BT-Drucksache 15/5497

Internet-Telefonie (Voice over IP) in Deutschland

Vom 10. Mai 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5497
15. Wahlperiode 10. 05. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Martina Krogmann, Karl-Josef Laumann, Dagmar Wöhrl,
Veronika Bellmann, Dr. Rolf Bietmann, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Alexander
Dobrindt, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Dr. Michael Fuchs,
Hans-Joachim Fuchtel, Dr. Reinhard Göhner, Kurt-Dieter Grill, Ernst Hinsken,
Robert Hochbaum, Dr. Hermann Kues, Wolfgang Meckelburg, Laurenz Meyer
(Hamm), Dr. Joachim Pfeiffer, Ronald Pofalla, Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz
Riesenhuber, Franz Romer, Kurt J. Rossmanith, Hartmut Schauerte, Johannes
Singhammer, Matthäus Strebl und der Fraktion der CDU/CSU

Internet-Telefonie (Voice over IP) in Deutschland

Die Internet-Telefonie – Voice over IP (VoIP) – steht in Deutschland vor dem
Durchbruch zum Massenmarkt. VoIP ist eine Technologie, bei der beim Tele-
fonieren die Sprache in Datenpakete konvertiert und dann über IP-basierte
Netzwerke wie das Internet transportiert wird. Telefonieren wird damit zu einer
Internetanwendung wie Email oder Filesharing und setzt auf derselben Infra-
struktur auf. Anbieter und Kunden profitieren dabei in erster Linie von niedri-
geren Kosten, da paketbasierte Übermittlung inhärente Effizienzvorteile gegen-
über dem klassischen Telefonieren bietet. Im herkömmlichen Festnetz wird für
die Dauer eines Telefonats eine direkte Leitungsverbindung zwischen den Teil-
nehmern geschaltet und ist damit besetzt. Bei VoIP hingegen werden nur dann
Datenpakete versandt, wenn wirklich gesprochen wird, so dass die vorhande-
nen Netzwerkkapazitäten der Unternehmen sehr viel ökonomischer genutzt
werden können. Besonders Fern- und Auslandsgespräche werden so für den
Verbraucher weitaus günstiger. In den Backbone-Netzen der Telekommunikati-
ons-Betreiber und in unternehmensinternen Netzwerken wird VoIP-Technolo-
gie aus diesem Grund seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Außerdem ermöglicht
die Konvergenz von Sprach- und Datendiensten durch Integration mit den po-
pulären Computer-Benutzeroberflächen eine Vielzahl neuartiger Kommunikati-
onsdienste wie z. B. Unified Messaging oder Video-Telefonie.
Hinzu kommt, dass eine positive Korrelation zwischen der Verfügbarkeit von
attraktiven VoIP-Angeboten und der Zunahme der Breitbandpenetration be-
steht. Für die optimale Nutzung von VoIP ist wegen der Sprachqualität DSL
oder ein vergleichbar schneller Breitbandzugang zum Internet notwendig. VoIP
gilt daher als eine Anwendung, die der Nachfrage für breitbandige Internet-
anschlüsse wichtige zusätzliche Impulse geben könnte. Für den Standort
Deutschland ist ein zügiger Ausbau der Breitbandinfrastruktur unabdingbar.
Mit nur 17 Prozent aller Haushalte, die über einen Breitbandanschluss verfü-
gen, liegt Deutschland im internationalen Vergleich nur im unteren Mittelfeld.
Mit den Rahmenbedingungen von VoIP werden gleichsam die Weichen für die
nächste Etappe auf dem Weg in eine leistungsfähige Informationsgesellschaft

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gestellt: Der große Trend heißt „All over IP“. Die Kommunikationsinfrastruk-
tur der nahen Zukunft werden die „Next Generation Networks“ sein. Hinter
diesem Konzept verbergen sich paketbasierte Netze wie das Internet, in denen
es jedoch zusätzlich möglich ist, die Dienstgüte für den Datentransport („Qua-
lity of Service“) zu verhandeln und während der Verbindung sicherzustellen.
Damit wird es möglich, praktisch alle heute bekannten Möglichkeiten der Fern-
kommunikation über IP-Netze abzuwickeln. Auch Echtzeitanwendungen wie
Telefonie oder Fernsehübertragungen werden so in abgesicherter Qualität mög-
lich. VoIP nimmt in diesem Bereich eine Vorreiterrolle ein. Wichtig ist, dass
nicht durch Blockade oder Behinderung dieser Schlüsseltechnologie gravie-
rende Wettbewerbsnachteile für Deutschland verursacht werden.
Die für Telekommunikation zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding
äußerte sich jüngst gegenüber der Presse besorgt über die Rahmenbedingungen
in Deutschland („Brüssel greift deutschen Regulierer an“, Handelsblatt vom
11. Februar 2005). Sie warf dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
(BMWA) vor, einen sehr konservativen Ansatz zu verfolgen und die rasche
Entwicklung von VoIP durch zu viele Auflagen zu behindern. Laut Viviane Re-
ding sei die dem BMWA unterstellte Regulierungsbehörde für Telekommunika-
tion und Post (RegTP) die restriktivste Regulierungsbehörde der EU. Die EU-
Kommission hingegen verfolgt eine liberale Strategie und tritt für offene
Märkte und fairen Wettbewerb ein, um die Internet-Telefonie möglichst schnell
zu verbreiten. Bis zunächst 2006 ist VoIP deshalb von den Verpflichtungen der
europäischen Rahmengesetzgebung für Telekommunikation ausgenommen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welchen Marktanteil hat VoIP in Deutschland, sowohl bei Firmennetzen

