BT-Drucksache 15/5298

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 24. bis 28. Januar 2005 in Straßburg

Vom 12. April 2005


I. Teilnehmer
Der Deutschen Delegation gehörten folgende Mitglieder
an:
– Abg. Rudolf Bindig (SPD), Leiter der Delegation,
– Abg. Eduard Lintner (CDU/CSU), stellvertretender

Leiter der Delegation,
– Abg. Ulrich Adam (CDU/CSU),
– Abg. Hubert Deittert (CDU/CSU),
– Abg. Klaus-Jürgen Hedrich (CDU/CSU),
– Abg. Gerd Höfer (SPD),
– Abg. Joachim Hörster (CDU/CSU),
– Abg. Jelena Hoffmann (SPD),

deutschen Delegation, Abg. Rudolf Bindig (SPD), wurde
in seinem Amt als Vizepräsident der Versammlung bestä-
tigt.
Den Bericht des Ministerkomitees trug der Vertreter des
Vorsitzes des Ministerkomitees und stellvertretende Au-
ßenminister Polens, Jan Truszczyński, vor. Zu der Ver-
sammlung sprachen weiterhin der neu gewählte Präsident
der Ukraine, Viktor Juschtschenko, der Präsident von
Georgien, Michail Saakaschwili, der Außenminister von
Frankreich, Michel Barnier, der Präsident der Parlamen-
tarischen Versammlung der OSZE, Alcee L. Hastings,
der Ombudsmann im Kosovo, Marek Antoni Nowicki,
und die Leiterin des UNO-Büros für die Koordination hu-
manitärer Hilfseinsätze der Vereinten Nationen, Yvette
Stevens.
An der Tagung nahmen Parlamentarier aus 46 Mitglied-
Deutscher Bundestag Drucksache 15/5298
15. Wahlperiode 12. 04. 2005

Unterrichtung
durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates

Tagung der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates vom 24. bis 28. Januar 2005 in Straßburg

I n h a l t s v e r z e i c h n i s
Seite

I. Teilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
II. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
III. Schwerpunkte der Beratungen . . . . . . . . 2
IV. Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1. Entschließungen und Empfehlungen . . . . . 6
2. Redebeiträge deutscher Parlamentarier . . . . 46
3. Mitgliedsländer und Funktionsträger . . . . . 56

– Abg. Walter Riester (SPD),
– Abg. Dr. Hermann Scheer (SPD),
– Abg. Bernd Siebert (CDU/CSU),
– Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD).
II. Zusammenfassung
Die Entschließungen und Empfehlungen sind ebenso wie
die Reden und Fragen der Mitglieder der Delegation der
Bundesrepublik Deutschland im Anhang im Wortlaut ab-
gedruckt.
Zu Beginn der Tagung wurde der niederländische Abge-
ordnete René van der Linden als neuer Präsident der Par-
lamentarischen Versammlung gewählt. Der Leiter der
– Abg. Renate Jäger (SPD),
– Abg. Klaus-Werner Jonas (SPD),
– Abg. Peter Letzgus (CDU/CSU),
– Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP),
– Abg. Helmut Rauber (CDU/CSU),

staaten des Europarates sowie Beobachter aus Israel, Ka-
nada und Mexiko teil.
In zwei Dringlichkeitsdebatten beriet die Versammlung
über die Perspektiven für den Frieden im Nahen Osten
und die Tsunami-Katastrophe. Viel Beachtung fanden der
Bericht zu den Umständen bei der Festnahme und

Drucksache 15/5298 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Strafverfolgung von führenden Yukos-Verantwortlichen
und die Debatte zum geplanten Dritten Gipfel der Staats-
und Regierungschefs im Mai 2005 in Warschau. Die Ver-
sammlung beschäftigte sich auch mit einem Bericht über
gentechnisch veränderte Organismen sowie mit dem
Schutz der Menschenrechte im Kosovo. In einer sehr
kontrovers geführten Debatte erörterten die Delegierten
das Für und Wider der Gründung eines Europäischen Ge-
denkzentrums für die Opfer von Zwangsvertreibungen
und ethnischer Säuberungen. Des weiteren wurde der Be-
richt des Monitoringausschusses zur Einhaltung der
Pflichten und Verpflichtungen von Georgien vorgestellt,
der Konflikt in der Region Nagorno Karabach diskutiert
und eine Stellungnahme zum Entwurf eines Übereinkom-
mens über das Vorgehen gegen Menschenhandel gegen-
über dem Ministerkomitee abgegeben. Die Delegierten
diskutieren darüber hinaus Lösungsmöglichkeiten für die
Arbeitslosigkeit in Europa.
Außerdem wählte die Versammlung einen Richter aus
Serbien-Montenegro für den Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte.
Als neuer Fraktionsvorsitzender der Europäischen Volks-
partei wurde der belgische Delegierte Luc van den
Brande gewählt. Dieser tritt die Nachfolge des jetzigen
Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung René
van der Linden an.
Anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung von Ausch-
witz fand am 25. Januar 2005 eine Gedenkfeier statt.
Szewach Weiss, Vorsitzender des Yad-Vashem-Direktori-
ums und ehemaliger Vorsitzender der Knesset, und Jean
Samuel, ein Überlebender von Auschwitz, nahmen an den
Feierlichkeiten teil. Anschließend gab der Generalsekre-
tär des Europarates, Terry Davis, vor dem Haupteingang
des Europarates eine Erklärung ab, und Szewach Weiss
und Jean Samuel enthüllten eine Stele zum Gedenken der
Opfer.

III. Schwerpunkte der Beratungen
Die deutsche Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) stellte ihren Bericht über die Umstände bei der
Festnahme und Strafverfolgung von führenden
Yukos-Verantwortlichen im Auftrag des Ausschusses
für Recht und Menschenrechte der Versammlung vor. Sie
führte aus, dass sie angesichts der zahlreichen Verfah-
rensmängel, der fehlenden Objektivität und Unparteilich-
keit der Behörden zu dem Ergebnis komme, dass diese in
überzogener Weise und unter Missachtung fundamenta-
ler, von der Russischen Strafprozessordnung und von der
Europäischen Menschenrechtskonvention garantierter
Rechte der Verteidigung gehandelt haben. Das singuläre
staatliche Vorgehen gegen diesen Erdölkonzern wegen
des Vorwurfs der Steuerhinterziehung, die Vielzahl der
deutlich gewordenen Unzulänglichkeiten im Verfahren
sowie die Zerstörung eines Großteils des Eigentums der
Angeklagten durch Zwangsversteigerung hätten zu Recht
die Erörterung politischer und wirtschaftlicher Hinter-
gründe des Khodorkowsy-Falles aufgeworfen. Die russi-

wehrte sich gegen diese Vorwürfe und warf der Berichter-
statterin vor, einen unausgewogenen Bericht erstellt zu
haben, der nur auf den Argumenten der Verteidiger ba-
siere.
Die deutsche Abg. Jelena Hofmann (SPD) unterstrich,
dass Abg. Leutheusser-Schnarrenberger viele Fakten zu-
sammengetragen habe und bei deren Zusammenstellung
sehr behutsam vorgegangen sei, so dass der Vorwurf einer
überzogenen oder einseitigen Berichterstattung nicht ge-
rechtfertigt sei. Ihrer Ansicht nach diene der Prozess der
Einschüchterung von Wirtschaftspersönlichkeiten und
Oppositionellen und führe zu einem Reputationsverlust
der russischen Regierung in Europa und weltweit.
Die Entschließung und die Empfehlung der Versammlung
enthalten Vorschläge, die darauf abzielen, das Funktionie-
ren des Gerichtswesens in der Russischen Föderation im
Allgemeinen zu verbessern und den Anwälten uneinge-
schränkten Zugang zu ihren Mandanten zu gewährleisten.
Hinsichtlich der konkreten Fälle wird der Zugang der Öf-
fentlichkeit zu den Gerichtsverhandlungen gefordert oder
die Erlaubnis der Behörden, die Untersuchung des Ge-
sundheitszustandes von Herrn Lebedev zuzulassen (Ent-
schließung 1418 (2005) und Empfehlung 1692 (2005)).
Im Auftrag des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft
und lokale und regionale Angelegenheiten hat der deut-
sche Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) seinen Bericht
zu gentechnisch veränderten Organismen (GMO’s)
vorgestellt. Der Bericht erörtert offene und weit reichende
Fragen hinsichtlich gentechnisch veränderter Organismen
im Agrar- und Nahrungsmittelsektor. In der mit großer
Mehrheit angenommenen Entschließung spricht sich die
Versammlung für eine striktere Regulierung der Kenn-
zeichnung von gentechnisch veränderten Organismen und
Saatgut, einem klaren Haftungsregime, guter landwirt-
schaftlicher Praxis sowie Zonen ohne gentechnisch verän-
derte Mechanismen aus. Nach Auffassung der Versamm-
lung seien die langfristigen Auswirkungen der GMO’s auf
die Biodiversität schwer einzuschätzen, zumal es keine
allgemein anerkannte Definition eines „ökologischen
Schadens“ gebe. Daher sei ein Langzeit-Monitoring
zwingend notwendig (Entschließung 1419 (2005)).
Die deutsche Abg. Renate Jäger (SPD) hob in ihrem
Beitrag besonders das Thema der Nachhaltigkeit in der
Landwirtschaft und das Prinzip der Vorsorge hervor. In
der EU-Gesetzgebung und in den Beschlüssen von Rio
sei das Prinzip der Vorsorge bereits verankert, die Staaten
müssten daher ihrer Verantwortung für eine Schadensvor-
sorge nachkommen. Der Schutz vor Kontamination der
GMO-freien Landschaft müsse gesetzlich geregelt wer-
den. Auch der deutsche Abg. Hubert Deittert (CDU/
CSU) unterstrich in seiner zu Protokoll gegebenen Rede,
dass eine angemessene Berücksichtigung des Vorsorge-
Prinzips der richtige Ansatz sei. Allerdings dürfte trotz zu
wenig Erkenntnissen über mögliche langfristige Risiken,
nicht gleichzeitig die wissenschaftliche Forschung er-
schwert oder gar verhindert werden, etwa durch überzo-
gene Regelungen bei Freisetzungsversuchen zu For-
sche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung schungszwecken.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5298

In einer sehr kontrovers und hitzig geführten Debatte er-
örterte die Versammlung die Frage der Schaffung eines
Europäischen Gedenkzentrums für die Opfer von
Zwangsvertreibungen und ethnischer Säuberungen.
Der vom schwedischen Berichterstatter Mats Einnarsson
für den Ausschuss für Wanderungsbewegungen, Flücht-
lings- und Bevölkerungsfragen entworfene Bericht befür-
wortete die Gründung eines Europäischen Gedenkzen-
trums durch den Europarat, um die Europäer an ihre
Geschichte der Zwangsvertreibung und ethnischen Säu-
berung zu erinnern, die Aussöhnung zu fördern und um
ein Instrument der Konfliktverhütung anzubieten. Hinter-
grund dieses Projektes, welches auch von dem deutschen
Abg. Markus Meckel (SPD) maßgeblich unterstützt
wurde, war die Idee der Schaffung eines Zentrums auf eu-
ropäischer Ebene, als Gegeninitiative zu Bestrebungen,
auf nationaler Ebene ein Zentrum einzurichten, welches
nicht für alle Opfer von Vertreibungen, sondern nur für
eine ausgewählte Gruppe von Opfern zuständig wäre.
Die französische Delegation, die sich schon am Vortag in
einer Pressekonferenz explizit gegen das Projekt ausge-
sprochen hatte, stellte noch vor Beginn der Debatte im
Plenum einen Antrag auf Rücküberweisung in den zu-
ständigen Ausschuss. Dieser Antrag wurde vom mitbera-
tenden Kulturausschuss befürwortet, aber sowohl vom
Berichterstatter, dem Vorsitzenden des Migrationsaus-
schusses als auch der Mehrheit der Versammlung zurück-
gewiesen. Die Bedenken der französischen Delegation
bezogen sich vor allem auf die ihrer Ansicht nach undif-
ferenzierte Verwendung des Wortes „déportation“ (im
Deutschen: Deportation, Verschleppung) in dem Empfeh-
lungsentwurf. Im Französischen werde dieser Begriff nur
für die Deportation in ein Konzentrationslager verwendet.
Ebenso lehnten sie, wie im Empfehlungsentwurf vorge-
schlagen, ab, dem Gedenkzentrum die Möglichkeit der
„juristischen Recherchen“ zu gewähren. Obwohl sich in
der Debatte selbst eine Mehrzahl der Abgeordneten für
eine Einrichtung des Gedenkzentrums aussprach, erhielt
der Empfehlungsentwurf mit 37 : 30 Stimmen bei 6 Ent-
haltungen nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit
zu seiner Annahme. Nichts desto trotz enthält die zuvor
verabschiedete Empfehlung zum Dritten Gipfel (siehe un-
ten) die Bitte an das Ministerkomitee, in Warschau offizi-
ell des Leids der zahlreichen Europäer zu gedenken, die
im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts Zwangsvertrei-
bung und ethnischer Säuberung ausgesetzt waren und in
diesem Zusammenhang einen Grundsatzbeschluss zu
treffen, für die Opfer dieses Unrechts ein europäisches
Gedenkzentrum zu gründen.
Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten
des Europarates werden am 16./17. Mai 2005 in War-
schau zusammenkommen, um auf ihrem Dritten Gipfel
unter anderem über die zukünftigen Aufgaben und das
Mandat des Europarates zu sprechen. Die Versammlung
hat dem Ministerkomitee für diesen Gipfel eine Empfeh-
lung mit ihren Vorschlägen vorgelegt. Die Versammlung
spricht sich dafür aus, den Europarat mit einem klaren po-
litischen Mandat für die nächsten Jahre auszustatten und
ihm in der politischen Landschaft insbesondere gegen-

nieren. Des weiteren solle das Übereinkommenssystem
des Europarates gestärkt werden, indem ein Kodex mit
den wichtigsten Übereinkommen des Europarates erstellt
wird, welcher konkrete Fristen für die Unterzeichnung
oder Ratifizierung durch diejenigen Länder enthalten
sollte, die dies vor dem Gipfel noch nicht getan haben.
Zur Förderung der Demokratie solle ein unabhängiges
Gremium eingesetzt werden, dessen Aufgabe darin beste-
hen würde, den Stand der Demokratie in den Mitglied-
staaten zu evaluieren, regelmäßige Berichte zu veröffent-
lichen und zu ergreifende Maßnahmen vorzuschlagen
(Empfehlung 1693 (2005)).
Der Außenminister Frankreichs, Michel Barnier, betonte
in seiner Stellungnahme, dass der Warschauer Gipfel eine
gute Gelegenheit sei, eine Verpflichtung zur Förderung
der Demokratie, dem Schutz der Menschenrechte und
Rechtsstaatlichkeit einzugehen. Der Europarat spiele eine
wichtige Rolle in der Geschichte Europas und habe eine
besondere Aufgabe und Verantwortung in der Zukunft.
Auf dem Gipfel könne eine Bestandsaufnahme des bisher
Erreichten gemacht und neue Ideen für eine weitere Ent-
wicklung in Europa entwickelt werden. Der Dritte Gipfel
habe auch die Aufgabe, die wichtige Rolle des Europäi-
schen Gerichtshofs für Menschenrechte zu stärken und
den finanziellen und praktischen Herausforderungen, auf-
grund der großen Anzahl der eingereichten Beschwerden,
gerecht zu werden. Eine weitere Aufgabe sei die bessere
Kooperation zwischen dem Europarat und anderen inter-
nationalen Organisationen, insbesondere der OSZE und
den Vereinten Nationen.
Der neu gewählte Präsident der Ukraine, Viktor
Juschtschenko, kam zwei Tage nach seinem Amtsantritt
nach Straßburg, um eine Ansprache vor der Versammlung
zu halten. Er dankte insbesondere den mutigen und enga-
gierten Berichterstattern des Europarates, die im laufen-
den Monitoringverfahren die politischen Verhältnisse in
der Ukraine kritisch begleitet haben. Er versprach, als
Präsident der Ukraine alles in seiner Macht stehende zu
tun, um eine echte Unabhängigkeit der Justiz zu garantie-
ren, Rede- und Meinungsfreiheit, freie Presseberichter-
stattung, die Stärkung der Zivilgesellschaft und die Be-
kämpfung der Kriminalität. Sein Wunsch sei, sowohl mit
der Europäischen Union, als auch mit der Russischen Fö-
deration eng zusammen zu arbeiten. Er versprach auch,
die Umstände des Todes des Journalisten Georgiy
Gongadze untersuchen zu lassen.
Auf die Frage der deutschen Abg. Jelena Hofmann
(SPD), ob er sich vorstellen könne, dass die Ukraine eine
Brückenfunktion zwischen der Europäischen Union und
Russland einnehmen könne, antwortete Präsident
Juschtschenko, dass er den Beitritt der Ukraine zur EU
vorantreiben werde und Russland ein strategischer Part-
ner sei, mit dem es noch viele Probleme zu lösen gebe.
Die Versammlung sprach sich für die Fortsetzung des
Monitoringverfahrens zu Georgien aus und beschloss, die
Einhaltung der von Georgien eingegangenen Pflichten
und Verpflichtungen im Oktober 2005 erneut zu über-
prüfen. Die Versammlung begrüßte die anhaltende Ent-
über der Europäischen Union oder der OSZE zu positio- schlossenheit der georgischen Behörden, weit reichende

