BT-Drucksache 15/5874

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Hellmut Königshaus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -15/5259- Die Chancen der jungen Generation in Deutschland durch Bildung und Ausbildung verbessern

Vom 29. Juni 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5874
15. Wahlperiode 29. 06. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(17. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper,
Hellmut Königshaus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 15/5259 –

Die Chancen der jungen Generation in Deutschland durch Bildung und
Ausbildung verbessern

A. Problem
Hohes Einkommen und soziale Sicherheit sind nach Auffassung der Antrag-
steller abhängig von einer hohen Wertschöpfung der Wirtschaft und von einem
hohen Bildungs- und Ausbildungsniveau der Bevölkerung. Ein hervorragendes
Bildungswesen auf allen Ebenen ist die Grundlage für die Berufs- und Lebens-
chancen der jungen Generation.
Die große Zahl der Ausbildungsabbrecher und der jungen Erwachsenen ohne
Schulabschluss, das schlechte Abschneiden der Schülerinnen und Schüler in den
internationalen Schulleistungstests TIMSS und PISA, eine übermäßige Büro-
kratie auf allen Bildungsebenen sowie mangelnde Autonomie undWettbewerbs-
fähigkeit von Schulen und Universitäten werden als Anzeichen und Alarmsignal
dafür gewertet, dass Bildung und Forschung ihre Bedeutung für die Lebens-
chancen der Menschen in einem rohstoffarmen Land wie Deutschland verlieren.

B. Lösung
Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Abstimmung und Kooperation mit
den Ländern, den Spitzenverbänden der Kommunen, der Freien Wohlfahrtspfle-
ge, der Wissenschaft und relevanten gesellschaftlichen Gruppen auf die Verbes-
serung der Chancen der jungen Generation durch Bildung und Ausbildung hin-
zuwirken. Das Maßnahmenbündel umfasst die Stärkung der frühkindlichen
Bildung und Erziehung, frühere Einschulung der Kinder und Reformierung der
Lehrerausbildung, Fortsetzung der Reform der beruflichen Bildung, Steigerung
der Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen und Weiterentwicklung des lebens-
langen Lernens.
Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/
CSU und FDP

Drucksache 15/5874 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

C. Alternativen
Annahme des Antrags auf Drucksache 15/5259.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5874

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag – Drucksache 15/5259 – abzulehnen.

Berlin, den 20. April 2005

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Cornelia Pieper
Vorsitzende

Dr. Ernst Dieter Rossmann
Berichterstatter

Uwe Schummer
Berichterstatter

Grietje Bettin
Berichterstatterin

Ulrike Flach
Berichterstatterin

Drucksache 15/5874 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Uwe Schummer,
Grietje Bettin und Ulrike Flach

I. Überweisung
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 15/
5259 in seiner 169. Sitzung am 14. April 2005 beraten und
an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung zur federführenden Beratung sowie an den
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und an den Ausschuss
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung
überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Die Fraktion der FDP sieht ein hohes Einkommen und sozi-
ale Sicherheit in Abhängigkeit von einer hohen Wertschöp-
fung der Wirtschaft und von einem hohen Bildungs- und
Ausbildungsniveau der Bevölkerung in Deutschland. Ein
hervorragendes Bildungswesen auf den Ebenen der früh-
kindlichen Bildung und Erziehung, der Schul- und Hoch-
schulbildung, der beruflichen Bildung und des lebenslangen
Lernens ist nach Auffassung der Antragsteller auch Grund-
lage für die Berufs- und Lebenschancen der jungen Genera-
tion.
Die große Zahl der Ausbildungsabbrecher und der jungen
Erwachsenen ohne Schulabschluss, das schlechte Abschnei-
den der Schülerinnen und Schüler in den internationalen
Schulleistungstests TIMSS und PISA, eine übermäßige Bü-
rokratie auf allen Bildungsebenen sowie mangelnde Autono-
mie und Wettbewerbsfähigkeit von Schulen und Universitä-
ten werden als Anzeichen und Alarmsignal dafür gewertet,
dass Bildung und Forschung ihre Bedeutung für die Lebens-
chancen der Menschen in einem rohstoffarmen Land wie
Deutschland verlieren.
Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, in Abstim-
mung und Kooperation mit den Ländern, den Spitzenverbän-
den der Kommunen, der Freien Wohlfahrtspflege, der Wis-
senschaft und relevanten gesellschaftlichen Gruppen auf die
Verbesserung der Chancen der jungen Generation durch Bil-
dung und Ausbildung hinzuwirken.
Das Maßnahmenbündel umfasst u. a. die Stärkung der früh-
kindlichen Bildung und Erziehung durch Akkreditierung
bzw. Zertifizierung und Evaluierung der Bildungseinrichtun-
gen sowie Sprachförderung auf der Grundlage von Sprach-
tests. Ferner sollen die Bedingungen für eine frühere Ein-
schulung der Kinder geschaffen und die Reformierung der
Lehrerausbildung vorangetrieben werden.
Es wird gefordert, die Reform der beruflichen Bildung im
Sinne der Flexibilisierung, Deregulierung und Modularisie-
rung voranzutreiben. Eine Ausbildungsplatzabgabe wird ab-
gelehnt.
Die Bildungsforschung solle sich des Problemfelds verstärkt
annehmen und vor allem den Zusammenhang von Bildungs-
armut und ökonomischer Armut analysieren. Schließlich
wird die Bundesregierung aufgefordert geeignete Maßnah-
men zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Hoch-
schulen undWeiterentwicklung des lebenslangen Lernens zu
ergreifen.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und der Aus-
schuss fürFamilie, Senioren,FrauenundJugendhaben je-
weils mit den Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und FDP empfohlen, den Antrag auf Drucksache
15/5259 abzulehnen.