als auch im Massenmarkt?
2. Wie schätzt die Bundesregierung die Entwicklung des zukünftigen Markt-

anteils von VoIP in Deutschland ein?
3. Welchen Marktanteil hat VoIP in den anderen EU-Ländern, aufgeteilt nach

Firmen- und Privatkunden?
4. Wie beurteilt die Bundesregierung die Verbreitung von VoIP in Deutsch-

land im Vergleich zu anderen EU- und OECD-Ländern?
5. Wie wird sich aus Sicht der Bundesregierung die Internet-Telefonie in den

nächsten Jahren entwickeln, sowohl bei Firmen als auch im Massenmarkt?
6. Worin sieht die Bundesregierung die Chancen von VoIP?
7. Erwartet die Bundesregierung durch VoIP eine verstärkte Nachfrage nach

Breitbandanschlüssen?
8. Wie beurteilt die Bundesregierung den momentanen Stand des Ausbaus der

Breitbandinfrastruktur in Deutschland?
9. Wie schätzt die Bundesregierung das Potential von VoIP als Impulsgeber

für die Nachfrage nach breitbandigen Internetanschlüssen ein?
10. Wie schätzt die Bundesregierung das wirtschaftliche Potential von VoIP-

Technologie insgesamt ein?
Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der OECD, dass VoIP die Ba-
sis für eine Vielzahl neuer Anwendungen werden wird und Sprachdienste
nur der Anfang sind?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5497

11. Welche anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chancen sieht die
Bundesregierung in VoIP?

12. Von welchen Rahmenbedingungen wird die Nutzbarmachung dieses Poten-
tials nach Ansicht der Bundesregierung gefördert bzw. beeinträchtigt?

13. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung durch VoIP für das
Festnetz und für den Mobilfunk?

14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wettbewerbsbedingungen bei den
breitbandigen Vorleistungsprodukten für VoIP in Deutschland?

15. Wie beurteilt die Bundesregierung die obig zitierten Äußerungen der EU-
Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien, Viviane Reding, zu
den Rahmenbedingungen in Deutschland und zur Tätigkeit der RegTP
(Handelsblatt vom 11. Februar 2005)?

16. Wie steht die Bundesregierung der Position der EU-Kommission gegen-
über, die Verbreitung von VoIP durch Herausnahme aus den europäischen
Rahmengesetzen für Telekommunikation zu fördern?

17. Welche Regulierungserfahrungen aus anderen Staaten sind der Bundesre-
gierung bekannt?
Wie beurteilt die Bundesregierung diese?

18. Sieht die Bundesregierung durch die unterschiedliche Behandlung der
Internet-Telefonie durch die einzelnen nationalen Regulierungsbehörden
die Möglichkeit, dass dadurch Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU
entstehen?

19. Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um der Gefahr solcher
Wettbewerbsverzerrungen zu begegnen?

20. Wie gedenkt die Bundesregierung in Antizipation eines europäischen
Rechtsrahmens für VoIP, der 2006 oder zu einem späteren Zeitpunkt kom-
men wird, den deutschen VoIP-Markt auf diese Umstellung vorzubereiten?

21. Welche Forderungen hat die Bundesregierung an die konkrete Ausgestal-
tung dieses europäischen Rechtsrahmens für die Internet-Telefonie?

22. Welche Auswirkungen erwartet die Bundesregierung von der Einführung
dieser gemeinsamen Rahmenbedingungen auf die deutschen Telekommu-
nikations-Anbieter?

23. Welche Auswirkungen auf Verbraucher und Telekommunikations-Anbieter
befürchtet die Bundesregierung, wenn VoIP keiner Regulierung unter-
worfen werden sollte?