Drucksache 15/5298 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

politische, gesetzlich , soziale und wirtschaftliche Refor-
men durchzuführen; sie wies aber auch auf die Schwierig-
keiten der Regierung angesichts der anhaltenden Instabi-
lität in Südossetien und Abchasien hin. So kritisierten die
Delegierten die starken Machtbefugnisse des Präsidenten,
das Fehlen einer Parlamentarischen Opposition, das noch
nicht ausreichend unabhängige und funktionsfähige Jus-
tizsystem und das unzureichende Autonomiemodell für
Adscharien (Entschließung 1415 (2005)).
Auf eine „umfassende Transformation“ in Georgien ver-
wies der neue Präsident des südkaukasischen Landes,
Michail Saakaschwili, in seiner Ansprache vor der Ver-
sammlung. Die jüngsten Revolutionen sowohl in seinem
Land als auch in der Ukraine verdeutlichten den Weg des
neuen Europas zur Befreiung. Georgiens Ziel sei es, eine
stabile Demokratie aufzubauen, Toleranz und Diversität
zu stärken, die Menschenwürde zu achten und die Kor-
ruption zu bekämpfen. Sein Ziel sei es, das Land durch
kulturelle und fundamentale Rechte sowie die Stärkung
der Rechte der Minderheiten zu einen. Es sei ein großer
Erfolg, dass die Regionen nicht länger vernachlässigt
würden. Er rief die EU dazu auf, im Friedensprozess zu
vermitteln. Gleichzeitig erwarte er von der Russischen
Föderation, dass sie die Rolle eines konstruktiven Part-
ners einnimmt. Georgien, so Präsident Saakaschwili, sei
ein unabhängiges europäisches Land, das letztlich das
Ziel habe, der Europäischen Union beizutreten. Der deut-
sche Abg. Gerd Höfer (SPD) betonte das große Interesse
Deutschlands an Georgien. Bedenklich sei, dass es keine
Opposition im Parlament gebe. Bemerkenswert sei aber
die wirkungsvolle Bekämpfung der Korruption, auch
wenn ein funktionierender Rechtsstaat noch weit entfernt
sei. Der Europarat habe die Aufgabe, Georgien an die
euro-atlantische Gemeinschaft heranzuführen.
Die Versammlung stellte in ihrer Debatte zum Schutz der
Menschenrechte im Kosovo fest, dass trotz der guten
Arbeit, die die UNMIK und KFOR im Kosovo in den
letzten fünf Jahren geleistet haben, noch „ernste Beden-
ken“ wegen der Verletzung von Menschenrechten im Ko-
sovo bestehen würden. Die Versammlung empfahl daher
dem Ministerkomitee, zügig die erforderlichen Regelun-
gen für die Umsetzung des Mechanismus des Überein-
kommens zur Verhütung von Folter durch die KFOR/
NATO im Kosovo zu beschließen. Entscheidend sei auch
die baldige Errichtung eines Gerichtshofs für Menschen-
rechte im Kosovo, nach dem Vorbild des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg. Die Ver-
sammlung empfahl der UNMIK weiterhin, das beste-
hende Gerichtssystem zu stärken und die Autorität der
Einrichtung der Ombudsperson im Kosovo aufrechtzuer-
halten und zu verbessern (Entschließung 1417 (2005) und
Empfehlung 1691 (2005)).
Ergänzt wurde die Debatte durch eine Stellungnahme des
Ombudsmannes im Kosovo, Marek Antoni Nowicki.
Dieser unterstrich die Notwendigkeit der Errichtung eines
Menschenrechts-gerichtshofes im Kosovo und sprach das
bisher noch ungeklärte zukünftige Verhältnis eines sol-
chen Gerichtshofs und der für Verfassungsfragen zustän-

Gremien würden sich mit individuellen Menschenrechts-
verletzungen durch die lokalen Behörden auseinanderset-
zen, aber nur der Menschenrechtsgerichtshof dürfte sich
auch mit Beschwerden gegen die UNMIK und das inter-
nationale Militär auseinandersetzen.
In einer Resolution zum Konflikt in der Region Na-
gorno-Karabach, der von der OSZE-Konferenz in
Minsk behandelt wurde, forderte die Versammlung die
Regierung Aserbaidschans auf, Kontakt zu den politi-
schen Repräsentanten der beiden Gemeinden der Region
aufzunehmen, um den künftigen Status zu klären. Die
Konfliktparteien sollten von der Anwendung von Waffen-
gewalt absehen und jegliches Militär aus den besetzten
Gebieten abziehen. Die Versammlung sprach sich für die
Unterstützung einer Resolution des Sicherheitsrates der
Vereinigten Nationen aus, wonach alle Mitgliedstaaten
davon absehen sollen, Waffen oder Munition in die Re-
gion zu liefern, mit denen eine Intensivierung des Kon-
flikts herbeigeführt oder die Besetzung fortgeführt werden
könnte. Schließlich sollen Armenien und Aserbaidschan
Wiedergutmachung betreiben, das Vertrauen stärken und
das gegenseitige Verständnis der Völker füreinander in
Schulen, Universitäten und in den Medien befördern
(Entschließung1416 (2005) und Empfehlung 1690
(2005)).
Der deutsche Abg. Gerd Höfer (SPD) hob hervor, dass
sowohl Armenien als auch Aserbaidschan, das Recht auf
Selbstbestimmung und das Recht auf territoriale Integrität
Prinzipien des Europarates zu respektieren, auch wenn
dies im vorliegenden Konflikt schwierig zu vereinbaren
scheint. Der Minsk-Prozess der OSZE habe genauso wie
die Einbeziehung der Länder in die Nachbarschaftspolitik
der Europäischen Union einige Fortschritte gebracht;
wichtig sei jedoch auch, die wirtschaftliche Entwicklung
der Region voranzubringen.
In einer Dringlichkeitsdebatte setzten sich die Delegierten
mit den Perspektiven für den Frieden im Nahen Osten
auseinander. Große Hoffnungen verbanden die Mitglieder
der Versammlung mit der Wahl von Mahmoud Abbas
zum Palästinenserpräsidenten. So seien die Perspektiven
für den Frieden im Mittleren und Nahen Osten besser als
in den vergangenen Jahren. Dementsprechend verab-
schiedete die Versammlung eine Resolution, in der die
neue Chance für einen Dialog zwischen den Palästinen-
sern und den Israelis betont wird. Neben den Konfliktpar-
teien sollten die Vereinten Nationen, die Vereinigten Staa-
ten, die Europäische Union und Russland alles tun, um
den Friedensprozess zu unterstützen. Leitfaden müsse die
road map sein. Nach Überzeugung der Versammlung ist
eine Lösung mit zwei getrennten Staaten die einzige, rea-
listische politische Lösung des Konflikts (Entschließung
1420 (2005)).
An der Debatte beteiligten sich auch ein israelischer De-
legierter mit Beobachterstatus und ein eingeladener Ver-
treter aus dem Palästinensischen Legislative Counsel.
Yuri Shtern (Israel) begrüßte die Wahl von Abbas und
sagte den Palästinensern die Unterstützung Israels zu. Die
israelische Armee habe die Voraussetzung dafür geschaf-
digen Kammer des Obersten Gerichtshofs an. Beide fen, dass diese Wahl stattfinden konnte. Ziyad Abu

Lanka nach dem Tsunami bestehen. Die Leiterin des
UNO-Büros für die Koordination humanitärer Hilfsein-
sätze der Vereinten Nationen, Yvette Stevens, schilderte

Rudolf Bindig, MdB Eduard Lintner, MdB
Leiter der Delegation Stellvertretender Leiter

der Delegation
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5298

Zayad (Palästina) äußerte seinen Stolz über die Wahlen
in Palästina. Das Resultat sei ein gutes Mandat für den
Präsidenten. Die Achtung der Menschenrechte, die De-
mokratisierung und die Beibehaltung der öffentlichen
Ordnung hätten nun bessere Chancen. Beide Seiten kä-
men nicht umhin, Zugeständnisse zu machen und alle mi-
litärischen Feindseligkeiten einzustellen. Der Abgeord-
nete sprach sich dafür aus, den Palästinensern bereits jetzt
einen Beobachterstatus beim Europarat einzuräumen. Er
äußerte die Hoffnung, dass die Londoner Konferenz, die
sich Anfang März mit dem Konflikt beschäftigt, zu einer
Friedenskonferenz werde.
In einer weiteren Dringlichkeitsdebatte mit dem Thema
Europa und die Tsunami-Katastrophe, erörterten die
Delegierten die Folgen und die Konsequenzen, die aus
dem Unglück gezogen werden können (Entschließung
1422 (2005). Der deutsche Abg. Klaus-Werner Jonas
(SPD) dankte als Berichterstatter des mitberatenden Aus-
schusses für Wirtschaft und Entwicklung den Menschen
in ganz Europa für ihre Unterstützung. Er betonte die
Notwendigkeit, ein Monitoring einzurichten, um zu über-
prüfen, ob die zugesagten Gelder auch wirklich in die be-
troffenen Regionen fließen, dort ankommen und wie sie
anschließend verwendet werden. Seiner Ansicht nach
könne auch eine Chance für eine positive Entwicklung in
Krisenregionen wie etwa der Provinz Aceh oder Sri

die Maßnahmen, die die UNO nach der Tsunami-Kata-
strophe ergriffen hatte und lobte die gute Unterstützung
einer Reihe von Mitgliedstaaten des Europarates.
Lösungen für die Arbeitslosigkeit in Europa schlug der
schwedische Berichterstatter Högmark im Auftrag des
Ausschusses für Wirtschaft und Entwicklung der Ver-
sammlung vor. Seine von der Versammlung angenommen
Vorschläge umfassen die Notwendigkeit der Anpassung
der Volkswirtschaft und des Arbeitsmarktes an die Globa-
lisierung, die Notwendigkeit von Strukturreformen, die
Reformierung der Sozialsysteme, mehr Flexibilität auf
dem Arbeitsmarkt und die Förderung der Berufstätigkeit
von Frauen (Entschließung 1423 (2005)).
Der deutsche Abg. Walter Riester (SPD) kritisierte in
seiner Rede den vorgelegten Bericht und erläuterte am
Beispiel des deutschen Arbeitsmarktes und der hohen Ar-
beitslosigkeit, dass diese Vorschläge keine ausreichende
Lösung für die Arbeitslosigkeit in Europa versprächen. Er
erinnerte an die Sozialcharta des Europarates, die in einer
globalisierten Welt eine übernationale Sozialordnung dar-
stelle. Seiner Ansicht nach liege der Ansatzpunkt zur Lö-
sung der Arbeitslosigkeit in Europa nicht in einem Ab-
bau- und Entstaatlichungsprozess, und daher halte er den
Bericht auch für überarbeitungsbedürftig.

Drucksache 15/5298 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

IV. Anhang
1. Entschließungen und Empfehlungen

Nummer Beschreibung Seite
Entschließung 1415 (2005) Die Einhaltung der von Georgien eingegangenen Pflichten und Verpflich-

tungen 7
Entschließung 1416 (2005) Der Konflikt in der Region Bergkarabach, der von der OSZE-Konferenz in

Minsk behandelt wurde 9
Entschließung 1417 (2005) Der Schutz der Menschenrechte im Kosovo 11
Entschließung 1418 (2005) Die Umstände bei der Festnahme und Strafverfolgung von führenden

Yukos-Verantwortlichen 15
Entschließung 1419 (2005) Genetisch veränderte Organismen 18
Entschließung 1420 (2005) Frieden im Nahen Osten 21
Entschließung 1421 (2005) Die Beziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten 22
Entschließung 1422 (2005) Europa und die Tsunami-Katastrophe 24
Entschließung 1423 (2005) Die Frage, welche Lösungen es für die Arbeitslosigkeit in Europa gibt 26
Entschließung 1424 (2005) Die Förderung von sozialem Zusammenhalt und Beschäftigung: mehr und

bessere Arbeitsplätze 28
Entschließung 1425 (2005) Die Überarbeitung der Zuständigkeitsbereiche der Ausschüsse der

Versammlung 30
Empfehlung 1690 (2005) Der Konflikt in der Region Bergkarabach, der von der OSZE-Konferenz in

Minsk behandelt wurde 37
Empfehlung 1691 (2005) Der Schutz der Menschenrechte im Kosovo 38
Empfehlung 1692 (2005) Die Umstände bei der Festnahme und Strafverfolgung von führenden

Yukos-Verantwortlichen 38
Empfehlung 1693 (2005) Der dritte Gipfel 39
Empfehlung 1694 (2005) Die Beziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten 46

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/5298

En t s c h l i e ß u n g 1 4 1 5 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Einhaltung der von Georgien
eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen

1. Auch ein Jahr nach Amtsantritt zeigen die neuen ge-
orgischen Behörden weiterhin eine ungebrochene
Entschlossenheit, weitreichende politische, gesetz-
liche, soziale und wirtschaftliche Reformen durchzu-
führen. Sie genießen weiterhin große Unterstützung
durch die Öffentlichkeit und die Staatengemein-
schaft. Das bisher von den Behörden Erreichte und
insbesondere die friedliche Wiedereingliederung von
Adscharien sind positive Entwicklungen; aber die
Behörden sollten die Antriebskraft für Reformen im
Einklang mit den Normen und Prinzipien des Euro-
parates aufrechterhalten und weiter beschleunigen.
Die Versammlung begrüßt die von den georgischen
Behörden bislang erzielten Fortschritte bei der Be-
kämpfung der Korruption, der Reform der Polizei
und dem Schutz der Religionsfreiheit. Sie begrüßt
ebenfalls die Wahl des neuen Ombudsmanns und die
Schaffung ziviler Überwachungsgruppen in den Poli-
zeirevieren im gesamten Land, die Harmonisierung
der Mediengesetze mit den Normen des Europarates,
die volle Entkriminalisierung des Gesetzes über Ver-
leumdung und Maßnahmen im Hinblick auf die Um-
wandlung des staatlichen Fernsehens in eine öffent-
liche Fernsehanstalt.

2. Die Bemühungen der Regierung zur Umsetzung von
Reformen sind vor dem Hintergrund einer anhalten-
den Instabilität in Südossetien und Abchasien zu se-
hen. Den Ko-Berichterstattern sind die Probleme, de-
nen sich die Behörden auf Grund der ungelösten
Konflikte mit den beiden abtrünnigen Regionen ge-
genübersehen, voll und ganz bewusst. Sie fordern die
georgische Führung nachdrücklich auf, ihren zurück-
haltenden Ansatz beizubehalten und sich weiterhin
um eine friedliche politische Lösung zu bemühen.
Gleichzeitig ist es von großer Bedeutung, die Im-
pulse für politische und wirtschaftliche Reformen
aufrechtzuerhalten. Ein erfolgreiches, offenes, tole-
rantes und demokratisches Georgien ist die beste Vo-
raussetzung bei den Bemühungen um eine friedliche
Lösung der Konfrontation mit den derzeitigen Re-
gimen in Südossetien und Abchasien und um Wieder-
herstellung der territorialen Unversehrtheit des Lan-
des.

3. In dieser Hinsicht wird die Versammlung ermutigt
durch die Initiative von Präsident Saakaschwili, mit
der ein Friedensplan für die beiden abtrünnigen Regio-
nen vorgeschlagen wird. Sie fordert die georgischen
Behörden auf, ihren Inhalt mit Vertretern aus Südos-

setien und Abchasien, die jede Gelegenheit ergreifen
sollte, um die beiden lang andauernden Konflikte und
deren schädlichen Folgen für alle Bürger Georgiens
zu beenden, zu verhandeln. Die Versammlung fordert
auch Russland auf, alles in seinen Kräften Stehende
zu tun, um den Friedensprozess und die Wiederher-
stellung der territorialen Unversehrtheit von Geor-
gien zu unterstützen.

4. Die uneingeschränkte Erfüllung der mit der Mitglied-
schaft übernommenen Verpflichtungen wird Geor-
gien dabei helfen, seine politische Stabilität und de-
mokratische Sicherheit zu verstärken. Die Liste der
noch offenen Verpflichtungen beinhaltet Verpflich-
tungen in Bezug auf nahezu jede große Herausforde-
rung, der sich Georgien derzeit gegenübersieht, ange-
fangen von der Korruptionsbekämpfung, dem Schutz
der Menschenrechte und den Minderheitenrechten,
der Reform des Justizwesens bis zu den Anstrengun-
gen zur Wiederherstellung der territorialen Unver-
sehrtheit von Georgien durch friedliche Mittel.

5. In der im Januar 2004 verabschiedeten Entschließung
1363 hat die Parlamentarische Versammlung verein-
bart, die Fristen für die Verpflichtungen Georgiens
gegenüber dem Europarat zu überprüfen als Zeichen
des Verständnisses und der Unterstützung für die
neuen Behörden. Diese Fristen sind im nachstehen-
den Absatz 8 aufgeführt. Es sollte jedoch von Anfang
an klar sein, dass es keine späteren Verhandlungen
und Verlängerungen geben wird und dass die Ver-
sammlung von der georgischen Regierung erwartet,
dass sie ihre Versprechen uneingeschränkt und recht-
zeitig erfüllt.

6. Das unter der früheren Regierung bestehende Aus-
maß an Korruption und Gesetzlosigkeit in Georgien
führten zu der außergewöhnlichen Art und Weise des
Übergangs – der Rosen-Revolution. Ein Jahr später
ist es an der Zeit für eine Normalisierung der Lage
und die feste Verankerung des politischen Prozesses
in den Institutionen des Landes. Die post-revolutio-
näre Situation sollte nicht zu einem Alibi für über-
eilte Entscheidungen und eine Missachtung demokra-
tischer und Menschenrechtsnormen werden. Vorrang
haben der Aufbau solider und dauerhafter Grundla-
gen für ein stabiles, erfolgreiches und demokrati-
sches Georgien und seine zukünftige Generationen.

7. Die Rosen-Revolution und die beiden nachfolgenden
Wahlen, die insgesamt von den internationalen Be-
obachtern als frei und fair eingeschätzt wurden, führ-
ten zu einer sehr starken Regierung, was vorteilhaft
für die Bewältigung der politischen, wirtschaftlichen
und Sicherheitsprobleme des Landes sein kann, vo-
rausgesetzt, dass eine starke Regierung einhergeht
mit einem starken und funktionierenden System der
wechselseitigen Kontrolle der Verfassungsorgane.
Dies ist bislang noch nicht der Fall. Heute besitzt Ge-
orgien ein semi-präsidiales System mit sehr starken
Machtbefugnissen des Präsidenten, eine schwache
parlamentarische Opposition, eine geschwächte Zi-

* Debatte der Versammlung am 24. Januar 2005 (1. Sitzung) (siehe
Dok. 10383, Bericht des Ausschusses für die Einhaltung der von den
Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und Ver-
pflichtungen (Überwachungsausschuss), Ko-Berichterstatter: Herr
vilgesellschaft, ein Justizsystem, das noch nichtEörsi und Herr Kirilov). Von der Versammlung verabschiedeter Textam 24. Januar 2005 (1. Sitzung).

Drucksache 15/5298 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ausreichend unabhängig und funktionsfähig ist, eine
unterentwickelte oder nicht existierende kommunale
Demokratie, sich selbst zensierende Medien und ein
unzureichendes Autonomiemodell für Adscharien.

