BT-Drucksache 15/535

Für Menschenrechte weltweit eintreten - die internationalen Menschenrechts-schutzinstrumentarien stärken

Vom 11. März 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/535
15. Wahlperiode 11. 03. 2003

Antrag
der Abgeordneten Hermann Gröhe, Rainer Eppelmann, Holger Haibach,
Dr. Egon Jüttner, Irmgard Karwatzki, Melanie Oßwald, Daniela Raab,
Hubert Hüppe, Julia Klöckner, Werner Lensing, Albert Rupprecht (Weiden),
Dr. Wolfgang Schäuble, Arnold Vaatz, Antje Blumenthal, Dr. Maria Böhmer,
Maria Eichhorn, Thomas Dörflinger, Ingrid Fischbach, Markus Grübel, Kristina
Köhler (Wiesbaden), Walter Link (Diepholz), Michaela Noll, Rita Pawelski,
Hannelore Roedel, Andreas Scheuer, Willi Zylajew und der Fraktion der CDU/CSU

Für Menschenrechte weltweit eintreten – die internationalen
Menschenrechtsschutzinstrumentarien stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die 59. Sitzung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen, die
vom 17. März bis 25. April 2003 in Genf stattfindet, steht vor großen Heraus-
forderungen. Bereits die 58. Tagung der Menschenrechtskommission war in
erheblichem Umfang von Konfrontation geprägt. Fragwürdige Blockbildungen
und Solidarisierungen mit Staaten, denen zu Recht schwere Menschenrechts-
verletzungen vorgeworfen werden, führten dazu, dass bestimmte Länderresolu-
tionen gar nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt oder abgelehnt wurden. Ge-
rade die zunehmende Tendenz, die Debatte über bestimmte Länderresolutionen
erst gar nicht zuzulassen, stellt das Funktionieren der Arbeit der Menschen-
rechtskommission insgesamt in Frage. Hinzu kommen nicht akzeptable Versu-
che, die unverzichtbare Mitwirkung der Nichtregierungsorganisationen z. B.
durch die Verkürzung der Sitzungszeiten massiv zu beschneiden oder die Mög-
lichkeiten des VN-Hochkommissars für Menschenrechte Dr. Sergio Vieira de
Mello zu beschränken. Gerade er benötigt daher die deutliche Unterstützung
der Mitgliedstaaten der VN-Menschenrechtskommission, in denen Demokratie
und Menschenrechte gewährleistet sind.
Beschädigt wird die Glaubwürdigkeit der VN-Menschenrechtspolitik auch
durch die Tatsache, dass die diesjährige Tagung mit Libyen von einem Land
geleitet wird, das sich selbst schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig
macht. In Libyen sind grundlegende Freiheitsrechte wie beispielsweise die
Meinungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkt; mit dem Verbot der Bildung
von politischen Parteien verstößt das Land gegen grundlegende politische
Mitwirkungsrechte. Der Deutsche Bundestag bedauert daher, dass sich die
Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei der Wahl Libyens zum Vorsitz der
Menschenrechtskommission enthalten haben.
Die Abwehr aller Versuche, die internationalen Mechanismen zum Schutz der
Menschenrechte zu schwächen, kann sich nicht auf einzelne Menschenrechte
und bestimmte Länder beschränken. Zunehmend ist festzustellen, dass die