24. Ist VoIP aus Sicht der Bundesregierung ein neuartiger Dienst oder bloßes
Substitut der herkömmlichen Festnetztelefonie?

25. Hält die Bundesregierung die gesetzlichen Rahmenbedingungen für öffent-
lich zugängliche Telefondienste (Universaldienstleistungsverpflichtung,
Zugang zu Notrufdiensten, Möglichkeit der Überwachung etc.) angesichts
der rasanten technischen Fortschritte in der Telekommunikationstechnik
(Mobilfunk, GPS, Verschlüsselung etc.) für zukunftstauglich?

26. Unter welchen Bedingungen soll nach Auffassung der Bundesregierung
die Universaldienstleistungsverpflichtung nach dem Telekommunikations-
gesetz (TKG) auch für VoIP-Dienste gelten?

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27. Wie steht die Bundesregierung der Regulierung von Datenübertragung im
Internet gegenüber?

28. Welche Schlussfolgerungen erwartet die Bundesregierung von den Regu-
lierungsentscheidungen zu VoIP auf die Regulierung von Datentransfer in
IP-Netzen im Allgemeinen?

29. Hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang eine fachlich fundierte
Abschätzung der lang- und mittelfristigen Auswirkungen einer potentiellen
Regulierung von VoIP vorgenommen?
Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

30. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zwangsbündelung von breitbandi-
gem Internetzugang und Telefonanschluss?

31. Welche Probleme sieht die Bundesregierung bei der Nutzung von Notruf-
diensten über VoIP?

32. Wie müsste nach Einschätzung der Bundesregierung das bestehende Sys-
tem der Notrufleitstellen modifiziert werden, damit auch mit VoIP eine
Notruffunktionalität gewährleistet werden kann?

33. Wie beurteilt die Bundesregierung Praktikabilität, Zukunft und Relevanz
des Ortsnetzbezugs vor dem Hintergrund globaler Adressierbarkeit mit
IPv6 und Verzeichnisdiensten wie ENUM?

34. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob die Diskussion um
Nummerierungsfragen in Deutschland die technische Entwicklung in der
Bundesrepublik Deutschland behindert?

35. Wenn ja, welche?
36. Welche Rahmenbedingungen müssen nach Auffassung der Bundesregie-

rung bei den Nummerierungsfragen erfüllt sein, um die internationale
Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu gewährleisten?

37. Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeiten von VoIP-Anbietern,
durch proprietäre technische Standards bei Hard- und Software Marktein-
trittsbarrieren zu errichten, und wie soll dagegen vorgegangen werden?

38. Welche neuen Möglichkeiten zur Bündelung von Diensten sieht die Bun-
desregierung angesichts der zunehmenden Konvergenz?
Besteht die Gefahr der Monopolbildung auf den Märkten für VoIP?

39. Sieht die Bundesregierung auch in Zukunft ein Nebeneinander von ver-
schiedenen Netzen und Diensten zur Datenübertragung (Telefon, Mobil-
funk, Radio, Fernsehen etc.) oder erwartet sie eine Konvergenz auf eine
gemeinsame technische Basis („All over IP“)?

40. Wie beurteilt die Bundesregierung diese Konvergenz und welche gesell-
schaftlichen und wirtschaftlichen Folgen werden daraus erwartet?
Welche Herausforderungen an die Politik sind mit dieser Entwicklung ver-
bunden?

41. Welche Strategie verfolgt die Bundesregierung bezüglich zukünftiger
Kommunikationsnetze, wie z. B. „Next Generation Networks“?

42. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung im Falle von VoIP der Ruf-
nummernvergabe und Rufnummernveröffentlichung in Verzeichnissen
bei?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5497

43. Plant die Bundesregierung, Teilnehmer, die nur über VoIP kommunizieren,
in Verzeichnisse aufzunehmen?

44. Ist der Bundesregierung das Problem „Spam over Internet Telephony“
(SPIT) bekannt?

45. Wenn ja, welche Maßnahmen plant die Bundesregierung gegen SPIT?

Berlin, den 10. Mai 2005
Dr. Martina Krogmann
Karl-Josef Laumann
Dagmar Wöhrl
Veronika Bellmann
Dr. Rolf Bietmann
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Alexander Dobrindt
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Reinhard Göhner
Kurt-Dieter Grill
Ernst Hinsken
Robert Hochbaum
Dr. Hermann Kues
Wolfgang Meckelburg
Laurenz Meyer (Hamm)
Dr. Joachim Pfeiffer
Ronald Pofalla
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Hartmut Schauerte
Johannes Singhammer
Matthäus Strebl
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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