IV. Beratungsverlauf und -ergebnisse im federfüh-
renden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung hat die Vorlage in seiner 58. Sitzung am
20. April 2005 beraten und empfiehlt:
Ablehnung des Antrags – Drucksache 15/5259 – mit den
Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
FDP.
Von Seiten der Fraktion der SPD wird die Forderung nach
einer frühen Förderung der Kinder, der Sprachstandserhe-
bung und des kostenlosen Kindergartenbesuchs positiv be-
wertet.
Der Antrag weise auf die vielen jungen Menschen hin, die
ihre Ausbildung abbrächen. Dagegen müsse ein wirksames
Konzept entwickelt werden. Eine Möglichkeit sei bisher in
einer angemessenen Berufsberatung gesehen worden, um
jungen Menschen eine Orientierung zu geben. Die Bundes-
regierung wird gebeten zu erläutern, ob die Bundesagentur
für Arbeit beabsichtige, sich aus der Berufsberatung zurück-
zuziehen. Die wäre eine fatale Fehlentwicklung. Berufsbera-
tung sei unverzichtbar. Sie müsse als Basisangebot für alle
im Vorfeld von Berufsbildungsentscheidungen angeboten
werden und verhindere Ausbildungsabbrüche.
Im Antrag der Fraktion der FDP werde ausgeführt, dass die
Zahl der jungen Menschen, die das Arbeitslosengeld II er-
hielten, größer geworden sei. Das liege daran, dass jetzt jun-
ge Menschen in der Statistik erscheinen wüden, die bisher
dort nicht erfasst worden seien. Dies müsse im nächsten Be-
rufsbildungsbericht berücksichtigt werden.
Es werde begrüßt, dass im Zuge der Bildungsberichterstat-
tung Ende des Jahres 2005 u. a. Schwerpunkte auf die Mi-
gration und die Bildungsarmut gesetzt würden.
Es wird betont, dass die anstehenden Probleme von allen
Verantwortlichen gemeinsam gelöst werden müssten, sonst
würden die Hartz-Gesetze ins Leere laufen.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wird darauf hinge-
wiesen, dass von mehr Zukunftschancen der jungen Genera-
tion nicht die Rede sein könne, sondern dass die Zahl von
665 000 Arbeitslosen unter 25 Jahren der Höchststand der
Jugendarbeitslosigkeit seit März 1949 sei. 1,3 Millionen
Schulabgänger bis 29 Jahren hätten keine Berufsausbildung.
Jedes Jahr „produziere“ das Bildungssystem in Deutschland
100 000 junge Menschen ohne eine berufliche Perspektive.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5874