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völkerrechtlich verankerten Menschenrechte wie die entsprechenden Schutz-
mechanismen insgesamt als Ausdruck angeblichen westlichen Hegemoniestre-
bens bezeichnet und daher abgelehnt oder im Namen eines „asiatischen“ oder
„islamischen“ Menschenrechtsverständnisses relativiert werden. Die Bundesre-
publik Deutschland wie die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind daher
aufgefordert, in Abstimmung insbesondere mit den ihr Werteverständnis teilen-
den Partnern über einzelne Fragestellungen hinaus immer wieder deutlich zu
machen, dass für uns die den Menschenrechtspakten zugrunde liegende Über-
zeugung von der Universalität und der Unteilbarkeit der Menschenrechte
unaufgebbar ist. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass auch lateinamerika-
nische Mitgliedstaaten diese Grundposition teilen; für diese gilt es, auch wei-
tere Bündnispartner zu finden.
Das Bekenntnis zur Unteilbarkeit der Menschenrechte gebietet es, unmissver-
ständlich deutlich zu machen, dass das Bemühen um die Verwirklichung der
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nicht als Rechtfertigung für
die Einschränkungen der bürgerlichen und politischen Freiheitsrechte miss-
braucht werden darf. Nachdem die Bundesrepublik Deutschland in den letzten
Jahren wichtige und begrüßenswerte Beiträge im Bereich der wirtschaftlichen
und sozialen Menschenrechte geleistet hat, sollte sie in Ergänzung zu diesem
Engagement zukünftig in besonderer Weise auf bedrohte Freiheitsrechte hin-
weisen und den entsprechenden Menschenrechtsverletzungen entgegentreten.
Dies gilt z. B. für die im Zusammenhang mit vielen inner- und zwischenstaat-
lichen Konflikten massiv eingeschränkte Meinungs- und Pressefreiheit. Zudem
sollte der Einsatz für die Religionsfreiheit zu einem Markenzeichen der deut-
schen und europäischen Menschenrechtspolitik werden, zeigt sich die Totalität
politischer oder religiös-politischer Herrschaftsansprüche doch gerade bei Ein-
schränkungen der Glaubens- und Religionsfreiheit.
Ein glaubwürdiges Eintreten für den internationalen Menschenrechtsschutz
setzt die Bereitschaft der demokratischen Rechtsstaaten voraus, offen auch über
eigene Defizite zu sprechen und die Empfehlungen der VN-Gremien ernst zu
nehmen.
Gerade im Hinblick auf den Menschenrechtsdialog mit islamischen Staaten ist
eine glaubwürdige Position zu den Menschenrechtsverletzungen im Nahen
Osten erforderlich. Menschenrechtsverletzungen können nicht hingenommen
werden, unabhängig davon, wer für die Menschenrechtsverletzungen und ihre
unzureichende Verfolgung verantwortlich ist.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– an einer gemeinsamen Strategie der westlichen Demokratien, insbesondere

der Mitgliedstaaten der EU und der Vereinigten Staaten von Amerika, mit-
zuwirken, die auf die klare Benennung von Menschenrechtsverletzungen in
Resolutionen und Chairman’s Statements zielt und die frühzeitig und beharr-
lich bei anderen Mitgliedstaaten um eine entsprechende Unterstützung
wirbt;

– dafür einzutreten, dass die Resolutionen und Chairman’s Statements umge-
setzt, in die Menschenrechtspolitik der Europäischen Union übernommen
werden und somit Grundlage in den bilateralen Beziehungen sowie in den
Beziehungen der EU zu den betreffenden Staaten bilden;

– darauf hinzuwirken, dass alle Staaten ihren Menschenrechtsverpflichtungen
nachkommen, VN-Überwachungsmechanismen zulassen und mit den Son-
derberichterstattern zusammenarbeiten;

– den Irak in einer Resolution für die schweren Menschenrechtsverletzungen
– wie extralegale Hinrichtungen, politische Morde, Langzeithaft ohne An-

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klage oder Gerichtsverfahren, grob unfaire Gerichtsverfahren, systematische
Anwendung von Folter, Auspeitschungen und Amputationen, extensive Ver-
hängung der Todesstrafe – zu verurteilen;

– für eine Resolution einzutreten, in der Nordkorea für die massive Unter-
drückung von Religions- und Meinungsfreiheit, Misshandlungen und Folter
in Arbeitslagern und Lagern für aus China abgeschobene Flüchtlinge sowie
öffentliche Hinrichtungen verurteilt und aufgefordert wird, internationalen
Organisationen Zugang zu Hafteinrichtungen zu gewähren;

– mit den westlichen Partnerstaaten eine gemeinsame Strategie zu entwickeln
mit dem Ziel einer Resolution, in der die erhebliche Unterdrückung der Frei-
heits- und Bürgerrechte in der VR China und insbesondere die Menschen-
rechtsverletzungen in Tibet und Xinjiang klar benannt werden und in der
China aufgefordert wird, die von Peking unterzeichneten VN-Menschen-
rechtspakte einzuhalten;

– sich dafür einzusetzen, dass die drastischen Einschränkungen der Grundfrei-
heiten, die brutale Unterdrückung der Opposition und gewaltsame Enteig-
nungen durch das diktatorische Regime in Simbabwe in einer Resolution
verurteilt werden, und darauf zu drängen, dass die von Simbabwe ratifizier-
ten internationalen Menschenrechtsabkommen eingehalten werden;

– darauf hinzuwirken, dass in einer Resolution der mit schweren Menschen-
rechtsverletzungen einhergehende Bürgerkrieg in Tschetschenien thema-
tisiert, auch der tschetschenische Terror verurteilt und die russische Regie-
rung zu einer politischen Lösung unter Mitwirkung internationaler Hilfe ge-
drängt wird;

– dafür einzutreten, dass in einer Resolution die gravierenden Einschränkun-
gen der Grund- und Bürgerrechte in Kuba, vor allem der Meinungs- und Ver-
sammlungsfreiheit, benannt werden und darauf gedrängt wird, dass Kuba
seine Gesetze mit internationalen Standards in Einklang bringt;

