BT-Drucksache 15/5578

Anliegen des Kommunen beim SGB II berücksichtigen

Vom 31. Mai 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5578
15. Wahlperiode 31. 05. 2005

Antrag
der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Karl-Josef Laumann, Dagmar Wöhrl,
Veronika Bellmann, Dr. Rolf Bietmann, Alexander Dobrindt, Dr. Hans-Peter
Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Dr. Michael Fuchs, Hans-Joachim Fuchtel,
Dr. Reinhard Göhner, Peter Götz, Kurt-Dieter Grill, Robert Hochbaum, Klaus
Hofbauer, Volker Kauder, Dr. Martina Krogmann, Dr. Herrmann Kues, Wolfgang
Meckelburg, Laurenz Meyer (Hamm), Dr. Joachim Pfeiffer, Ronald Pofalla,
Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber, Hartmut Schauerte, Johannes
Singhammer, Matthäus Strebl, Arnold Vaatz, Dr. Christoph Bergner, Otto
Bernhardt, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Jochen Borchert, Klaus Brähmig,
Dr. Ralf Brauksiepe, Verena Butalikakis, Gitta Connemann, Hubert Deittert,
Albrecht Feibel, Ingrid Fischbach, Thomas Dörflinger, Marie-Luise Dött, Maria
Eichhorn, Jochen-Konrad Fromme, Georg Girisch, Ralf Göbel, Reinhard Grindel,
Markus Grübel, Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg, Uda Carmen
Freia Heller, Ernst Hinsken, Dr. Egon Jüttner, Bernhard Kaster, Gerlinde Kaupa,
Jürgen Klimke, Julia Klöckner, Hartmut Koschyk, Barbara Lanzinger, Vera
Lengsfeld, Werner Lensing, Ursula Lietz, Stephan Mayer (Altötting), Dr. Michael
Meister, Doris Meyer (Tapfheim), Maria Michalk, Hans Michelbach, Klaus Minkel,
Dr. Gerd Müller, Hildegard Müller, Stefan Müller (Erlangen), Michaela Noll, Eduard
Oswald, Ulrich Petzold, Ruprecht Polenz, Klaus Riegert, Franz Romer, Kurt J.
Rossmanith, Dr. Christian Ruck, Anita Schäfer (Saalstadt), Dr. Ole Schröder,
Heinz Seiffert, Jens Spahn, Christian Freiherr von Stetten, Max Straubinger,
Antje Tillmann, Andrea Voßhoff, Peter Weiß (Emmendingen), Ingo Wellenreuther,
Klaus-Peter Willsch, Elke Wülfing, Willi Zylajew und der Fraktion der CDU/CSU

Anliegen der Kommunen beim SGB II berücksichtigen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Im Verantwortungsbereich der Bundesregierung ergeben sich beim Vollzug des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) folgende Probleme:

I. Benachteiligungen der Optionskommunen und der Kommunen ohne Arbeits-
gemeinschaften

Die Mitarbeiter der optierenden Kommunen und die Bediensteten in den Ar-
beitsgemeinschaften – sowohl diejenigen aus den Kommunen als auch diejeni-
gen der Arbeitsagenturen – arbeiten mit hohem Engagement an der Umsetzung
von Hartz IV in die Praxis. Die Zusammenarbeit der Bundesagentur für Arbeit

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mit den optierenden Kommunen ist hingegen nicht immer konstruktiv verlaufen,
was dem gewünschten fairen Wettbewerb zwischen optierenden Kommunen
und Arbeitsgemeinschaften nicht immer dienlich ist.
Im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit sehen sich die Optionskommunen mit
einem besonderen Praxisproblem konfrontiert: Oftmals melden Arbeitgeber
offene Stellen ausschließlich an die Bundesagentur für Arbeit. Im Regelfall
können die Optionskommunen zwar über den virtuellen Arbeitsmarkt auf diese
Angebote zugreifen, allerdings nur beschränkt, wenn diese anonymisiert sind.
Im Gegensatz zu den Mitarbeitern in den Agenturen für Arbeit ist es den Mit-
arbeitern der Optionskommunen nicht möglich zu erkennen, welcher potentielle
Arbeitgeber hinter einer solchen anonymisierten Offerte steht. Dies behindert
die Vermittlungstätigkeit der Optionskommunen beträchtlich und ist auch den
Betroffenen nicht erklärbar.
In Einzelfällen ist es im Rahmen der Berufsberatung und der Berufsorientierung,
die vollumfänglich in der Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit liegen,
darüber hinaus dazu gekommen, dass Jugendliche, die dem SGB II unterliegen,
an die Optionskommunen verwiesen wurden. Den Belangen jugendlicher Ar-
beitsloser als besonderer Problemgruppe wird dies nicht gerecht.
Schließlich gestaltet sich auch die Entrichtung der Beiträge für die Hilfeempfän-
ger an die Sozialversicherungsträger für alle Kommunen außerhalb von Arbeits-
gemeinschaften aufwendiger und schwerfälliger als für die Arbeitsverwaltung.
Im Rahmen eines fairen Wettbewerbs muss hier ein vergleichbar einfaches Ver-
fahren für die Kommunen etabliert werden.

