiterhin Prio-
rität eingeräumt werden muss;

d. Förderung von Forschung und Entwicklung
auf dem Gebiet des Atommüll-Managements
zur Minimisierung seiner Umweltfolgen;

e. Förderung aller Maßnahmen zur Absiche-
rung von Atomkraftwerken gegen die Ge-
fahren radioaktiver Emissionen infolge von
natürlichen oder technischen Unfällen oder
von terroristischen oder kriegerischen Akten;

f. Unterstützung der Forschung und Entwick-
lung auf dem Gebiet der Kernfusion, um die
gegenwärtigen auf Kernspaltung basierenden
Atomkraftwerke nach und nach zu ersetzen;

g. Förderung und Umsetzung in allen mögli-
chen Bereichen (Industrie, Verkehr, Haus-
halte usw.) von umweltfreundlichen Techno-
logien mit zunehmender Energieeffizienz

und weitere Ermutigung von Forschung und
Entwicklung, insbesondere auf den Gebieten
der Energienutzung im Transport- und
Bausektor;

ii. steuerlicher Maßnahmen:

a. Einbeziehung der Umweltkosten in die
Energiepreise;

b. Einbeziehung der Umweltkosten des Trans-
portsektors in die Brennstoffpreise;

c. Zuweisung eines Teils der Einnahmen aus
Energiesteuern für die Forschung und Ent-
wicklung im Hinblick auf saubere Technolo-
gien und erneuerbare Energien;

d. Entwicklung eines Systems von Steuergut-
schriften, Zuschüssen und sonstigen steuerli-
chen Anreizen zur Förderung umweltfreund-
licher Energieinvestitionen;

iii. Bildungs- und öffentliche Informationsmaßnah-
men:

a. Bereitstellung klarer Informationen über die
ökologischen Kosten der Nutzung elektri-
scher Haushaltsgeräte, um es den Verbrau-
chern zu gestatten, informierte und ökolo-
gisch verantwortliche Entscheidungen zu
treffen;

b. Entwicklung von Bildungs- und Sensibilisie-
rungsprogrammen und -initiativen für um-
weltfreundliche Energieoptionen und Ener-
gieeffizienz (Schulen, Medien usw.);

c. Bereitstellung von Informationen über Ener-
gieoptionen, die sich speziell an Entschei-
dungsträger richten.

12. Die Versammlung ersucht die Mitgliedstaaten, die
Zusammenarbeit zwischen den für Energiepolitik zu-
ständigen Behörden und den für Umwelt verantwort-
lichen Behörden zu stärken, um die Umsetzung der
oben genannten Maßnahmen zu erleichtern.

13. Die Versammlung ersucht diejenigen Mitgliedstaa-
ten, welche Atomenergie nutzen, die Entscheidung
anderer Staaten, die sich gemäß dem Vorsorgeprinzip
zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit gegen diese
entschieden haben, zu respektieren, indem sie es ver-
meiden, Atomkraftwerke entlang ihrer Grenzen an-
zusiedeln, damit die Öffentlichkeit in den Nachbar-
staaten im Falle eines Unfalls nicht überexponiert
wird.

14. Sie ersucht insbesondere die mittel- und osteuropäi-
schen Länder, ihre Energieeffizienz, Sicherheit und
industrielle Umstrukturierung weiter zu verstärken,
ihre Energiequellen zu diversifizieren und zu dezen-
tralisieren und ihren Energieverbrauch zu verringern.

15. Die Versammlung ersucht die Europäische Umwelt-
agentur, in Zusammenarbeit mit der Europäischen

Drucksache 15/5941 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Energieagentur die Ausarbeitung einer standardisier-
ten Methode zur Beurteilung der Umweltauswirkun-
gen der verschiedenen Energiesysteme auszuarbei-
ten.

16. Die Versammlung ruft die Europäische Bank für
Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und die In-
ternationale Atomenergiebehörde auf, dringend er-
neut die Frage der Intensivierung der Arbeiten im Zu-
sammenhang mit dem Bau der neuen Schutzhülle
(der „Eingrenzung“) über den beschädigten „Schutz-
mantel“ zu prüfen sowie baldmöglichst das neue De-
pot in Betrieb zu nehmen, das eine sichere Lagerung
der Brennstoffabfälle in der Nähe des Atomkraft-
werks Tschernobyl ermöglichen soll.

17. Sie ersucht die Internationale Energieagentur eben-
falls, ihre Arbeit über klimafreundliche Technologien
fortzusetzen und betont die Bedeutung, sie auf The-
men wie erneuerbare Energien, Energieeffizienz und
neue CO2-Abscheidungs- und -einlagerungstechnolo-
gien zu konzentrieren.

18. Die Versammlung unterstützt voll und ganz das
Engagement der Europäischen Union, umweltfreund-
liche Energieentscheidungen zu fördern, wie es durch
ihr „Intelligente Energie – Europa“-Programm für
Energieeffizienz und erneuerbare Energiequellen
(einschließlich der Programme SAVE, ALTENER,
STEER und COOPENER) illustriert wird, und er-
sucht alle Mitgliedstaaten des Europarates, ähnliche
Initiativen auf nationaler Ebene zu entwickeln, um
einen kohärenten paneuropäischen Ansatz zu erzie-
len.

19. Die Versammlung nimmt mit Interesse die gegenwär-
tigen Debatten über die Einrichtung einer Energie-
gemeinschaft Südosteuropa (ECSEE) zur Kenntnis,
die von der Europäischen Kommission geführt und
von einer Reihe von Geberagenturen, darunter Welt-
bank, EBWE und EIB, unterstützt werden, und ermu-
tigt seine Mitgliedstaaten, Umweltaspekten umfas-
sende Beachtung zu schenken.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 3 6 ( 2 0 0 5 ) *

betr. das Atomprogramm des Iran und die
Notwendigkeit einer internationalen Antwort

1. Die Parlamentarische Versammlung ist besorgt ange-
sichts verschiedener Berichte, die behaupten, dass die
iranischen Behörden nukleare Technologien entwi-
ckelt hätten, die für die Produktion von Atomwaffen
eingesetzt werden können, da Beweise für die Ent-
wicklung von Raketen mit einer Reichweite, die auch

die Mitgliedstaaten des Europarates einschließen
würde, vorliegen.

2. Der Iran hat zugegeben, seit fast zwanzig Jahren und
ohne die Internationale Atomenergieorganisation
(IAEA) davon in Kenntnis zu setzen, ein geheimes
Atomprogramm entwickelt zu haben, das unter ande-
rem die Urananreicherung beinhaltet. Hierdurch hat
der Iran gegen seine Verpflichtungen aus dem Atom-
waffensperrvertrag (NVV) verstoßen und den Ver-
dacht erweckt, dass sein Atomprogramm einen mili-
tärischen Zweck verfolgt.

3. Der Iran als neuer Atomwaffenstaat würde die Ge-
fahr einer Destabilisierung im Nahen Osten und im
Gebiet des Persischen Golfs beträchtlich erhöhen und
zu einer großen Bedrohung für die gesamte interna-
tionale Gemeinschaft werden.

4. Der Iran muss sich bewusst sein, dass die internatio-
nale Gemeinschaft seine Versuche zur Entwicklung
von Atomwaffen nicht tolerieren würde und bereit
ist, eine gemeinsame Antwort zu beschließen, deren
Folgen für den Iran den vermutlichen Nutzen seines
Status als Atommacht bei weitem überwiegen wür-
den.

5. Andererseits sollte dem Iran zugesichert werden,
dass seine legitimen Sicherheitsbesorgnisse angegan-
gen werden, während er akzeptieren muss, die Si-
cherheitsbesorgnisse aller Staaten der Region anzuer-
kennen, insbesondere die Existenz des Staates Israel
und seines Rechts auf Sicherheit. Darüber hinaus
sollte dem Iran zugesichert werden, dass seine Be-
reitschaft, den Besorgnissen der internationalen
Bereitschaft im Hinblick auf sein Atomprogramm
nachzukommen, neue Möglichkeiten für eine inter-
nationale Zusammenarbeit zum Nutzen des irani-
schen Volkes eröffnen würde.

6. Die Versammlung begrüßt in diesem Zusammenhang
die anhaltenden diplomatischen Bemühungen Frank-
reichs, Deutschlands und des Vereinigten König-
reichs (E3/EU), deren Ziel es ist zu erreichen, dass
der Iran die vollständige Einhaltung seiner Verpflich-
tungen im Rahmen des Atomwaffensperrvertrags
nachweist und die Sorgen der internationalen Ge-
meinschaft ausräumt, dass sein Atomprogramm das
Ziel des Baus von Atomwaffen verfolgt.

7. Die Versammlung stellt mit Befriedigung fest, dass
die Vereinigten Staaten vor kurzem ihre Bereitschaft
erklärt haben, die europäischen diplomatischen Be-
mühungen zu unterstützen.

8. Die Versammlung ruft die Behörden der Islamischen
Republik Iran auf,

i. umfassend mit der IAEA zusammenzuarbeiten;

ii. den Atomwaffensperrvertrag und das ihm bei-
gefügte Kontrollabkommen genau zu befolgen;

* Versammlungsdebatte am 26. April 2005 (11. Sitzung) (siehe
Dok. 10496, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
Herr Ates). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 26. April
2005 (11. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/5941

iii. das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrver-
trag zu ratifizieren, das einen effizienteren Veri-
fizierungsrahmen vorsieht, und bis zu seiner
Ratifizierung seine Bestimmungen weiter einzu-
halten;

iv. weitere Schritte zu unternehmen, um den Be-
sorgnissen der internationalen Gemeinschaft im
Hinblick auf sein Atomprogramm nachzukom-
men und ein dauerhaftes Vertrauen in seine fried-
liche Natur aufzubauen, sowie unter anderem

a. der IAEA umfassende und genaue Informa-
tionen über sein früheres und sein jetziges
Atomprogramm zu liefern;

b. freien und ungehinderten Zugang zu seinen
Atomstandorten und Forschungseinrichtun-
gen sowie ggf. zu anderen Orten zu ermög-
lichen, gleich, ob sie unter den Atomwaffen-
sperrvertrag fallen oder nicht;

c. freiwillige Maßnahmen zu ergreifen, die
über die Anforderungen des Atomwaffen-
sperrvertrags hinausgehen, einschließlich
insbesondere einer anhaltenden Aussetzung
und letztendlichen Einstellung seiner mit der
Anreicherung verbundenen Aktivitäten und
seiner Wiederaufbereitungsaktivitäten.

9. Die Versammlung ruft die Mitglied- und Beobachter-
staaten des Europarates auf,

i. die diplomatischen Anstrengungen der E3/EU
gegenüber dem Iran umfassend zu unterstützen;

ii. die iranischen Behörden über bilaterale Kontakte
zu ermutigen, guten Willen zu zeigen und das
Vertrauen der internationalen Gemeinschaft
durch die Öffnung ihrer Atomprogramme für in-
ternationale Kontrollen wiederherzustellen, ins-
besondere derer, die Verdacht erwecken;

iii. wirtschaftliche Anreize vorzusehen, die die Be-
reitschaft des Iran kompensieren würden, über
seine Verpflichtungen im Rahmen des Atomwaf-
fensperrvertrags hinauszugehen;

iv. den Sicherheitsbesorgnissen des Iran angemes-
sene Berücksichtigung zu schenken und Mög-
lichkeiten zur Sicherung des Friedens, Stärkung
der Stabilität und Förderung der Zusammen-
arbeit im Nahen Osten und im Persischen Golf
zu erwägen, einschließlich der Förderung einer
nuklearwaffenfreien Zone in der Region, wie von
der Generalversammlung der Vereinten Nationen
empfohlen;

v. einen auf zahlreichen Ebenen geführten Dialog
mit dem Iran einzuleiten, der auf die Förderung
der pluralistischen Demokratie, der Wahrung von
Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit und
eine offene Gesellschaft abzielt;

vi. umfassende und effiziente Unterstützung für die
Aktivitäten der IAEA im Zusammenhang mit
dem Iran zu leisten und ein umfassendes und
rechtzeitiges Teilen von Informationen zu ge-
währleisten;

vii. die anstehende Konferenz zur Überprüfung des
Nichtverbreitungsvertrags (Mai 2005) dazu zu
nutzen, das Nichtverbreitungsregime zu stärken,
unter anderem durch

a. eine Stärkung der Inspektions- und Verifizie-
rungsfähigkeiten der IAEA;

b. eine Stärkung der Exportkontrollpolitiken
und -praktiken für Dual-Use-Technologien;

c. die Gewährleistung, dass jeder mögliche
Missbrauch ziviler Programme für militäri-
sche Zwecke ausgeschlossen ist;

d. eine angemessene Erwägung der IAEA-Ini-
tiative, die darauf abzielt, die Verbreitung
von Technologien für die nukleare Anreiche-
rung zu begrenzen und alle Anreicherungs-
aktivitäten unter internationale Kontrolle zu
stellen, bei gleichzeitiger Gewährleistung
des Zugangs zu Kernbrennstoffen für Länder
ohne Anreicherungsfähigkeiten;

e. die Bereitstellung besserer Sicherheitsgaran-
tien für nichtatomare Staaten;

viii. eine Zusammenarbeit mit der IAEA und einen
Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag von Staa-
ten, die noch keine Vertragsparteien sind, zu för-
dern.

10. Die Versammlung ruft die Europäische Union auf,

i. die Verhandlungen mit dem Iran über ein Han-
dels- und Kooperationsabkommen wiederaufzu-
nehmen unter angemessener Berücksichtigung
der Fortschritte bei den Verhandlungen über die
atomaren Fragen und der Umsetzung von Demo-
kratie und Menschenrechten;

ii. andere Anreize vorzusehen, auch auf dem Gebiet
der Atomenergie und anderen Hochtechnologien,
die dem Iran im Falle eines wesentlichen Fort-
schritts bei den von der E3/EU geführten Ver-
handlungen in Aussicht gestellt werden könnten.

11. Die Versammlung beschließt, mit der Frage des irani-
schen Atomprogramms befasst zu bleiben, und weist
ihren Politischen Ausschuss an, diese Angelegenheit
weiter genau zu verfolgen.

12. Die Versammlung beschließt, Maßnahmen zu planen,
die zur Förderung der demokratischen Werte, der
vollständigen Achtung der Menschenrechte und
Grundfreiheiten sowie einer offenen Gesellschaft im
Iran durch einen parlamentarischen Dialog ergriffen
werden könnten.

Drucksache 15/5941 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 3 7 ( 2 0 0 5 ) *

betr. Migration und Integration: eine Heraus-
forderung und eine Chance für Europa

1. Bei der Mobilität der Menschen ist eine ausgeprägte
und anhaltende Zunahme festzustellen. Europa, das
als eine Region der Stabilität und des Wohlstandes
gesehen wird, wird auch in den kommenden Jahren
extrem attraktiv für Migranten aus weniger begüns-
tigten Ländern und für Asylanten sein, die vor Krieg,
Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen fliehen.

2. In einem multikulturellen, multiethnischen Europa,
das immer mehr zu einem Zufluchtsort für Asyl-
suchende und einem Ziel für Einwanderer wird, be-
steht eine dringende Herausforderung für die Regie-
rungen darin sicherzustellen, dass die Grundwerte
unserer Gesellschaften, wie sie in der Europäischen
Menschenrechtskonvention kodifiziert sind – darun-
ter die Achtung der Menschenrechte, Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit – von allen, die in Europa le-
ben, mitgetragen werden.

3. Es ist notwendig, dieser Herausforderung zu begeg-
nen, damit es möglich sein wird, die Chancen, die
Europa Einwanderern bietet, voll zu nutzen, und
zwar im Hinblick auf Bereitstellung von Arbeitskräf-
ten, intellektuelle Bereicherung und kulturelle Viel-
falt.

4. Das Konzept der Integration zielt darauf ab sicherzu-
stellen, dass sozialer Zusammenhalt durch Akzeptanz
der Vielfalt als ein Prozess gesehen wird, an dem
beide Seiten beteiligt sind. Einerseits müssen Ein-
wanderer die Rechte und Grundwerte der europäi-
schen Gesellschaft akzeptieren. Andererseits muss
die Gesellschaft des Gastlandes die Würde der Ein-
wanderer sowie ihre unterschiedliche Identität res-
pektieren und dies bei der Festlegung nationaler
Politiken berücksichtigen.

5. Im Einklang mit ihren früheren Empfehlungen und
Entschließungen bekräftigt die Parlamentarische Ver-
sammlung, wie wichtig es ist, effiziente politische
Maßnahmen umzusetzen, um die volle Integration
von Ausländern, die rechtmäßig in den Mitgliedslän-
dern des Europarates leben, sicherzustellen als Teil
einer Gesamtstrategie, die alle Aspekte der Migra-
tion, einschließlich Beschäftigungsmigration und ille-
gale Migration, umfasst sowie Anstrengungen zur
Bekämpfung von Menschenhandel und Terrorismus.

6. In diesem Zusammenhang nimmt die Versammlung
Bezug auf ihre Empfehlung 1625 (2003) betr. die In-
tegrationspolitik für Einwanderer in den Mitglied-
staaten des Europarates und bekräftigt insbesondere
das Prinzip, dass Einwanderer die Möglichkeit haben

sollten, sich uneingeschränkt am Leben des Gastlan-
des zu beteiligen auf der Grundlage von gleichen
Rechten und Chancen als Gegenleistung für die von
ihnen zu übernehmenden gleichen Pflichten. Die Ver-
sammlung hat im Zusammenhang mit den nationalen
Integrationsstrategien die Bedeutung der Ausweitung
des Wahlrechts auf legale Einwanderer betont, im
Einklang mit dem Übereinkommen von 1992 über
die Beteiligung von Ausländern am kommunalen öf-
fentlichen Leben. Zu den oben genannten Pflichten
zählt die Achtung der Menschenrechte und Grund-
freiheiten, wie in der ERMK verankert, des Prinzips
der Gleichheit von Mann und Frau und generell der
Verfassung und der Gesetze des Gastlandes.

7. Die Mitgliedstaaten des Europarates müssen ihrer-
seits sicherstellen, dass im Rahmen der gesetzlichen
Bestimmungen Einwanderer nicht diskriminiert wer-
den beim Zugang zu ihren Rechten und beim Schutz
dieser Rechte mit besonderem Augenmerk auf be-
stimmte Bereiche wie Bildung und Beschäftigung.

8. Die Versammlung verweist auf die von den zwi-
schenstaatlichen Ausschüssen des Europarates ver-
folgten zahlreichen Aktivitäten, insbesondere des
Europäischen Ausschusses für Migration (CDMG)
mit dem Ziel, Integrationspolitiken zu erarbeiten und
zu finden, die in der Lage sind, den gegenwärtigen
Herausforderungen Rechnung zu tragen.