– eine eindeutige Stellungnahme zur Lage der Menschenrechte in Saudi-Ara-
bien abzugeben, in der insbesondere die Folterungen in der Haft, Auspeit-
schungen von Jugendlichen, die Diskriminierung der Frauen sowie die
Unterdrückung der Religionsfreiheit verurteilt werden und in der Saudi-
Arabien aufgefordert wird, den grundlegenden internationalen Menschen-
rechtspakten beizutreten;

– sich zusammen mit der westlichen Staatengruppe für eine Resolution einzu-
setzen, in der die Menschenrechtsverletzungen im Iran, vor allem die Unter-
drückung von Meinungs- und Glaubensfreiheit, Hinrichtungen und Aus-
peitschungen sowie die Inhaftierung von gewaltlosen politischen Gefange-
nen, klar benannt werden;

– darauf hinzuwirken, dass die Verfolgung von religiösen und ethnischen Min-
derheiten, unfaire Gerichtsverfahren sowie unmenschliche Haftbedingungen
und die Verhängung der Todesstrafe in Vietnam in einer Resolution verur-
teilt werden;

– Gewaltverbrechen an Kindern, wie sie sich beispielsweise in der Ermordung
von Straßenkindern in verschiedenen mittel- und südamerikanischen Län-
dern zeigen, zu thematisieren und auf die Aufklärung dieser Mordfälle sowie
die Verurteilung der Täter zu drängen, wie dies beispielsweise auch im Be-
richt der VN-Sonderberichterstatterin über außergerichtliche, willkürliche
und Massenhinrichtungen, Asma Jahangir, für Honduras gefordert wird;

– Menschenrechtsverletzungen an Kindern – insbesondere Kinderprostitution,
ausbeuterische Kinderarbeit und Kindersoldaten – als Schwerpunkt der eige-
nen Menschenrechtspolitik deutlich zu machen;

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– Menschenrechtsverletzungen an Frauen – vor allem Frauenhandel, Genital-
verstümmelung, Schandemorde, fehlender oder massiv eingeschränkter Zu-
gang zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen – bei allen entsprechenden
Aktivitäten eindeutig zu thematisieren;

– sich dafür einzusetzen, dass der Schutz indigener Völker verstärkt in Resolu-
tionen Beachtung findet, und die Arbeit des „Ständigen Forums für Indigene
Belange“ der Vereinten Nationen (PFII), der VN-Arbeitsgruppe Indigene
Völker (UNWGIP) sowie den entsprechenden VN-Sonderberichterstatter,
Rodolfo Stavenhagen, nachdrücklich zu unterstützen;

– sich mit den EU-Staaten dafür einzusetzen, dass eine Resolution zur Ab-
schaffung der Todesstrafe und zum Moratorium für Hinrichtungen in allen
Staaten eingebracht wird und darin insbesondere die besonders grausame
Hinrichtung durch Steinigung verurteilt wird;

– die schwierige Lage der Menschenrechtsverteidiger in vielen Ländern deut-
lich anzusprechen und sich für eine Erneuerung des Mandats der VN-Son-
derberichterstatterin für Menschenrechtsverteidiger, Hina Jilani, einzuset-
zen;

– sich in einer Resolution dafür einzusetzen, dass die Mitglieder der Vereinten
Nationen dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs bei-
treten;

– Versuchen einzelner Staaten, die Aktivitäten der Nichtregierungsorganisati-
onen einzuschränken, eine strikte Absage zu erteilen;

– das Eintreten für Religions- und Glaubensfreiheit in Wortbeiträgen als Mar-
kenzeichen deutscher Menschenrechtspolitik zu verdeutlichen und darauf
hinzuwirken, dass Einschränkungen von Glaubensfreiheit in Resolutionen
und Chairman’s Statements ausdrücklich benannt werden;

– darauf hinzuwirken, dass in allen Resolutionen und Chairman’s Statements
die Gewährung und Einhaltung von Presse- und Meinungsfreiheit aufge-
nommen wird;

– dafür einzutreten, dass dem Thema Menschenrechtserziehung eine größere
Bedeutung eingeräumt wird.

Berlin, den 11. März 2003
Hermann Gröhe
Rainer Eppelmann
Holger Haibach
Dr. Egon Jüttner
Irmgard Karwatzki
Melanie Oßwald
Daniela Raab
Hubert Hüppe
Julia Klöckner
Werner Lensing
Albert Rupprecht (Weiden)
Dr. Wolfgang Schäuble
Arnold Vaatz

Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Maria Eichhorn
Thomas Dörflinger
Ingrid Fischbach
Markus Grübel
Kristina Köhler (Wiesbaden)
Walter Link (Diepholz)
Michaela Noll
Rita Pawelski
Hannelore Roedel
Andreas Scheuer
Willi Zylajew

Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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