8. Die Versammlung fordert daher die Behörden auf,
Voraussetzungen zu schaffen, unter denen ein starkes
und wirksames System der wechselseitigen Kontrolle
der Verfassungsorgane sich zu entwickeln und zu
funktionieren beginnt. Sie sollten Dialog positiv ge-
genüberstehen, offen sein für Ratschläge und öffent-
liche Diskussionen mit kritischen Stimmen anregen.
Unter den derzeitigen Umständen ist dies eine der
Schlüsselvoraussetzungen für den Erfolg der Refor-
men.

9. Die Versammlung hat nach Konsultation der georgi-
schen Behörden die folgenden Fristen für die Einhal-
tung der Pflichten und Verpflichtungen festgelegt und
fordert Georgien auf:
i. in Bezug auf die Übereinkommen des Europa-

rates:
a) noch vor September 2005 die Europäische

Charta der Regional- oder Minderheiten-
sprachen und das Europäische Rahmenüber-
einkommen über die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit zu unterzeichnen und zu
ratifizieren;

b) noch vor September 2005 die überarbeitete
Europäische Sozialcharta und das Rahmen-
übereinkommen zum Schutze nationaler Min-
derheiten zu ratifizieren;

ii. in Bezug auf Verfassungsfragen:
a) sich zu verpflichten, eine zweite Parlaments-

kammer einzusetzen, um die Vertretung ihrer
autonomen Regionen auf Staatsebene sicher-
zustellen, sobald Südossetien und Abchasien
politisch und verwaltungsmäßig wieder in
Georgien eingegliedert worden sind;

b) das kürzlich verabschiedete Autonomiemo-
dell für Adscharien im Rahmen der Gebiets-
und Verwaltungsreform von Georgien in
Übereinstimmung mit der Stellungnahme
der Venedig-Kommission zu überarbeiten;

iii. in Bezug auf die meschketische Bevölkerung un-
verzüglich gesetzliche, verwaltungsmäßige und
politische Voraussetzungen für den Beginn des
Prozesses ihrer Repatriierung zu schaffen mit
Blick auf dessen Abschluss bis zum Jahre 2011;

iv. in Bezug auf die Konflikte in den Jahren 1990
bis 1994:
a) bis September 2005 einen gesetzlichen Rah-

men für die Rückgabe von Eigentum und
Liegenschaften oder Ausgleich für während
dieser Konflikte verlorenes Eigentum zu

b) sicherzustellen, dass Binnenvertriebene die
gleichen Rechte wie die restliche Bevölke-
rung genießen, insbesondere wenn es sich
um Beschäftigung und Wohnraum handelt;

v. in Bezug auf die kommunale Selbstverwaltung
die Gebiets- und Verwaltungsreform rechtzeitig
vor den nächsten Kommunalwahlen abzuschlie-
ßen und sicherzustellen, dass sie im Einklang mit
der Europäischen Charta der kommunalen
Selbstverwaltung durchgeführt wird, insbeson-
dere im Hinblick auf die Wahl aller Bürgermeis-
ter;

vi. in Bezug auf das Funktionieren der Justiz und
der Polizei:
a) die Reform des Justizsystems, der General-

staatsanwaltschaft und der Polizei in strikter
Übereinstimmung mit den Normen des Eu-
roparates und in enger Zusammenarbeit mit
den Sachverständigen des Europarates zu
Ende zu bringen;

b) vor dem Inkrafttreten der jüngsten Verfas-
sungsänderungen die Sachverständigen des
Europarates zu konsultieren in Bezug auf die
Ernennung von Richtern für den Obersten
Gerichtshof und das Verfassungsgericht Ge-
orgiens, um sicherzustellen, dass sie mit den
Normen und Prinzipien des Europarates im
Einklang stehen. Die Versammlung ist be-
sonders besorgt darüber, dass einige der vor-
geschlagenen Änderungen, insbesondere das
Exklusivrecht des Präsidenten, Kandidaten
für das Richteramt zu nominieren, in Verbin-
dung mit der Bestimmung, dass alle amtie-
renden Richter nach Inkrafttreten der neuen
Regelungen entlassen werden sollen, aber
auch die Möglichkeit, dass Richter zwei auf-
einander folgende Amtszeiten statt einer ein-
zigen Amtszeit ausüben können, negative
Auswirkungen auf die Unabhängigkeit die-
ser äußerst wichtigen Justizinstitutionen ha-
ben können;

vii. in Bezug auf die Korruptionsbekämpfung die
Anstrengungen zur Ausrottung dieses Phäno-
mens durch langfristige Strukturmaßnahmen zu
verstärken im Einklang mit den GRECO-Emp-
fehlungen und unter voller Wahrung der Rechts-
staatlichkeit und der Menschenrechte;

viii. in Bezug auf die Rechtsstaatlichkeit und die
Menschenrechte:
a) die derzeitige Praxis des „plea bargaining“

(Absprache zwischen Anklage und Verteidi-
gung) kritisch zu überprüfen, welche es in
der derzeitigen Form einerseits mutmaß-
lichen Straftätern ermöglicht, die Erträge aus
ihren Straftaten dafür zu verwenden, sich
von einer Haftstrafe frei zu kaufen und ande-
schaffen; rerseits Gefahr läuft, willkürlich und miss-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/5298

bräuchlich, d. h. aus politischen Motiven,
angewandt zu werden;

b) Sofortmaßnahmen in Betracht zu ziehen zur
Erleichterung der dramatischen Überfüllung
in den Gefängnissen und Untersuchungs-
haftanstalten, einschließlich durch Amnestie
für einige besonders schutzbedürftige Grup-
pen von Häftlingen, wie kranke, junge und
ältere Straftäter, erweiterte Kriterien für
nicht im Gefängnis zu verbüßende Strafen
und Nutzung derartiger Strafen, sowie er-
weiterte Anwendung von Alternativen der
Untersuchungshaft;

c) die „Kultur der Gewalt“ auszurotten, die
weiterhin in georgischen Gefängnissen und
Untersuchungshaftanstalten besteht und bei
der es auch zu Vorfällen von Folter und
Misshandlung durch die Vollzugsbeamten
gekommen ist, durch wirksame vorbeugende
Maßnahmen, systematische Untersuchung
von Vorwürfen, einschließlich rechtzeitiger
medizinischer Untersuchungen, und nach-
drückliche Bestrafung nachgewiesener Fälle;

d) unverzüglich jedwede Form von Folter aus-
zurotten;

10. Die Versammlung verweist darauf, dass der im Ja-
nuar 2004 getroffene Beschluss, die Fristen für die
Pflichten und Verpflichtungen Georgiens zu überprü-
fen, in Folge der außerordentlichen Umstände im
Lande zustande kam. Daher sollte dieser Beschluss
auf keinen Fall als Präzedenzfall für eine Überprü-
fung der von der Versammlung gesetzten Fristen bei
ihren Stellungnahmen in Bezug auf den Beitritt ande-
rer Mitgliedstaaten gesehen werden.

11. Zur Konsolidierung des Systems der wechselseitigen
Kontrolle der Verfassungsorgane fordert die Ver-
sammlung die georgischen Behörden auf, die Verfas-
sungsänderungen vom Februar 2004 an Hand der
Stellungnahme der Venedig-Kommission zu überprü-
fen, insbesondere im Hinblick auf die starken Macht-
befugnisse des Präsidenten. Vor den nächsten Parla-
mentswahlen sollte auch die 7-Prozent-Hürde für den
Einzug in das Parlament gesenkt werden, um die Vo-
raussetzungen für ein pluralistisches und wirklich re-
präsentatives Parlament zu schaffen.

12. Die Versammlung ermutigt schließlich die georgi-
schen Behörden, ihre Anstrengungen zu verstärken
im Hinblick auf eine Lösung der noch offenen Kon-
flikte mit Südossetien und Abchasien auf friedliche
und politische Art und Weise. Gleichzeitig fordert sie
die Russische Föderation auf, ihren beträchtlichen
Einfluss zur Unterstützung dieser Anstrengungen ein-
zusetzen und dabei mitzuhelfen, die Voraussetzungen
für eine weitgehende Autonomie von Südossetien und
Abchasien und für die territoriale Unversehrtheit von
Georgien zu schaffen. Die Versammlung begrüßt die

mentarischen Dialog zwischen russischen und georgi-
schen Behörden und bietet ihre guten Dienste zur Un-
terstützung des Erfolgs dieser Initiative an.

13. Die Versammlung beschließt, ihr Überwachungsver-
fahren fortzusetzen und die Einhaltung der von Geor-
gien eingegangenen Pflichten und Verpflichtungen
im Oktober 2005 erneut zu überprüfen.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 1 6 ( 2 0 0 5 ) *

betr. den Konflikt in der Region Bergkarabach,
der von der OSZE-Konferenz in

Minsk behandelt wurde
1. Die Parlamentarische Versammlung bedauert, dass

der Konflikt in der Region Bergkarabach auch zehn
Jahre nach Ausbruch der Feindseligkeiten mit Waf-
fengewalt noch immer ungelöst ist. Hunderttausende
sind noch immer vertrieben und leben unter elenden
Bedingungen. Beträchtliche Teile des Territoriums
vom Aserbaidschan sind noch immer von armeni-
schen Streitkräften besetzt, und die Region Bergkara-
bach wird weiterhin durch separatistische Kräfte kon-
trolliert.

2. Die Versammlung äußert ihre Besorgnis darüber,
dass die militärischen Aktionen und die weit verbrei-
teten ethnischen Feindseligkeiten, die diesen voraus-
gingen, zu einer großflächigen ethnischen Vertrei-
bung und der Schaffung mono-ethnischer Gebiete
geführt haben, die dem schrecklichen Konzept der
ethnischen Säuberung gleichen. Die Versammlung
bekräftigt, dass die Unabhängigkeit und Loslösung
einer Teilregion von einem Staat nur durch einen ge-
setzmäßigen und friedlichen Prozess herbeigeführt
werden können, basierend auf demokratischer Unter-
stützung durch die Bewohner eines solchen Gebietes
und nicht im Nachgang eines bewaffneten Konflik-
tes, der zu ethnischer Vertreibung und einer de-facto-
Annexion eines solchen Gebietes durch einen ande-
ren Staat führt. Die Versammlung erklärt erneut, dass
die Besetzung eines ausländischen Staatsgebietes
durch einen Mitgliedstaat eine schwerwiegende Ver-
letzung der Verpflichtungen dieses Staates als Mit-
glied des Europarates darstellt und bekräftigt das
Recht der aus dem Konfliktgebiet vertriebenen Per-
sonen auf Rückkehr in ihre Heimat in Sicherheit und
Würde.

3. Die Versammlung verweist auf die Resolutionen 822
(1993), 853 (1993), 874 (1993) und 884 (1993) des Si-
cherheitsrates der Vereinten Nationen und fordert die
betroffenen Parteien nachdrücklich auf, diesen Reso-
lutionen nachzukommen, insbesondere dadurch, dass
sie Abstand von Feindseligkeiten mit Waffengewalt
nehmen und militärische Kräfte aus allen besetzten

* Versammlungsdebatte am 25. Januar 2005 (2. Sitzung) (siehe
Dok. 10364, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
jüngste Initiative in Bezug auf einen bilateralen parla- Herr Atkinson). Von der Versammlung verabschiedeter Text am25. Januar 2005 (2. Sitzung).

Drucksache 15/5298 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Gebieten abziehen. Die Versammlung schließt sich
ferner der in der Resolution 853 (1993) des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen erhobenen Forde-
rung an und fordert alle Mitgliedstaaten nachdrück-
lich auf, Abstand zu nehmen von der Lieferung
jedweder Waffen und Munition, die zu einer Verschär-
fung des Konfliktes oder zur fortgesetzten Besetzung
des Gebietes führen könnten.

4. Die Versammlung verweist darauf, dass sowohl Ar-
menien als auch Aserbaidschan sich mit ihrem Bei-
tritt zum Europarat im Januar 2001 verpflichtet ha-
ben, nur friedliche Mittel für die Lösung des
Konfliktes anzuwenden, indem sie von jeder Andro-
hung des Einsatzes von Gewalt gegen ihre Nachbarn
absehen. Gleichzeitig verpflichtete sich Armenien,
seinen beträchtlichen Einfluss über Nagorno-Kara-
bach zu nutzen, um eine Lösung des Konflikts zu för-
dern. Die Versammlung fordert beide Regierungen
nachdrücklich dazu auf, diese Verpflichtungen einzu-
halten und vom Einsatz von Truppen und von der
Propagierung militärischer Handlungen abzusehen.

5. Die Versammlung verweist darauf, dass sich der Mi-
nisterrat der Konferenz für Sicherheit und Zusam-
menarbeit in Europa (KSZE) im März 1992 in Hel-
sinki darauf verständigt hatte, eine Konferenz in
Minsk abzuhalten, um ein Verhandlungsforum für
eine friedliche Lösung des Konfliktes anzubieten.
Armenien, Aserbaidschan, Belarus, die ehemalige
Tschechische und Slowakische Föderative Republik,
Frankreich, Deutschland, Italien, die Russische Föde-
ration, Schweden, die Türkei und die Vereinigten
Staaten von Amerika vereinbarten zu diesem Zeit-
punkt, sich an dieser Konferenz zu beteiligen. Die
Versammlung fordert diese Staaten auf, ihre Anstren-
gungen zu verstärken im Hinblick auf eine friedliche
Lösung des Konfliktes und lädt deren nationale Dele-
gationen bei der Versammlung ein, der Versammlung
jährlich über Maßnahmen ihrer Regierungen in die-
sem Zusammenhang zu berichten. Zu diesem Zweck
fordert die Versammlung ihr Präsidium auf, einen
Ad-hoc-Ausschuss einzusetzen, dem unter anderem
die Leiter dieser nationalen Delegationen angehören
sollen.

6. Die Versammlung würdigt die unermüdlichen An-
strengungen der Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe
und des Persönlichen Beauftragten des amtierenden
OSZE-Vorsitzenden, insbesondere weil diese Bemü-
hungen im Mai 1994 zu einem Waffenstillstand ge-
führt und ab diesem Zeitpunkt die Einhaltung dieses
Waffenstillstandes überwacht wurde. Die Versamm-
lung fordert die Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe
der OSZE auf, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um
unverzüglich Verhandlungen im Hinblick auf den
Abschluss einer politischen Vereinbarung über die
Einstellung des bewaffneten Konfliktes herbeizufüh-
ren. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird wich-
tige Konsequenzen des Konfliktes für alle Parteien
beseitigen und die Einberufung der Minsk-Konferenz

und Aserbaidschan auf, den Minsk-Prozess der
OSZE zu nutzen und sich gegenseitig auf dem Wege
über die Minsk-Gruppe ihre konstruktiven Vor-
schläge für die friedliche Lösung des Konfliktes im
Einklang mit den einschlägigen Normen und Prinzi-
pien des Völkerrechts zu übermitteln.

7. Die Versammlung verweist darauf, dass Armenien
und Aserbaidschan Unterzeichnerstaaten der Charta
der Vereinten Nationen sind und dass sie in Überein-
stimmung mit Artikel 93 Abs. 1 der Charta ipso facto
Vertragsparteien des Statuts des Internationalen Ge-
richtshofes sind. Daher schlägt die Versammlung vor,
dass falls die Verhandlungen unter der Schirmherr-
schaft der Ko-Vorsitzenden der Minsk-Gruppe fehl-
schlagen sollten, Armenien und Aserbaidschan in
Betracht ziehen sollten, die Hilfe des Internationalen
Gerichtshofes zu nutzen im Einklang mit Artikel 36
Abs. 1 des Statuts des Gerichtshofes.

8. Die Versammlung fordert Armenien und Aserbaid-
schan auf, die politische Aussöhnung untereinander
zu fördern durch Verstärkung ihrer bilateralen inter-
parlamentarischen Zusammenarbeit im Rahmen der
Versammlung sowie in anderen Foren, wie z. B. den
Treffen der Parlamentspräsidenten des Kaukasischen
Quartetts. Sie schlägt vor, dass beide Delegationen
sich auf jeder Teilsitzung der Versammlung treffen,
um Fortschritte im Hinblick auf diese Aussöhnung zu
überprüfen.

9. Die Versammlung fordert die Regierung von Aser-
baidschan auf, ohne Vorbedingungen Kontakte zu
den politischen Vertretern beider Gemeinschaften in
der Region Bergkarabach in Bezug auf den zukünfti-
gen Status der Region herzustellen. Sie ist bereit,
Einrichtungen für derartige Kontakte in Straßburg zur
Verfügung zu stellen und erinnert daran, dass sie dies
bei früheren Anlässen mit armenischer Beteiligung in
Form einer Anhörung getan hat.

10. Unter Hinweis auf ihre Empfehlung 1570 (2002)
über die Lage der Flüchtlinge und Vertriebenen in
Armenien, Aserbaidschan und Georgien fordert die
Versammlung alle Mitglied- und Beobachterstaaten
auf, humanitäre Hilfe und Unterstützung für die Hun-
derttausende von Vertriebenen infolge der bewaffne-
ten Feindseligkeiten und Vertreibung von Personen
armenischer Abstammung aus Aserbaidschan und
Personen aserbaidschanischer Abstammung aus Ar-
menien anzubieten.

11. Die Versammlung verurteilt jede von den Medien in
Armenien und Aserbaidschan zum Ausdruck ge-
brachte Form von Hass. Die Versammlung fordert
Armenien und Aserbaidschan auf, Aussöhnung, Ver-
trauensbildung und gegenseitiges Verständnis zwi-
schen ihren Völkern in Schulen, Universitäten und
mit Hilfe der Medien zu fördern. Ohne eine derartige
Aussöhnung werden Hass und Misstrauen die Stabili-
tät in der Region verhindern und möglicherweise zu
ermöglichen. Die Versammlung fordert Armenien neuer Gewalt führen. Ein solcher Aussöhnungspro-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/5298

zess muss jeder dauerhaften Lösung vorausgehen und
in diese eingebettet sein.

12. Die Versammlung fordert den Generalsekretär des
Europarates auf, einen Aktionsplan für eine gezielte
Unterstützung von Armenien und Aserbaidschan zu
erstellen, der das Ziel eines Aussöhnungsprozesses
zwischen beiden Seiten verfolgt, und diese Entschlie-
ßung bei Beschlüssen über Maßnahmen in Bezug auf
Armenien und Aserbaidschan zu berücksichtigen.

13. Die Versammlung fordert den Kongress der Gemein-
den und Regionen des Europarates auf, die auf kom-
munaler Ebene gewählten Vertreter von Armenien
und Aserbaidschan dabei zu unterstützen, Kontakte
untereinander und eine Zusammenarbeit zwischen
den Regionen aufzubauen.