9. In diesem Zusammenhang fordert die Versammlung
die Mitgliedstaaten des Europarates auf,

i. es als eine ihrer Prioritäten zu sehen, eine Migra-
tionsstrategie festzulegen, die einen umfassenden
Ansatz verfolgt, der alle Aspekte von Migration
beinhaltet, einschließlich ihrer Gründe, Konse-
quenzen und der Herausforderungen, die durch
sie entstehen. In dieser Hinsicht wäre es ange-
bracht:

a. die Bedeutung von Ko-Entwicklungspoliti-
ken festzustellen, die das Ziel verfolgen, die
Armut in den Herkunftsländern zu verrin-
gern und diesen Ländern gleichzeitig Verant-
wortung zu übertragen für die Verwaltung
der Entwicklungsinstrumente und Ressour-
cen;

b. Maßnahmen zu ergreifen, um Migrationsbe-
wegungen zu vermeiden, die auf Grund der
Bedürfnisse nach Schutz entstehen, durch
Aktivitäten und Maßnahmen des Drucks mit
dem Ziel der Konfliktverhütung und Förde-
rung der Wahrung der Menschenrechte in
den Herkunftsländern;

c. Einwanderer als Personen mit grundlegen-
den Menschenrechten anzuerkennen, deren
Achtung in vollem Einklang mit den inter-
nationalen und regionalen Menschenrechts-
instrumenten gewährleistet werden muss,
einschließlich der Bestimmungen des Inter-
nationalen Übereinkommens zum Schutz der

* Versammlungsdebatte am 27. April 2005 (13. Sitzung) (siehe
Dok. 10453, Bericht des Ausschusses für Wanderbewegungen,
Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen, Berichterstatter: Herr Branger).
Von der Versammlung verabschiedeter Text am 27. April 2005
(13. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/5941

Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer
Familienangehörigen, das zu ratifizieren und
umzusetzen die Mitgliedstaaten nachdrück-
lich aufgefordert werden;

ii. bei allen ihren Aktivitäten, die Auswirkungen
auf Migration haben können, einschließlich Ter-
rorismusbekämpfung, die strikte Wahrung der
Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie in der
EMRK festgelegt, und der dazugehörigen Proto-
kolle sicherzustellen.

iii. Chancen anzubieten für rechtmäßige Einwande-
rung im Hinblick auf Beschäftigung für eine
Reihe von potenziellen Einwanderern unter Be-
rücksichtigung der Arbeitsmarktbedürfnisse des
Gastlandes und der Belastbarkeit der Sozialsys-
teme im Hinblick auf die Garantie eines ange-
messenen Lebensstandards für diese Arbeitneh-
mer und ihre Familien;

iv. weitere Anstrengungen zu unternehmen, um das
Wissen über die Grundwerte des ER auf allen
Ebenen innerhalb der Gesellschaft zu fördern,
insbesondere unter den Einwanderern, und zwar
durch:

a. Veranstaltung kostenloser Kurse über
Grundrechte und Pflichten für neu angekom-
mene Einwanderer;

b. Aufnahme dieser Art von Unterweisung in
freiwillige oder vorgeschriebene Integra-
tionsprogramme für Einwanderer in denjeni-
gen Ländern, in denen derartige Programme
bereits existieren,

c. soweit möglich, Veranstaltung dieser Art
von Unterweisung in den Herkunftsländern
potenzieller Einwanderer, deren Einwande-
rungsanträge bewilligt werden;

v. Kampagnen zur Verbreitung verlässlicher, klarer
Informationen zu fördern, die nicht Gefahr lau-
fen, in einer rassistischen oder fremdenfeindli-
chen Art und Weise ausgelegt zu werden, über
Migration und über die Kultur und Traditionen
der Einwanderer, die innerhalb ihrer Grenzen le-
ben;

vi. das Übereinkommen des Europarates von 1992
über die Beteiligung von Ausländern am kom-
munalen öffentlichen Leben zu unterzeichnen
und zu ratifizieren;

vii. verlässliche Instrumente zu erarbeiten für die Er-
fassung von Migrationsbewegungen auf nationa-
ler Ebene und zusammenzuarbeiten, um die Ver-
gleichbarkeit dieser Daten auf internationaler
Ebene sicherzustellen.

10. Darüber hinaus fordert die Versammlung die Europä-
ische Union auf:

i. ihre Anstrengungen fortzusetzen zur Festlegung
einer gemeinsamen Asyl- und Migrationspolitik;

i. die Anstrengungen der neuen Mitgliedstaaten zur
Bewältigung illegaler Migrationsbewegungen zu
unterstützen und sie auszustatten mit rechtlichen
und konkreten Mitteln, um die Integration der
Einwanderer weiter auszubauen;

iii. mitzuhelfen, die öffentliche Meinung in Europa
für die Folgen des Beitritts der neuen Mitglied-
staaten und die Rechte ihrer Bürger im Hinblick
auf Freizügigkeit zu sensibilisieren.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 3 8 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Medienfreiheit und die Arbeit von
Journalisten in Konfliktgebieten

1. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates
erinnert an die Bedeutung der Meinungs- und Infor-
mationsfreiheit in den Medien für die demokratische
Gesellschaft und für jeden Einzelnen. Sie stellt einen
Kernwert dar, der in ganz Europa durch die Europäi-
sche Menschenrechtskonvention garantiert wird. Die
Kriegs- oder Konfliktsituation hebt nicht die Bedeu-
tung einer angemessenen Bereitstellung von Informa-
tionen durch die Medien auf; sie verstärkt stattdessen
im Gegenteil noch ihre Relevanz.

2. Journalisten, die aus Gefahrengebieten wie Kriegs-
zonen, Konfliktgebieten oder gesetzlosen Gebieten
berichten, finden häufig schwierige und gefährliche
Arbeitsbedingungen vor und sind manchmal sogar
weit verbreitete und systematische Zielscheiben für
terroristische Gruppen, die die Aufmerksamkeit der
Medien suchen, wie es derzeit im Irak der Fall ist.
Die Meinungs- und Informationsfreiheit dürfte daher
abhängig von den individuellen Umständen anderen
grundlegenden Überlegungen gegenübergestellt wer-
den, insbesondere dem Recht auf Leben, Freiheit und
Sicherheit der Journalisten. Diese anderen Rechte
dürfen nicht durch einen wachsenden Druck des
Marktes nach direkteren Berichten aus Gefahrenge-
bieten und einem zweifelhaften Anstieg des öffentli-
chen Wunsches nach Sensationsberichterstattung ge-
fährdet werden.

3. Die Versammlung beklagt die große Zahl von Ermor-
dungen, Entführungen und Verschwinden von Jour-
nalisten, die in Konfliktgebieten oder an brisanten
Themen arbeiten, und betrachtet sie als äußerst
schwerwiegende Akte der Aggression gegen die Mei-
nungs- und Informationsfreiheit der Medien. Eine
breite Öffentlichkeit und hohe Summen, die den Ent-
führern von Journalisten angeblich bezahlt werden,
erhöhen die Gefahr für in gefährlichen Gebieten ar-
beitende Journalisten beträchtlich und haben daher
die Möglichkeit der Öffentlichkeit, wertvolle Infor-
mationen zu erhalten, reduziert.

* Versammlungsdebatte am 28. April 2005 (14. Sitzung) (siehe
Dok. 10521, Bericht des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und
Bildung; Berichterstatter: Herr Jarab). Von der Versammlung verab-
schiedeter Text am 28. April 2005 (14. Sitzung).

Drucksache 15/5941 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

4. Die Versammlung ist besorgt über die Meinungs- und
Informationsfreiheit in den Medien im Irak und be-
klagt die zahlreichen Todesfälle und das häufige Ver-
schwinden von Journalisten dort sowie die anhal-
tende Entführung von Florence Aubenas, Hussein
Hanoun al-Saadi, Sorin Dumitru Miscoci, Marie-
Jeanne Ion und Eduard Ovidiu Ohanesian. Die Ver-
sammlung ruft zur sofortigen Freilassung dieser Gei-
seln auf.

5. Die Versammlung bekundet ihre Hochachtung vor
Nichtregierungsorganisationen wie dem International
News Safety Institute, dem Internationalen Presse-
institut, Reporter ohne Grenzen, der Internationalen
Journalistenföderation, Article 19 sowie dem Institut
für Kriegs- und Friedensberichterstattung dafür, dass
sie Hilfe und Ratschläge für Journalisten bereitstel-
len, die in gefährlichen Situationen und in Konflikt-
gebieten arbeiten.

6. Die Versammlung begrüßt die Charta zur Sicherheit
von Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten der
Organisation Reporter ohne Grenzen und erinnert an
die Wichtigkeit, nur erfahrene und gut ausgebildete
Journalisten einzusetzen, die solche Aufgaben frei-
willig übernehmen, und ihnen eine angemessene Si-
cherheits-, Kommunikations- und Erste-Hilfe-Aus-
rüstung, psychologische Beratung nach ihrer
Rückkehr sowie Versicherungen für Krankheit, Ver-
letzung, Repatriierung, Berufsunfähigkeit und Todes-
fall zu bieten.

7. Die Versammlung erinnert daran und bekräftigt er-
neut, dass Journalisten gemäß Artikel 79 des Ersten
Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen von
1949 als Zivilisten betrachtet werden müssen, vor-
ausgesetzt, dass sie keine gegenteiligen Maßnahmen
einleiten, die ihren Status als Zivilisten beeinträchti-
gen und unbeschadet des Rechts von Kriegskorres-
pondenten, die bei den Streitkräften akkreditiert sind
und diese begleiten, ohne ihnen tatsächlich anzuge-
hören, auf den Status von Kriegsgefangenen gemäß
Artikel 4 (A) (4) der Dritten Genfer Konvention, wenn
sie in die Hände des Feindes gefallen sind.

8. Unter Hinweis auf die Erklärung und die Empfeh-
lung (96) 4 des Ministerkomitees zum Schutz von Jour-
nalisten in Konflikt- und Spannungssituationen ruft
die Versammlung alle Mitglied- und Beobachterstaaten
auf, diese vollständig einzuhalten und insbesondere

i. das Recht auf Meinungs- und Informationsfrei-
heit gemäß Artikel 10 der Europäischen Men-
schenrechtskonvention zu achten,

ii. den Gebrauch von Kommunikationsgeräten wie
Festnetz- und Mobiltelefonen, Satellitentelefo-
nen und Rundfunkkommunikationsgeräten nicht
einzuschränken,

iii. ihre Militär- und Polizeikräfte anzuweisen, Jour-
nalisten Schutz und Hilfe zu gewähren,

iv. den Zugang zum Staatsgebiet des Ziellandes
durch die Ausstellung der erforderlichen Visa
und sonstigen Reisedokumente zu erleichtern,

v. die Vertraulichkeit journalistischer Quellen zu
wahren.

9. Alle Mitgliedstaaten werden dazu aufgerufen,

i. sicherzustellen, dass Journalisten auf ihrem
Staatsgebiet sicher arbeiten können;

ii. alle Akte von Gewalt oder Todesfälle von Journa-
listen, die sich auf ihrem Staatsgebiet ereignen
sowie Fälle, die sich außer Landes ereignen und
an denen Streitkräfte oder Sicherheitskräfte betei-
ligt waren, einschließlich Fälle, die auf freundli-
ches Feuer zurückzuführen sind, zu untersuchen.

10. Außerdem ruft die Versammlung die Mitglied- und
Beobachterstaaten des Europarates auf, obligatori-
sche Schulungs- und Informationsprogramme für mit
den Streitkräften mitreisende Journalisten einzurich-
ten, die vor deren Abreise erteilt werden müssen.

11. Die Medien sollten die Öffentlichkeit eindeutig da-
rauf hinweisen, welche Berichte von mit dem Militär
oder Sicherheitskräften mitreisenden Journalisten
stammen.

12. Die Versammlung betont, dass mit den Streit- oder
Sicherheitskräften mitreisende Journalisten aus
Gründen ihrer persönlichen Sicherheit nur in be-
stimmten Gebieten arbeiten dürfen, eine Beschrän-
kung ihrer Berichterstattung muss auf das absolute
Minimum begrenzt sein, das zur Verhinderung der
Bekanntgabe vertraulicher Informationen, die lau-
fende militärische Operationen gefährden würde, er-
forderlich ist.

13. Die Arbeitgeber und Berufsorganisationen von Jour-
nalisten sollten Schulungen veranstalten, um Journa-
listen auf die Gefahren einer Arbeit in Konfliktgebie-
ten vorzubereiten. Die Medien sollten öffentlich
erklären, dass keine Geldzahlungen an Entführer ge-
leistet oder diesen politische Zugeständnisse einge-
räumt werden sollten, und dass politische Erklärun-
gen entführter Journalisten unter Zwang abgegeben
werden und somit wertlos sind.

14. Alle Journalisten und ihre Arbeitgeber werden aufge-
fordert, der Charta zur Sicherheit von Journalisten in
Kriegs- und Krisengebieten der Organisation Repor-
ter ohne Grenzen beizutreten.

15. Unter Hinweis auf die Erklärung des Ministerkomi-
tees zum Schutz von Journalisten in Konflikt- und
Spannungssituationen ersucht die Versammlung den
Generalsekretär des Europarates, dem Schicksal von
Journalisten in Konflikt- und Spannungssituationen
besondere Beachtung zu schenken und regelmäßig
die Fälle von Journalisten zu verfolgen, die im Ver-
lauf ihrer beruflichen Arbeit in den Mitglied- und Be-
obachterstaaten bzw. in Verbindung mit von den Mit-
glied- und Beobachterstaaten außer Landes geführten
militärischen oder friedenserhaltenden Operationen
verschwunden sind bzw. verhaftet, verwundet oder
getötet wurden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/5941

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 3 9 ( 2 0 0 5 ) *

betr. Meeresverschmutzung

1. Die Parlamentarische Versammlung erinnert daran,
dass Europa in den letzten Jahren mehrere Meeres-
katastrophen erlebt hat, die äußerst schwerwiegende
Folgen für die Umwelt hatten. Zwei der dramatischs-
ten Zwischenfälle waren das Sinken der Erika im De-
zember 1999 vor der Küste der Bretagne (Frankreich)
und der Unfall der Prestige im November 2002 vor
der Küste Galiziens (Spanien), die beide eine ganz
erhebliche Verschmutzung des Meeres und der Küste
durch Ölfelder verursachten.

2. Sie war tief berührt von der Notlage der betroffenen
lokalen Gemeinschaften und von der spontanen Soli-
darität, die ihnen zu Hilfe kommende Bürger an den
Tag legten. Sie stellt fest, dass die Aktionspläne keine
angemessenen Ressourcen vorsehen, um die sozialen
und ökologischen Folgen derartiger Katastrophen zu
beheben.

3. Die Versammlung beklagt die enormen wirtschaftli-
chen, sozialen und ökologischen Kosten einer durch
einen Unfall verursachten Meeresverschmutzung
und ist der Auffassung, dass die vom Internationalen
Entschädigungsfonds für Ölverschmutzungsschäden
(IOPC-Fonds) und den nationalen Entschädigungs-
systemen bereitgestellten Ausgleichszahlungen noch
immer weit davon entfernt sind, diese Kosten voll-
ständig abzudecken (trotz der von der Internationa-
len Seeschifffahrtsorganisation (IMO) im Mai 2003
verabschiedeten Reform, die die Ausgleichsober-
grenze des IOPC auf ca. 1 Milliarde Dollar erhöhte).

4. Die Versammlung hatte nach der Havarie der Erika
konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Sicherheit
der maritimen Tankschifffahrt vorgelegt (Entschlie-
ßung 1229 (2000) betr. die Umwelt belastende Un-
fälle). Nach dem Sinken der Prestige wiederholte sie
in ihrer Entschließung 1317 (2003) betr. die Ver-
schmutzung der Meere die Maßnahmen, die für einen
wirksamen Schutz von Europas Meeresgebieten er-
forderlich sind.

5. Sie bedauert, dass die von ihr vorgeschlagenen Maß-
nahmen sowie die von der Europäischen Union und
von zahlreichen für dieses Gebiet zuständigen inter-
nationalen Organisationen empfohlenen Maßnah-
men nicht völlig umgesetzt wurden, um die Gefahren
einer durch Unfälle verursachten Meeresverschmut-
zung insbesondere vor den europäischen Küsten er-
heblich zu verringern.

6. Sie begrüßt die Schaffung der Europäischen Agentur
für die Sicherheit des Seeverkehrs und wünscht, dass

dieses Organ ein führender Akteur bei der Verhütung
ökologischer Schäden wird, die der Meeresumwelt
durch menschliche Aktivität hinzugefügt werden. Sie
stellt außerdem mit Zufriedenheit fest, dass die Euro-
päische Union eine Strategie zum Schutz der Meeres-
umwelt entwickelt.

7. Die Versammlung erinnert daran, dass die Gewässer
Westeuropas und die Ostsee besonders empfindliche
Meeresgebiete sind, die aufgrund ihrer Anfälligkeit
für die Folgen der Schifffahrt und der mit ihr verbun-
denen Aktivitäten einen besonderen Schutz erfor-
dern. Daher sollten die Küstenstaaten in der Lage
sein, die Durchfuhr von Schiffen strenger zu kontrol-
lieren, und Einhüllentanker sollten verboten werden.

8. Sie weist darauf hin, dass zusätzlich zu den Folgen
einer durch einen Unfall verursachten Meeresver-
schmutzung die weitaus beträchtlichere Wirkung ei-
ner absichtlichen Verschmutzung existiert, die durch
die Einleitung ölhaltiger Abfälle und das Ausspülen
von Ballasttanks verursacht wird und die sich heute
feststellen lässt, die jedoch trotz des bestehenden
rechtlichen Verbots und der damit einhergehenden
Strafen weiterhin eine alltägliche Praxis ist.

9. Sie stellt fest, dass Europa solange, wie es schwer-
wiegende Defekte bei der Anwendung der Gemein-
schafts- und der internationalen Bestimmungen gibt,
ernsthaften Gefahren der Meeresverschmutzung ins-
besondere in halbumschlossenen Meeren ausgesetzt
ist.

10. Folglich ersucht die Versammlung die Regierungen
der Mitgliedstaaten, die bestehenden internationalen
Bestimmungen auf dem Gebiet der Seeschifffahrt
vollständig anzuwenden und insbesondere

i. die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen, um
Schiffe in Not in ihren territorialen Gewässern in
Empfang zu nehmen, Zufluchtsorte bereitzustel-
len und geeignete Aktionspläne zu entwerfen;

ii. Hafenauffanganlagen für Schiffsabfälle und La-
dungsrückstände zu bauen und Pläne für die Auf-
bereitung derartiger Abfälle zu erstellen;

iii. die Schulung der Seeleute zu verbessern, um die
Gefahren maritimer Unfälle zu verringern, von
denen 80 Prozent durch menschliches Versagen
ausgelöst werden.

11. Die Versammlung ersucht die Mitgliedstaaten der Eu-
ropäischen Union, insbesondere alle in den „Erika I“-
und „Erika II“-Paketen empfohlenen Maßnahmen
vollständig umzusetzen, sowie die Nicht-EU-Mit-
gliedstaaten, diese Maßnahmen zur Verbesserung ih-
rer nationalen Gesetzgebung in Anspruch zu nehmen.