II. Ungeklärte Zuständigkeiten
Das SGB II führt wegen der neuartigen Zusammenarbeit einer Bundesbehörde
mit kommunalen Selbstverwaltungsbehörden zu grundsätzlichen Schwierig-
keiten.
Nach wie vor besteht keine Klarheit über die Rechtsnatur der „Arbeitsgemein-
schaft“. Daraus ergeben sich Unklarheiten hinsichtlich der Führung und Leitung
von Arbeitsgemeinschaften. Zwar sind innerhalb der Arbeitsgemeinschaften die
Tätigkeitsfelder für kommunale Bedienstete und Mitarbeiter der Arbeitsagen-
turen grundsätzlich klar definiert. Zahlreiche Handlungsanweisungen, Anfragen
und Berichtspflichten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, die erhebliche
Ressourcen binden, wirken sich allerdings nicht nur mittelbar auch auf die kom-
munalen Beschäftigten in den Arbeitsgemeinschaften aus. Die Verbindlichkeit
solcher Anweisungen und Aufforderungen ist ebenso umstritten wie die haf-
tungsrechtlichen Folgen aus Anweisungen oder deren Nichtberücksichtigung.
Strittig ist auch die zentrale Frage, wer die Fach- und Rechtsaufsicht über die
Arbeitsgemeinschaften ausübt. Diesbezüglich vertreten Bund und Länder teil-
weise nicht vereinbare Auffassungen.
Darüber hinaus ist nach wie vor ungeklärt, ob die optierenden Kommunen als
Reha-Träger nach dem SGB IX fungieren. Hier ist sicherzustellen, dass im Sinne
eines fairen Wettbewerbs zwischen optierenden Kommunen und Arbeitsge-
meinschaften keine Ungleichbehandlung erfolgt.
Auch im Bereich der so genannten Aufstocker, also der Empfänger von Arbeits-
losengeld I, die ergänzend ALG-II-Leistungen beziehen, ist zu gewährleisten,
dass die Situation der Optionskommunen derjenigen der Arbeitsgemeinschaften
gleichgestellt ist. Gerade in diesem Gebiet darf es keine Unklarheiten darüber
geben, welche Maßnahmen aus Steuermitteln und welche aus Beitragsmitteln
der Arbeitslosenversichertengemeinschaft zu finanzieren sind. Ferner ist zu
betonen, dass für bestimmte Instrumente des SGB III für diesen Kundenkreis
neben den Optionskommunen auch die Agentur für Arbeit zuständig bleibt.