14. Die Versammlung beschließt, die innerhalb des Euro-
parates bestehenden Mechanismen zur Konfliktlö-
sung zu analysieren, insbesondere das Europäische
Übereinkommen zur friedlichen Beilegung von Strei-
tigkeiten, um ihren Mitgliedstaaten bessere Mecha-
nismen für die friedliche Lösung bilateraler Konflikte
sowie interner Streitigkeiten, an denen kommunale
oder regionale Gebietskörperschaften oder Behörden
beteiligt sind, die die Menschenrechte, die Stabilität
und den Frieden gefährden könnten, anbieten zu kön-
nen.

15. Die Versammlung beschließt, auf regelmäßiger
Grundlage die friedliche Lösung dieses Konfliktes
weiterhin zu überwachen und beschließt, sich erneut
mit dieser Frage auf ihrer ersten Teilsitzung im Jahre
2006 zu befassen.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 1 7 ( 2 0 0 5 ) *

betr. den Schutz der Menschenrechte im Kosovo
1. Das Kosovo gehört zum Staatsgebiet von Serbien

und Montenegro, das seit April 2003 Mitglied des
Europarates und seit dem 3. März 2004 der Europäi-
schen Menschenrechtskonvention beigetreten ist.
Aufgrund der Resolution 1244 (1999) des Sicher-
heitsrates der Vereinten Nationen (SRVN) wird das
Kosovo allerdings unter der Leitung der Interimsmis-
sion der VN im Kosovo („UNMIK“) von der interna-
tionalen Gemeinschaft verwaltet, und seine Sicher-
heit wird von der unter der Führung der NATO
stehenden KFOR gewährleistet. In der SRVN-Reso-
lution 1244 wird die UNMIK verpflichtet, als eine ih-
rer Hauptaufgaben die Menschenrechte im Kosovo
zu schützen und zu fördern und der Ausschluss der
Zuständigkeit von Serbien und Montenegro verhin-
dert, dass die Verpflichtungen dieses Staates gemäß

den internationalen Übereinkommen sich auch effek-
tiv auf das Kosovo erstrecken.

2. Während die UNMIK und die KFOR einige positive
Ergebnisse erzielt haben angesichts der überaus
schwierigen Aufgaben, die ihnen 1999 übertragen
wurden – insbesondere routinemäßige Sicherheits-
aufgaben werden mittlerweile vorwiegend von zivi-
len Polizeikräften, der UNMIK-Polizei („CIVPOL“)
und zunehmend auch von dem Kosovo-Polizeidienst
(„KPS“) übernommen, und ein großer Teil der Ver-
waltung des Kosovos wird heute von der lokalen Pro-
visorischen Selbstverwaltung („PISG“) erledigt –,
bleiben ernsthafte Besorgnisse in Bezug auf den
Schutz der Menschenrechte im Kosovo, besonders
nach den tragischen Ereignissen vom 17. bis
19. März 2004. Das Kosovo ist ein Teil Europas, und
die Tatsache, dass es zur Zeit unter einer Übergangs-
verwaltung steht, sollte seine Einwohner nicht des
wirksamen Schutzes der europäischen Menschen-
rechtsnormen berauben.

3. Nach Ansicht der Parlamentarischen Versammlung
könnten viele der im Kosovo bestehenden substanzi-
ellen Menschenrechtsprobleme, darunter auch Fragen
in Bezug auf Binnenvertriebene, durch einen Ausbau
und eine Ergänzung der Mechanismen für den Schutz
der Menschenrechte gemildert werden, innerhalb des
Kontexts der Übergangsverwaltung und unbeschadet
der Frage des endgültigen Status für das Kosovo.

4. Die Versammlung empfiehlt daher der UNMIK und
der KFOR/NATO gemäß Resolution Nr. 1244 des Si-
cherheitsrates der Vereinten Nationen,
i. in Zusammenarbeit mit dem Europarat Arbeiten

zur Errichtung eines Gerichtshofs für Menschen-
rechte im Kosovo mit folgenden Merkmalen auf-
zunehmen:
a. Errichtung durch Parallelabkommen zwi-

schen dem Europarat einerseits und der
UNMIK und der KFOR/NATO (gegebenen-
falls mit einzelnen KFOR-Teilnehmerstaa-
ten) andererseits;

b. Zuständigkeit für Beschwerden über behaup-
tete Verletzungen der in der Europäischen
Menschenrechtskonvention (der „EMRK“)
und ihren Zusatzprotokollen enthaltenen
Rechte durch die UNMIK, die KFOR und na-
tionale KFOR-Kontingente sowie die PISG;

c. Zusammensetzung aus neun Richtern, fünf
internationalen und vier lokalen, wobei die
internationalen Richter von dem Ministerko-
mitee des Europarats ernannt werden und ei-
ner von diesen im Einvernehmen mit dem
Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der
Vereinten Nationen (dem „SRSG“) benannt
wird, während die lokalen Richter zur einen
Hälfte von der Mehrheitsgemeinschaft und
zur anderen Hälfte von den Minderheitenge-

* Versammlungsdebatte am 25. Januar 2005 (3. Sitzung) (siehe
Dok. 10393, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrech-
meinschaften ernannt werden. Die Richterte, Berichterstatter: Herr Lloyd). Von der Versammlung verabschie-deter Text am 25. Januar 2005 (3. Sitzung).

Drucksache 15/5298 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

würden von dem Präsidenten des Europäi-
schen Gerichtshofs für Menschenrechte be-
stellt;

d. Verfahren und Rechtsprechung auf der
Grundlage derer des Europäischen Gerichts-
hofs für Menschenrechte;

e. Befugnis zur Entgegennahme von Ersuchen
von Einzelpersonen wie von Ombudsleuten,
die mit deren Einwilligung und in deren
Auftrag handeln;

f. bei der Überprüfung von Handlungen oder
Unterlassungen der UNMIK oder der KFOR
ist der Gerichtshof rein international zusam-
mengesetzt;

g. Befugnis zur Aufhebung von Beschlüssen
und Handlungen der UNMIK und der KFOR
und zur Gewährung angemessener Wieder-
gutmachung oder Entschädigung;

ii. mit dem Europarat in Verbindung mit anderen
betroffenen Parteien, insbesondere Serbien und
Montenegro, bei einer Studie über eine mögliche
vorübergehende Ausweitung der Zuständigkeit
des Europäischen Gerichtshofs für Menschen-
rechte auf alle Bewohner des Kosovos zusam-
menzuarbeiten.

5. Die Versammlung empfiehlt der UNMIK außerdem,
i. die Sonderkammer des Obersten Gerichtshofs

für Fragen des Verfassungsrahmens mit folgen-
den Merkmalen einzusetzen:
a. Befugnis zur Entgegennahme von Ersuchen

von Einzelpersonen wie dem Ombudsmann,
der mit deren Einwilligung und in deren
Auftrag handelt;

b. Zuständigkeit für die Überprüfung aller Ge-
setze der Vorläufigen Versammlung mit Aus-
nahme der von dem SRSG bei der Verkün-
dung abgeänderten Gesetze, um diese mit
den (in die Zuständigkeit des Gerichtshofs
für Menschenrechte im Kosovo fallenden)
internationalen Menschenrechtsstandards in
Übereinstimmung zu bringen;

c. Zusammensetzung aus fünf Richtern, drei
lokalen (zwei aus der Mehrheitsgemein-
schaft und einer aus den Minderheitsgemein-
schaften) und zwei internationalen, wobei
letztere von dem Präsidenten des Europäi-
schen Gerichtshofs für Menschenrechte vor-
geschlagen und alle von dem SRSG bestellt
werden;

ii. den Grad der Rechtssicherheit zu verbessern, un-
ter anderem durch
a. Gewährleistung, dass die Vorschriften der

UNMIK eindeutig angeben, welche früheren

und im Falle einer Änderung, wie dies ge-
schehen ist;

b. Gewährleistung, dass alle Rechtsinstrumente
veröffentlicht und zügig und effektiv an alle
betroffenen Parteien weitergeleitet werden,
auch unter effizienter Nutzung der Informa-
tionstechnologie und mit einer Simultan-
übersetzung hoher Qualität in alle Amtsspra-
chen;

c. Ermöglichung einer angemessenen Zeit-
raums (vacatio legis) nach dem Erlass aller
Rechtsinstrumente;

d. Begleitung der künftigen Verkündung neuer
Rechtsinstrumente durch eine sachgerechte
Schulung aller betroffenen Beamten und
Angestellten im öffentlichen Dienst, insbe-
sondere der im Gerichtssystem und bei Straf-
verfolgungsbehörden tätigen Mitarbeiter, um
sie auf das In-Kraft-Treten dieser Instru-
mente vorzubereiten;

iii. das Gerichtssystem zu stärken, unter anderem
durch
a. weitere Schritte zum Aufbau und zur Erhal-

tung einer Judikatur auf allgemeiner und auf
kommunaler Ebene, die die ethnische Zu-
sammensetzung des gesamten Kosovos wi-
derspiegelt;

b. Gewährleistung, dass es angesichts der Ar-
beitsbelastung der Gerichte genügend Rich-
ter gibt und die Richter den Gerichten so
zugewiesen werden, dass die jeweilige Ar-
beitsbelastung ausgewogen ist;

c. weitere Gewährleistung, dass tatsächlicher
oder scheinbarer ethnischer Voreingenom-
menheit, Beeinflussung von außen oder Be-
stechlichkeit von Richtern, gegebenenfalls
durch wirksame Disziplinarmaßnahmen,
entgegengewirkt wird;

d. Aufbesserung der Richtergehälter, um mehr
der am höchsten qualifizierten Bewerber an-
zuziehen und jede Versuchung, Beste-
chungsgelder anzunehmen, auszuschließen;

e. eine umfassende und effektive Schulung der
Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte in
Bezug auf alle Rechtsfragen, insbesondere
neue Instrumente wie das Vorläufige Straf-
gesetzbuch und die Vorläufige Strafprozess-
ordnung und im Kosovo anzuwendende in-
ternationale Menschenrechtsinstrumente;

f. Gewährleistung, dass alle internationalen
Richter mindestens eine der Amtssprachen
ausreichend beherrschen und über genü-
gend Erfahrungen mit einem einschlägigen
Rechtsinstrumente sie aufheben oder ändern Rechtssystem und den anzuwendenden in-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/5298

ternationalen Menschenrechtsinstrumenten
verfügen;

iv. die Autorität der Einrichtung der Ombudsperson
im Kosovo aufrechtzuerhalten und zu stärken,
unter anderem durch:
a. Aufforderung des SRSG und der PISG, in-

nerhalb eines vertretbaren Zeitraums ab-
schließend auf deren Empfehlungen zu ant-
worten, wobei jede Weigerung, solche
Empfehlungen anzunehmen, ordnungsge-
mäß zu begründen ist;

b. volle Einhaltung ihrer Verpflichtungen ge-
mäß UNMIK-Verordnung Nr. 2000/38 be-
treffend die Zusammenarbeit mit der Om-
budsperson und die Zugänglichmachung von
Dokumenten für diese;

c. die Entscheidung, den „internationalen“ Sta-
tus der Einrichtung solange aufrechtzuerhal-
ten, wie die internationale Verwaltung im
Kosovo bleibt;

v. einen Beirat/eine Menschenrechtskommission
einzusetzen, der/die aus unabhängigen internati-
onalen Menschenrechtsexperten besteht, welche
von dem Präsidenten des Europäischen Gerichts-
hofs für Menschenrechte ernannt und von dem
SRSG bestellt werden und der/die (Entwürfe der)
UNMIK-Vorschriften und subsidiären Rechtsin-
strumente auf Einhaltung der internationalen
Menschenrechtsstandards zu überprüfen hat, ne-
ben anderen Aufgaben wie der Anhörung von
Einsprüchen der UNMIK-Beschwerdestelle
(Claims Office) und der Abgabe von Stellung-
nahmen für die UNMIK – neben Einzelbe-
schwerden – zu Fragen, die ihr von der Ombuds-
person zur Kenntnis gebracht wurden;

vi. die Effektivität der Wohnungs- und Immobilien-
direktion („HPD“) und der Wohnungs- und Im-
mobilien-Beschwerdestelle („HPCC“) sowie der
zivilen Gerichte im Umgang mit Immobilien-
streitigkeiten zu verbessern, unter anderem durch
a. Gewährleistung, dass die Verfahren vor der

HPCC den Standards von Artikel 6 der
EMRK mit der Möglichkeit einer weiteren
Berufung vor dem Menschenrechtsgerichts-
hof für das Kosovo nach dessen Errichtung
entsprechen;

b. Bereitstellung ausreichender Mittel für die
HPD/HPCC;

c. Sicherstellung, dass durch die zivilen Poli-
zeikräfte und eine verbesserte Koordinie-
rung zwischen der HPD/HPCC und den Ge-
richten eine angemessene Unterstützung

d. Gewährleistung, dass die Ansprüche aller
Binnenflüchtlinge auf dem Wege über einen
geeigneten Mechanismus – ob nun über die
HPD/HPCC oder die zivilen Gerichte – sach-
gerecht geprüft werden;

e. Verstärkung von Maßnahmen gegen gesetz-
widrige Bautätigkeit, insbesondere auf ille-
gal besetzten Grundstücken, durch Gewähr-
leistung geeigneter Maßnahmen der Gerichte
und der Polizei;

vii. die Verfahren zur Enteignung von Grundbesitz
zu verbessern, unter anderem durch:
a. Gewährleistung, dass die Verfahren, die in

dem Enteignungsgesetz von 1986 und ande-
ren anwendbaren Rechtsinstrumenten mit
Entschädigungen, die die wirklichen Eigen-
tumswerte wahren, angegeben sind, streng
eingehalten werden;

b. Stärkung der Unabhängigkeit der Beschwer-
destelle durch Einbeziehung einer Mehrheit
unabhängiger Mitglieder in das Beschwerde-
gremium;

c. Festigung der Stellung der Antragsteller und/
oder ihrer gesetzlichen Vertreter und Einfüh-
rung eines effektiven Rechtsmittels des Be-
schwerdegremiums gegenüber einem unab-
hängigen Gericht (bei dem es sich um den
Beirat mit einer weiteren Berufungsmöglich-
keit beim Gerichtshof für Menschenrechte
im Kosovo, wenn dieser einmal errichtet
worden sind, handeln könnte);

viii. den Status und die Effektivität der zivilen Poli-
zeikräfte (CIVPOL) und des KPS zu verbessern,
unter anderem durch:
a. Förderung von Einstellungen für den KPS

aus Minderheitengemeinden und die Ge-
währleistung, dass allen Beamten auf eine
Art und Weise Stellen zugewiesen werden,
die das Vertrauen der Gemeinden in den
KPS als eine multiethnische Truppe erweckt;

b. ein energisches und effektives Vorgehen ge-
gen eines Fehlverhaltens verdächtige Offi-
ziere, insbesondere bei erkennbarer ethni-
scher Voreingenommenheit;

c. Überstellung von Polizeistationen an den
KPS, sobald die Umstände dies erlauben;

d. Gewährleistung, dass alle Polizeibeamte um-
fassend in das neue vorläufige Strafgesetz-
buch eingewiesen worden sind, insbesondere
im Hinblick auf Haftbedingungen und die
einschlägigen internationalen Menschen-
rechtsstandards sowie im Hinblick auf die
strikte Umsetzung dieser Gesetzbücher und
geleistet wird; Normen in der Praxis;

Drucksache 15/5298 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

e. Förderung einer effektiven Zusammenarbeit
und Koordinierung zwischen den Polizei-
kräften und der KFOR;

f. Bereitstellung ausreichender Mittel für die
Polizeikräfte, insbesondere den KPS, damit
diese ihren Pflichten effektiv nachkommen
können;

ix. den Stand der Immunitäten zu überprüfen, insbe-
sondere durch:
a. Überarbeitung der Verordnung Nr. 2000/47,

um zu gewährleisten, dass die Immunitäten
der UNMIK und der KFOR nicht die effek-
tive Umsetzung dieser Empfehlungen behin-
dern;

b. Gewährleistung, dass die internationalen Be-
amten, einschließlich der Polizeibeamten,
stets einer effektiven Straf- und Zivilge-
richtsbarkeit unterstellt sind – entweder vor
Ort oder in ihrem Herkunftsland.