12. Sie ersucht die Mitgliedstaaten ebenfalls,

i. Küstendienste für die Aufgaben der maritimen
Sicherheit und der Hafensicherheit sowie für den
Schutz der Meeresumwelt einzuführen oder zu
entwickeln;

* Versammlungsdebatte am 29. April 2005 (16. Sitzung) (siehe
Dok. 10485, Bericht des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft
und kommunale und regionale Angelegenheiten, Berichterstatter:
Herr Lengagne). Von der Versammlung verabschiedeter Text am
29. April 2005 (16. Sitzung).

Drucksache 15/5941 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ii. sicherzustellen, dass jede Offshore-Ölförderung
die strengsten Betriebsbestimmungen erfüllt, um
die Gefahr einer durch einen Unfall verursachten
Verschmutzung zu minimieren;

iii. den Transport von Erdöl über Pipelines wo im-
mer es möglich ist zu fördern;

iv. Überwachungssysteme für die Einleitung ölhalti-
ger Abfälle und das Ausspülen von Ballasttanks
zu entwickeln, einschließlich Satelliten-Überwa-
chung, Küstenüberwachung aus der Luft, Hafen-
kontrollen usw.;

v. wirksame, verhältnismäßige und abschreckende
Strafen für die für Meeresverschmutzung Verant-
wortlichen vorzusehen, einschließlich der Mög-
lichkeit von Haftstrafen im Falle von vorsätzli-
cher Verschmutzung;

vi. ein Verzeichnis der natürlichen Ressourcen
(Fauna und Flora) und der wirtschaftlichen Res-
sourcen (Fischfang, Tourismus usw.) von Küs-
tengebieten zu erstellen, um über eine vorherige
Bestandsliste zur Beurteilung des durch einen
Ölteppich verursachten Schadens zu verfügen;

vii. das Internationale Übereinkommen über Haftung
und Entschädigung für Schäden bei der Beförde-
rung gefährlicher und schädlicher Stoffe auf See
(HNS-Übereinkommen) und die Konvention des
Europarates zum Schutz der Umwelt durch Straf-
recht (ETS Nr. 172) zu unterzeichnen bzw. zu ra-
tifizieren;

viii. auf die Einrichtung eines internationalen mariti-
men Strafgerichtshofes hinzuarbeiten.

13. Die Versammlung ersucht die Regierungen der Mit-
gliedstaaten, sich zu beraten und sich auf einen ge-
meinsamen Standpunkt in der IMO zu einigen mit
dem Ziel,

i. dieses Organ zu ermächtigen, die Anwendung
seiner internationalen Übereinkommen zu über-
wachen durch die Durchführung von Audits in
den für die Überwachung der Einhaltung mariti-
mer Bestimmungen verantwortlichen Diensten
der Mitgliedstaaten;

ii. Bestimmungen einzuführen, die es einem Staat,
der Schaden aufgrund einer durch ein Schiff ver-
ursachten Verschmutzung erlitten hat, ermögli-
chen, eine Entschädigung von dem Staat zu for-
dern, unter dessen Flagge das Schiff fährt, sofern
erwiesen ist, dass der Schaden auf das Versäum-
nis des Staates zurückzuführen ist, eine angemes-
sene Kontrolle des betroffenen Schiffes durchzu-
führen;

iii. die Möglichkeiten für die Geltendmachung der
zivilrechtlichen Haftung des Schiffseigners, des
Befrachters, der Klassifikationsgesellschaft oder
des Flaggenstaates im Falle einer durch ein
Schiff verursachten Verschmutzung auszuweiten;

iv. den Internationalen Entschädigungsfonds für Öl-
verschmutzungsschäden (IOPC-Fonds) zu refor-
mieren, so dass die Opfer von Meereskatastro-
phen eine schnelle und zufrieden stellende
Entschädigung erhalten.

14. Die Versammlung ersucht die Europäische Union si-
cherzustellen, dass die Europäische Agentur für die
Sicherheit des Seeverkehrs die Ressourcen erhält, die
sie benötigt, um wirksam gegen die Meeresver-
schmutzung vorzugehen, und schlägt vor, dass die
Agentur die nationalen Küstendienste koordiniert,
insbesondere ihre Überwachung und ihr Monitoring
von Schiffen, die eine potentielle Gefahr für die Um-
welt darstellen.

E m p f e h l u n g 1 6 9 8 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Rechte von in Heimen untergebrachten
Kindern: Weiterverfolgung von Empfehlung 1601

(2003) der Parlamentarischen Versammlung

1. Die Parlamentarische Versammlung lenkt die Auf-
merksamkeit auf den Inhalt ihrer vorhergehenden
Empfehlung 1601 (2003) betr. die Verbesserung der
Lage von in Heimen untergebrachten abgeschobenen
Kindern und bekräftigt erneut die Relevanz und ak-
tuelle Gültigkeit der in diesem Text enthaltenen ver-
schiedenen Empfehlungen und Vorschläge an die
Mitgliedstaaten und an das Ministerkomitee des
Europarates.

2. Die Versammlung nimmt mit Befriedigung die Ant-
wort auf ihre Vorschläge des Ministerkomitees des
Europarates zur Kenntnis (Dok. 9939), das gegen-
wärtig eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten zu
diesem Thema erstellt. Sie betrachtet dies für den
Ausdruck des politischen Wunsches, den Rechten
von in Heimen lebenden Kindern ein angemessenes
Gewicht und Priorität zu verleihen. Sie nimmt auch
die verschiedenen Formen finanzieller Unterstützung
zur Kenntnis, die von der Entwicklungsbank des
Europarates für Mitgliedstaaten bereitgestellt wer-
den, welche abgeschobene Kinder aus den Heimen
herausholen und alternative Fürsorgeformen für sie
einrichten.

3. Sie weist darauf hin, dass maximale Priorität darauf
verwandt werden muss, den Prozess der Qualifizie-
rung der Heimerziehung voranzutreiben und pädago-
gisch ungeeignete, gesundheitswidrige und baufäl-
lige Heime zu schließen. Bei Unterbringung der
Kinder in Familien ist darauf zu achten, dass sie die
bessere Alternative zur Heimunterbringung darstellt.
Als weitere Möglichkeiten der Unterbringung sind
Wohngruppen und Kinderdörfer ebenfalls in die
Überlegungen einzubeziehen. Oberste Priorität bei

* Versammlungsdebatte am 25. April 2005 (9. Sitzung) (siehe
Dok. 10452, Bericht des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit
und Familie, Berichterstatter: Herr Hancock). Von der Versammlung
verabschiedeter Text am 25. April 2005 (9. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/5941

der Auswahl muss die Beachtung des Kindeswohles
haben. Die Deinstitutionalisierung (d. h. die ander-
weitige Unterbringung als in Heimen) muss von Für-
sorgemaßnahmen und Sozialleistungen ergänzt wer-
den, um den Kindern dabei zu helfen, sich wieder in
Familien zu integrieren, und von Alternativen zu
Heimen. Es ist jedoch nicht das Ziel, Heime um jeden
Preis zu leeren, da einige Kinder immer eine Pflege
in Heimen benötigen werden.

4. Die Versammlung betont, dass das Problem der
Heimkinder allen Mitgliedstaaten des Europarates zu
eigen ist und dass kein Mitgliedstaat behaupten kann,
über Kritik auf diesem Gebiet erhaben zu sein. Man
kann jedoch nicht umhin festzustellen, dass die Lage
solcher Kinder in einigen Mitgliedstaaten, vor allem
in den jungen postkommunistischen Demokratien,
weiterhin besonders beunruhigend ist und weitere be-
trächtliche Fortschritte erfordert.

5. In diesen Ländern werden trotz der unbestreitbaren
positiven Veränderungen, die sich vollzogen haben,
weiterhin Kinder in Heime abgeschoben und unterge-
bracht aufgrund der Probleme in erster Linie wirt-
schaftlicher Natur, denen sich die Familien gegen-
übersehen, dem Fehlen oder der unzureichenden
Höhe von Sozialhilfe und der Schwierigkeit, die Ein-
stellung der Menschen zu ändern, da die Opfer derar-
tiger Praktiken häufig Kinder sind, die ethnischen
Minderheiten angehören.

6. Die Versammlung begrüßt die Tatsache, dass der be-
vorstehende Beitritt bestimmter Bewerberländer zur
Europäischen Union die Not von Heimkindern ins
politische Rampenlicht gerückt hat und dass Mittel
zur Verbesserung ihrer Lage aufgewendet werden.
Dennoch wird diese Hilfe in Kürze eingestellt wer-
den, und sie stellt den politischen Willen und die Fä-
higkeit dieser Länder in Frage, die Aufgabe zu über-
nehmen und die erzielten Fortschritte zu
konsolidieren und auf ihnen aufzubauen.

7. Sie ist ebenfalls über die Anzahl und das Schicksal
von in Heimen untergebrachten Kindern in anderen
europäischen Ländern, die der Europäischen Union
nicht angehören, besorgt. Das Schicksal von Kindern
in Heimen hat aufgehört, eine Frage für den Bereich
der Sozialfürsorge zu sein und ist heute zuallererst
eine Menschenrechtsfrage, was dem Europarat in
dieser Hinsicht eine wichtige Rolle zuweist.

8. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
des Europarates daher,

i. die Arbeit für die Erstellung und Verabschiedung
des Empfehlungsentwurfes betr. die Rechte von
in Heimen untergebrachten Kindern zu beschleu-
nigen und ein Verfahren zur Überwachung der
Umsetzung dieser Empfehlung vorzusehen;

ii. die Rechte von in Heimen untergebrachten Kin-
dern zu den vom thematischen Überwachungs-
bericht behandelten Themen hinzuzufügen;

iii. regierungsübergreifende Kooperationsprogramme
für in Heimen untergebrachte Kinder zu erstel-
len, die sich mit der Entwicklung von Alternati-
ven für die Unterbringung in Heimen sowie fa-
milien- und sozialpolitischen Maßnahmen für
Familien beschäftigen, die darauf abzielen, eine
Abschiebung zu verhindern und junge Erwach-
sene, die ihr ganzes Leben in Heimen zugebracht
haben, in die Gesellschaft und die Arbeitswelt zu
integrieren;

iv. die Mitgliedstaaten zu ersuchen, Institutionen zur
Aufsicht und Beratung von Einrichtungen (Hei-
men, Wohngruppen, Kinderdörfern usw.) und
Pflege- und Adoptiveltern einzurichten, um die
Rechte der dort untergebrachten Kinder zu schüt-
zen. Diese Institutionen sollen unter Beteiligung
aller Betroffenen (auch der Kinder) verbindliche
Leitlinien entwickeln, die zur Überprüfung der
Zielgenauigkeit der Hilfen dienen;

v. einen dringenden Aufruf an die Geber der inter-
nationalen Gemeinschaft zu richten – europäische
und internationale Institutionen, NGOs usw. –
ihre finanziellen Anstrengungen im Hinblick auf
in Heimen untergebrachte Kinder fortzusetzen;

vi. die Geber und insbesondere die Europäische
Union nachdrücklich dazu aufzufordern sicher-
zustellen, dass europäische Mittel, die den ver-
schiedenen europäischen Staaten für Kinder in
Heimen zugewiesen wurden, tatsächlich ihr ei-
gentliches Ziel erreichen, und die Verwendung
dieser Mittel regelmäßig zu überprüfen.

E m p f e h l u n g 1 6 9 9 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Rechtmäßigkeit der Inhaftierungen
durch die Vereinigten Staaten in der Bucht

von Guantánamo

1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre
Entschließung 1433 (2005) betr. die Rechtmäßigkeit
der Inhaftierungen durch die Vereinigten Staaten in
der Bucht von Guantánamo.

2. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee,

i. die Entschließung 1433 (2005) an die Regierung
der Vereinigten Staaten von Amerika weiterzu-
leiten und sie als ein Beobachterstaat des Euro-
parates an ihre Verpflichtungen zu erinnern,
Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit gemäß
der satzungsmäßigen Entschließung (93) 26 des
Ministerkomitees zu wahren;

* Versammlungsdebatte am 26. April 2005 (10. Sitzung) (siehe
Dok. 10497, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrech-
te, Berichterstatter: Herr McNamara). Von der Versammlung verab-
schiedeter Text am 26. April 2005 (10. Sitzung).

Drucksache 15/5941 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ii. die Regierung der USA zu ersuchen, Informatio-
nen zu ihrer Antwort und zu den von ihr ergriffe-
nen Maßnahmen im Einklang mit den Entschlie-
ßungen 1340 (2003) und 1433 (2005)
bereitzustellen;

iii. die Anstrengungen der Regierungen der Mit-
gliedstaaten im Zusammenhang mit den Inhaftie-
rungen in der Bucht von Guantánamo zu koordi-
nieren, insbesondere durch die Entwicklung
einer gemeinsamen, vereinten und entschlosse-
nen Front, deren Ziel die Erreichung der soforti-
gen bedingungslosen Freilassung oder eines ra-
schen fairen Prozesses für alle Häftlinge ist,
insbesondere für ihre eigenen Bürger, Staatsan-
gehörigen und ehemaligen Aufenthaltsberechtig-
ten;

iv. der Versammlung innerhalb von sechs Monaten
nach ihrem Erhalt über die unternommenen An-
strengungen und erzielten Fortschritte infolge
dieser Empfehlung Bericht zu erstatten.

E m p f e h l u n g 1 7 0 0 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Diskriminierung von Frauen in der
Erwerbsbevölkerung und am Arbeitsplatz

1. Eines der grundlegenden Rechte der Frauen ist es,
unter den Erwerbstätigen und am Arbeitsplatz nicht
diskriminiert zu werden. Dieses Recht ist im Völker-
recht verankert, wie beispielsweise in den Überein-
kommen der Vereinten Nationen, den Übereinkom-
men der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO)
und der geänderten Europäischen Sozialcharta sowie
im nationalen Recht aller Mitgliedstaaten des Euro-
parates und im Europäischen Gemeinschaftsrecht.
Leider stimmt die Wirklichkeit jedoch nicht immer
mit dem Gesetz überein, und selbst in Europa werden
Frauen weiterhin in vielfältiger Weise in der Er-
werbsbevölkerung und am Arbeitsplatz diskriminiert.

2. Das erste Problem, vor dem Frauen stehen, ist ein
fehlender Zugang zum Arbeitsmarkt. In den meisten
Ländern des Europarates ist die Teilnahmequote von
Frauen an der Erwerbsbevölkerung geringer und ihre
Arbeitslosenquote höher als die der Männer, obgleich
es starke regionale Unterschiede gibt. Im Allgemei-
nen arbeiten sehr viel mehr Frauen als Männer in
Teilzeitjobs (nicht nur aus eigener Entscheidung),
und viele Frauen sind für die Arbeit, die sie verrich-
ten, überqualifiziert. Ferner sind viele Frauen das,
was die IAO die „stille Reserve“ nennt: Arbeitneh-
mer, die nicht in den Arbeitslosenstatistiken ihres
Landes enthalten sind, da sie nicht aktiv nach Arbeit
suchen, obgleich sie arbeiten wollen, da sie der An-
sicht sind, dass es keine Arbeit für sie gibt, sie diskri-

miniert werden oder vor strukturellen, sozialen oder
kulturellen Hindernissen stehen.

3. Das zweite Problem ist das Gehaltsgefälle. Frauen
werden häufig für dieselbe Arbeit oder für Arbeit von
gleichem Wert schlechter bezahlt als Männer – sie er-
halten durchschnittlich mindestens 15 Prozent weni-
ger (bis zu 25 bis 30 Prozent). Höhere Bildung ist
keine Garantie. In vielen Ländern nimmt das Ge-
haltsgefälle noch zu, je besser gebildet eine Frau ist.
Im allgemeinen verdienen Frauen im Laufe ihres Le-
bens auch weniger als Männer, sie haben daher
schlechtere Rentenversicherungsbedingungen und er-
halten auch kleinere Pensionen, wenn sie in Rente
gehen, obgleich sie länger leben.

4. Das dritte Problem ist die „gläserne Decke“. Frauen
werden bei Beförderungen routinemäßig übergangen.
Je höher die Stelle, umso weniger wahrscheinlich ist
es, dass eine Frau sie bekommt – selbst eine, die
ebenso hoch oder höher qualifiziert als ihr männli-
cher Kollege ist. Frauen, denen es gelingt, diese so
genannte „gläserne Decke“ zu den Entscheidungs-
positionen zu durchbrechen, sind weiterhin die Aus-
nahme von der Regel, da selbst in von Frauen domi-
nierten Sektoren, in denen es mehr weibliche
Manager gibt, eine unverhältnismäßig große Anzahl
Männer in die höheren Positionen aufsteigt.

5. Der Hauptgrund für alle drei Probleme – fehlender
Zugang zum Arbeitsmarkt, Gehaltsgefälle und „glä-
serne Decke“ – ist die Diskriminierung von Frauen.
In den meisten Fällen werden Frauen dafür bestraft,
dass sie Mutter sind oder es werden könnten. Viele
Arbeitgeber fürchten die mit einer Mutterschaft ver-
bundenen Kosten und Mühen. Tatsächlich belaufen
sich die zusätzlichen Kosten für die Einstellung einer
Frau nach den jüngsten IAO-Studien auf weniger als
1 Prozent der monatlichen Bruttoeinkünfte weibli-
cher Beschäftigter. Aber Frauen werden nicht nur aus
wirtschaftlichen Gründen diskriminiert – sie werden
hauptsächlich aufgrund von Klischeevorstellungen
und Vorurteilen im Hinblick auf die Rollen und Fä-
higkeiten von Frauen, ihr Engagement und ihren
Führungsstil diskriminiert.

6. Diese Klischees führen dazu, dass Frauen häufig un-
sichere, schlecht bezahlte Arbeitsplätze ohne die
Möglichkeit eines Karriereaufstiegs angeboten wer-
den, die nicht befriedigend sind, da sie es ihnen nicht
erlauben, ihre Fähigkeiten vollständig zu entfalten.
Frauen werden häufig von inoffiziellen Netzen und
Kommunikationskanälen ausgeschlossen (Seilschaf-
ten). Ferner leiden einige unter unfreundlichen Un-
ternehmenskulturen und können Opfer von morali-
scher und sexueller Belästigung, Schikanen und
Mobbing werden. Schließlich werden in vielen Mit-
gliedstaaten des Europarates die familiären Verant-
wortlichkeiten (Hausarbeit, Kinderbetreuung, Pflege
älterer Verwandter) nicht in gleichem Maße von
Frauen und Männern geteilt, was zu zusätzlichen
Hindernissen für Frauen führt, berufstätig zu werden
und es zu bleiben sowie Karriere zu machen.