Daher müssten die Bedingungen für Zukunftschancen neu
entwickelt werden. Dies setze aber eine Änderung der Bil-
dungspolitik voraus. Der Armutsbericht der Bundesregie-
rung stelle fest, dass das Armutsrisiko in Deutschland 1998
von etwa 12,1 Prozent auf 13,9 Prozent angewachsen sei.
Eine Änderung der aktuellen Politik sei zwingend erforder-
lich. Der Aus- und Umbau von Kindertagesstätten dürfe
nicht von dem Geld finanziert werden, das bei der Umset-
zung der Hartz-Gesetze und des Arbeitslosengeldes II übrig
bleibe.
Bei der Reform der Berufsausbildung müsse beobachtet
werden, wie sich das neue Recht auswirke. Es fehlten zurzeit
159 000 Ausbildungsstätten.
Ein entscheidendes Thema sei das Vergabeverfahren. Es ge-
be kein verlässliches Ausschreibungsverfahren bei Berufs-
vorbereitungsmaßnahmen. Der Antrag der Fraktion der FDP
enthalte viele gemeinsame Positionen, so dass ihm zuge-
stimmt werden könne.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
wird die Hoffnung ausgedrückt, den Jugendlichen in
Deutschland durch gemeinsame Anstrengungen wieder eine
Zukunftschance geben zu können. Es sei deshalb ein klares
Ziel der Fraktion, betriebliche Ausbildungen voranzubrin-
gen und möglichst viele Jugendliche daran teilhaben zu las-
sen.
Man teile die Kritik der Fraktion der SPD an den Aktivitäten
der Bundesanstalt für Arbeit im Bereich der Berufsberatung.
Der Bedeutung der frühkindlichen Bildung, die im Antrag
der Fraktion der FDP hervorgehoben werde und der Notwen-
digkeit der Akkreditierung und Zertifizierung von Kitas wer-
de zugestimmt.
Dissens bestehe aber in der Frage der Deregulierung der be-
trieblichen Ausbildung und der Vergütung. Mehr Forschung
in allen Bildungsbereichen unter Einbeziehung von Bil-
dungsarmut und Bildungsreichtum werde bereits betrieben.
Dissens gebe es auch in der Auffassung der Hochschul-
autonomie. Die Frage sei, wie weit die Deregulierung gehen
solle.
Von Seiten der Fraktion der FDP wird festgestellt, dass
über die große Bedeutung der vorschulischen Bildung ein
weitgehender Konsens bestehe. Es müsse gelingen, Kinder
früh qualitativ zu fördern.
Im Gegensatz zur Auffassung der anderen Fraktionen sei die
Fraktion der FDP der Ansicht, dass man in der Berufsbil-
dung deregulieren müsse. Man hoffe, dass es gelinge, zwei-
jährige Ausbildungsberufe zu schaffen.
Die Bildungsforschung sei im Hinblick auf die Bildungsar-
mut in der Vergangenheit ins Blickfeld genommen worden.
Bildungsarmut sei ein Grund für wirkliche Armut in

Deutschland. Daher sei es positiv, dass man jetzt aktiv wer-
de.
Es wird auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der FDP zum
Thema „Berufsberatung“ hingewiesen. Die Fraktion der
FDP sei der Auffassung, dass sich die Bundesagentur für Ar-
beit nicht zwangsläufig mit Berufsberatung befassen müsse.
Man habe positiv zur Kenntnis genommen, dass das Bundes-
kabinett am 27. April 2005 den Weiterbildungsbericht be-
handeln werde. Es wird für zielführend gehalten, wenn die
Fraktionen zusammen versuchen würden, einen gemeinsa-
men Weg zu finden.
Von Seiten der Bundesregierung wird auf die angebliche
Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit eingegangen. Seit Be-
ginn des Jahres 2005 würden 150 000 jungeMenschen in der
Statistik erfasst, die vorher nicht berücksichtigt worden sei-
en. In dieser Größenordnung sei auch die bevorstehende
Aufgabe gewachsen, denn nach dem SGB II müssten den
jungen Leuten Angebote gemacht werden. Der Hinweis aus
der Fraktion der SPD, dass zu wenig über diese jungen Men-
schen bekannt sei, sei wichtig. Deren Situation müsse analy-
siert werden, bevor die richtigen Instrumente eingesetzt wer-
den könnten.
Es wird darauf hingewiesen, dass durch SGB III und SGB II
mit 7 Mrd. Euro mehr als je zuvor für die Förderung junger
Menschen vorhanden sei. Die Bundesagentur für Arbeit ha-
be zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft
und Arbeit ein Sonderprogramm zur Bekämpfung der Ju-
gendarbeitslosigkeit aufgestellt, um bis Ende 2005 die Dauer
der Arbeitslosigkeit auf unter drei Monate zu drücken. Dies
sei eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Gelinge dies nicht,
würden die Investitionen für den Ausgleich des Fachkräfte-
mangel wesentlich teurer als das derzeitige Engagement.
Berufsberatung sei wichtig, und Abgrenzungsprobleme zwi-
schen SGB II- und SGB III-Zuständigkeiten müssten gelöst
werden. Es dürfe nicht sein, dass keine Berufsberatung mehr
stattfinde. Gerade bei den Jugendlichen, die Anfang des Jah-
res in die Statistik aufgenommen worden seien, sei der Bera-
tungsbedarf besonders groß.
Beim Ausbildungspakt seien die Herausforderungen größer
als im letzten Jahr. Daher solle der Schnittstelle zwischen
Schule und Betrieb besondere Aufmerksamkeit geschenkt
werden. Das BMBF versuche mit seinen Möglichkeiten, die
Situation zu verbessern. Es trete auch an Betriebe ausländi-
scher Herkunft heran, die Ausbildungsplätze zur Verfügung
stellen könnten. Die Bereitschaft in derWirtschaft sei derzeit
groß. Bei allen Diskussionen dürfe aber nicht vergessen wer-
den, dass gemeinsam vereinbart worden sei, junge Men-
schen aus der Sozialhilfe herauszuholen und anspruchsbe-
rechtigt zu machen.

Berlin, den 20. April 2005
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Berichterstatter

Uwe Schummer
Berichterstatter

Grietje Bettin
Berichterstatterin

Ulrike Flach
Berichterstatterin

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.