6. Die Versammlung empfiehlt außerdem (je nach Sach-
lage) der KFOR, der NATO und den KFOR-Teilneh-
merstaaten:
i. sich streng an die Verpflichtung zu halten, Ver-

haftungen nur bei zwingender Notwendigkeit
vorzunehmen und alle festgenommenen Perso-
nen unverzüglich in den Gewahrsam ziviler Poli-
zeikräfte zu überstellen;

ii. die Inhaftierungsrichtlinie der KFOR und das
Haftprüfungsgremium zu überarbeiten und zu
stärken, unter anderem durch:
a. Streichung der Einschränkung „es wird nach

besten Kräften versucht“ aus dem Erforder-
nis, alle einschlägigen internationalen Men-
schenrechtsstandards einzuhalten und insbe-
sondere für die Einhaltung der Standards
gemäß Artikel 5 EMRK zu sorgen;

b. Stärkung der Autorität und Unabhängigkeit
des Gremiums, indem es in alle Inhaftie-
rungsentscheidungen des KFOR-Komman-
deurs einbezogen wird, sich ausschließlich
aus von dem Präsidenten des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte benannten
unabhängigen Juristen zusammensetzt und
seinen Entscheidungen zur Inhaftierung bis
zur Festlegung der Zuständigkeit des Ge-
richtshofs für Menschenrechte im Kosovo
für diese Fragen Rechtsverbindlichkeit ver-
leiht;

c. Gewährleistung, dass alle festgenommenen
oder inhaftierten Personen unter Bedingun-
gen, die den einschlägigen Bestimmungen
der UNMIK-Verordnung Nr. 2003/26 betref-
fend die Vorläufige Strafprozessordnung ent-
sprechen, durch einen Anwalt vertreten wer-

d. Unterrichtung der Häftlinge durch Kopien
der Entscheidungen des Gremiums und Ver-
öffentlichung dieser Entscheidungen nach
Aufklärung des Häftlings und von diesem
erteilter Einwilligung;

e. Gewährleistung einer den Bestimmungen
der Vorläufigen Strafprozessordnung ent-
sprechenden Entschädigung für unrechtmä-
ßige Festnahme oder Inhaftierung;

f. Erweiterung der Zuständigkeit des Gremi-
ums auf die Prüfung behaupteter anderer
Menschenrechtsverletzungen durch die KFOR,
wobei es auch angemessene Abhilfemaßnah-
men oder Entschädigungsleistungen emp-
fehlen können sollte. Hilfsweise sollte, wenn
dies als geeigneter betrachtet wird, mit der
Ombudsperson eine Absprache getroffen
werden, die Zuständigkeit der Institution auf
solche Behauptungen auszudehnen;

g. Einverständnis der KFOR-Teilnehmerstaa-
ten mit der Zuständigkeit des Gremiums;

iii. die Verfahren für die Zuerkennung von Scha-
densersatz für die Enteignung von Immobilien zu
verbessern, unter anderem durch:
a. Bereitstellung effektiverer Rechtsmittel

durch Benennung mehrheitlich unabhängi-
ger Mitglieder für die Berufungskommission
für Forderungen an die KFOR und Ermögli-
chung einer weiteren Berufung bei dem Ge-
richtshof für Menschenrechte im Kosovo
nach dessen Errichtung;

b. die Bereitschaft aller KFOR-Teilnehmerstaa-
ten, die Zuständigkeit des KFOR-Systems
unter Einschluss seiner Berufungskommis-
sion anzuerkennen;

iv. eine effektive Zusammenarbeit und Koordinie-
rung mit den zivilen Polizeikräften zu fördern
und jeder Möglichkeit entgegenzuwirken, die Er-
mittlungen dieser Kräfte zu behindern;

v. die erforderlichen Vorkehrungen in Bezug auf
den Europarat zu treffen, um bei der frühesten
Gelegenheit den Mechanismus der Europäi-
schen Anti-Folter-Konvention umzusetzen;

7. Schließlich empfiehlt die Versammlung der PISG:
i. zur Rechtssicherheit beizutragen und dafür eine

angemessene Schulung aller öffentlichen Be-
diensteten, insbesondere der im Gerichtswesen,
in Bezug auf das geltende anwendbare Recht und
vor allem neue Rechtsinstrumente und anwend-
bare internationale Menschenrechtsinstrumente,
vor allem die EMRK und deren Zusatzproto-
kolle, sicherzustellen;

ii. die volle und effektive Achtung der Menschen-

den; rechte in der Politik und der gesetzgeberischen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/5298

Entwicklung sicherzustellen, unter anderem
durch:
a. Einsetzung einer übergreifenden Arbeits-

gruppe innerhalb der Vorläufigen Regierung,
die für die Koordinierung und allgemeine
Berücksichtigung der Menschenrechtsfra-
gen zuständig ist, darunter Fragen der Bezie-
hungen zwischen den Ethnien, Fragen der
guten Regierungsführung und der Gleichheit
und möglicherweise auch Volksgruppenan-
gelegenheiten und die Rückkehr in das Ko-
sovo;

b. Errichtung eines Menschenrechtsausschus-
ses innerhalb der Vorläufigen Versammlung
zur Prüfung von Gesetzentwürfen und der
Verwaltungsakte der Vorläufigen Regierung;

iii. zu gewährleisten, dass die Verfahren, die in dem
Enteignungsgesetz von 1986 und anderen an-
wendbaren Rechtsinstrumenten mit Entschädi-
gungen, die die wirklichen Eigentumswerte wah-
ren, angegeben sind, streng befolgt werden;

iv. zur Stärkung der Institution der Ombudsperson
im Kosovo beizutragen, indem mit dieser gemäß
ihren gesetzlichen Verpflichtungen uneinge-
schränkt zusammengearbeitet wird, um insbe-
sondere den Bitten der Ombudsperson um sach-
dienliche Informationen und Unterlagen zu
entsprechen;

v. bei der Umsetzung der bestehenden wie der
künftigen Vereinbarungen zwischen der UNMIK
und dem Europarat über die Anwendung von
dessen Mechanismen zum Schutz der Menschen-
rechte uneingeschränkt zusammenzuarbeiten.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 1 8 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Umstände bei der Festnahme
und Strafverfolgung von führenden

Yukos-Verantwortlichen
1. Die Parlamentarische Versammlung bekräftigt ihr

Engagement für Rechtsstaatlichkeit als einen der
wichtigsten Werte des Europarates und bringt besorgt
angesichts der Unzulänglichkeiten von Gerichtsver-
fahren in der Russischen Föderation, die durch die
Fälle mehrerer ehemaliger Yukos-Verantwortlicher
offensichtlich werden, ihre Besorgnis zum Ausdruck.

2. Rechtsstaatlichkeit erfordert ein unparteiisches und
objektives, von unzulässigen Einflüssen seitens ande-
rer Regierungsstellen freies Funktionieren der Ge-
richte und der Staatsanwaltschaften, und die strikte

Einhaltung von Verfahrensbestimmungen, welche die
Rechte der Angeklagten schützen.

3. Rechtsstaatlichkeit umfasst die Gleichheit von allen
vor dem Gesetz unabhängig von Reichtum oder
Macht.

4. Das Recht auf einen fairen Prozess, wie es durch Ar-
tikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK) geschützt wird, umfasst das Recht auf ange-
messene und öffentliche Anhörung durch ein unab-
hängiges und unparteiisches, vom Gesetz eingesetz-
tes Gericht, die Unschuldsvermutung und Zeit und
Möglichkeiten für die Vorbereitung der Verteidigung.
Ein fairer Prozess erfordert die Wahrung der Rechte
der Verteidigung, eine besonderen Schutz genießende
Beziehung des Anwalts zu seinem Mandanten und
Waffengleichheit zwischen Verteidigung und Straf-
verfolgung.

5. Der öffentliche Charakter von Gerichtsverfahren, wie
er durch Artikel 6 EMRK garantiert wird, ist im Inte-
resse des Angeklagten, aber auch der breiten Öffent-
lichkeit und ihr Vertrauen in das korrekte Funktionie-
ren des Gerichtswesens ein wichtiger Bestandteil
eines fairen Prozesses.

6. Die Versammlung unterstreicht die Bedeutung der
Unabhängigkeit der Gerichte und insbesondere des
unabhängigen Status von Richtern und bedauert, dass
rechtliche RGesetzesreformen, die im Dezember
2001 und März 2002 in der Russischen Föderation
eingeführt wurden, Richter nicht besser gegen unzu-
lässigen Einfluss seitens der Exekutive geschützt ha-
ben und sie sogar angreifbarer gemacht haben. Neu-
este Studien und in der Öffentlichkeit stark beachtete
Fälle haben gezeigt, dass die Gerichte noch immer
für unzulässige Beeinflussung hoch anfällig sind. Die
Versammlung sorgt sich insbesondere über neue Vor-
schläge zur weiteren Verstärkung des Einflusses der
Verwaltung des Präsidenten auf die Kommission für
die Qualifikation von Richtern.

7. Sachverhalte, die auf ernste Verfahrensrechtsverlet-
zungen hinweisen, die von verschiedenen Polizeibe-
hörden gegen Herrn Khodorkowsky, Herrn Lebedev
und Herrn Pichugin, ehemalige führende Yukos-Ver-
antwortliche, begangen wurden, erhärteten sich bei
Besuchen zur Feststellung des Sachverhalts, während
einige Behauptungen dem Anschein nach von dem
Verteidigungsteam übertrieben wurden. Insgesamt
stellen die Feststellungen die Fairness, die Unpartei-
lichkeit und Objektivität der Behörden in Frage, die
dem Anschein nach in überzogener Weise und unter
Missachtung fundamentaler, von der Russischen
Strafprozessordnung und von der Europäischen Men-
schenrechtskonvention garantierter Rechte der Ver-
teidigung gehandelt haben.

8. Die ernstesten bestätigten Unzulänglichkeiten sind
die folgenden:
i. Trotz ausdrücklicher Anträge der Anwälte der

Verteidigung wurden nicht rechtzeitig Untersu-
* Versammlungsdebatte am 25. Januar 2005 (3. Sitzung) (siehe

Dok. 10368, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrech-

chungen ausgeführt, die hätten ermitteln können,te, Berichterstatterin: Frau Leutheusser-Schnarrenberger). Von derVersammlung verabschiedeter Text am 25. Januar 2005 (3. Sitzung).

Drucksache 15/5298 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ob Herr Pichugin Injektionen mit psychotropen
Medikamenten erhalten hatte oder nicht; Herr
Pichugin wurde auch im „Lefortowo“-Gefäng-
nis untergebracht, das nicht den üblichen Kon-
trollen des Justizministeriums unterliegt und un-
ter der direkten Kontrolle des FSB verbleibt, was
einer konkreten Verpflichtung zuwiderläuft, die
die Russische Föderation übernommen hatte, als
sie dem Europarat beitrat;

ii. Mängel bei der ärztlichen Betreuung von Herrn
Lebedev im Gefängnis: Angesichts ernster Be-
sorgnis hinsichtlich des sich verschlimmernden
Gesundheitszustandes von Herrn Lebedev haben
sich die Gefängnisverwaltungen trotz wiederhol-
ter Ersuchen bisher geweigert, eine Untersu-
chung von Herrn Lebedev durch unabhängige
Ärzte zuzulassen;

iii. Verzögerungen bei der Beschaffung der Geneh-
migung des Staatsanwaltes verhinderten, dass
Rechtsanwälte während einer besonders kriti-
schen Zeit nach ihren Festnahme mit ihren Man-
danten Kontakt aufnahmen, was es für sie
schwieriger machte, ihre Verteidigung zu organi-
sieren. Eine Gesetzesreform, welche das Erfor-
dernis einer vorherigen Genehmigung seitens der
Staatsanwaltschaft für Rechtsanwälte abschafft,
um ihre Mandanten im Gefängnis zu besuchen,
wurde zumindest in den Fällen ehemaliger Yu-
kos-Verantwortlicher nicht in die Praxis umge-
setzt;

iv. Verweigerung des Zutritts zum Gerichtssaal für
die Anwälte der Verteidigung von Herrn Lebe-
dev während der Verhandlung, bei der über seine
Untersuchungshaft entschieden wurde;

v. Suche nach und Beschlagnahme von Dokumen-
ten in den Kanzleien der Anwälte der Verteidi-
gung, Vorladungen von Rechtsanwälten zur Be-
fragung über die Fälle ihrer Mandanten und
behauptetes Abhören von Anwälten der Verteidi-
gung: Es darf der Staatsanwaltschaft nicht gestat-
tet werden, den der Beziehung des Anwalts zu
seinem Mandanten durch ein einfaches Spielen
mit Aktenzeichen auszuhebeln, dies insbeson-
dere dann nicht, wenn die Fälle so eng miteinan-
der verbunden sind wie die Strafsachen gegen
Khodorkowsky, Lebedev und Pichugin und die
Steuersachen gegen Yukos und ihre Tochterge-
sellschaften;

vi. ungerechtfertigte Einschränkungen des öffent-
lichen Charakters bestimmter Gerichtsverfah-
ren: Die Öffentlichkeit hatte zu bestimmten Ter-
minen, welche als öffentlich angekündigt wur-
den, extrem eingeschränkten Zugang, während
andere Termine von vornherein unter Ausschluss
der Öffentlichkeit angesetzt wurden bzw. wer-
den. Insbesondere wurden sämtliche Verfahren
gegen Herrn Pichugin unter Ausschluss der Öf-

Teil der Prozessakten als geheim eingestuft
wurde. Seine Anwälte erhielten strikte Instrukti-
onen, die Verfahren nicht in der Öffentlichkeit zu
erörtern, selbst die Begründung des Endurteils
kann geheimgehalten werden;

vii. Ablehnung der Kaution (insbesondere in Bezug
auf Herrn Khodorkowsky): Herr Khodorkowsky
wurde mehrere Monate nach Herrn Lebedevs
Festnahme mit sehr ähnlichen Gründen in Unter-
suchungshaft genommen, wobei letztere Fest-
nahme in Medienberichten als eine „Warnung“
an Herrn Khodorkowsky interpretiert wurde.
Herrn Khodorkowsky’s Verhalten zeigte, dass es
keine Flucht- oder Verdunkelungsgefahr gab.
Nach Abschluss der vorprozessualen Ermittlun-
gen wurden Herrn Khodorkowsky und Herr
Lebedev in Haft gehalten, was im Lichte der Ur-
teile des Europäischen Gerichtshofes für Men-
schenrechte in den Fällen von Kalaschnikow ge-
gen Russland und Letellier gegen Frankreich
zusätzliche Fragen aufwirft. Des weiteren wer-
den nach einer kürzlich eingeführten Gesetzesre-
form Personen, die wegen nicht gewalttätiger
Vergehen der „Wirtschaftskriminalität“ ange-
klagt werden, wie die angeblich von Herrn
Khodorkowsky begangenen, allgemein nicht in
Untersuchungshaft genommen;

viii.weitere unfaire Aspekte der Prozesse gegen
Herrn Khodorkowsky, Herrn Lebedev und Herrn
Pichugin: Das Gericht erlaubt es dem Staatsan-
walt, systematisch die Protokolle der vorprozes-
sualen Zeugenbefragungen zu verlesen und im
Gerichtssaal Druck auf die Zeugen auszuüben,
diese Protokolle einfach zu bestätigen. Dies un-
terminiert die Wirksamkeit des Rechtes der Ver-
teidigung, Zeugen der Anklage zu befragen, bei
deren vorprozessualen Einvernahmen sie im All-
gemeinen nicht anwesend sein dürfen. Den An-
wälten der Verteidigung wird es auch nicht ge-
stattet, in der Untersuchungshaftanstalt und im
Gerichtssaal mit den Angeklagten schriftliche
Notizen auszutauschen, sie können lediglich No-
tizen austauschen, nachdem das Gericht sie zu-
vor zuerst gelesen hat.

9. Die Versammlung merkt an, dass die Umstände im
Zusammenhang mit der Festnahme und Strafverfol-
gung von führenden Yukos-Verantwortlichen begrün-
deten Anlass zu der Annahme geben, dass man es
hier mit einem eindeutigen Fall der Missachtung der
Rechtsstaatlichkeit zu tun hat und dass diese Füh-
rungskräfte – in Verletzung des Grundsatzes der
Gleichheit vor dem Gesetz – willkürlich von den Be-
hörden herausgegriffen wurden.

10. Insbesondere wurden die angeblich missbräuchli-
chen, von Yukos zur Steuerminimierung verwendeten
Praktiken auch von anderen Öl- und Schürfgesell-
schaften angewandt, die in der Russischen Föderation
tätig sind und die nicht Gegenstand einer ähnlichen
fentlichkeit abgehalten, obwohl nur ein kleiner Steuernachforderung oder deren Zwangsvollstre-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/5298

ckung waren und deren obere Führungskräfte nicht
strafrechtlich verfolgt wurden. Während das Gesetz
in 2004 geändert und das angebliche „Schlupfloch“
entsprechend geschlossen wurde, gehen die Handlun-
gen auf das Jahr 2000 zurück, und die rückwirkende
Strafverfolgung begann 2003.

11. Einschüchterungsmaßnahmen seitens verschiedener
Polizeidienststellen gegen Yukos und ihre Geschäfts-
partner und sonstige mit Herrn Khodorkowsky und
seinen Gesellschaftern verbundene Institutionen und
die sorgfältige Vorbereitung dieser Strafverfolgung
hinsichtlich der Public Relations vermitteln zusam-
mengenommen ein Bild eines abgestimmten Angriffs
des Staates.

12. Die Anklagen im Anschluss an eine rückwirkende
Veränderung des Steuerrechtes von Personen, welche
die Möglichkeiten nutzten, die das Gesetz in seiner
zum Zeitpunkt der ihnen Handlungen geltenden Fas-
sung bot, wirft hinsichtlich des in Artikel 7 EMRK
aufgestellten Grundsatzes des nullum crimen, nulla
poena sine lege und auch hinsichtlich des in Artikel 1
des Ersten Protokolls zum EMRK aufgestellten
Rechtes auf Schutz des Eigentums ernste Fragen auf.

13. Die Umstände des Auktionsverkaufs von Yugans-
kneftegaz an die „Baikal Finanzgruppe“ sowie die
schnelle Übernahme der letzteren durch die staatsei-
gene Rosneft werfen zusätzliche Fragen im Hinblick
auf den Schutz des Eigentums auf (Erstes Zusatzpro-
tokoll, Artikel 1 der EMRK). Dies betrifft sowohl die
Umstände der Auktion an sich, die zu einem Preis
weit unter dem Marktwert führte, als auch die Art
und Weise, wie Yukos gezwungen wurde, seinen
wichtigsten Vermögenswert zu verkaufen durch eine
aus den Fingern gesogene steuerliche Neuveranla-
gung, die zu einer Gesamtsteuerlast führte, die die
von Yukos Konkurrenten bei weitem übertraf und für
2002 sogar Yukos Gesamteinkünfte dieses Jahres
überschritt.

14. Angesichts des Vorstehenden (Absätze 8 – 12) ist die
Versammlung der Auffassung, nach der die Um-
stände bei der Festnahme und Strafverfolgung von
führenden Yukos-Verantwortlichen vermuten lassen,
dass das Interesse des staatlichen Eingreifens in die-
sem Fall über die bloße Strafrechtspflege hinausgeht
und Sachverhalte mit umfasst wie die Schwächung
eines eine deutliche Sprache führenden politischen
Gegners, die Einschüchterung anderer wohlhabender
Personen und die Zurückgewinnung der Kontrolle
über strategisch wichtiges wirtschaftliches Vermö-
gen.

15. Die Versammlung anerkennt das Recht und sogar die
Pflicht der Polizeibehörden, die Täter von Straftaten
vor Gericht zu bringen. Sie anerkennt auch das legi-
time Recht der gewählten politischen Führung, ihre
politischen Ziele auch im wirtschaftlichen Bereich zu
verfolgen. Sie hat jedoch starke Einwände gegen die
Nutzung von Gerichtsverfahren für solche Zwecke.

19. Mai 2004 des Europäischen Gerichtshofes für
Menschenrechte im Fall Gusinskiy verwiesen, bei
dem das Gericht entschied, dass die Untersuchungs-
haft des N-TV-Gründers Gusinskiy Artikel 5 der
EMRK verletzte, weil es festgestellt hatte, dass die
Strafverfolgung des Antragstellers darauf abzielte,
ihn dahingehend einzuschüchtern, dass er seinen An-
teil an NT-V an Gazprom verkaufte.