* Versammlungsdebatte am 27. April 2005 (13. Sitzung) (siehe
Dok. 10484, Bericht des Ausschusses für die Gleichstellung von
Frauen und Männern; Berichterstatterin: Frau Curdová). Von der Ver-
sammlung verabschiedeter Text am 27. April 2005 (13. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/5941

7. Schließlich trägt die geringere Teilnahme von Frauen
an der Erwerbsbevölkerung und ihre höhere Arbeits-
losigkeit zu wirtschaftlichen Verlusten und Ungleich-
heit bei, die die Grundlage für eine größere Ungleich-
heit von Männern und Frauen bilden und zu
wirtschaftlicher Abhängigkeit und Armut (insbeson-
dere im Alter) für die betroffenen Frauen führen kön-
nen. Es sind jedoch nicht nur die Frauen, die unter
der Diskriminierung leiden. Die Diskriminierung von
Frauen unter den Erwerbstätigen und am Arbeitsplatz
trägt zu einem geringeren Wirtschaftswachstum bei,
da sie die Steuereinnahmen verringert und größere
Ausgaben für Arbeitslosengeld und Sozialversiche-
rungsleistungen verursacht. Die Beseitigung dieser
Diskriminierung ist daher ein solides wirtschaftspoli-
tisches Ziel und verbessert den sozialen Zusammen-
halt.

8. Die besondere Lage behinderter und Minderheiten
angehörender Frauen sollte ebenfalls angegangen
werden, da sie häufig unter einer doppelten Diskrimi-
nierung leiden.

9. Es muss darauf hingewiesen werden, dass Diskrimi-
nierung am Arbeitsplatz weder von selbst verschwin-
den wird noch dass der Markt aus eigener Kraft für
ihre Beseitigung sorgen wird. Die Beseitigung der
Diskriminierung erfordert bewusste, konzentrierte
und konsequente Anstrengungen und Politiken von
allen betroffenen Seiten über einen anhaltenden Zeit-
raum hinweg.

10. Die Parlamentarische Versammlung empfiehlt dem
Ministerkomitee daher,

i. den zuständigen gemeinsamen Ausschuss auf
Regierungsebene damit zu beauftragen, ein Pro-
jekt zur Bekämpfung der Diskriminierung von
Frauen in der Erwerbsbevölkerung und am Ar-
beitsplatz einzurichten, das die Regierungen
dazu aufruft,

a. Gesetze und Verträge zu überarbeiten und zu
entwerfen, die eine gesetzliche Diskriminie-
rung nicht nur verbieten, sondern auch eine
positive Pflicht vorsehen, Diskriminierung
zu verhüten und die Gleichheit zu fördern;

b. eine bessere Umsetzung und Durchsetzung
der bestehenden Gesetze, Bestimmungen
und Verordnungen auf nationaler Ebene si-
cherzustellen, die der Diskriminierung von
Frauen in der Erwerbsbevölkerung und am
Arbeitsplatz begegnen;

c. wirksame Kontrollmechanismen auf interna-
tionaler und nationaler Ebene einzuführen,
ihr reibungsloses Funktionieren zu gewähr-
leisten und Unterstützung für sie von allen
Akteuren des Marktes, einschließlich Arbeit-
geberorganisationen und Gewerkschaften,
zu erlangen;

d. konkrete Ziele auf nationaler Ebene für die
Teilnahme von Frauen an der Erwerbsbevöl-

kerung und für die Arbeitslosenquoten von
Frauen sowie für die Verringerung des Ge-
haltsgefälles zwischen den Geschlechtern
festzulegen und spezielle Maßnahmen zu er-
greifen, um die Erreichung dieser Ziele si-
cherzustellen;

e. Frauenförderprogramme auf nationaler
Ebene zu schaffen und ihre Anwendung zu
fördern, um das inhärente Vorurteil gegen
Frauen in leitenden Positionen zu bekämp-
fen, so dass weibliche Bewerber im Falle
gleicher Verdienste eingestellt/befördert
werden;

f. Kampagnen auf allen Ebenen gegen die be-
stehenden Geschlechterklischees in der Ge-
sellschaft (traditionelle Rollenteilung in Ge-
sellschaft, Familie und am Arbeitsplatz) zu
starten und zu unterstützen und eine bessere
Teilung von Haushalts- und Pflegeverant-
wortlichkeiten zwischen Männern und
Frauen zu fördern;

g. die Vereinbarung von Berufs- und Familien-
leben für beide Geschlechter zu erleichtern
und in Pflegeeinrichtungen für Kinder und
alte Menschen mit geeigneten Öffnungszei-
ten zu investieren;

h. Projekte zu unterstützen, die Frauen, die dis-
kriminiert wurden, dabei helfen, ihren Fall
vor die zuständigen Behörden zu bringen,
und sicherzustellen, dass die Beweislast in
Fällen von Diskriminierung aufgrund des
Geschlechts auf den Arbeitgeber übertragen
wird;

i. eine Sensibilisierungskampagne durchzufüh-
ren, um Geschlechterklischees und Vorur-
teile auszumerzen im Zusammenhang mit
den wirtschaftlichen Kosten der Einstellung
und Beschäftigung von Frauen sowie den
Rollen und Fähigkeiten, dem Engagement
und dem Führungsstil von Frauen am Ar-
beitsplatz.

E m p f e h l u n g 1 7 0 1 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Diskriminierung von Frauen und
Mädchen im Sport

1. Fast zehn Jahre nach ihrer Entschließung 1092
(1996) betr. die Diskriminierung von Frauen im Sport
und insbesondere bei den Olympischen Spielen ist
die Versammlung darüber betrübt, beobachten zu
müssen, dass Frauen noch immer häufig beim
Zugang und bei der Ausübung des Amateur- und

* Versammlungsdebatte am 27. April 2005 (13. Sitzung) (siehe
Dok. 10483, Bericht des Ausschusses für die Gleichstellung von
Frauen und Männern, Berichterstatterin: Frau Aguiar). Von der Ver-
sammlung verabschiedeter Text am 27. April 2005 (13. Sitzung).

Drucksache 15/5941 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Berufssports diskriminiert werden. Diese Diskrimi-
nierung zeigt sich in der Fortdauer von Stereotypen,
dem Fehlen einer Back-up- und Unterstützungsstruk-
tur für Sportlerinnen und Mädchen, die ein besonde-
res Potenzial in ihrer Sportart zeigen, der Schwierig-
keit, Arbeit/Sport und Familienleben zu vereinbaren,
dem Problem der Reintegration in die Arbeitswelt,
einer unangemessenen Berichterstattung über den
Frauensport durch die Medien sowie in der begrenz-
ten Natur einer privaten Finanzierung.

2. Das Fehlen von Frauen in den Lenkungsorganen des
Sports stellt ein besonderes Hindernis für die Erlan-
gung von Gleichheit zwischen Frauen und Männern
im Sport dar. Ungeachtet der Anstrengungen des In-
ternationalen Olympischen Komitees ist die Teil-
nahme von Frauen an den Lenkungsorganen in den
meisten Mitgliedstaaten des Europarates weiterhin
marginal.

3. Dies stellt eindeutig eine Diskriminierung von
Frauen und Mädchen dar, die gegen die Grundsätze
des Europarates verstößt. Tatsächlich garantiert die
vom Europarat 1992 verabschiedete und 2001 über-
arbeitete Europäische Sportcharta die Förderung der
Ausübung des Sports für alle Teile der Bevölkerung
(Artikel 6) und erwähnt ausdrücklich das Verbot der
Diskriminierung (Artikel 4). In ihrem ersten Artikel
legt sie bestimmte Grundsätze fest, unter anderem
das Ziel, „es jedem Einzelnen zu ermöglichen, am
Sport teilzunehmen“ und „die Moral und die ethi-
schen Grundlagen des Sports sowie die menschliche
Würde und Sicherheit der am Sport Teilnehmenden
zu schützen und zu entwickeln“.

4. Außerdem betonten die für Sport zuständigen euro-
päischen Minister, als sie in Budapest zu ihrer
10. Konferenz am 14. und 15. Oktober 2004 zusam-
mentrafen, dass die besondere Rolle des Europarates
im Bereich der paneuropäischen Zusammenarbeit für
den Sport mit den grundlegenden Werten des Euro-
parates (Menschenrechte, parlamentarische Demo-
kratie und Rechtsstaatlichkeit) verbunden sei. Die
Bekämpfung der Diskriminierung von Frauen und
Mädchen bei sportlichen Aktivitäten ist Teil der An-
strengungen zur Erlangung der Gleichheit von
Frauen und Männern und erfordert die Einleitung ef-
fektiver Maßnahmen.

5. Das Engagement des Europarates für die Frage der
Teilnahme von Frauen am Sport begann jedoch schon
sehr viel früher, im Jahre 1980, mit dem Seminar
über „eine stärkere Teilnahme von Frauen am Sport“,
veranstaltet vom Ausschuss für die Entwicklung des
Sports (CDDS). Als Ergebnis dieses Seminars und
anderer ähnlicher Initiativen wurde das Netzwerk
„Europäische Frauen und Sport“ (EWS) gegründet.
Das Thema wurde auf den Ministerkonferenzen vom
Europarat und der Unesco von 1981 bis 2004 disku-
tiert. Auch das IOC veranstaltete drei Weltkonferen-
zen zu dem Thema.

6. Die Versammlung begrüßt die Arbeit des Europa-
rates, des CDDS, der Unesco, des IOC, des EWS und
aller übrigen Gremien auf nationaler, europäischer
und internationaler Ebene zur Bekämpfung der Dis-
kriminierung von Frauen und Mädchen und zur För-
derung ihrer Teilnahme am Sport. Sie unterstützt in
diesem Zusammenhang die Erklärung von Brighton
(1994), die Aufrufe zum Handeln von Windhoek
(1998) und Paris (2004) und das Berliner Memoran-
dum (2002).

7. Die Parlamentarische Versammlung ruft das Minis-
terkomitee daher dazu auf,

i. den CDDS anzuweisen, in Zusammenarbeit mit
anderen relevanten Gremien die Teilnahme von
Frauen und Mädchen am Sport weiterhin zu för-
dern, die Diskriminierung von Frauen und Mäd-
chen im Sport zu bekämpfen und eine einge-
hende Studie der nationalen Sportpolitiken und
ihre Auswirkung auf die Teilnahme von Frauen
und Mädchen an sportlichen Aktivitäten zu er-
stellen sowie eine „europäische Strategie für
Frauen und Sport“ auszuarbeiten, die sicherstel-
len sollte, dass

a. körperlicher Erziehung in Schulen größere
Bedeutung beigemessen wird und dass
Frauen und Mädchen ermutigt werden, von
ihrer Schulzeit an am Sport teilzunehmen,
unter Wahrung des Grundsatzes der Gemein-
schaftserziehung;

b. die zuständigen Beamten in den Sport-,
Bildungs- und Gesundheitsabteilungen an
Bewusstseinssteigerungs- und Informations-
kampagnen beteiligt sind über die Not-
wendigkeit – insbesondere für Frauen allen
Alters einschließlich behinderter Frauen –
Sport zu praktizieren;

c. das Geschlecht bei der Definition öffentli-
cher Maßnahmen zur Förderung des Sports
berücksichtigt wird (gender mainstreaming)
und bei der Zuweisung von Mitteln für
sportliche Aktivitäten in Erwägung gezogen
wird (gender budgeting);

d. Gewalt, Rassismus, sexuelle Belästigung
und sexueller Missbrauch sowie Doping im
Sport und unter den Zuschauern bekämpft
werden;

e. Maßnahmen zur Förderung des Frauensports
ergriffen werden, insbesondere, was äußerst
populäre Sportarten anbelangt;

f. die Beteiligung von Frauen am Spitzensport
unterstützt wird;

g. Frauen und Männer bei der Bezahlung, bei
Preisgeldern und Bonussen des Berufssports
gleich behandelt werden;

h. Frauen eine größere Rolle in den Lenkungs-
organen des Sports spielen;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23 – Drucksache 15/5941

i. geschlechterspezifische Statistiken gesam-
melt werden im Hinblick auf die Erteilung
von Mitteln und die Ausübung des Sports,
welche eine Messung der Wirkung von
Sportförderpolitiken auf Frauen und Män-
ner ermöglichen;

j. die Medien stärker über den Frauensport be-
richten und die Vertretung der Sportler bes-
ser im Einklang mit dem Geiste des Sports
steht;

k. eine europäische Ministerkonferenz zur Ein-
leitung dieser Strategie veranstaltet wird.

E m p f e h l u n g 1 7 0 2 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Medienfreiheit und die Arbeit von
Journalisten in Konfliktgebieten

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates ver-
weist auf ihre Entschließung 1438 (2005) betr. die Me-
dienfreiheit und die Arbeit von Journalisten in Konflikt-
gebieten und empfiehlt dem Ministerkomitee,

i. diese Entschließung an die zuständigen Minister wei-
terzuleiten,

ii. die Situation der Meinungs- und Informationsfreiheit
der Medien und die Arbeitsbedingungen von Journa-
listen in Konfliktsituationen in den Mitgliedstaaten
zu überwachen und

iii. Arbeiten zu dieser Frage auf der Ebene der Vereinten
Nationen einzuleiten, insbesondere bei der UN-Men-
schenrechtskonvention oder der UNESCO, unter
Einhaltung der Standards des europäischen Ansatzes
zu dieser Frage gemäß der Europäischen Menschen-
rechtskonvention und anderen relevanten Rechts-
texten des Europarates.

E m p f e h l u n g 1 7 0 3 ( 2 0 0 5 ) * *

betr. Schutz und Hilfe für unbegleitete
asylsuchende Kinder

1. Die Hälfte der Flüchtlinge und Vertriebenen auf der
Welt sind Kinder, die von dem Übereinkommen der
Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes
(1989) als Personen im Alter von 0 bis 18 Jahren de-
finiert werden. Sie sind aus ihrer Heimat geflohen,
um Verfolgung, Menschenrechtsverletzungen, Aus-
beutung, Missbrauch oder Naturkatastrophen zu ent-
gehen, mehr als zwei Millionen wurden im letzten

Jahrzehnt im Verlauf von Konflikten getötet, Tau-
sende verloren ihr Leben bei dem jüngsten Tsunami
in Südostasien, während die traumatisierten und ver-
wirrten Überlebenden Gefahr laufen, Opfer skrupel-
loser Menschenhändler zu werden.

2. Kinder sind verwundbar, und die am wenigsten ge-
schützte Gruppe stellen diejenigen dar, die getrennt
von ihren Eltern oder ihren rechtlichen oder gewöhn-
lichen Hauptfürsorgenden in einem fremden Land
Asyl suchen. Unbegleitete asylsuchende Kinder ma-
chen ca. 4 Prozent der Zahl der Asylbewerber in
Europa aus; in einigen Mitgliedstaaten, auch in Län-
dern, in denen Immigration ein relativ neues Phäno-
men darstellt, steigt dieser Anteil auf 10 Prozent.

3. Die Parlamentarische Versammlung betrachtet die
Lage der unbegleiteten Kinder, die in den Mitglied-
staaten des Europarates Asyl beantragen, als eine
dringliche Angelegenheit. Der nationalen Gesetzge-
bung und den nationalen Politiken und Praktiken ist
es bisher nicht gelungen, den dreifachen Schutzbe-
darf dieser Gruppe auf kohärente Art und Weise an-
zugehen: als Kinder, als Kinder ohne Eltern oder
rechtliche Fürsorgeperson und als Kinder im Asyl-
bewerbungsverfahren.

4. Obgleich alle Mitgliedstaaten des Europarates dem
Übereinkommen der Vereinten Nationen über die
Rechte des Kindes beigetreten sind, werden eine
Reihe der in ihm enthaltenen Bestimmungen häufig
von den Staaten bei der Ausarbeitung und Umset-
zung ihrer Asylmaßnahmen vernachlässigt. Dies ist
der Fall für den Grundsatz des Wohls des Kindes (Ar-
tikel 3), das nach dem Wortlaut des Übereinkommens
ein Gesichtspunkt ist, der vorrangig zu berücksichti-
gen ist; den Grundsatz der Nichtdiskriminierung auch
aufgrund der nationalen Herkunft (Artikel 2); die
Erleichterung der Familienzusammenführung (Arti-
kel 10); das Recht des Kindes, zu allen Fragen kon-
sultiert zu werden, die es betreffen (Artikel 12) und
das Recht auf besonderen Schutz für Flüchtlings-
kinder oder Kinder, die die Rechtsstellung eines
Flüchtlings begehren (Artikel 22).

5. Da sie ohne ihre Eltern oder ihre rechtlichen oder ge-
wöhnlichen Hauptfürsorgenden dastehen, sollten un-
begleitete Kinder, die Asyl beantragen, von der ra-
schen Ernennung eines Vormunds profitieren, der
ihre Interessen verteidigt und ihr Wohlergehen ge-
währleistet, und sie sollten auch in Pflege- und Auf-
nahmeeinrichtungen entsprechend ihrem Alter und
ihrer Reife eingewiesen werden. Die Gesetzgebung
der Mitgliedstaaten des Europarates sieht jedoch
häufig keine angemessenen Vormundschaftsbestim-
mungen für ausländische Kinder vor. Selbst wo ein
adäquater rechtlicher Rahmen besteht, stellen admi-
nistrative Verzögerungen eine ernsthafte Bedrohung
für die Sicherheit der Kinder dar, da sie der Gefahr
des Menschenhandels oder anderem Missbrauch stär-
ker ausgesetzt sind. Außerdem ist die Inhaftierung
von im Asylverfahren stehenden unbegleiteten Kin-
dern eine weit verbreitete Praxis in den allermeisten

* Versammlungsdebatte am 28. April 2005 (14. Sitzung) (siehe
Dok. 10521, Bericht des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und
Bildung; Berichterstatter: Herr Jarab). Von der Versammlung verab-
schiedeter Text am 28. April 2005 (14. Sitzung).

** Versammlungsdebatte am 28. April 2005 (14. Sitzung) (siehe
Dok. 10477, Bericht des Ausschusses für Wanderbewegungen,
Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen; Berichterstatter: Herr van
Thijn). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 28. April
2005 (14. Sitzung).

Drucksache 15/5941 – 24 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Mitgliedstaaten des Europarates, in offener Miss-
achtung der Verpflichtung, Pflege und Aufnahme in
für Kinder geeigneten Einrichtungen zu bieten, und
in Verletzung von Artikel 37 des UN-Übereinkom-
mens über die Rechte des Kindes, der vorsieht, dass
eine Inhaftierung nur als letztes Mittel und für die
kürzeste angemessene Zeit angewendet werden
darf.

6. Was das Asylsystem anbelangt, bedauert die Ver-
sammlung, dass unbegleitete Kinder häufig daran
gehindert werden, aufgrund der anzuwendenden Ge-
setzgebung einen wirksamen Schutz vor einer Zu-
rückweisung an der Grenze zu erhalten: Auf Verfah-
rensebene kann Kindern in den meisten
Mitgliedstaaten des Europarates der Zugang zum
Staatsgebiet aus dem Grund verweigert werden, dass
sie durch ein sicheres Land gereist sind, in dem sie
Asyl beantragen hätten können; ihr Asylantrag kann
nach einem Zulässigkeitsverfahren oder einem be-
schleunigten Asylverfahren bearbeitet werden; sie
profitieren nicht von der Ernennung eines rechtlichen
Vertreters; aus substantieller Sicht erkennen die meis-
ten Mitgliedstaaten des Europarates keine kinderspe-
zifischen Formen der Verfolgung wie die Rekrutie-
rung von Kindersoldaten in die Armee,
Kinderzwangsarbeit, Verstümmelung weiblicher Ge-
nitalien oder Zwangsehen oder erzwungene Schwan-
gerschaft als Verfolgung gemäß den Bestimmungen
der Genfer Konvention von 1951 über die Rechtsstel-
lung der Flüchtlinge an.