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III. Fehlende Transparenz und Effizienzkontrolle
Ein erhebliches Problem liegt im Bereich Kommunikations- und Informati-
onstechnik. Die zentral von der Bundesagentur für Arbeit in Auftrag gegebene
und der Verwaltung zur Verfügung gestellte Software A2LL stellt vor Ort auf-
grund der umfassendenDefizite des Programms vielfach eher einen Teil des Pro-
blems als ein Mittel zur Lösung dar.
Aufgrund unzureichender Möglichkeiten des Programms zur Auswertung der
bearbeiteten Fälle werden Aufsicht, Revision und Kontrolle des SGB-II-Voll-
zugs erheblich erschwert. Insbesondere die Arbeitsgemeinschaften sehen sich
arbeitsintensiven Berichts- und Statistikpflichten an die Bundesagentur für Ar-
beit gegenüber, denen sie aufgrund der angesprochenen fehlenden technischen
Möglichkeiten teilweise händisch nachkommen müssen. Dies führt zu erheb-
lichen Belastungen. Auch haben die ungenügenden Auswertungsmöglichkeiten
zur Folge, dass in den Kommunen vor Ort oder in den Arbeitsgemeinschaften
selbst keine Analysen möglich sind. Dadurch entsteht ein Informationsmonopol
für die Bundesagentur für Arbeit, das angesichts der Weisungsgebundenheit
gegenüber dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Bezug auf die
Überprüfung der Bundesbeteiligung an den Unterkunftskosten und hinsichtlich
der Kontrolle der Tätigkeit der Bundesagentur problematisch ist.
Kommunale Bedienstete können wegen bestehender Hard- und Softwarepro-
bleme und verweigerter Berechtigungen nicht oder nur erschwert auf alle für die
Bearbeitung erforderlichen Instrumente und Informationen zugreifen. Hierdurch
entstehen erhebliche Zeitverluste, die über die damit verbundenen Ineffizienzen
auch zu unnötig langen Wartezeiten bei den Kunden führen.
Aufgrund der mangelnden Datenauswertungsmöglichkeiten vor Ort ist die ört-
liche Kontrolle der Arbeitsgemeinschaftsarbeit ebenso wenig möglich wie eine
solide, datenbasierte örtliche Planung der zu erwartenden Ausgaben für die Un-
terkunftskosten. Im Ergebnis führt dies zu einer Aushöhlung der kommunalen
Selbstverwaltung.
Die Bundesagentur für Arbeit muss umgehend die von den Optionskommunen
gemeldeten Arbeitslosenzahlen in die amtliche Statistik einbeziehen und darf
sich nicht auf EDV-Probleme berufen.
IV. Ungerechte Verteilung der kommunalen Entlastung
Die vorgesehene kommunale Entlastung in Höhe von 2,5 Mrd. Euro wurde im
SGB II festgeschrieben und ist als solche grundsätzlich begrüßenswert.
Im Rahmen der durchzuführenden Revision ist darauf zu achten, dass diese auf
der Grundlage gesicherter Zahlen erfolgt, die von Bund, Ländern und Kommu-
nen einvernehmlich zu ermitteln sind. Sofern sich bei der Revision Verwerfun-
gen dergestalt ergeben, dass es in einzelnen Kommunen anstelle der angestreb-
ten Entlastung zu Belastungen kommt, ist ein Modell zu entwickeln, das dieses
Problem beseitigt. Dies gilt insbesondere für solche Kommunen, die sich wegen
überdurchschnittlich hoher Unterkunftskosten und/oder wegen eines überpro-
portional hohen Verhältnisses von bisherigen Arbeitslosenhilfe- zu Sozialhilfe-
empfängern deutlich gesteigerten Ausgaben gegenübersehen. Es ist zu befürch-
ten, dass eine nur auf Bundesebene ansetzende Betrachtung der kommunalen
Entlastung diesen Konstellationen nicht gerecht wird. Die angestrebte kommu-
nale Entlastung und deren Verteilung sind transparent zu gestalten.
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die bestehende Benachteiligung von Kommunen zu beseitigen, insbesondere

einen fairen Wettbewerb zwischen optierenden Kommunen und Arbeits-
gemeinschaften sicherzustellen und hierbei die unter Ziffer I genannten Pro-
bleme besonders im Blick zu haben;

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2. die unter Ziffer II beschriebenen Grundsatzprobleme im SGB II im Einver-
nehmen mit den Ländern und Kommunen zu lösen, insbesondere die Zustän-
digkeitsverteilung im Bereich Rehabilitation, die Frage der Betreuung so ge-
nannter Aufstocker, die Klärung der strittigen Fragen zur Rechtsnatur der Ar-
beitsgemeinschaft und der daraus resultierenden Fragen zur Personalhoheit,
Rechts- und Fachaufsicht, Leitung und Haftung;

3. darauf hinzuwirken, dass die zentrale technische Kommunikation und In-
formationstechnik den Erfordernissen angepasst ist, um Zeitverluste und
Ineffizienzen bei Aufsicht, Revision und Kontrolle des SGB-II-Vollzugs zu
vermeiden;

4. die erhobenen Daten den jeweiligen Kommunen vor Ort zugänglich zu ma-
chen, um dadurch Transparenz und Effizienzkontrolle vor Ort zu schaffen
und Planungssicherheit zu ermöglichen, sowie die von den Kommunen ge-
meldeten Arbeitslosenzahlen in die amtliche Statistik aufzunehmen;

5. die kommunale Entlastung in Höhe von 2,5 Mrd. Euro im Rahmen der Revi-
sion sicherzustellen und zu prüfen, inwieweit durch eine Regionalisierung
derzeit entstehende Ungleichgewichte in der Verteilung von Be- und Entlas-
tungen auf der kommunalen Ebene ausgeglichen werden können.

Berlin, den 31. Mai 2005
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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