16. Daraus folgt, dass die Versammlung in allgemeiner
Hinsicht
i. die russischen Behörden auffordert, Reformen

des Rechts- und Gerichtssystems und von Poli-
zeidienststellen mit dem Ziel der Stärkung der
Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Men-
schrechte energisch zu betreiben und umzusetzen
und die Zusammenarbeit mit dem Europarat im
Rahmen laufender Programme fortzusetzen;

ii. die Gerichte ermutigt, ihre Unabhängigkeit ge-
genüber den Exekutiv-Behörden bei der Ein-
schätzung der Schuld oder Unschuld sämtlicher
angeklagten Personen zu behaupten, indem sie
das Recht in einer mit der Europäischen Men-
schenrechtskonvention konformen Weise anwen-
den;

iii. die für die Untersuchungshaftanstalten verant-
wortlichen Behörden auffordert, sicherzustellen,
dass der Zugang von Rechtsanwälten zu ihren in
Haft befindlichen Mandanten nicht länger von be-
liebigen nicht vom Gesetz vorgeschriebenen Be-
dingungen, insbesondere von vorheriger Geneh-
migung oder Empfehlung seitens des öffentlichen
Anklägers anhängig gemacht wird und die Vo-
raussetzungen für die wirksame Wahrnehmung
der Rechte der Verteidigung bei den in ihrer Ver-
wahrung befindlichen Personen einschließlich
des Respekts für die besondere Beziehung zwi-
schen Rechtsanwälten und ihren Mandanten zu
schaffen;

iv. die zuständigen Behörden nachdrücklich auffor-
dert sicherzustellen, dass sämtliche Untersu-
chungshaftanstalten, einschließlich des -Isolati-
onszentrums Lefortowoin Moskau, der Kontrolle
durch das Justizministerium entsprechend frühe-
rer von der Russischen Föderation übernomme-
nen Verpflichtungen unterstehen.

17. Die Versammlung, soweit es konkreter um die Fälle
der ehemaligen führenden Yukos-Verantwortlichen
geht,
i. ersucht die Exekutiv-Behörden der russischen

Föderation, die vollständige Unabhängigkeit der
Gerichtsverfahren gegen führende Yukos-Verant-
wortliche von jedem Versuch, sie zu beeinflus-
sen, zu garantieren und Maßnahmen zu
ergreifen, um jeden solchen Versuch zu unterbin-
den;

ii. ersucht die öffentlichen Ankläger, ihre Tätigkeit

In diesem Zusammenhang wird auf das Urteil vom in diesen Verfahren in einer professionellen,

Drucksache 15/5298 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

unparteiischen und objektiven Weise unter Ein-
haltung von Buchstaben und Geist der verfah-
rensrechtlichen Schutzvorkehrungen für die
Angeklagten, wie sie in der russischen Strafpro-
zessordnung und in der Europäischen Menschen-
rechtskonvention niedergelegt sind, sowie der in
Empfehlung (2000)19 des Ministerkomitees hin-
sichtlich der Rolle der öffentlichen Ankläger im
Strafgerichtssystem dargestellten Grundsätze
auszuüben;

iii. fordert die Gerichte auf, tatsächlichen Zutritt der
Öffentlichkeit zu den Terminen während der Ver-
fahren gegen die führenden Yukos-Verantwort-
lichen sicherzustellen;

iv. fordert die zuständigen Behörden nachdrücklich
auf, insbesondere sicherzustellen, dass lediglich
die Teile des Prozesses gegen Herrn Pichugin der
öffentlichen Überprüfung entzogen werden, wel-
che direkt mit Informationen verbunden sind, bei
denen es einen legitimen Bedarf an Geheimhal-
tung gibt, wobei die Bedeutung zu berücksichtig-
ten ist, die dem Grundsatz offener Prozesstermine
durch die Europäische Menschenrechtskonven-
tion eingeräumt wird;

v. fordert die zuständigen Behörden nachdrücklich
auf, unverzüglich eine unabhängige medizini-
sche Beurteilung des Gesundheitszustandes von
Herrn Lebedev zuzulassen.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 1 9 ( 2 0 0 5 ) *

betr. Gentechnisch veränderte
Organismen (GVO)

1. Angesichts der weltweit wachsenden Produktion und
Nutzung gentechnisch veränderter Organismen
(GVO) hält die Parlamentarische Versammlung des
Europarates klare politische Regeln unter angemesse-
ner Berücksichtigung des Vorsorge-Prinzips für er-
forderlich, um sicherzustellen, dass neue und traditio-
nelle landwirtschaftliche Produktionsweisen in den
Mitgliedsländern ko-existieren können. Ziel dieser
Regelung muss sein, die ökologischen und ökonomi-
schen Lebensgrundlagen der Menschen und die bio-
logische Vielfalt unserer Lebensräume nachhaltig zu
sichern.

2. Die Parlamentarische Versammlung nimmt zur
Kenntnis, dass Forschung und Anwendungen der Bi-
otechnologie im Agrarbereich wesentlich dazu beige-
tragen haben, neue Erkenntnisse über Pflanzen und
Tiere zu gewinnen. Züchterische Methoden sind

durch den Einsatz der neuen Technologie entschei-
dend verbessert worden. Differenziert werden muss
zwischen biotechnologischen Verfahren im Allge-
meinen und der Methode des Gentransfers, die es
Wissenschaftlern ermöglicht, GVO herzustellen.

3. Sie nimmt auch zur Kenntnis, dass Herstellung und
Nutzung gentechnisch veränderter Organismen in
Europa äußerst kontrovers diskutiert werden und dass
es hinsichtlich mittel- und langfristiger Umweltaus-
wirkungen nach wie vor kein belastbares Risikowis-
sen gibt.

4. In gentechnische Anwendungen sind hohe Investitio-
nen geflossen. Neben der großen Zahl weltweit ge-
nehmigter Pflanzensorten stehen jetzt auch transgene
Fische und gentechnisch veränderte Mikroorganis-
men vor der Markteinführung.

5. Der Erwartungshorizont der Hersteller reicht von der
Verbesserung agronomischer Eigenschaften und Sen-
kung der Produktionskosten, damit verbunden oder
anderweitig beeinflusst gesteigerten Erträgen, hin zu
qualitativ verbesserten Lebensmitteln. Darüber hi-
naus wird an Verfahren zur biologischen Entsorgung
von Schadstoffen geforscht. Die Vorteile der neuen
Technologie werden zunehmend für die Bedürfnisse
der Entwicklungsländer angepriesen.

6. Die Parlamentarische Versammlung glaubt, dass ob-
wohl die Grüne Gentechnik ein breites Spektrum
potentiellen Nutzens bietet, viele Risiken wie zum
Beispiel der horizontale Gentransfer noch nicht hin-
länglich erforscht sind und weiterhin untersucht wer-
den sollten. Während bei den gegenwärtigen GVO
das Gesundheitsrisiko als gering eingeschätzt werden
kann, vorausgesetzt die Sicherheitskontrollen erwei-
sen sich als effektiv, werden zukünftige Entwicklun-
gen mit veränderten Output-Eigenschaften neue und
andere Risiken mit sich bringen, die individuell abge-
schätzt werden müssen.

7. Langfristige Auswirkungen auf die Biodiversität sind
schwer einschätzbar, zumal es keine allgemein aner-
kannte Definition eines „ökologischen Schadens“
gibt. Die Parlamentarische Versammlung betont, dass
gegenwärtig keine einheitlichen Standards für das
vorgeschriebene anbaubegleitende Monitoring beste-
hen. Ein Langzeit-Monitoring ist zwingend, um öko-
logische Auswirkungen von GVO abschätzen zu
können.

8. Zu wenig Aufmerksamkeit ist bislang der Züchtung
von transgenen Nutztieren und genetisch veränderten
Mikroorganismen gewidmet worden. Experimente
mit transgenen Nutztieren werden seit mehreren Jahr-
zehnten durchgeführt. Die Zielsetzungen gleichen
überwiegend denen konventioneller Züchtungen und
betreffen im Bereich der Landwirtschaft vor allem
die Steigerung der Produktivität.

9. Neben bislang kaum erforschten gesundheitlichen
Risiken für den Menschen (Allergien, ernährungs-

* Versammlungsdebatte am 26. Januar 2005 (5. Sitzung) (siehe
Dok. 10380, Bericht des Ausschusses für Umwelt, Landwirtschaft
und regionale und kommunale Angelegenheiten, Berichterstatter:
Herr Wodarg, sowie Dok., Stellungnahme des Ausschusses für Kul-
tur, Wissenschaft und Bildung, Berichterstatterin: Frau Fernández de
physiologische Auswirkungen, Zoonosen) gehen mitCapel). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 26. Januar2005 (5. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/5298

der Methode gentechnischer Veränderungen an Nutz-
tieren gravierende gesundheitliche Auswirkungen für
die Nutztiere selbst einher. Hier ist zu fragen, ob es
ethisch vertretbar ist, transgene Tiere aus Gründen
der Wirtschaftichkeit zu entwickeln.

10. Die Parlamentarische Versammlung ist der Auffas-
sung, dass neben wirtschaftlichen, sozialen und ethi-
schen Konsequenzen vor allem die ökologischen
Folgen und ein möglicher weiterer Rückgang gefähr-
deter lokaler Nutztierrassen in Betracht zu ziehen ist.

11. Die Parlamentarische Versammlung ist sich bewusst,
dass international sehr unterschiedliche politische
Strategien bezüglich des Umgangs mit GVO zu be-
obachten sind. Während in den USA weder eine
Trennung der Warenströme, noch eine verbindliche
Kennzeichnung etabliert worden ist, in Brasilien und
Mexiko bereits vielfache Kontaminationen heimi-
scher Arten festgestellt wurden, hat die Europäische
Union sich entschieden, ihre Politik am Vorsorge-
Prinzip auszurichten und Produzenten wie Verbrau-
chern dauerhaft Wahlfreiheit zu ermöglichen (strenge
Genehmigungspraxis, Kennzeichnung, Koexistenz).
Dadurch ist das Kriterium GVO-frei zu einem für Ex-
und Import entscheidenden Qualitäts-Kriterium ge-
worden.

12. Während einzelne Mitgliedstaaten GVO strikter re-
gulieren wollen als EU-weit erforderlich, bestehen
Besorgnisse, dass über einzelne Länder in Zentral-
und Osteuropa eine schleichende und unkontrollierte
Verbreitung von GVO erfolgt. Alle Handlungen, die
darauf abzielen, eine explizite Entscheidung gegen
die Freisetzung von GVO durch die Schaffung von
Tatsachen zu unterlaufen, verdienen eine klare Ab-
sage. Alle illegalen Handlungen, bei denen die Pflan-
zen von Freisetzungsversuchen zerstört werden sol-
len, müssen ebenfalls zurückgewiesen werden.

13. Die EU will, nachdem seit 1998 ein De-facto-Mora-
torium für die Zulassung von GVO bestand, einer-
seits eine durchgängige Regulierung des Umgangs
mit GVO in den Mitgliedstaaten etablieren, um damit
der ablehnenden Haltung der Verbraucher in einer
großen Zahl ihrer Mitgliedstaaten gerecht zu werden,
andererseits das innovative Potenzial der Biotechno-
logie weiter ausbauen und verlässliche Bedingungen
für den Handel mit in der EU zugelassenen GVO
schaffen. Innerhalb der EU müssen ab April 2004 Le-
bens- und Futtermittel gekennzeichnet werden, zu
deren Herstellung gentechnische Verfahren einge-
setzt worden sind, auch dann, wenn die Produkte
selbst keine GVO mehr enthalten (Übergang von ei-
ner Produktkennzeichnung hin zu einer Verfahren-
skennzeichnung). Die Kennzeichnung von GV-Fut-
termitteln ist verbindlich, nicht aber die
Kennzeichnung von Fleisch, Milch und Eiern von
Tieren, die mit GV-Futter gefüttert wurden.

14. Die Parlamentarische Versammlung ist der Auffas-
sung, dass die große Zurückhaltung von Verbrau-

zurückzuführen ist, dass bislang keine Produkte ent-
wickelt worden sind, die einen spezifischen Verbrau-
chernutzen aufweisen. Der Vertrauensverlust von
Konsumenten gerade im Bereich der Lebensmittel-
herstellung hat vielfältige Ursachen und sollte unbe-
schadet möglicher irrationaler Anteile von Produzen-
ten, Handel und Politik sehr ernst genommen werden.
Zum einen ist von verschiedenen und differenzierten
Risikowahrnehmungen der Bürger auszugehen. Zum
anderen muss gesehen werden, dass der Einsatz bzw.
die Förderung bestimmter Technologien nicht wert-
neutral erfolgt, sondern eingebunden ist in komple-
xere politische Entscheidungen, wie beispielsweise
die Ausrichtung der Agrarpolitik und der Einsatz öf-
fentlicher Mittel.

15. Sie konstatiert, dass die Anwendung gentechnischer
Methoden im Agrarbereich bislang eine Fortsetzung
der chemiegestützten, auf Ertragssteigerung angeleg-
ten intensiven Landwirtschaft ist. Umweltentlastun-
gen durch geringeren Verbrauch von Agrochemika-
lien sind aufgrund von Resistenzbildungen oft nicht
von Dauer. Eine an ökologischen Prinzipien ausge-
richtete Landbewirtschaftung bietet eine Alternative
zur bisherigen Praxis, die nicht durch einen übereil-
ten Einstieg in den breiten kommerziellen Anbau von
GVO gefährdet werden sollte.

16. Die Parlamentarische Versammlung glaubt, dass ei-
nem nicht kalkulierbaren Risiko, das mit der Freiset-
zung gentechnisch modifizierter Organismen einher-
geht, ein bislang nicht erwiesener Nutzen gegenüber
steht. Ethische Aspekte wie der Tierschutz, die ganz
erheblichen Überwachungs- und Kontrollnotwendig-
keiten von Langzeitmonitoring der Umweltwirkun-
gen, zur Einhaltung von Schwellenwerten und künf-
tig zur Erfassung möglicher gesundheitlicher Effekte
und die daraus entstehenden Kosten sowie auch der
damit verbundene Eingriff in die bisherige Freiheit
des Anbaus von Kulturpflanzen lassen es geraten er-
scheinen, den gesellschaftlichen Diskurs fortzusetzen
und die Forschungsagenda im Zusammenhang mit
Nachhaltigkeitskonzepten zu verbreitern.

17. Sie konstatiert, dass die gegenwärtigen Bedingungen
des Welthandels verstärkt unter dem Anspruch nach-
haltiger Wirtschaftspolitik betrachtet werden sollten.
Das Patentsystem zum Schutz geistigen Eigentums
beispielsweise gewährleistet keinen fairen Ausgleich
zwischen den reichen und den ärmeren Ländern. Das
Patentrecht erweist sich zunehmend als trickreiches
Instrument, um Quasi-Besitzrechte an landwirtschaft-
lichen Ressourcen zu erwerben. Patente auf bio-
logisches Material verschärfen und zementieren Ab-
hängigkeiten und bergen die Gefahr von Monopolen
und einem unbarmherzigen Verdrängungswettbewerb
zu Ungunsten bäuerlicher Strukturen. Die sozialen
Folgen solcher Wirtschaftsförderung können gravie-
rende Armutsprobleme schaffen oder verstärken.

18. Die Parlamentarische Versammlung ist der Auffas-
sung, dass die bislang entwickelten transgenen Sorten
chern in vielen Ländern der EU nicht allein darauf für den Anbau in Entwicklungsländern ungeeignet

Drucksache 15/5298 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

sind. Für sie ist entscheidend, dass ein Wissenstransfer
erfolgt, keine bloße Erschließung neuer Absatzmärkte.
Der Welthunger ist das Resultat von Verteilungsunge-
rechtigkeit und eine wirksame Armutsbekämpfung
muss bei Handelsstrukturen und Beteiligungsrechten
ansetzen.