7. Verschiedene spezialisierte Agenturen und Gremien
haben Empfehlungen und Leitlinien verabschiedet,
um den Schutz unbegleiteter asylsuchender Kinder
zu verbessern, darunter der Ausschuss für die Rechte
des Kindes, der Hochkommissar für Flüchtlinge der
Vereinten Nationen (UNHCR) und das „Separated
Children in Europe“-Programm für unbegleitete Kin-
der in Europa. Die Versammlung ist der Ansicht, dass
der Europarat seine Mitgliedstaaten nachdrücklich
dazu auffordern sollte, die von diesen Agenturen und
Gremien empfohlenen Normen zu erfüllen.

8. Darüber hinaus sollte der Europarat diese Normen
durch die Verabschiedung eines einzigen kohärenten
Instruments zur Frage unbegleiteter asylsuchender
Kinder ergänzen. Dieses Instrument sollte erneut frü-
here Empfehlungen der Versammlung und des Minis-
terkomitees zu spezifischen Aspekten, die Flücht-
lingskinder betreffen, zum Ausdruck bringen und
versuchen, Lücken im Hinblick auf den Schutz zu
schließen.

9. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
daher,

i. einen oder mehrere Spezialausschüsse anzuwei-
sen, ausführliche Untersuchungen im Hinblick
auf den Zugang zum Staatsgebiet und zum Asyl-
verfahren für unbegleitete Kinder, die in den
Mitgliedstaaten des Europarates Asyl beantra-

gen, sowie im Hinblick auf die Verfügbarkeit ei-
nes gesetzlichen Vormundschaftssystems durch-
zuführen;

ii. einen oder mehrere Spezialausschüsse anzuwei-
sen, eine ausführliche Studie zur Überprüfung
der Praxis der Mitgliedstaaten im Hinblick auf
kinderspezifische Verfolgungsformen durchzu-
führen;

iii. in Zusammenarbeit und unter der Koordinierung
des UNHCR, der Save the Children Alliance und
dem „Separated Children in Europe“-Programm
eine Empfehlung auszuarbeiten, die die Mit-
gliedstaaten nachdrücklich dazu auffordert,

a. den Vorrang des Grundsatzes des Wohls des
Kindes bei allen Asyl- oder Einwanderungs-
beschlüssen, -verfahren, -praktiken oder ge-
setzlichen Maßnahmen im Hinblick auf
Minderjährige anzuerkennen;

b. den Grundsatz der Nichtdiskriminierung an-
zuerkennen und vollständig in die Praxis
umzusetzen und dabei zu garantieren, dass
alle Rechte für alle Kinder ohne Ausnahme
auf ihrem Staatsgebiet oder innerhalb ihrer
Rechtsprechung gelten;

c. davon abzusehen, unbegleiteten Kindern die
Einreise in ihr Staatsgebiet aus irgendwel-
chen Gründen zu verweigern;

d. ihre Gesetzgebung zu ändern und alle admi-
nistrativen Hindernisse zu beseitigen, um
sicherzustellen, dass unbegleitete Kinder ei-
nen gesetzlichen Vormund und einen
gesetzlichen Vertreter erhalten können, der
als eine Frage der Dringlichkeit ernannt
wird, und zwar spätestens innerhalb von
zwei Wochen ab Bekannt werden ihrer An-
wesenheit bei den Behörden;

e. zu gewährleisten, dass unbegleitete Kinder
im Rahmen des Asylverfahrens angehört
werden, und zwar entweder direkt oder über
ihren gesetzlichen Vormund, und dass sie auf
eine Art und Weise befragt werden, die ih-
rem Alter, ihrer Reife und ihrer psychologi-
schen Lage entspricht;

f. ihre Gesetzgebung dahingehend zu ändern,
dass sie unbegleitete Kinder aus beschleu-
nigten oder Zulässigkeitsasylverfahren aus-
schließt;

g. kinderspezifische Formen der Verfolgung als
Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention
von 1951 über die Rechtsstellung der Flücht-
linge anzuerkennen;

h. Kindern, die kinderspezifische Formen der
Verfolgung erlitten haben und nicht als
Flüchtlinge anerkannt sind, Sonderaufent-
haltserlaubnis oder Aufenthaltserlaubnis aus
humanitären Gründen zu erteilen;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 25 – Drucksache 15/5941

i. die Familienzusammenführung für unbeglei-
tete Kinder zu erleichtern, wie in Empfeh-
lung 1596 (2003) der Versammlung betr. die
Lage junger Migranten in Europa angeführt;

j. die Inhaftierung unbegleiteter Kinder nur als
letztes Mittel und für die kürzestmögliche
Zeit zu gestatten, wie in Empfehlung (2003) 5
des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten
im Hinblick auf Haftmaßnahmen für Asyl-
bewerber angeführt;

k. sicherzustellen, dass die Rückkehr von unbe-
gleiteten Kinder in ihr Herkunftsland nur
dann umgesetzt wird, wenn dies zum Wohle
des Kindes ist, im Einklang mit den Sicher-
heitsbestimmungen, die in Empfehlung 1547
(2002) betr. menschenrechtskonforme und
unter Wahrung der Sicherheit und der Men-
schenwürde durchgeführte Abschiebungs-
verfahren und Empfehlung 1596 (2003) betr.
die Lage junger Migranten in Europa enthal-
ten sind;

iv. die Organisation und Erteilung einer speziellen
Fortbildung für Rechtsanwälte sowie für Beamte
und andere Fachleute, die sich im Laufe eines
Asylverfahrens und im Kontext der Politik und
des Rechts zur Bekämpfung des Menschenhan-
dels mit unbegleiteten Kindern befassen;

v. die Mitgliedstaaten nachdrücklich dazu aufzu-
rufen, die vom UNHCR, der Save the Children
Alliance und dem „Separated Children in
Europe“-Programm verabschiedeten Leitlinien
zu befolgen, insbesondere der revidierten Erklä-
rung zur Einhaltung bestmöglicher Standards für
den Umgang mit asylsuchenden unbegleiteten
Kindern;

vi. die Mitgliedstaaten aufzurufen, ihre Zusammen-
arbeit mit dem UNHCR und dem „Separated
Children in Europe“-Programm fortzusetzen, um

a. ein einheitliches Schema für die Registrie-
rung von Informationen über unbegleitete
Kinder im Hinblick auf Alter, Geschlecht
und Herkunftsland einzuführen, um die
Identifizierung, Familiensuche und Ver-
gleichbarkeit der Informationen zu erleich-
tern;

b. gemeinsame Standards zur Bestimmung des
Alters unbegleiteter Kinder einzuführen;

c. die Sammlung statistischer Daten über unbe-
gleitete asylsuchende Kinder im Hinblick
auf Geschlecht, Alter, Herkunftsland und
den Asylbescheid zu vereinheitlichen und
diese Informationen dem UNHCR und ande-
ren relevanten Organisationen mitzuteilen.

E m p f e h l u n g 1 7 0 4 ( 2 0 0 5 ) *

betr. Referenden: Einführung guter Verfahren
in Europa

1. Referenden haben eine langjährige politische Tradi-
tion in einer Reihe von Mitgliedstaaten des Europa-
rates; in anderen ist die Teilnahme der Bürger am
Entscheidungsprozess über Referenden eine jüngere
Errungenschaft, die mit ihrem Übergang zu pluralisti-
schen und repräsentativen Demokratien zusammen-
fällt.

2. Die Parlamentarische Versammlung betrachtet Refe-
renden als eines der Instrumente, die es den Bürgern
ermöglichen, am politischen Entscheidungsprozess
teilzuhaben; sie erkennt auch den wesentlichen Bei-
trag der organisierten Zivilgesellschaft im Rahmen
der partizipatorischen Demokratie an.

3. Trotz Unterschieden bei der historischen Entwick-
lung, Umfang, Häufigkeit und Wirkung hat die In-
anspruchnahme von Referenden in den Mitgliedstaa-
ten des Europarates insgesamt einen Aufwärtstrend
verzeichnet. Dies ist zum Teil auf die hohe Anzahl
von Referenden zurückzuführen, die seit Ende der
achtziger Jahre in den osteuropäischen Ländern zur
Einführung von Verfassungsänderungen durchge-
führt wurden. Die Haupterklärung für diesen Anstieg
ist jedoch die Veranstaltung von Referenden im Rah-
men des Integrationsprozesses der Europäischen
Union: Zwischen 1972 und 2003 gaben die Bürger
von 23 Ländern in 41 nationalen Referenden ihre
Stimme über grundlegende Phasen der EU-Integra-
tion ab.

4. Dieser Aufwärtstrend wird sich in den nächsten zwei
Jahren fortsetzen. Tatsächlich dürften die nationalen
Referenden, die im Zusammenhang mit der Ratifizie-
rung des EU-Verfassungsvertrags organisiert werden,
die größte europäische Volksabstimmung aller Zeiten
sein: 250 Millionen Menschen in wenigstens 10 Län-
dern werden dazu aufgerufen, ihre Zustimmung oder
ihre Ablehnung des bisher ehrgeizigsten Projekts der
Europäischen Integration kundzutun. Das politische
Gewicht dieser Volksabstimmung wird ebenfalls bei-
spiellos sein, da die negative Haltung der Wähler
eines Landes in der Lage sein wird, die Ratifizierung
des Vertrags in allen anderen zu beeinflussen. Ebenso
wird in einigen Fällen auch die Haltung der EU-
Mitgliedstaaten zur Mitgliedschaft eines Beitrittskan-
didaten durch nationale Volksabstimmung entschie-
den.

5. Überzeugt von der Komplementarität der direkten
und der repräsentativen Demokratie empfiehlt die
Versammlung den Einsatz von Referenden als Mittel

* Versammlungsdebatte am 29. April 2005 (16. Sitzung) (siehe
Dok. 10498, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
Herr Elo). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 29. April
2005 (16. Sitzung).

Drucksache 15/5941 – 26 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

zur Stärkung der demokratischen Legitimität politi-
scher Entscheidungen, zur Stärkung der Verantwort-
lichkeit repräsentativer Institutionen, Erhöhung der
Offenheit und Transparenz von Entscheidungen und
Anregung der direkten Beteiligung der Wählerschaft
am politischen Prozess. Die Komplementarität von
direkter und repräsentativer Demokratie impliziert,
dass Referenden nicht als eine Alternative zur parla-
mentarischen Demokratie betrachtet und nicht zur
Aushöhlung der Legitimität und des Primats der Par-
lamente als gesetzgebende Organe missbraucht wer-
den sollten.

6. In diesem Zusammenhang verweist die Versammlung
auf die Aktivitäten des integrierten Projekts „Demo-
kratische Institutionen in Aktion“ sowie insbesondere
auf die Konferenz „Die Zukunft der Demokratie in
Europa“ (Barcelona, 17. bis 19. November 2004), die
die Beteiligung der Bürger als einen prioritären Be-
reich des Europarates definierte und ihre Unterstüt-
zung für die Weiterentwicklung von Innovationen auf
dem Gebiet der direkten Demokratie, insbesondere
Referenden, zum Ausdruck brachte. Darüber hinaus
empfiehlt das vom Generalsekretär des Europarates
im Rahmen desselben Projekts in Auftrag gegebene
Grünbuch die Erstellung eines Handbuchs über Refe-
renden und Initiativen durch den Europarat.

7. Die Versammlung unterstützt diesen dreifachen An-
satz nachdrücklich. Zum einen ist die Versammlung
in Wiederholung ihrer in Entschließung 1353 (2003)
betr. „die Zukunft der Demokratie: Stärkung der de-
mokratischen Institutionen“ zum Ausdruck gebrach-
ten Haltung der Ansicht, dass der Rückgriff auf Refe-
renden als ein Mittel zur Stärkung des
demokratischen Prozesses in den Mitgliedstaaten des
Europarates und zur Überbrückung der Distanz zwi-
schen Wählern und Entscheidungsträgern gefördert
werden sollte.

8. Zum anderen stimmt die Versammlung in Anbetracht
dessen, dass selbst in demokratischen Staaten bei ei-
nigen Gelegenheiten Referenden zur Legitimierung
undemokratischer Politiken eingesetzt wurden, zu,
dass der Europarat gute Verfahren für Referenden
fördern sollte, um jegliche Möglichkeit eines Miss-
brauchs zu verringern, einschließlich der Gefahr, dass
dieses Instrument zur Umgehung des Prinzips der
Rechtsstaatlichkeit oder zur Aushöhlung der Legiti-
mität repräsentativer Institutionen angewandt wird.

9. Die Förderung guter Verfahren für Referenden sollte
die Ausarbeitung von Leitlinien für die Mitglied-
staaten des Europarates sowie die Verbreitung von
Beispielen für gute Verfahren, die Bereitstellung
technischer Hilfe und die Durchführung von Koope-
rationsaktivitäten einschließen. Die Versammlung er-
innert in diesem Zusammenhang daran, dass der
Europarat bereits Leitlinien für lokale Referenden er-
stellt hat, die Empfehlung Nr. (96) 2 des Minister-
komitees an die Mitgliedstaaten betr. Referenden und
Volksbefragungen auf kommunaler Ebene beigefügt

waren, sowie für Verfassungsreferenden mit den von
der Europäischen Kommission für Demokratie durch
Recht (Venedig-Kommission) auf ihrer 57. Plenarta-
gung (6. bis 7. Juli 2001) verabschiedeten Leitlinien.
Die Venedig-Kommission arbeitet derzeit an der
eventuellen Erstellung allgemeiner Leitlinien für Re-
ferenden.

10. Die Versammlung verweist ebenfalls auf frühere Do-
kumente des Europarates, die zur Ausarbeitung von
Leitlinien und zur Förderung guter Verfahren in Er-
wägung gezogen werden sollten, insbesondere Emp-
fehlung 1516 (2001) der Versammlung betr. die Finan-
zierung politischer Parteien, Empfehlung (2003) 4 des
Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten betr. ge-
meinsame Bestimmungen gegen Korruption bei der
Finanzierung politischer Parteien sowie die von der
Venedig-Kommission verabschiedeten Leitlinien zur
Finanzierung politischer Parteien (2001) und zur Ge-
setzgebung für politische Parteien: einige Sonderfra-
gen (2004).

11. Schließlich teilt die Versammlung die Überzeugung,
dass der Europarat durch die Förderung guter Verfah-
ren für Referenden seinen Mitgliedstaaten helfen
sollte, eine bessere Antwort auf die Herausforderun-
gen der partizipativen Demokratie in modernen Ge-
sellschaften zu entwickeln. In diesem Zusammen-
hang treten sofort zwei Innovationen aufgrund ihrer
Dringlichkeit hervor: einerseits die Ausweitung des
Wahlrechts bei kommunalen Referenden auf Einwan-
derer, die in den Mitgliedstaaten des Europarates
legal ansässig sind, analog zu den Anstrengungen des
Europarates, seine Mitgliedstaaten dahin zu bringen,
legalen Einwanderern das Wahlrecht bei Kommunal-
wahlen zu erteilen gemäß dem Übereinkommen von
1992 über die Beteiligung von Ausländern am kom-
munalen öffentlichen Leben; andererseits die Einfüh-
rung der Möglichkeit, Referenden auf allen Ebenen
abzuhalten, auf denen politische Entscheidungen ge-
troffen werden, sei es auf kommunaler, regionaler
oder nationaler Ebene.

12. In Bestätigung ihrer früheren Haltungen betont die
Versammlung, dass eine direkte Volksbeteiligung am
Entscheidungsprozess es erfordert, dass die Wähler
über die zu entscheidenden Fragen sowie über den
demokratischen Entscheidungsprozess im allgemei-
nen angemessen informiert sind. In Anbetracht dieser
Überlegungen sollte der Europarat seine Aktivitäten
zur Schärfung des Medienbewusstseins und zur Er-
ziehung zur demokratischen Staatsbürgerschaft ver-
stärken, auch im Zusammenhang mit der Ausarbei-
tung guter Verfahren für Referenden.

13. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
daher,

i. unter Berücksichtigung der früheren Arbeit des
Europarates auf diesem Gebiet sowie der fortlau-
fenden Arbeit der Venedig-Kommission eine
Empfehlung an die Mitgliedstaaten mit Leit-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27 – Drucksache 15/5941

linien für Referenden auszuarbeiten, die sich auf
folgende Punkte beziehen sollten:

a. die Notwendigkeit eines klaren nationalen
rechtlichen Rahmens für die Durchführung
von Referenden;

b. wer ein Referendum einleiten kann, mit dem
klaren Hinweis, dass Volksinitiativen immer
möglich sein sollten;

c. die Referendumskampagne, einschließlich
Bestimmungen für die Registrierung der
Kampagneführenden, die Finanzierung der
Referendumskampagne und Vorkehrungen
zur Wahrung des Pluralismus;

ii. Beispiele für gute Verfahren für Referenden zu
sammeln und zu verbreiten, unter besonderer Be-
tonung der Anerkennung des Wahlrechts für Ein-
wanderer, die legal und gewohnheitsmäßig für
die Dauer einer bestimmten Zeit in den Mitglied-
staaten des Europarates ansässig waren, sowie
der Pluralität der Ebenen, auf denen Referenden
veranstaltet werden können;

iii. unter seinen Tätigkeiten der Schärfung des Me-
dienbewusstseins und der Erziehung zur demo-
kratischen Staatsbürgerschaft Priorität zu verlei-
hen und diese Fragen in seine Beispiele für gute
Verfahren für Referenden aufzunehmen;

iv. ggf. Hilfs- und Kooperationsprogramme einzu-
richten, um einem oder mehreren Mitgliedstaaten
bei der Umsetzung der guten Verfahren für Refe-
renden zu helfen,

v. weiterhin die Inanspruchnahme der elektroni-
schen Abstimmung zu fördern gemäß seiner
Empfehlung (2004) 11 betr. rechtliche, betriebli-
che und technische Standards für elektronische
Abstimmungen sowie Empfehlung (2004) 15
betr. „E-Governance“;

vi. die Mitgliedstaaten des Europarates aufzufor-
dern,

a. das Übereinkommen des Europarates von
1992 über die Beteiligung von Ausländern
am kommunalen öffentlichen Leben zu un-
terzeichnen und zu ratifizieren;

b. die Möglichkeit der Durchführung von Refe-
renden auf kommunaler, regionaler und na-
tionaler Ebene einzuführen und die Wähler
über diese Möglichkeit durch geeignete
Maßnahmen zu informieren;

c. Ausländern, die über einen Zeitraum von
fünf Jahren legal in ihrem Land ansässig wa-
ren, das Wahlrecht bei kommunalen Refe-
renden zu gewähren, analog zu den in dem
Übereinkommen von 1992 über die Beteili-
gung von Ausländern am kommunalen öf-
fentlichen Leben enthaltenen Bestimmungen
für die Beteiligung an Kommunalwahlen;

d. sicherzustellen, dass die Wähler in die Lage
versetzt werden, eine informierte und ausge-
wogene Entscheidung zu treffen und dass ih-
nen die politische Bedeutung ihrer Stimme
bei allen ihnen vorgelegten Referenden be-
wusst gemacht wird, einschließlich der kom-
menden Referenden über den EU-Verfas-
sungsvertrag und über die Frage der EU-
Erweiterung;

vii. die Europäische Union zu ersuchen, die Instru-
mente der direkten Demokratie beim EU-Ent-
scheidungsprozess stärker zu nutzen und in die-
sem Zusammenhang eine Machbarkeitsstudie
über die Einführung eines EU-weiten Referen-
dums durchzuführen.