19. Folglich empfiehlt die Parlamentarische Versamm-
lung, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten bei
ihrer Politik bezüglich gentechnisch veränderten Or-
ganismen
i. folgende generellen Prinzipien beachten

a. Wahlfreiheit der Konsumenten und Produ-
zenten: Die Erhaltung des einfachen Zu-
gangs zu gentechnikfreien Lebensmitteln ist
das zentrale Ziel der Regulierung von GVO.
Dies impliziert, dass die Lebensfähigkeit ei-
ner Landwirtschaft ohne GVO langfristig si-
chergestellt werden kann. Im Unterschied zu
anderen Formen traditioneller Landwirt-
schaft kann der regionale Ökolandbau nicht
über Grenzwerte geschützt werden. Die
Konsumenten von ökologischen Produkten
werden auf jeden Fall keine Toleranz von
0,9 Prozent GVO akzeptieren.

b. Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft: Die
GVO-freie Landwirtschaft sollte gesetzlich
gewährleistet werden ohne den Anbau von
GVO und die Freisetzung von GVO zu wis-
senschaftlichen Zwecken unmöglich zu ma-
chen. Der Ökolandbau insbesondere verdient
Schutz, weil er in Hinblick auf ökologische
Nachhaltigkeit die beste Landbewirtschaf-
tungsform ist, was auch in der Empfehlung
1636 (2003) der Parlamentarische Versamm-
lung über die Entwicklung des ökologischen
Landbaus angesprochen wird.

c. Vorsorge: Angesichts der großen Wissens-
lücken sowohl auf der Ebene der Molekular-
genetik als auch hinsichtlich ökologischer
Folgen sollten irreversible Eingriffe in die
Natur und eine schleichende Kontamination
mit Transgenen vermieden und das Vor-
sorge-Prinzip bezüglich der Umweltfolgen
jederzeit beachtet werden.

d. Partizipation und Versachlichung der wis-
senschaftlichen und öffentlichen Diskus-
sion: Von allgemeinem Interesse ist, dass auf
den verschiedenen Ebenen der Sicherheits-
forschung eine solide Wissensbasis erarbei-
tet werden kann, die prozedural ein Umsteu-
ern, Lockern oder Verschärfen von
Standards und Regularien ermöglicht. Nur
auf der Basis eines breiten gesellschaftlichen
Diskurses können klare politische Entschei-
dungen getroffen werden. Auch die For-
schung sollte sich für diesen Diskurs stärker

sollte nicht nur die Risikodimension der grü-
nen Gentechnik, sondern auch die Frage the-
matisieren, ob gesellschaftliche Leitbilder,
Zielvorstellungen und Nutzenerwartungen
den Einstieg in die grüne Gentechnik in grö-
ßerem Umfang rechtfertigen oder ob sie dies
nicht tun.

ii. ihre Sicherheitsstandards bezüglich des Um-
gangs mit GVO an der EU-Gesetzgebung als ei-
ner Mindestnorm zu orientieren;

iii. zusätzliche Vorkehrungen zu treffen in Hinblick
auf:
a. Kennzeichnung von GVO: die Kennzeich-

nung von tierischen Produkten nach Verwen-
dung von GV-Futtermitteln ist verbindlich
vorzuschreiben. Eine konsistente Ausgestal-
tung der Verfahrenskennzeichnung sollte an-
gestrebt werden;

b. Kennzeichnung von Saatgut: Unter Beach-
tung des Vorsorge-Prinzips ist eine verbind-
liche Kennzeichnung von Saatgut an der
technischen Nachweisgrenze (0,1 Prozent)
das effektivste Mittel, sowohl um ökologi-
sche Folgen einzudämmen als auch um die
Einhaltung von Kennzeichnungs-Schwellen-
werten sicher zu gewährleisten;

c. Haftungsregime: Erforderlich sind klare Re-
gelungen zu Fragen der Haftung und bezüg-
lich der Frage, wer die Zusatzkosten zu tra-
gen hat, die mit der Ermöglichung der
Koexistenz verbunden sind. Diese sollten
dem Verursacherprinzip folgen;

d. Gute landwirtschaftliche Praxis: Regeln gu-
ter landwirtschaftlicher Praxis im Umgang
mit GVO sollten verbindlich sein (Abstands-
regeln, Anbauregister etc.);

e. GVO-freie Zonen: GVO-freie Referenzge-
biete sollten eingerichtet werden, um natürli-
che Basisdaten festzulegen. Regionale Zu-
sammenschlüsse zu GVO-freien Zonen
sollten möglich sein, um die Koexistenz und
ökologisch sensible Gebiete zu schützen;

f. Verbot des Anbaus von GVO-Sorten, die
Markierungsgene für den Widerstand gegen
Antibiotika enthalten;

iv. mit Blick auf die Tatsache, dass die kommer-
zielle Einführung transgener Nutztiere bevor-
steht, sollten die folgenden Maßnahmen ergriffen
werden:
a. Risikoforschung: eine gründliche Risikofor-

schung in vielen Bereichen (menschliche
Gesundheit, Gesundheit der Nutztiere, öko-
logische Auswirkungen) muss nachgeholt
werden. Die Anwendung von gentechnisch
öffnen. Ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs veränderten Mikroorganismen im tierischen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/5298

Bereich sollte das gesamte Tier und seinen
Lebenszyklus ins Auge fassen.

b. Sichere Haltungssysteme: Keinesfalls sollten
gentechnisch veränderte Nutztiere in offenen
Herden gehalten werden. Um Risiken, die
von transgenen Fischen auf die umliegenden
Ökosysteme ausgehen, gering zu halten,
sollte von einer Haltung in Käfigsystemen in
offenen Gewässern abgesehen werden.

c. Pharmazeutika: Transgene Pflanzen und
Tiere, die Pharmazeutika liefern, sollten nur
in geschlossenen Systemen gehalten werden.
Zwischen gesundheitsfördernden und thera-
peutischen Effekten ist zu unterscheiden.

20. Die Parlamentarische Versammlung empfiehlt den
Parlamenten der Mitgliedstaaten und dem Europäi-
schen Parlament, die Einhaltung der genannten Prin-
zipien und Maßnahmen in der diesbezüglichen Ge-
setzgebung zu überwachen.

21. Die Parlamentarische Versammlung erinnert an die
Empfehlung 1425 (1999) über Biotechnologie und
den Schutz geistigen Eigentums und das Erfordernis,
dass Farmer in der Lage sein sollten, ihr eigenes Ern-
tegut zur Wideraussaat zu verwenden, um Abhängig-
keiten von den großen Saatgutunternehmen, die zu-
nehmend den Markt beherrschen, zu reduzieren.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 2 0 ( 2 0 0 5 ) *

betr. den Frieden im Nahen Osten
1. Die Versammlung begrüßt die Wahl von Herrn

Mahmoud Abbas zum Präsidenten der Palästinensi-
schen Autonomiebehörde. Diese Wahl eröffnet ein
neues Fenster für eine Gelegenheit zum Dialog und
zur Erneuerung eines Friedensprozesses im Nahen
Osten.

2. Die Kontakte zwischen allen betroffenen Parteien
müssen unverzüglich wieder aufgenommen werden,
um einen umfassenden Nutzen aus der Dynamik des
Wahlergebnisses zu ziehen. Die internationale Ge-
meinschaft sollte aktiv zur Wiederaufnahme der Kon-
takte zwischen beiden Parteien beitragen. Die Verein-
ten Nationen, die Vereinigten Staaten, die
Europäische Union und Russland sollten gemäß ihren
internationalen Stellungen und Bestrebungen ihre
Verpflichtungen auf sich nehmen und sehr viel akti-
ver am Verhandlungsprozess beteiligt sein.

3. Der Fahrplan ist weiterhin eine wertvolle Referenz
für die Friedensverhandlungen, und eine Zweistaa-
tenlösung stellt weiterhin die einzige realistische po-
litische Lösung des Konflikts dar.

4. Die politische Lösung kann nur über eine Beendi-
gung von Gewalt und Terrorismus erzielt werden. Es
sollte unverzüglich ein beidseitiger Waffenstillstand
geschlossen werden. Die Palästinenserführung sollte
jede mögliche Unterstützung bei ihrer fortgesetzten
Anstrengung erhalten, entschlossen gegen den Terror
vorzugehen. Die Versammlung verurteilt vorbehalt-
los jede Gewalt auf beiden Seiten, insbesondere An-
schläge auf die Zivilbevölkerung.

5. Es ist entscheidend, dass der demokratische Prozess
innerhalb der Palästinensischen Autonomiebehörde
fortgesetzt wird. Die internationale Gemeinschaft
sollte der Palästinensischen Führung jede mögliche
Hilfe und Unterstützung bei der Durchführung dieser
schwierigen Aufgabe anbieten.

6. Die Versammlung fordert die israelische und die pa-
lästinensische Seite nachdrücklich dazu auf,
a. unverzüglich einen Waffenstillstand zu erklären;
b. die Kontakte sofort wieder aufzunehmen und

sich an einem sinnvollen friedlichen Prozess und
an Verhandlungen zu beteiligen;

c. mit internationalen Mediatoren zusammenzuar-
beiten;

7. Die Versammlung ruft die israelische Regierung auf,
a. die Militäroperationen und außergerichtlichen

Hinrichtungen von Kämpfern palästinensischer
extremistischer Organisationen zum Stillstand zu
bringen;

b. den Rückzug der Militärstreitkräfte und Siedler
aus dem Gazastreifen in Erwägung zu ziehen als
Teil des Friedensprozesses in Zusammenarbeit
mit der palästinensischen Seite und nicht als ei-
nen isolierten Schritt;

c. ihre Haltung zum Wiederaufbau der Sicherheits-
mauer zu überdenken, unter Berücksichtigung
des Beschlusses des Internationalen Gerichtsho-
fes;

d. dem Bau und der Ausdehnung illegaler Siedlun-
gen unverzüglich ein Ende zu bereiten;

8. Die Versammlung ruft die Palästinenserführer und
insbesondere Präsident Abbas dazu auf,
a. umfassenden Gebrauch von ihrer Autorität und

Gewalt zu machen, um die Anschläge gegen die
Israelis zum Stillstand zu bringen;

b. geeignete Maßnahmen zur Zerschlagung von
Terrororganisationen zu ergreifen;

c. demokratische Reformen durchzuführen.
9. Die Versammlung ruft die Europäische Union und

Russland auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen
und eine sehr viel aktivere Rolle im Friedensprozess
zu spielen.

10. Die Versammlung ruft die Regierung der Vereinigten
* Versammlungsdebatte am 26. Januar 2005 (5. Sitzung) (siehe

Dok. 10427, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:

Staaten auf, unter Wahrung der Charta der VereintenHerr Margelov). Von der Versammlung verabschiedeter Text am26. Januar 2005 (5. Sitzung).

Drucksache 15/5298 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Nationen und in Absprache mit ihren europäischen
Partnern ihren Einfluss zu nutzen, um einen gerech-
ten Frieden zwischen Israel und der Palästinensi-
schen Autonomiebehörde zu erzielen als ein uner-
lässlicher Bestandteil eines weiteren demokratischen
Prozesses und des Wohlstands im Nahen Osten.

11. Die Versammlung ist weiterhin davon überzeugt,
dass die Beteiligung der internationalen Gemein-
schaft eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen
Beilegung des Konflikts spielen könnte. In dieser
Hinsicht wären Kontakte auf parlamentarischer
Ebene von großer Bedeutung.

12. Die Parlamentarische Versammlung beschließt, die
Kontakte zwischen Parlamentariern der Knesset und
des Palästinensischen Legislativrats zu erleichtern,
und sie weist insbesondere ihre relevanten Aus-
schüsse und ihren Generalsekretär an, die Zusammen-
arbeit mit ihren Amtskollegen in beiden Parlamenten
auszuweiten durch die Veranstaltung gemeinsamer
Sitzungen, Konferenzen und Schulungsprogramme.
Die Parlamentarische Versammlung bringt ferner ihre
Bereitschaft zum Ausdruck, die anstehenden Wahlen
zum Palästinensischen Legislativrat zu beobachten.

13. Die Parlamentarische Versammlung ersucht den Poli-
tischen Ausschuss, die Möglichkeit zu prüfen, ihren
Unterausschuss für den Nahen Osten als ein Dreipar-
teienforum zu nutzen, das es den Parlamentariern der
Knesset, des Palästinensischen Legislativrates und
der Parlamentarischen Versammlung ermöglichen
würde, auf gleichberechtigter Basis zusammenzusit-
zen mit einem Rederecht und dem Recht, Vorschläge
für die Tagesordnung und für Maßnahmen des Unter-
ausschusses zu machen.

14. Die Versammlung ruft die Venedig-Kommission auf,
den Palästinenserführern Erfahrung in ihren Zustän-
digkeitsbereichen zur Verfügung zu stellen, insbeson-
dere, was die Übereinstimmung der palästinensi-
schen Gesetzgebung mit den internationalen Normen
anbelangt.

15. Die Versammlung ruft den Kongress der Gemeinden
und Regionen in Europa dazu auf, eine eventuelle
Zusammenarbeit mit den Gemeinden in der Region
in Erwägung zu ziehen, insbesondere im Hinblick auf
Städtepartnerschaften.

16. Die Parlamentarische Versammlung unterstützt
grundsätzlich die Friedensbemühungen herausragen-
der israelischer und palästinensischer Persönlichkei-
ten, die am 1. Dezember 2003 die Genfer Initiative
eingeleitet und eine neue Aussicht für die Lösung des
israelisch-palästinensischen Konflikts eröffnet haben.
Die Versammlung ruft die Mitglieder der Knesset
und des Palästinensischen Legislativrates auf, der
Genfer Initiative ihre Unterstützung zu schenken und
diese Friedensbemühungen auszuweiten.

17. Unter Hinweis auf ihre Entschließung 1156 (1998)
und ihre Empfehlung 1612 (2003), in der die Verein-

len Fonds („Fonds für den endgültigen Status der
Flüchtlinge und Vertriebenen Palästinas“) zur Finan-
zierung der ständigen Unterbringung, die zur Been-
digung der schrecklichen Bedingungen und der Ar-
mut in den palästinensischen Flüchtlingslagern
notwendig ist, zu schaffen, empfiehlt die Versamm-
lung der bevorstehenden internationalen Konferenz
zur Stärkung der Palästinenserbehörde am 1. März,
diese Vorschläge als einen konstruktiven und not-
wendigen Beitrag zum Friedensprozess zu berück-
sichtigen.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 2 1 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Beziehungen zwischen Europa
und den Vereinigten Staaten

1. Die Parlamentarische Versammlung des Europarates
würdigt die Vorteile, die in den letzten sechzig Jahren
im Hinblick auf Sicherheit und Wohlstand aus einer
positiven transatlantischen Partnerschaft herrührten.
Der transatlantische Zusammenhalt ist weiterhin ein
unersetzlicher Faktor zur Förderung von Stabilisie-
rung und Sicherheit.

2. Die Parlamentarische Versammlung ist besorgt über
die jüngste Verschlechterung der transatlantischen
Beziehungen. Obgleich Missverständnisse und feh-
lerhafte Kommunikation insbesondere im Vorfeld
und während des Irak-Kriegs sicherlich zur Krise der
Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und
Europa beigetragen haben, ist offensichtlich, dass
zwischen beiden Seiten echte langjährige Meinungs-
verschiedenheiten im Hinblick auf außenpolitische
Fragen bestehen.

3. In der Welt nach dem Ende des Kalten Krieges wur-
den wir Zeugen einer Verlagerung der geopolitischen
Sicherheitsziele und zunehmend divergierender au-
ßenpolitischer Strategien zwischen den europäischen
Ländern und den Vereinigten Staaten. Diese Faktoren
führten zu unterschiedlichen Ansätzen im Hinblick
auf Fragen wie den Terrorismus, das aggressive Ver-
halten von Schurkenstaaten und die internationale
Justiz sowie im Hinblick auf Armut und Umweltzer-
störung.

4. Die Versammlung verweist auf ihre Entschließung
758 (1981) betr. die Beziehungen zwischen Europa
und den Vereinigten Staaten von Amerika und Ka-
nada, in der sie betonte, dass weder die Demokra-
tien Europas noch die Nordamerikas die Herausfor-
derungen der achtziger Jahre allein bewältigen
könnten. Mehr als zwanzig Jahre später erkennt die
Versammlung die anhaltende Gültigkeit dieser Be-
hauptung an.

* Versammlungsdebatte am 27. Januar 2005 (6. Sitzung) (siehe
Dok. 10353, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
ten Nationen aufgerufen wurden, einen internationa- Herr Azzolini). Von der Versammlung verabschiedeter Text am27. Januar 2005 (6. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23 – Drucksache 15/5298

5. Ein verminderter transatlantischer Zusammenhalt
zieht negative Folgen für die Welt nach sich. Isolatio-
nistisch handelnde oder isolierte Vereinigte Staaten
von Amerika könnten dazu neigen, unilaterale anstatt
multilaterale (oder auf Koalitionen beruhende) Hand-
lungen zu unternehmen. Unilaterale Handlungen
dürften die internationalen Organisationen schwä-
chen und die Grundsätze der kollektiven Sicherheit in
Frage stellen. Obwohl die Vereinigten Staaten in mi-
litärischer Hinsicht stärker sind, hängen sie mehr
denn je von ihren Bündnispartnern ab, um Legitimi-
tät für ihre Handlungen auf der Weltbühne zu erhal-
ten. In anderer Hinsicht wurde die Komplementarität
zwischen den Vereinigten Staaten und Europa im
Verlauf von Konflikten wie dem im Kosovo und in
Afghanistan offenkundig illustriert. In diesen und an-
deren Fällen erwies es sich, dass die europäischen
Staaten und Institutionen, wenngleich sie nicht in der
Lage oder nicht bereit waren, allein die militärische
Macht auszuüben, die für eine wirksame Begegnung
der Bedrohungen für die weltweite Sicherheit erfor-
derlich ist, noch immer Ressourcen und Erfahrung
für die Durchführung von Friedens- und Wiederauf-
baubemühungen beitragen, an Friedenserhaltungs-
aufgaben teilnehmen sowie wichtige militärische
Aufgaben in Zusammenarbeit mit den Vereinigten
Staaten im Rahmen der NATO oder einer „Koalition
der Bereitwilligen“ wahrnehmen können.

6. Die Gefahren einer verfestigten Kluft zwischen den
Vereinigten Staaten und ihren europäischen Freunden
werden von allen Betroffenen anerkannt, ebenso wie
die dringende Notwendigkeit, die Partnerschaft zu
retten. Die Vereinigten Staaten und Europa teilen ge-
meinsame Werte und haben gemeinsame Interessen,
die weiterhin eine Grundlage für ihre künftigen Be-
ziehungen bilden. Obgleich sie die Unvermeidbarkeit
der strukturellen Gründe für eine sich wandelnde
transatlantische Partnerschaft anerkennt, unterstreicht
die Parlamentarische Versammlung die entschei-
dende Rolle, die ein aktiver und freimütiger Dialog
zwischen Partnern auf der Grundlage gegenseitiger
Achtung zur Gewährleistung der anhaltenden Le-
bensfähigkeit und Dynamik der transatlantischen
Partnerschaft spielen kann.

7. Die Versammlung nimmt den EU-USA-Gipfel zur
Kenntnis, der am 26. Juni 2004 in Irland stattgefun-
den hat und begrüßt die Arbeit, die zur Lösung der
verbleibenden Unterschiede zwischen den Vereinig-
ten Staaten und Europa im Hinblick auf den Irak ge-
leistet wurde, insbesondere die Verpflichtung zu
einem anhaltenden expansiven Engagement der Ver-
einten Nationen im Irak. Die Versammlung verweist
auf ihre Entschließung 1386 (2004) betr. den Beitrag
des Europarates zur Lösung der Lage im Irak sowie
auf ihre Unterstützung einer führenden Rolle der Ver-
einten Nationen im Irak.

8. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf die
Ergebnisse ihres Interparlamentarischen Forums zum

an dem sowohl Mitglieder des Kongresses der Verei-
nigten Staaten als auch die kanadische Beobachterde-
legation in der Parlamentarischen Versammlung aktiv
teilnahmen. Das Forum schloss mit einem Aufruf zu
einem institutionalisierten Dialog zwischen den Mit-
gliedern der Parlamentarischen Versammlung und
dem Kongress der Vereinigten Staaten. Wie das Fo-
rum bewiesen hat, gibt es eine breite Palette von Fra-
gen, die diskutiert werden können und sollten, sowie
Missverständnisse, die in einem freimütigen Dialog
vermieden werden können. Es verdeutlichte auch die
Vielfalt der Meinungen, die nicht nur unter, sondern
auch innerhalb der Delegationen bestehen.