2. Redebeiträge deutscher Parlamentarier

Die Rechte von in Heimen untergebrachten Kindern:
Weiterverfolgung von Empfehlung 1601 (2003) der
Parlamentarischen Versammlung

Abg. Marlene Rupprecht (SPD): Liebe Kolleginnen und
Kollegen,

ich danke dem Berichterstatter, dass er dieses Thema wie-
der sehr stark in die Diskussion eingebracht hat: Das Pro-
blem der abgeschobenen und allein gelassenen Kinder;
und ich glaube auch, dass die Situation in den Heimen,
vor allem in den ehemals kommunistischen Ländern, ra-
sches Handeln erforderten.

Ich möchte jedoch noch einmal unseren Entwurf für eine
Empfehlung anschauen, wobei mir die These „Kinder
sind in Familien besser untergebracht als in Heimen“ als
zu einfach erscheint. Für mich zählt, dass man genau das,
was Herr Hancock sagt, in den Mittelpunkt stellt, nämlich
die Interessen und das Wohl der Kinder. Und hier kann
bei einem schwer traumatisierten Kind die Unterbringung
in einem Heim sehr wohl die richtige Alternative sein. Es
erfordert qualifiziertes Fachpersonal, um mit dieser Pro-
blematik umgehen und das Kind auffangen zu können.

Natürlich ist eine heile, eine intakte Familie die ideale
Lösung, doch auch dies nimmt in den hoch industriali-
sierten Ländern immer mehr ab. Auch hier haben wir das
Problem der vernachlässigten Kinder, und wir sind froh
über Institutionen oder Familien, die diese Kinder auf-
nehmen – das können Pflegefamilien sein oder auch
Adoptivfamilien.

Aber allen Einrichtungen und jedem Ersatz für eine Fami-
lie muss eins gemeinsam sein – eine pädagogische Quali-
tät, die sich am Wohl des Kindes orientiert. Hier muss
nun – daher der Änderungsantrag – insistiert werden, dass
das Personal in den bereits bestehenden Häusern – sofern
noch nicht geschehen – qualifiziert wird und dass die
Häuser einen menschenwürdigen Standard bekommen.
Ich halte das für notwendig, damit immer solche Ent-
scheidungen getroffen werden, die sich am Wohl des Kin-
des orientieren.

Drucksache 15/5941 – 28 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Mein zweiter Antrag bezieht sich auf eine Empfehlung,
und zwar auf den Punkt 8.4.

Hier geht es um die Institution, die das Ganze überwa-
chen soll, und ich freue mich, dass Sie, Herr Hancock, die
beiden Änderungsanträge wohlwollend aufnehmen wol-
len. Ich glaube, auch hier sollten die unterschiedlichen
Situationen in den verschiedenen Ländern des Europa-
rates berücksichtigt werden; zum Beispiel werden in
Deutschland aufgrund des föderalen Systems verschie-
dene Angelegenheiten den Bundesländern übertragen, so
dass eine nationale Institution hier in Rechte eingreifen
würde, die wir nicht antasten dürfen.

Dennoch brauchen wir Institutionen, und das Personal,
das darin arbeitet, sowie die Menschen, die darin leben,
sollten an der Entwicklung der Leitlinien beteiligt wer-
den.

Das war auch der Wunsch der Kinder beim Weltkinder-
gipfel in New York im Jahr 2002: Bei allen Angelegen-
heiten, die sie betreffen, mitreden zu dürfen. Und ich
glaube, wir Erwachsenen müssen erst noch lernen, diese
Beteiligung ernst zu nehmen und bei so wichtigen Ent-
scheidungen auch zu realisieren. Deshalb wäre auch hier
mein Wunsch, gemeinsame Leitlinien zu entwickeln.

Ich denke, wenn wir in Europa gemeinsam schaffen, dass
die nachwachsende Generation unter demokratischen und
liebevollen Bedingungen aufwächst, dann haben wir ein
stabiles Europa, das weltweit Vorbild sein kann, und so
wünsche ich mir die Multiplikation weltweit: Dass wir im
Bereich, der die Kinder betrifft, Vorbild sind. Ich wün-
sche mir diesen Tenor für die weitere Diskussion und
würde mich freuen, wenn das Thema „Kinder“ weiterhin
im Mittelpunkt der Diskussionen bliebe.

Danke.

Der Antrag befasst sich mit dem was Herr Hancock vor-
getragen hat. Ich möchte allerdings noch einmal betonen,
dass die Qualität und die Ausbildung der Menschen, die
mit Kindern zutun haben verbessert werden muss, und ich
habe hinzugefügt, dass die Variation der Hilfen noch stär-
ker angesprochen werden sollte.

Vorhin kam die Anfrage, wie wir mit jungen Heranwach-
senden umgehen sollten? In diesem Fall sind zum Bei-
spiel Wohngruppen die Alternative oder Kinderdörfer, in
denen sie aufwachsen und bleiben können, auch wenn sie
bereits erwachsen sind. Dies muss meiner Meinung nach
unser aller Ansinnen sein. Sowohl in den Institutionen als
auch in den Familien die Kinder aufnehmen muss die pä-
dagogische Qualität und die Eignung Vorrang haben, und
ich glaube, dass unterstützt den Antrag von Herrn
Hancock.

Auch hier unterstütze ich Herrn Hancock. Ich möchte al-
lerdings das Thema differenzieren und noch etwas aus-
weiten. Es geht um die Beratung, bzw. um die Stelle oder
die Institution. Im föderalen System gibt es sicherlich
Institutionen, die sich um die Rechte der Kinder küm-
mern die in Heimen und in Pflegefamilien untergebracht
sind.

Und da ich es wichtig finde, dass auch genau diese Men-
schen die sich für diese Kinder einsetzen, beraten werden
füge ich noch „Beratung“ hinzu, damit Kinder genau dort
die richtige Hilfe bekommen. Denn viele Fehler passieren
nicht weil man ursächlich misshandeln oder falsch han-
deln will, sondern weil man es nicht besser weiß. Und
deshalb ist es sehr wichtig, dass beides, Aufsicht und Be-
ratung, zusammen kommen.

Die Rechtmäßigkeit der Inhaftierungen durch die
Vereinigten Staaten in der Bucht von Guantánamo
Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen,

im Namen der LDR-Gruppe darf ich zunächst Sie, Herrn
McNamara, ganz herzlich zu diesem hervorragenden,
fundierten Bericht und den klaren Aussagen beglückwün-
schen, die darin enthalten sind. Genau das zeichnet ja die
Arbeit des Europarates aus – dass er in einer so schwieri-
gen Situation beim Vorgehen gegen Terroristen auch dort
Position bezieht, wo es um die Rechte jedes einzelnen
geht, auch derjenigen, die verdächtigt werden, terroristi-
sche Taten begangen zu haben.

Sie haben nicht nur sehr nachhaltig und sehr nachdrück-
lich die Bedingungen in Guantánamo Bay dargestellt,
sondern auch sehr überzeugend die juristische Situation
geschildert; und ich darf für die LDR-Gruppe ganz deut-
lich sagen: Wir unterstützen Ihren Bericht in diesen kla-
ren Forderungen in der Resolution und den Empfehlun-
gen.

Wir sehen ein großes Problem darin, dass pauschal – ohne
konkrete Anhaltspunkte und Tatsachen – mehr als
660 Menschen aus vierzig verschiedenen Ländern seit
Jahren in Guantánamo Bay inhaftiert sind, und dass ihnen
gerade im Namen des Kampfes gegen den Terror grund-
legende Rechte vorenthalten werden. Deshalb muss der
Europarat mit diesem heutigen Bericht und mit der heuti-
gen Vorlage deutlich machen, dass auch in schwierigen
Situationen beim Vorgehen gegen Terrorismus und gegen
neue Herausforderungen durch terroristische Gefährdun-
gen lang erkämpfte Menschenrechte und Rechtsstandards
auch in dieser Situation nicht preisgegeben werden dür-
fen.

Der Berichtsentwurf stellt eindeutig und unmissverständ-
lich klar, dass die Umstände der Inhaftierung rechtswidrig
sind; und ich glaube, mit diesem Bericht sollten wir auch
über den Rahmen der Versammlung hinaus aufrütteln und
mehr Öffentlichkeit für eine fundierte Auseinanderset-
zung gewinnen – die Auseinandersetzung mit dem not-
wendigen Vorgehen gegen Terrorismus in vielen Ländern.
In Ihrem Land, im Vereinigten Königreich, in Deutsch-
land, in vielen Mitgliedstaaten des Europarates findet er
statt – mit neuen Gesetzen und neuen Überlegungen.

Doch wir sollten das Signal des Europarates heute aus-
senden, dass aus unserer Sicht ein Vorgehen gegen Terro-
rismus nur dann unterstützenswert ist, wenn damit auch
die Grundlagen unseres Verständnisses der Menschen-
würde jedes einzelnen – auch eines möglichen Terroristen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/5941

und Kriminellen – in dieser schwierigen Situation geach-
tet und gewahrt werden.

Dies ist eine der Hauptaufgaben des Europarates, denn
staatliches Handeln – mit Militär, Polizei und mit Justiz-
organen – muss sich gerade an diesen rechtsstaatlichen
Standards orientieren. Für uns als liberale Gruppe ist ent-
scheidend, dass Staaten sich nicht beliebig, je nach Ge-
fährdungslage, über die von ihnen eingegangenen Ver-
pflichtungen und anerkannten Grundsätze hinwegsetzen.
Deshalb rütteln wir mit diesem Bericht auf, und ich
glaube, dass wir mit einer breiten Unterstützung dieses
Hauses im Jahre 2005 eine neue Auseinandersetzung zum
Thema Guantánamo Bay und darüber, was auch die Mit-
gliedstaaten tun können, unterstützen und initiieren. Dies
ist nicht nur ein wichtiger Wert, sondern auch eine wich-
tige Botschaft für den Europarat-Gipfel im Mai: Der
Europarat lässt sich in seinem Kampf und in seinem Ein-
satz für die Menschenrechte und für diejenigen, die in ei-
ner schwierigen Situation einen Anwalt brauchen, nicht
beirren. Dieser Anwalt muss ihre Rechte formulieren,
doch er muss auch ganz klar sagen: Bei Einhaltung von
Rechten müssen natürlich all diejenigen, die sich durch
die Verletzung der Rechte anderer schuldig gemacht ha-
ben, die diese Rechte mit Füßen getreten haben und ohne
Rücksicht auf das Leben anderer viele Menschen töten
und gefährden, vor den Gerichten zur Verantwortung ge-
zogen werden. Wir sind nicht wehrlos in dieser Auseinan-
dersetzung, doch es gilt, Werte zu bewahren.

Vielen Dank.

Abg. Dr. Christine Lucyga (SPD): Liebe Kolleginnen
und Kollegen,

wir alle haben dem Berichterstatter, Herrn McNamara,
für einen fundierten und sehr informativen, ausgezeichne-
ten Bericht zu danken, der auch Auswirkungen auf die
politische Öffentlichkeit haben muss. Ich muss gestehen:
Ich habe es in diesem Hause nicht oft erlebt, dass ein Be-
richt auf eine so breite und ungeteilte Zustimmung stößt,
und das hängt wohl damit zusammen, dass wir die Leit-
idee des Europarates, den Einsatz für Menschenrechte
und Rechtsstaatlichkeit, hier so unverfälscht wieder fin-
den.

Andererseits benennt der Bericht aber durchaus auch Ur-
sachen; er weist auf die Gefahren hin, die der Rechtsstaat-
lichkeit und dem Rechtsverständnis drohen, wenn gegen
die Regeln des Rechts verstoßen wird. Der Bericht be-
nennt die Ursachen, denn es ist wirklich so:

Der 11. September ist nicht vergessen und wird auch nie
vergessen werden. Seine Wirkung war gewissermaßen
ähnlich wie die der Büchse der Pandora: Er hat gezeigt,
dass die terroristische Bedrohung da ist, sie ist real und
omnipräsent, was auch die furchtbaren Ereignisse in
Madrid vom Vorjahr bestätigt haben.

Es gibt keine Alternative zur Bekämpfung des Terroris-
mus, auch in diesem Punkt sind wir uns einig. Die Frage
ist also nicht, ob, sondern wie. Hier nun tut sich ein im-
mer größer werdender Riss zu den Vereinigten Staaten
von Amerika auf, was zu beklagen ist, denn die USA ha-

ben ja auch im mittlerweile vergangenen Jahrhundert als
Geburtshelfer für Demokratien in Europa gedient. Gerade
wir Deutschen wissen, wovon wir reden; deshalb kann
uns nicht gleichgültig sein und muss uns schmerzen, dass
in dem ‚Mutterland der Demokratie’, wie es immer ge-
nannt wird, derartige Dinge geschehen.

Und damit sind wir beim eigentlichen Thema: Wir erle-
ben ziemlich fassungslos, dass hier offenbar nicht mehr
die Stärke des Rechts gilt, sondern das Recht des Stärke-
ren zur Anwendung kommt, und hier dürfen wir Europäer
nicht still halten. Ein großer europäischer Staatsmann
sagte einmal: „Wer ein Unrecht geschehen lässt, bahnt
dem nächsten den Weg“. Dies sind nun genau die Gefah-
ren, die auch für uns von den menschenverachtenden Vor-
gängen in Guantánamo, aber auch in Abu Ghraib und an
anderen Orten der Welt ausgehen.

Deshalb ist der hier vorgestellte Bericht für uns Europäer
so enorm wichtig, denn wir müssen eine klare Position
beziehen. Die Informationen, die Fotos, auch die Doku-
mentationen über Gewaltanwendung zur Erzwingung von
Geständnissen, zur Einschüchterung, oder einfach nur aus
Lust am Quälen – wie es leider bei so jungen Soldaten
eben auch vorkommt – haben in der Weltöffentlichkeit
überall Empörung hervorgerufen; nur die politischen
Konsequenzen in Amerika selbst sind äußerst gering.

Wir wollen deshalb alles tun, damit es gerade nicht dazu
kommt, dass diese Prinzipien einseitig außer Kraft gesetzt
werden. Es geht nicht an, dass die Genfer Konvention zur
Behandlung von Kriegsgefangenen einseitig außer Kraft
und als nicht bindend, als ungültig erklärt wird. Dagegen
müssen wir uns wehren.

Ich möchte hinzufügen, dass ich es als ermutigendes Zei-
chen empfinde, dass auch in den Vereinigten Staaten
selbst die Rechtsstaatlichkeit nicht bedenkenlos dem
Kampf gegen den Terrorismus geopfert wird; wie die Ent-
scheidung des Obersten Gerichts der USA vom Vorjahr
beweist. Das Gericht hat klar und deutlich herausgestellt,
dass die Gefangenen von Guantánamo gerade nicht in
einem rechtsfreien Raum leben, sondern dass sie Rechte
haben, dass die Gründe ihrer Inhaftierung in Frage stellen
können, dass sie diese Gründe überhaupt erfahren dürfen,
dass sie Anspruch auf Beistand haben.

Es geht aber darum, diese Erkenntnisse und Aussagen
nun auch in die Praxis umzusetzen; und ich bin froh darü-
ber, dass auch hier im Europarat heute noch einmal in die-
ser Eindeutigkeit und Einmütigkeit eine Distanzierung
von rechtswidrigen Praktiken vorgenommen wird. Der
Bericht von Kevin McNamara ist ein ganz bedeutender
Beitrag dazu; und ich möchte ihm noch einmal danken.

Energiesysteme und Umwelt

Abg. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Klimawandel ist sicherlich eins der größten Probleme –
wenn nicht das größte Problem überhaupt, das wir alle
zusammen lösen müssen, wenn wir das Überleben auf

Drucksache 15/5941 – 30 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

diesem Planeten sichern wollen; und ich bedanke mich
sehr herzlich, dass die beiden Berichterstatter.

Ich glaube, dass wir dieses Problem mit allen Kräften, die
uns zur Verfügung stehen, lösen müssen, und die Bericht-
erstatter haben sich an diese Herkulesaufgabe mit großem
Engagement herangemacht – und ich weiß jetzt nicht ge-
nau, ob das mit der Übersetzung klappt oder nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine sehr ge-
ehrten Berichterstatter, Sie haben sich an eine der wich-
tigsten Aufgaben begeben, die die Zukunft der Mensch-
heit beeinflussen wird. Es ist das größte Problem, vor
dem wir stehen, den Klimawandel politisch mit den Maß-
nahmen, die wir zu treffen haben, hier in Straßburg in un-
seren Ländern in den Griff zu bekommen; und es wird
das Problem sein, was wir lösen müssen, wenn wir das
Überleben der Menschen auf diesem Planeten sichern
wollen. Deshalb ist es eine Herkules-Aufgabe, an die Sie
sich herangetraut haben.

Drei Komponenten sind aus meiner Sicht wichtig, um das
Problem zu lösen:

Erstens die Energieeffizienz, zweitens eine stärkere Be-
rücksichtigung der nachlassenden Rohstoffe, und drittens,
dass wir die fossilen Energieträger, die wir weiterhin
brauchen, sauberer machen müssen.

Wie viele meiner Kollegen bereits ausgeführt haben, ist
die Energieeffizienz wahrscheinlich – sozusagen – der
Energieträger mit dem größten Potential. Wir werden in
der Produktion, in der Chemie- und der Metallverarbei-
tenden Industrie, aber auch im privaten Bereich, im Hin-
blick auf den privaten Konsum, die Herstellung von Ge-
räten, die weniger Energie verbrauchen und die gleiche
Leistungsfähigkeit haben, wir werden in den Haushalten,
was die Wärmenutzung angeht, enorme Einsparungen ha-
ben, und wir müssen diese nutzen, wenn wir die Effi-
zienzrevolution tatsächlich mit einem sinnvollen Ergeb-
nis beenden wollen.

Wir brauchen dazu sicherlich staatliche Förderpro-
gramme, doch wir brauchen auch marktwirtschaftliche
Instrumente, um dies zu realisieren, zum Beispiel den
Emissionshandel oder auch die Ökosteuer zu einer ver-
nünftigen Kostenanlastung des Energieverbrauches.

Wir brauchen darüber hinaus auch sicherlich im Ver-
kehrsbereich die konsequente Abkehr von den fossilen
Energieträgern, den fossilen Kraftstoffen, hin zu bioge-
nen Kraftstoffen, zur Nutzung der Wasserstoff-Technolo-
gie, Hybridmotoren, Brennstoffzellentechnik, auch zur
Elektrotechnik. All das sind die Stichworte, die heute be-
reits in der Forschung existieren und die uns morgen hel-
fen werden, die Probleme zu lösen.

Was die erneuerbaren Energien angeht, so werden wir
hier nicht auf eine einzige Technologie setzen können.
Wind, Wasserkraft, Solartechnologie, Biomasse, auch
Geothermik, Wasserstofftechnologie, Kraft-Wärme-
Kopplung – all dies sind Energieträger und Verfahren, die
ihre spezifischen Vor- und Nachteile haben und die regio-

nal sicherlich auch völlig unterschiedliche Bedeutung ha-
ben werden.

Die Zukunft wird jedoch nicht in einem Energieträger lie-
gen, sondern darin, dass uns ein vernünftiger Mix aller
Energieträger gelingt. Gerade im Bereich der regenerati-
ven Energie hat dieser Energiemix den unschätzbaren
Vorteil, dass auf diese Weise enorm viele Arbeitsplätze
geschaffen werden. In den kleinen und mittleren Berei-
chen unserer Unternehmen werden dort Arbeitsplätze
geschaffen – ein enormer Vorteil gegenüber den sehr ka-
pitalintensiven Fusions- und Atomtechnologien, die ver-
hältnismäßig wenige Arbeitsplätze schaffen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch den Forschungsbe-
reich ansprechen, weil ich glaube, dass derjenige, der die
Energieprobleme von morgen lösen will, heute in For-
schung investieren muss. Die Klimaveränderung und die
Verknappung fossiler Ressourcen machen deutlich, dass
die Forschung und Entwicklung neuer Technologien hier
eine Schlüsselrolle spielen; und ich habe hier einen klei-
nen Widerspruch zur Darstellung im Bericht:

Ich glaube, dass Atomtechnologie aufgrund der völlig un-
geklärten Sicherheitslage, aufgrund der enormen Entsor-
gungskosten über Tausende von Jahren keine Zukunft ha-
ben sollte.

Ich bin davon überzeugt, dass die Welt sicherer wird,
wenn wir weniger Atomreaktoren haben statt mehr; und
ich glaube auch, dass die vielen Milliarden, die auch im
neuen europäischen Forschungs-Rahmenprogramm in die
Fusionsforschung investiert werden, verschwendetes
Geld ist.

In den letzten fünfzig Jahren wurden von der OECD fast
achtzig Prozent der Forschungsmittel in Kernspaltung
oder Kernfusion investiert; mehr als sieben Milliarden
soll der Bau von ITER kosten. Hier wird Geld in eine
Technologie-Entwicklung investiert, von der wir erst in
dreißig Jahren wissen, ob wir vielleicht in fünfzig Jahren
dort Strom produzieren können.

Ich glaube, wir sind besser beraten, diese Gelder in die
Erforschung erneuerbarer Energien zu investieren, in
Brennstoffzellentechnik, in die Erforschung von Effi-
zienztechnologien, die uns helfen, Energie zu sparen.

Lieben Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Etherington
hat am Schluss seiner Rede gesagt: „Wir dürfen die
Hände nicht in den Schoß legen“ – ich möchte das noch
einmal nachdrücklich unterstützen. Das ist unsere Verant-
wortung; die Art und Weise, wie wir in Zukunft Energie
produzieren, und wie viel wir verbrauchen, wird darüber
entscheiden, wie wir diesen Planeten unseren Kindern
hinterlassen.

Ich danke den Berichterstattern, dass sie sich dieser ver-
antwortungsvollen Aufgabe mit so guten Resultaten ge-
stellt haben; und ich wünsche uns allen, dass wir mit
unseren Entscheidungen für eine nachhaltige Energiepoli-
tik unserer Verantwortung gegenüber den zukünftigen
Generationen gerecht werden.

Vielen Dank.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/5941

Sterbehilfe – Hilfe für Patienten am Ende des Lebens

Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU): Herr Präsident, liebe
Kolleginnen und Kollegen,

wenn wir uns zurückerinnern an die Zeit vor etwa einem
Jahr, so muss ich leider feststellen, dass die damals
erfolgte Zurückverweisung des Berichtsentwurfs zu dem
– zugegebenermaßen schwierigen – Thema Euthanasie
nicht im Sinne der damaligen Mehrheit des Plenums ge-
nutzt worden ist. Damals ging es nämlich darum, den
Entwurf inhaltlich so zu überarbeiten und zu gestalten,
dass er mit der immer noch geltenden Empfehlung 1418
aus dem Jahre 1999 der Plenarversammlung des Europa-
rates in Einklang zu bringen ist.

Man muss zwar zugeben, dass in dem neuen Entwurf eine
ganze Reihe beruhigender Formulierungen und konzilian-
ter Versicherungen vorhanden sind, doch letztlich wird in
der Empfehlung die aktive Sterbehilfe, das heißt das vor-
sätzliche und absichtliche Töten zu erlauben, festgehal-
ten. Dies folgt aus der Definition in Ziffer 13 des Berichts
und aus der Verwendung des Begriffs „Euthanasie“. Und
genau die, meine Damen und Herren, steht in krassem
Gegensatz zu der Haltung des Europarats in seiner dama-
ligen Resolution und zur Überzeugung vieler Mitglieder
dieses hohen Hauses.

So sind wir ganz überwiegend der Meinung, dass die ak-
tive Sterbehilfe für jemanden, der das Gebot der Achtung
der Würde des Menschen und das unbedingte christliche
Gebot „Du sollst nicht töten“ ernst nimmt, generell nicht
in Betracht kommen kann.

Auch die im Bericht zahlreich enthaltenen Hinweise auf
angeblich so zufrieden stellende Regelungen, zum Bei-
spiel in den Niederlanden oder in Belgien, helfen uns
nicht weiter, denn der Mit-Berichterstatter des Rechts-
Ausschusses, der Kollege McNamara, hat schon vor ei-
nem Jahr auf Untersuchungen in diesen Ländern hinge-
wiesen, die beweisen, dass die dortigen Regelungen, die
Herr Kollege Marty ja immer wieder als eine Art Vorbild
anbietet, keineswegs für die behauptete Klarheit und Si-
cherheit gesorgt haben, der Kollege McNamara zitiert
Berichte, welche besagen, dass zum Beispiel in den Nie-
derlanden nur in 54 Prozent der Fälle die vorgeschriebene
Anmeldung korrekt erfolgt ist. Ein weiteres Ergebnis die-
ser Untersuchungen war, dass in einem Viertel aller Fälle
die aktive Sterbehilfe offenbar ohne Einwilligung des Pa-
tienten vorgenommen worden ist, dass also genau das
unter der Bezeichnung „Euthanasie“ praktiziert wurde,
was nach Ziffer 14 des Berichts des Kollegen Marty ei-
gentlich – nach seiner Auffassung – mit Euthanasie gar
nichts zu tun haben dürfte.

Ich finde auch, meine lieben Kolleginnen und Kollegen,
dass wir bei dem Begriff „Euthanasie“ bleiben sollten,
denn er macht deutlich, dass es eben um passive und ak-
tive Sterbehilfe geht. Das deutsche Wort „Sterbehilfe“,
welches auch schon vorgeschlagen worden ist, verharm-
lost jedoch den Sachverhalt, weil sich hinter dem so hu-
man klingenden Begriff der Hilfe eben auch die Bereit-
schaft zum aktiven Töten versteckt.

Der Kollege Marty betont mehrfach, dass wir nicht der
Versuchung erliegen sollten, auf diesen sehr heiklen und
auch von religiösen und kulturellen Überzeugungen ge-
prägten Problemfeld unseren 46 Mitgliedstaaten Empfeh-
lungen in eine bestimmte Richtung geben zu wollen.

Doch genau dies ist doch die Absicht des gesamten Be-
richts und der Resolution.

Die hier empfohlene Richtung haben bisher nur zwei Mit-
gliedstaaten in Gesetzesform gegossen, nämlich Belgien
und die Niederlande, nicht aber Frankreich, wie uns die
französischen Kollegen mehrfach versichert haben.

Wir sollten es daher eigentlich bei der Resolution von
1999 belassen.

Der vorgelegte Bericht ist angesichts der Situation in den
einzelnen Mitgliedstaaten auch nicht hilfreich. Daher
wäre es am besten, den Bericht erst gar nicht zu beschlie-
ßen.

Da dies jedoch sehr unwahrscheinlich ist, plädieren wir
dafür, in jedem Falle die von Herrn Kollegen McNamara
aus dem Rechtsausschuss und anderen – unter anderem
von Kollegen aus meiner Fraktion – vorgeschlagene Än-
derung zu übernehmen. Vielen Dank.

Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Liebe Kolleginnen,
liebe Kollegen,

wenn ein Mensch am Ende seines Lebens sagt: „Ich will
nicht mehr“, dann hat das häufig viele Gründe. Es offen-
bart eine große Hilflosigkeit, die wiederum zwei Seiten
hat:

Zum einen sieht dieser Patient keinen Ausweg, was be-
deutet, dass ihm Alternativen, Auswege geboten werden
müssen, von denjenigen, die Verantwortung für ihn tra-
gen.

Zum anderen betrifft diese Hilflosigkeit diejenigen, die
das eigentlich tun müssten: Das medizinische Personal.

In Ländern, wo die Menschen in Heimen leben, wo eine
Minimalversorgung vorgenommen wird, in Ländern, in
denen die Palliativmedizin nicht flächendeckend einge-
richtet ist, gibt es keine Alternative. Hier weiß man nichts
von der schmerzlindernden Wirkung von Medikamenten,
die nicht zum Tode führen müssen, sondern – im Gegen-
teil – das Leben häufig verlängern können.

Dort gibt es keine Alternativen, und deshalb ist es gefähr-
lich, wenn wir hier über die Euthanasie diskutieren. Es ist
der Versuch, hier einen einfachen Weg zu legalisieren,
einen einfachen, kostengünstigen Weg. Und wir wissen, –
nicht nur ich als Gesundheitsökonom sondern jeder an-
dere auch, dass die letzten drei Monate des Lebens die
teuersten sind. Wir haben in den sozialen Systemen unse-
rer Länder große Schwierigkeiten, die Kostenträger dazu
zu bringen, palliativmedizinische Einrichtungen über-
haupt zu installieren.

In seinem Bericht befürwortet Herr Marty zwar die Pal-
liativmedizin, doch er will gleichzeitig die Euthanasie in
einen rechtlichen Rahmen stellen, aus der Grauzone he-
rausholen und als Alternative diskutieren. Die Diskussion

Drucksache 15/5941 – 32 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

dieser Alternative birgt aber die große Gefahr, dass genau
dass eintritt, was ein Ärztepräsident bei uns in Deutsch-
land einmal das „sozial verträgliche Ableben“ genannt
hat.

Dass viele die Mühe scheuen, jemandem auf seinem letz-
ten Weg zu begleiten und Angst haben zuzusehen, wie je-
mand stirbt, es nicht aushalten können zuzusehen, wie je-
mand stirbt – dass diejenigen sagen : „Der wird das wohl
so gewollt haben, das wird wohl gut für ihn sein – dabei
ist es eher gut für den, der es tut, weil es billiger ist. Diese
Gefahr ist enorm groß.

Als Menschen, die in der Politik große Verantwortung
tragen, die dafür verantwortlich sind, dass palliativmedi-
zinische Strukturen überhaupt erst geschaffen werden,
soll das unser Schwerpunkt sein, und dies wurde in dem
Bericht von 1999 ganz stark hervorgehoben, was sehr
verdienstvoll war.

Wenn wir nun die Euthanasie aus der Grauzone heraus-
holen wollen, dann bedeutet dies, dass wir die Beispiele
aus Holland, Belgien und der Schweiz betrachten und
möglicherweise für andere Länder zur Adoption freige-
ben. Gleichzeitig würde dies jedoch auch bedeuten, dass
wir die Grauzone gar nicht aufklären – was Herr Marty
gern hätte – sondern dass wir sie verschieben und eine
neue Grauzone schaffen. Realität ist die Euthanasie in
Holland: 2 000 Menschen, die, weil sie es so wollen, und
weil die Ärzte es bestätigt haben, getötet werden (zu
90 Prozent werden sie getötet, zu 10 Prozent ist es assis-
tierter Suizid). 1 000 Patienten, das haben wir heute be-
reits gehört, werden getötet, ohne dass sie diesen Wunsch
geäußert hätten.

Ich glaube, wenn die Demenzkranken nun das Ziel der
Euthanasie werden – wie es in Holland ja bereits disku-
tiert wird – dann haben wir hier eine enorme neue Grau-
zone, die bei der Fortführung dieses Gedankens, dieses
Sich-leicht-Machens, impliziert, dass man die Menschen
umbringt.

Ich bin Sozialdemokrat und möchte nicht, dass man die
Menschen im Stich lässt, wenn es ihnen am schlechtesten
geht – ich möchte, dass wir uns für sie einsetzen, und dass
wir alles tun. Wir haben so viel Geld – wir kümmern uns
um Reitpferde, wir kümmern uns um Hunde, wir sind
reich. Wenn aber reiche Länder hier den einfachen Weg
gehen und sich einreden, man könne dieses Problem mit
einer Spritze lösen, dann ist das beschämend.

Rede des Ministerpräsidenten von Luxemburg und
Präsidenten des Rats der Europäischen Union,
Herrn Jean-Claude Juncker

Frage der Abg. Jelena Hoffmann (SPD) an den Minister-
präsidenten von Luxemburg und Präsidenten des Rates
der Europäischen Union, Herrn Jean-Claude Juncker:

Herr Premierminister, die Europäische Union hat viele
neue Nachbarn bekommen, auch wenn Sie – wie Sie sa-
gen, das Wort „Nachbarn“ nicht gern benutzen.

Zu diesen Ländern gehört auch die Ukraine; und ich
möchte Sie fragen, welche Politik Sie in Richtung der

Ukraine verfolgen, was europäische Perspektiven für die
Ukraine bedeuten, und inwieweit Sie mit dem Wunsch
der Ukraine einverstanden sind, die Visa-Politik zu er-
leichtern.

Antwort des Ministerpräsidenten von Luxemburg und
Präsidenten des Rates der Europäischen Union, Herrn
Jean-Claude Juncker:

Herr Präsident!

Was die Fragen von Frau Hoffmann, die Ukraine betref-
fend, anbelangt, möchte ich hier meiner Zufriedenheit
darüber Ausdruck geben, dass die Ukraine sich endgültig
und unwiderruflich auf den Weg einer friedlichen Revo-
lution in Richtung einer europäischen Demokratie ge-
macht hat.

Es wird Aufgabe der Europäischen Union sein, im Rah-
men dessen, was man europäische Perspektive nennt, der
Ukraine deutlich zu machen, dass wir absolut der Auffas-
sung sind, dass die Widersprüche zwischen der Ukraine
und der Europäischen Union, zwischen der Ukraine und
der Europäischen Familie nicht so unüberwindbar sind,
als dass man nicht über ein Zusammenrücken der Ukraine
und der Europäischen Union zielorientiert nachdenken
sollte.

Ich bin jedoch entschieden dagegen, dass man nur des-
halb, weil es gut klingt und viele es hören möchten, jetzt
schon der Europäischen Union – ohne weitere Prüfung
der Gesamtumstände – einen relativ kurzfristigen Beitritt
zur Europäischen Union in Aussicht stellt – das hielte ich
nicht für ehrlich und auch nicht für dem Ernst der Lage
angemessen.

Allerdings bin ich entschieden dafür, das man im Rahmen
der so genannten Europäischen Perspektive mit der
Ukraine mit unseren ukrainischen Freunden darüber re-
det, wie kurz- und mittelfristig das institutionelle Verhält-
nis zwischen der Ukraine und der Europäischen Union
gestaltet werden könnte.

Was die Visa-Frage angeht, so wissen Sie, Frau Hoffmann,
ebenso gut wie ich, dass dieses Thema zur Zeit zur Bera-
tung in den Gremien der Europäischen Union und in den
Gesprächen zwischen der EU und der Ukraine ansteht;
deshalb kann ich die Frage nicht abschließend beantwor-
ten, doch habe ich mich vor kurzem – wie auch Präsident
Juschtschenko – über diesen Aspekt der Beziehungen
zwischen der Ukraine und der Europäischen Union
– nicht weniger zielorientiert, als die Fragestellung ver-
muten lässt – unterhalten.

Migration und Integration: eine Herausforderung
und eine Chance für Europa

Abg. Jelena Hoffmann (SPD): Vielen Dank, Herr Präsi-
dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen,

zunächst möchte natürlich auch ich Herrn Branger mei-
nen Dank für seinen ausgezeichneten Bericht ausspre-
chen. Besonders hervorheben möchte ich die Empfeh-
lung, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die volle
Integration der Zuwanderer, die rechtmäßig in den Staa-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33 – Drucksache 15/5941

ten des Europarates leben, zu gewährleisten. Wichtig ist
dabei, dass die Einwanderer wissen, wie notwendig diese
Integration für sie ist; das heißt, sie müssen das Land, in
dem sie leben, seine Sprache und gesellschaftliche Ord-
nung und Werte kennen.

Einfacher ausgedrückt: Sie müssen am Leben dieses Lan-
des teilhaben wollen und können.

Immigranten sollen sich nicht nur aus Notwendigkeit und
aufgrund von Druck, sondern vor allem auch auf eigenen
Wunsch und aus eigenem Bedürfnis mit ihrem Gastland
vertraut machen. Dazu müssen in allen Mitgliedstaaten
des Europarates Integrationsangebote für Einwanderer
kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Als ich selbst damals, vor dreißig Jahren, der Liebe we-
gen aus Russland in die damalige DDR umsiedelte, in-
teressierte es niemanden, ob und wie ich in dem Land zu-
recht komme.

Deshalb bin ich sehr froh, dass wir in Deutschland jetzt
ein Zuwanderungsgesetz haben, welches nicht nur die
Einwanderung klar regelt, sondern auch Instrumente zur
Förderung der Integration festlegt.

In Deutschland gibt es unterschiedliche Gruppen von Im-
migranten, darunter Asylbewerber aus politischen Grün-
den, türkische und vietnamesischen Gastarbeiter, jüdische
Kontingentflüchtlinge, so genannte Aussiedler oder Spät-
aussiedler deutscher Abstammung. All diese Gruppen
kommen aus verschiedenen Herkunftsländern mit unter-
schiedlichen religiösen und kulturellen Hintergründen.
Sie integrieren sich auch sehr unterschiedlich; deshalb
mussten wir in Deutschland klare, der heutigen Zeit ange-
passte Integrations- und Einwanderungsregeln schaffen.

Das Aufenthaltsrecht ist bei uns vereinfacht worden, Inte-
grationskurse sind Pflicht, Integration soll gefördert wer-
den, ohne Assimilation zu erzwingen.

Die Grundwerte der europäischen Gesellschaft sollen und
müssen im Sinne der Ziffer 4 der vorliegenden Empfeh-
lung von Immigranten, die dauerhaft in unserem Land le-
ben wollen, akzeptiert werden.

Wir alle sind uns darüber im klaren, dass die Akzeptanz
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unabding-
bare Voraussetzung ist, um dauerhaft in diesem Land le-
ben zu können. Doch wir wissen auch, dass man im Prüf-
verfahren nicht immer leicht erkennen kann, wer dies tut
und wer nicht.

In der öffentlichen Diskussion in Deutschland haben in
jüngster Zeit gerade die so genannten „Ehrenmorde“,
welche von türkischen Männern zur Wahrung der Fami-
lienehre an Frauen begangen worden sind, in diesem Zu-
sammenhang eine Rolle gespielt.

Ich denke, dass wir in der Frage der Optimierung der In-
tegration von Zuwanderern weiterhin einen intensiven Er-
fahrungsaustausch benötigen, und ich befürworte das
„Best-Practice“-Verfahren.

Es kann nie schaden, in Europa voneinander zu lernen,
besonders und gerade auch in einer so wichtigen Frage
wie der Integrationspolitik.

Der Schlüssel zur Lösung von Problemen im Zusammen-
hang mit Migration und Integration liegt aber letztlich
sicherlich nicht mehr nur auf der nationalen Ebene. Dies
unterstreichen der vorliegende Bericht und die Beschluss-
empfehlung deutlich.

Ich begrüße es sehr, dass die EU aufgefordert wird, eine
gemeinsame Immigrations- und Integrationspolitik fest-
zulegen.

Vielen Dank.

Die Medienfreiheit und die Arbeit von Journalisten
in Konfliktgebieten

Abg. Dr. Christine Lucyga (SPD): Es ist sehr wichtig,
dass die Sicherheit der Journalisten, die aus Konflikt-
gebieten berichten, im Vordergrund steht, und wir teilen
auch als Haus das Engagement unserer rumänischen und
französischen Kollegen. Aber wir dürfen nicht übersehen,
dass es gerade in Konfliktgebieten zu immer stärkeren
Einschränkungen der Freiheit der Berichterstattung ge-
kommen, wie Lord Judd angedeutet hat.

Seit dem ersten Golfkrieg hat die Praxis, Journalisten nur
zur Berichterstattung zuzulassen wenn sie beim Militär
registriert sind und sich in militärischen Verbänden bewe-
gen zu einer deutlichen Einschränkung der freien und kri-
tischen Berichterstattung geführt.

Wir müssen die Gefährdungen der Pressefreiheit an die-
ser Stelle ernst nehmen, und daher sollte auch der ent-
sprechende Vermerk in dem Text, den wir verabschieden,
seinen Platz finden.

Der Europäische Verfassungsvertrag

Abg. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen,

ich finde es wichtig, dass wir diese Fragen hier diskutie-
ren, auch wenn die politische Relevanz von meinem Vor-
redner durchaus richtig eingeschätzt worden ist.

Aber es geht bei dieser Verfassung um Europa; und ein
Scheitern dieses Verfassungs-Prozesses wird sich natür-
lich auch auf den Europarat auswirken, weil es die Stim-
mung der Menschen in Bezug auf Europa beeinflussen
wird, und es wird auch ein Signal dafür sein, ob es mit der
Integration Europas voran geht, oder ob die Bewegung
eher zurück geht in die Nationalstaatlichkeit und damit in
eine geringere Handlungsfähigkeit.

Ich gehöre zu denen, die sich in ihren Funktionen im Par-
lament schon lange sehr intensiv mit der Verfassung be-
schäftigen, und ich habe massiv für die Annahme dieser
Verfassung gekämpft und werde weiterkämpfen; denn ich
glaube, es ist der einzige Weg, um Europa demokratischer
und handlungsfähiger zu machen, um die Rechte der

Drucksache 15/5941 – 34 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Menschen in Europa zu stärken. Hierfür brauchen wir
diese Grundlage.

Demokratischer – weil das europäische Parlament ge-
stärkt wird, demokratischer, weil auch die nationalen Par-
lamente in ihrer Reaktionsmöglichkeit auf das europäi-
sche Parlament, auf den Ministerrat durch das neue Recht
der Subsidiaritätsrüge, der Subsidiaritätsklage gestärkt
werden – sie können dort intervenieren. Demokratischer
und von den Menschenrechten her besser, weil die
Grundrechtscharta in den Verfassungsrang gehoben wird,
und auch transparenter, weil die Tagungen, auch von Le-
gislativreden, öffentlich sind.

Wer Ja sagt zur Verfassung, unterstützt diesen Demokrati-
sierungsprozess, wer hingegen Nein sagt zur Verfassung
– unabhängig von seinem subjektiven Willen – unter-
stützt ein weniger demokratisches Europa, weil dann die
Schritte zu mehr Demokratie nicht mehr möglich sind.

Europa wird durch diese Verfassung handlungsfähiger,
wir haben das Prinzip der doppelten Mehrheit. Wer diese
Verfassung ablehnt, geht zurück auf Nizza, und will ein
Europa, das weniger handlungsfähig und nicht in der
Lage ist, Beschlüsse zu fassen. Darüber muss man sich
im klaren sein, wenn man NEIN sagt zu dieser Verfas-
sung. Es geht nicht um die Ideale, die man dabei hat, son-
dern es geht darum, was politisch damit bewirkt wird. Ein
NEIN bewirkt aber auch, dass Europa in der Welt ge-
schwächt wird.

Einige meiner Vorredner haben bereits darauf hingewie-
sen, dass viele Menschen und Völker in aller Welt – auch
in den Ländern, die heute nicht zur EU gehören – mit gro-
ßer Hoffnung auf dieses Europäische Integrationsmodell
blicken, weil es ein Modell von Staaten ist, welches Frie-
den und Menschenrechte gesichert hat, und diese Men-
schen wollen ein solches Modell fortentwickelt sehen,
wollen dieses europäische Vorbild, gerade gegenüber an-
deren Führungsstrukturen innerhalb der Globalisierungs-
diskussion.

Deshalb dürfen wir auch diese Menschen nicht enttäu-
schen.

Die neuen Ansätze in Richtung eines europäischen Außen-
ministers, einer gemeinsamen europäischen Außen- und
Sicherheitspolitik, auch die Frage nach einem gemeinsa-
men europäischen Militär, nach Rüstungsagenturen, sind
da.

Die Priorität dieser Verfassung ist jedoch festgeschrieben
in nichtmilitärischen Konfliktlösungsmöglichkeiten. Dies
ist ein sehr großer Fortschritt.

Und wer all das nicht will, der sagt JA zu einem undemo-
kratischeren Europa das seine Rolle in der Welt nicht in
dem Ausmaße spielen kann, wie es die Menschen eigent-
lich von uns verlangen.

Wir dürfen nicht immer nur auf das Wünschenswerte
schauen, sondern diese Auseinandersetzung um die Euro-
päische Verfassung ist eine Debatte um das aktuell Mögli-
che. Wer aber das jetzt Mögliche nicht will, verschlech-
tert die aktuelle Situation und wird mit seinem politischen

Wirken dazu beitragen, dass die Träume von Europa nicht
mehr geträumt werden können – zumindest nicht in dem
Maße, wie wir uns alle das eigentlich wünschen.

Europa ist in seiner Verfassung zum ersten Mal als
Europa der Staaten und der Bürgerinnen und Bürger in
der Verfassung festgeschrieben worden. Das ist ein gro-
ßer Fortschritt, weil wir die Menschen beteiligen und mit-
nehmen wollen.

Natürlich ist es richtig – und als Mitglied der Sozialisti-
schen Fraktion befürworte ich ein sozialeres Europa, so-
wie die Bekämpfung der Auswirkungen des Neo-Libera-
lismus. Diese unsere Pflicht steht völlig außer Frage.
Aber wer in der jetzigen Situation diese Verfassung, die-
sen Integrationsprozess ablehnt, wird objektiv dazu bei-
tragen, dass genau diese Kräfte in Europa gestärkt wer-
den, weil ihre Kontrolle in Europa nicht mehr möglich ist.

Was das Europäische Parlament zur Dienstleistungsricht-
linie gesagt hat, ist richtig, gut und unterstützenswert; und
diese Möglichkeiten eines europäischen Diskurses müs-
sen wir nutzen.

Wir müssen diese Verfassung bejahen, wenn wir Europa
weiterentwickeln und integrieren wollen, und wir müssen
versuchen, alle Menschen mitzunehmen, weil jeder, der
diese Verfassung ablehnt, unabhängig von seinem subjek-
tiven Glauben Europa Schaden zufügt.

Danke.

Meeresverschmutzung

Abg. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Zunächst möchte auch ich mich ganz herzlich beim Be-
richterstatter für den ausgezeichneten Bericht bedanken,
der sehr umfassend die wichtigen Fragen der Seesicher-
heit, der Sicherheit des Seeverkehrs, der Verschmutzung
der Meere behandelt, der ein ausgezeichneter Überblick
und thematisch der großen politischen Bedeutung dieses
Themas angemessen ist.

Denn unser aller Leben auf diesem Planeten kommt aus
dem Meer; deshalb müssen wir mit dieser Ressource sehr
viel vorsichtiger und behutsamer umgehen, als wir das in
der Vergangenheit getan haben.

Eine erhöhte Sicherheit im Seeverkehr ist für uns alle aus-
gesprochen wichtig, denn alljährlich werden allein in den
Häfen der Europäischen Union achthundert Millionen
Tonnen Öl umgeschlagen; in den Küstenmeeren des Eu-
roparates sind unendlich viel mehr Öltanker und andere
Schiffe mit gefährlichen Gütern unterwegs – deshalb ist
dies auch eine zentrale Frage des Überlebens und der
ökonomischen Sicherheit unserer Staaten.

Wir haben seit drei Wochen in den Ländern der Europäi-
schen Union das Verbot, Schweröle in Einhüllen-Tankern
zu transportieren; dies ist ein großer Fortschritt.

Insgesamt sind seit der Havarie der Erika große Fort-
schritte gemacht worden, die Sensibilität ist gestiegen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 35 – Drucksache 15/5941

Eine zentrale Frage scheint mir allerdings noch nicht be-
friedigend gelöst worden zu sein, und zwar: Wer haftet
für die Schäden, welche von diesen Schiffen, durch Öl-
katastrophen verursacht, für die Menschen, die Umwelt
und die regionale Wirtschaft ausgehen?

Leider ist es heute so, dass der Gewinn von Schiffstrans-
porten privat ist, dass jedoch die Schäden, die dann in sol-
chen Dimensionen eintreten, eher vom Steuerzahler und
den öffentlichen Kassen bezahlt werden müssen.

Diese Situation müssen wir ändern. Zwar bestehen seit
1969 Haftungsübereinkommen, und seit 1992 gibt es ein
Fonds-Übereinkommen zur Entschädigung von Ölver-
schmutzungsschäden, welches im Mai 2003 noch einmal
ausgebaut worden ist.

Doch auch damit können die meisten Schäden zu Lasten
der Natur, der betroffenen Menschen und der regionalen
Wirtschaft nicht ausgeglichen werden.

Deshalb benötigen wir die Einführung höherer Versiche-
rungsprämien, mit denen sämtliche Havariekosten abge-
deckt werden können. Hier muss das Verursacherprinzip
greifen, und dies ist auch dankenswerterweise im Bericht
angesprochen worden, auch für die Verantwortung der
Flaggenstaaten wie der Hafenstaaten.

Wenn wir die Versicherungen so optimieren, dass sie tat-
sächlich verursachergerecht Kosten abdecken, dann
schafft dies erhebliche Anreize für Reeder, nur noch si-
chere Schiffe einzusetzen. Doch nicht nur die Reeder sind
in die Pflicht genommen, auch die einzelnen Staaten müs-
sen politische Verantwortung übernehmen.

So ist es aus meiner Sicht völlig unverständlich, warum
Ende 2004 erst sechs Mitgliedstaaten der Europäischen
Union das Zusatzprotokoll zur Entschädigung von Ölver-

schmutzung-Schäden ratifiziert haben. Alle hatten sich
verpflichtet, dies bis Ende 2004 zu realisieren, und es ist
beschämend, dass es diese Lücke zwischen politischen
Erklärungen nach Katastrophen – nämlich was alles nun
zu tun sei – und ihrer konkreten Umsetzung gibt.

Bei der Umsetzung in Rechtsakte kommt es leider immer
wieder zu Verzögerungen.

Wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben. Diese Ver-
stöße müssen strafrechtlich sanktioniert werden. Deshalb
appelliere ich auch gerade an Länder wie Griechenland,
Zypern und Malta, die in den letzten Monaten leider dafür
gesorgt haben, dass die notwendigen Entscheidungen der
EU nicht fristgerecht realisiert worden; sowie mehrfach
blockiert worden sind. Und ich glaube, in diesen Ländern,
wie auch in der Türkei, deren Schiffe im Hinblick auf
Sicherheitsmängel oft auf den schwarzen Listen der EU
stehen, ist der Flaggenstaat aufgefordert, mehr Sicherheit
zu schaffen.

Ich bin sehr froh, dass es nach einigem Zögern gelungen
ist, mit der russischen Regierung für die Ostsee eine
Übereinkunft zu realisieren, der zufolge sich die russische
Regierung auch dort für Doppelhüllentanker einsetzt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir müssen
dafür sorgen, dass die Lücke zwischen Worten und Taten
geschlossen wird. Der Bericht, den wir hier heute verab-
schieden, bietet dafür eine hervorragende Grundlage.

Er listet alles Notwendige auf; und ich hoffe, dass die na-
tionalen Regierungen durch den Bericht dazu angeregt
werden, für mehr Sicherheit zu sorgen. Wir alle werden
davon profitieren.

Vielen Dank.

Drucksache 15/5941 – 36 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. Mitgliedsländer und Funktionsträger

Mitgliedsländer der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (46)

Länder mit Sondergaststatus
– zur Mitwirkung in der Parlamentarischen Versammlung ohne Stimmrecht berechtigt

Der Sondergaststatus von Belarus wurde am 13. Januar 1997 ausgesetzt.

Beobachter (3)
Israel

Kanada

Mexiko

Albanien

Andorra

Armenien

Aserbaidschan

Belgien

Bosnien und Herzegowina

Bulgarien

Dänemark

Deutschland

Estland

Finnland

Frankreich

Georgien

Griechenland

Irland

Island

Italien

Kroatien

Lettland

Liechtenstein

Litauen

Luxemburg

„ehem. jugoslawische Republik Mazedonien“

Malta

Moldau

Monaco

Niederlande

Norwegen

Österreich

Polen

Portugal

Rumänien

Russland

San Marino

Schweden

Schweiz

Serbien und Montenegro

Slowakische Republik

Slowenien

Spanien

Tschechische Republik

Türkei

Ukraine

Ungarn

Vereinigtes Königreich

Zypern

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 37 – Drucksache 15/5941

Funktionsträger der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

Präsident René van der Linden (Niederlande – EPP)

Vizepräsidenten 20, darunter Rudolf Bindig (Bundesrepublik Deutschland – SPD/SOC)

Generalsekretär Bruno Haller (Frankreich)

Politischer Ausschuss

Vorsitzender Abdülkadir Ateş (Türkei – SOC)

Stv. Vorsitzende Mikhail Margelov (Russland – EDG)

Latchezar Toshev (Bulgarien – EVP)

Dick Marty (Schweiz – LDR)

Ausschuss für Wirtschaft und Entwicklung

Vorsitzender Evgeni Kirilov (Bulgarien – SOC)

Stv. Vorsitzende Antigoni Pericleous Papadopoulos (Zypern – LDR)

Márton Braun (Ungarn – EVP)

Konstantinos Vrettos (Griechenland – SOC)

Ausschuss für Sozialordnung, Gesundheit und Familie

Vorsitzender Marcel Glesener (Luxemburg – EVP)

Stv. Vorsitzende Christine McCafferty (Vereinigtes Königreich – SOC)

Patrizia Paoletti Tangheroni (Italien – EVP)

Helena Bargholtz (Schweden – LDR)

Ausschuss für Recht und Menschenrechte

Vorsitzender Serhiy Holovaty (Ukraine – LDR)

Stv. Vorsitzende Jerzy Jaskiernia (Polen – SOC)

Erik Jurgens (Niederlande – SOC)

Eduard Lintner (Bundesrepublik Deutschland – CDU/CSU/EVP)

Ausschuss für Kultur, Wissenschaft und Bildung

Vorsitzender Jacques Legendre (Frankreich – EVP)

Stv. Vorsitzende Baroness Gloria Hooper (Vereinigtes Königreich – EDG)

Josef Jařab (Tschechische Republik – LDR)

Dr. Wolfgang Wodarg (Bundesrepublik Deutschland – SPD/SOC)

Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und kommunale und regionale Angelegenheiten

Vorsitzender Walter Schmied (Schweiz – LDR)

Stv. Vorsitzende Alan Meale (Vereinigtes Königreich – SOC)

António Nazaré Pereira (Portugal – EVP)

Renzo Gubert (Italien – EVP)

Drucksache 15/5941 – 38 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ausschuss für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
Vorsitzender John Wilkinson (Vereinigtes Königreich – EDG)

Stv. Vorsitzende Tana de Zulueta (Italien – SOC)

Doros Christodoulides (Zypern – UEL)

Jean-Guy Branger (Frankreich – EVP)

Geschäftsordnungsausschuss
Vorsitzender Andreas Gross (Schweiz – SOC)

Stv. Vorsitzende Andrea Manzella (Italien – SOC)

Ganka Samoilovska-Cvetanova („ehem. jugoslawische Republik Mazedonien“ – EVP)

Ausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern
Vorsitzende Minodora Cliveti (Rumänien – SOC)

Stv. Vorsitzende Rosmarie Zapfl-Helbling (Schweiz – EVP)

Anna Čurdová (Tschechische Republik – SOC)

Svetlana Smirnova (Russland – EDG)

Ausschuss für die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und
Verpflichtungen (Monitoring-Ausschuss)
Vorsitzende György Frunda (Rumänien – EVP)

Stv. Vorsitzende Hanne Severinsen (Dänemark – LDR)

Naira Shakhtakhtinskaya (Aserbaidschan – EDG)

Mikko Elo (Finnland – SOC)

SOC Sozialistische Gruppe
EVP Gruppe der Europäischen Volkspartei
EDG Gruppe der Europäischen Demokraten
LDR Gruppe der Liberalen, Demokraten und Reformer
UEL Gruppe der Vereinigten Europäischen Linken

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