9. Der Dialog sollte sich insbesondere darauf konzent-
rieren, wie Europa und die Vereinigten Staaten zur
Betonung der Vorteile ihrer Komplementarität zu-
sammenarbeiten können. Die beiden Seiten sollten
sich über Mittel zur Förderung der Demokratie,
Wahrung der Menschenrechte und erneuten Stabili-
tät in gescheiterten Staaten einigen, um internatio-
nale Strategien zur wirksamen Bekämpfung des
Terrorismus zu finden, wobei sie auch die Men-
schenrechte wahren und den Ursachen an der Wur-
zel dieses Phänomens Beachtung schenken sowie
die Vereinten Nationen stärken sollten, damit diese
besser auf die Bedürfnisse ihrer Mitglieder reagie-
ren können.

10. Die Parlamentarische Versammlung ist daher eifrig
bestrebt, eine Reihe umfassender Dialoge mit dem
Kongress der Vereinigten Staaten einzuleiten. Der
Dialog sollte in einer gemeinsamen Verpflichtung im
Hinblick auf Menschenrechte, pluralistische Demo-
kratie und internationale Zusammenarbeit verankert
sein und sich auf Wege zur Stärkung der Beziehung
konzentrieren sowie viele der oben genannten He-
rausforderungen kreativ angehen. Die Parlamentari-
sche Versammlung ist unter den europäischen Institu-
tionen ideal für diese wichtige transatlantische
Initiative geeignet, da sie sich der Wahrung der de-
mokratischen Sicherheit, der Menschenrechte und
der Rechtsstaatlichkeit gewidmet hat und weil sie
sich aus gewählten Mitgliedern aus 46 europäischen
nationalen Parlamenten zusammensetzt.

11. Die Parlamentarische Versammlung ist der Auffas-
sung, dass sich die Kommunikation zwischen den eu-
ropäischen Vertretern und den Abgeordneten der Ver-
einigten Staaten verbessern würde, wenn der
Kongress der Vereinigten Staaten aktiv als Beobach-
terdelegation an der Parlamentarischen Versammlung
teilnehmen würde.

12. Die Parlamentarische Versammlung nimmt mit Inte-
resse die Entschließung des Europäischen Parlaments
zum Stand der Transatlantischen Partnerschaft im
Vorfeld des Gipfeltreffens EU-USA in Dublin am
25. und 26. Juni 2004 (B5-0185/2004) zur Kenntnis,
insbesondere die Idee, dass die bestehenden Bezie-
hungen zwischen dem Europäischen Parlament und
dem amerikanischen Kongress als Fernziel zur
transatlantischen Dialog (London, 19. April 2004), Errichtung einer transatlantischen Versammlung

Drucksache 15/5298 – 24 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

EU-USA führen könnten. Die Versammlung sollte
die Entwicklungen genau verfolgen und möglicher-
weise eine Beteiligung an der Transatlantischen Ver-
sammlung anstreben, um eine zu Verwirrung füh-
rende Proliferation ähnlicher, mit der Erleichterung
des transatlantischen parlamentarischen Dialogs be-
auftragter Institutionen zu vermeiden.

13. Die Parlamentarische Versammlung ruft die Regie-
rungen der Mitgliedstaaten des Europarates und der
Vereinigten Staaten dazu auf,
i. einen freimütigen Dialog zur Analyse der beste-

henden Divergenzen in der Partnerschaft und zur
Bekräftigung ihrer gemeinsamen Ideale einzulei-
ten;

ii. zu einer Einigung in pragmatischer Hinsicht zu
gelangen, wie ihre gemeinsamen Werte am bes-
ten verteidigt und gewahrt werden können;

iii. ihre Komplementaritäten anzuerkennen und Vor-
teile aus ihnen zu ziehen;

iv. die Frage der Verantwortung und der Methoden
für eine weltweite Förderung der Demokratie zu
prüfen;

v. ihre Anstrengungen im Rahmen des Quartetts zur
Lösung des Nahost-Konflikts zu beschleunigen,
ohne die die Initiative der G8 für den Weiteren
Mittleren Osten und Nordafrika zur Verbesserung
der demokratischen Stabilität wenig Aussicht auf
Erfolg haben würde;

vi. ihre gemeinsamen Anstrengungen zur Bekämp-
fung des Terrorismus sowie der Verbreitung von
nuklearen und anderen Massenvernichtungswaf-
fen zu verstärken;

vii. dem Dialog über und gemeinsamen Aktionen für
andere globale Sicherheitsbedrohungen wie Um-
weltzerstörung, ethnischem Hass, Armut, Mas-
senmigration und transnationale Gesundheitsrisi-
ken wie die Verbreitung von HIV/AIDS Priorität
einzuräumen.

14. Die Parlamentarische Versammlung ruft den Kon-
gress der Vereinigten Staaten auf, die Beantragung
des Beobachterstatus bei der Parlamentarischen Ver-
sammlung in Erwägung zu ziehen und unterdessen
Maßnahmen zur Bestimmung einer Kontaktgruppe
im Kongress zu ergreifen, mit der die Parlamentari-
sche Versammlung die vorgeschlagene Dialoginitia-
tive verfolgen könnte.

15. Die Versammlung ist sich der konstruktiven Rolle be-
wusst, die die kanadische und die mexikanische Be-
obachterdelegation bei der Stärkung des transatlanti-
schen Dialogs spielen können. Sie appelliert daher an
letztere, ihre Erfahrung mit der Versammlung zu tei-
len und lädt sie ein, aktiv am ständigen transatlan-
tischen Dialogmechanismus mit der Versammlung

En t s c h l i e ß u n g 1 4 2 2 ( 2 0 0 5 ) *

betr. Europa und die Tsunami-Katastrophe
1. Die Parlamentarische Versammlung war zutiefst

schockiert über die Katastrophe, die Südosteuropa
und die Länder des Indischen Ozeans erschütterte,
280 000 Menschenleben forderte und 5 Millionen
Menschen vertrieb.

2. Die Versammlung möchte zuallererst ihre unermess-
liche Trauer angesichts dieser tragischen Tode und
ihr tiefes Mitgefühl mit den Familien und engen Ver-
wandten der Opfer in den von dem Seebeben betrof-
fenen Ländern und dem Rest der Welt sowie insbe-
sondere in den europäischen Ländern bekunden.

3. Die Versammlung begrüßt die Großzügigkeit, mit der
die internationale Gemeinschaft reagiert hat. Die
Staaten und internationalen Institutionen haben hohe
Geldsummen zugesagt und zugestimmt, Schulden zu
erlassen oder Moratorien einzusetzen. Tausende Un-
ternehmen und Millionen Einzelpersonen auf der
ganzen Welt haben gespendet. In diesem Zusammen-
hang betont die Versammlung die Notwendigkeit äu-
ßerster Transparenz bei der Verteilung dieser Mittel.

4. Angesichts der Bedeutung, dass die Zusagen durch
tatsächliche Zahlungen vollständig erfüllt werden
– und in dem Bewusstsein, das dies nach ähnlichen
Katastrophen in der Vergangenheit nicht immer der
Fall war – beschließt die Versammlung, genau zu
überwachen, dass die Zusagen genau eingehalten
werden, ohne für andere Gebiete zugewiesene Hilfe
zu gefährden.

5. Dasselbe gilt auch für die zeitlichen Planung und Ko-
ordinierung der Hilfe – von unmittelbarer Nothilfe
bis hin zu mittel- und langfristiger Unterstützung –
für die entfernten Regionen. Die Versammlung be-
grüßt in diesem Zusammenhang das Angebot der Eu-
ropäischen Union, der Vereinigten Staaten und Ja-
pans, der Region bei der Einrichtung eines Tsunami-
Frühwarnsystems auf dem neuesten Stand der Tech-
nik behilflich zu sein.

6. Die Versammlung begrüßt den auf der Geberkonfe-
renz getroffenen Beschluss, die Vereinten Nationen
zum Koordinator der humanitären Hilfe zu bestim-
men. Es ist wichtig, dass die Vereinten Nationen
diese Herausforderung annehmen, indem sie die Ak-

* Versammlungsdebatte am 27. Januar 2005 (7. Sitzung) (siehe
Dok. 10428, Bericht des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit
und Familie, Berichterstatterin: Frau Paoletti Tangheroni, sowie
Dok. 10438, Stellungnahme des Ausschusses für Umwelt, Landwirt-
schaft und kommunale und regionale Angelegenheiten, Berichter-
statter: Herr Högmark, Dok. 10437, Stellungnahme des Ausschusses
für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen, Be-
richterstatter: Herr Hagberg, Dok. 10446, Stellungnahme des Aus-
schusses für Wirtschaft und Entwicklung, Berichterstatter: Herr
Jonas, und Dok. 10442, Stellungnahme des Ausschusses für Kultur,
Wissenschaft und Bildung, Berichterstatterin: Frau Westerlund
teilzunehmen. Panke). Von der Versammlung verabschiedeter Text am 27. Januar2005 (7. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 25 – Drucksache 15/5298

tivitäten vor Ort koordieren, die Prioritäten beurteilen
und Verantwortung an spezialisierte Agenturen, die
dazu am besten in der Lage sind sowie an NGOs de-
legieren, in enger Zusammenarbeit mit den kommu-
nalen Behörden.

7. Die meisten Infrastrukturen, Verkehrsverbindungen
und Energiequellen wurden zerstört. Daher hat die
Mehrheit der Opfer keinerlei Mittel für ihre Existenz,
ihre Unterkunft oder ihren Lebensunterhalt.

8. Ferner hat der durch den Tsunami verursachte Scha-
den, der sich auch auf die marine Fauna und Flora,
darunter die Mangroven und Korallenriffe, ausge-
wirkt hat, enorme Folgen für die lokale Bevölkerung,
deren Ressourcen hauptsächlich aus der Fischerei
und dem Tourismus stammen.

9. Die darauffolgende Flutwelle hat Gefahren von
Krankheiten wie Cholera, Gelbfieber und Malaria
ausgelöst. Die schlechten Gesundheitsbedingungen
und der Mangel an Trinkwasser trugen zu der Gefahr
von Epidemien bei. Es ist daher dringend erforder-
lich, vor allem in den entfernteren Gebieten ein epi-
demiologisches Überwachungssystem einzurichten.

10. Unter diesen Umständen ist es von wesentlicher Be-
deutung, dass die Vereinten Nationen eine koordi-
nierte Impf- und Gesundheitskampagne durchführen,
die auf die Verhütung von Cholera und anderer durch
Wasser übertragener Krankheiten ausgerichtet ist.

11. Darüber hinaus muss der Schutz der Kinder, die
durch die Katastrophe zu Waisen geworden sind, eine
wichtige Priorität für die humanitären Agenturen
sein.

12. Den Schätzungen der UNICEF zufolge beläuft sich
die Zahl der von der Katastrophe betroffenen Kinder
auf ca. 1 500 000. Die internationale Gemeinschaft
muss handeln, um zu verhindern, dass diese Kinder
Ziele für Menschenhandel, physische Gewalt, sexu-
elle Ausbeutung oder Anwerbung durch Sekten wer-
den. Die Versammlung unterstützt in diesem Zusam-
menhang den Vorschlag von UNICEF, alle Kinder so
schnell wie möglich zu identifizieren und Maßnah-
men zur Verhütung von Kinderhandel umzusetzen.

13. Die Versammlung ist der Ansicht, dass Patenschaften
von Kindern gefördert und geschaffen werden müs-
sen, um die Kinder vor anderen Traumata zu schüt-
zen. Im Einklang mit Entschließung 1443 (2000)
wiederholt die Versammlung, dass internationale Ad-
optionen nur als allerletztes Mittel angewandt werden
dürfen.

14. Die Versammlung unterstützt den von der Geberkon-
ferenz der Vereinten Nationen erteilten Appell, zur
Einhaltung der Spendenzusagen und betont gleich-
zeitig, dass dies nicht dazu führen sollte, dass wir die
Opfer anderer Krisen vergessen, die verschiedene
Regionen der Welt beeinträchtigt haben bzw. noch
immer beeinträchtigen.

15. Es muss darauf hingewiesen werden, dass weltweit

fast 1 Milliarde, darunter mehr als 150 Millionen
Kinder unter fünf Jahren, unter Unterernährung lei-
den. Die Versammlung erinnert in diesem Zusam-
menhang an die Notwendigkeit, dass die Mitglied-
staaten des Europarates und alle Geberländer der
internationalen Gemeinschaft danach streben, das in
Monterrey festgelegte Ziel zu erfüllen, 0,7 Prozent
ihres Bruttoinlandsprodukts für die öffentliche Ent-
wicklungshilfe zu vorzusehen.

16. Folglich ersucht die Parlamentarische Versammlung
die Mitgliedstaaten des Europarates, im Hinblick auf
i. Zusagen und Hilfe

a. die im Zusammenhang mit zugesagten Mit-
teln und Hilfe für die vom Tsunami betroffe-
nen Länder eingegangenen Verpflichtungen
einzuhalten, ohne für andere Gebiete zuge-
sagte Hilfe zu benachteiligen;

b. die Tätigkeiten des Amts der Vereinten Na-
tionen für die Koordinierung humanitärer
Angelegenheiten bei seiner koordinierenden
Rolle zu unterstützen;

c. die Gewährung der für den Wiederaufbau
und die Rehabilitation benötigten Mittel zu
erleichtern, einschließlich die Nutzung von
Mikrokrediten;

d. den auf der Konferenz von Kobe betroffenen
Beschluss umzusetzen;

e. ein Frühwarn- und Verhütungssystem zur
Feststellung von Erdbeben und Flutwellen
einzurichten in Zusammenarbeit mit dem
Teilabkommen über größere Risiken des Eu-
roparates (EUR-OPA) und gleichzeitig Er-
ziehungs- und Ausbildungsmaßnahmen für
die betroffene Bevölkerung bereitzustellen;

f. den Vorschlag der Schaffung einer europäi-
schen zivilen Einsatztruppe zu unterstützen;

ii. Schutz von Kindern und benachteiligten Grup-
pen
a. psychologische Unterstützung für Kinder

und Waise zu bieten;
b. soweit möglich, Kinder in Heime in ihrer ei-

genen Gemeinschaft oder entfernten Ver-
wandtschaft unterzubringen und die nötigen
Maßnahmen einzuleiten, um so schnell wie
möglich eine regelmäßige Prüfung ihrer Un-
terbringung und ihres Lebensstils einzurich-
ten;

c. sicherzustellen, dass vertriebene Kinder so
schnell wie möglich registriert werden und
Minderjährigen zu verbieten, das Land in
Begleitung einer nicht autorisierten Person
zu verlassen;

d. die erforderlichen Maßnahmen für Paten-

1,2 Milliarden Menschen in Armut leben und dass schaften von Waisen umzusetzen;

Drucksache 15/5298 – 26 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

e. die notwendigen Maßnahmen für den Schutz
älterer und behinderter Menschen zu ergrei-
fen;

iii. Gesundheit
a. die Bereitstellung von Medizin und medizi-

nischer Versorgung zu garantieren;
b. ein Epidemiologie-Warnsystem einzuführen;

iv. Umwelt und kommunale Angelegenheiten
a. die erforderlichen Maßnahmen für den Wie-

deraufbau und die Wiederherstellung der
Unterkünfte und der natürlichen Ökosys-
teme zu ergreifen;

b. Partnerschaftsvereinbarungen mit den betrof-
fenen Regionen und Städten in enger Zusam-
menarbeit mit dem Kongress der Gemeinden
und Regionen in Europa des Europarates zu
fördern;

17. Die Parlamentarische Versammlung ersucht die Re-
gierungen der von der Katastrophe betroffenen Län-
der,
i. die Arbeit der Verteilung der Hilfe der humanitä-

ren Organisationen zu erleichtern;
ii. die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um

den Zugang zu Hilfe für die Bedürftigen zu ga-
rantieren, ungeachtet der politischen Überzeu-
gung oder der ethnischen oder religiösen Zuge-
hörigkeit der Opfer;

iii. die erforderlichen Schritte einzuleiten, um die
Operationen und Tätigkeiten der humanitären
Agenturen zu erleichtern.

18. Die Parlamentarische Versammlung schlägt vor, in-
nerhalb eines Jahres von der wirklichen Situation der
von Europa, den Vereinten Nationen und ihren Son-
deragenturen geleisteten Hilfe sowie von den Erfor-
dernissen Bestand aufzunehmen, und in diesem Zu-
sammenhang die von Europa gebotene Antwort und
seine übernommene Verantwortung angesichts huma-
nitärer Katastrophen innerhalb und außerhalb der
Grenzen Europa zu untersuchen.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 2 3 ( 2 0 0 5 ) *
betr. die Frage, welche Lösungen es für die

Arbeitslosigkeit in Europa gibt
1. In mehreren Mitgliedstaaten des Europarates liegt die

Arbeitslosenquote nun seit einigen Jahren bei zehn
oder mehr Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung.

Arbeitslosigkeit ist vor allem eine Beleidigung der
menschlichen Würde, da sich der Einzelne nur voll
verwirklichen kann, wenn er beruflich erfolgreich ist
und es ihm gelingt, starke soziale Bindungen in sei-
nem Arbeitsumfeld zu schaffen. Arbeitslosigkeit ist
auch ein Hemmnis für die wirtschaftliche Entwick-
lung in Form geringerer Arbeitsbeiträge, höherer
staatlicher Ausgaben für Zuschüsse und entgangener
Steuereinnahmen. Neben seiner Pflicht, Arbeitslose
in Notlagen zu schützen, hat der Staat daher die noch
höhere Pflicht, in der Gesellschaft darauf hinzuwir-
ken, dass Arbeitslosigkeit auf ein absolutes Mini-
mum begrenzt werden kann.

2. Eine zunehmende Öffnung und steigende Interdepen-
denzen in der Weltwirtschaft – oft als Globalisierung
bezeichnet – gehen einher mit fundamentalen Verän-
derungen in den Volkswirtschaften in Europa, auch
wenn diese einer raschen Integration unterliegen, vor
allem im Rahmen der Europäischen Union und auf
weltweiter Ebene der Welthandelsorganisation. Diese
Prozesse werden den Verlust bestimmter Arbeits-
plätze herbeiführen, weil weniger wettbewerbsfä-
hige Aktivitäten eingestellt werden. Sie werden aber
auch neue Arbeitsplätze in vielen Beschäftigungsbe-
reichen schaffen in Folge eines verstärkten Handels
und eines höheren zur Verfügung stehenden Einkom-
mens, das sich aus niedrigeren Preisen für viele Pro-
dukte und Dienstleistungen ergibt.

3. Die europäische Erfahrung – mit ihren sehr unter-
schiedlichen Arbeitslosenquoten in den einzelnen
Staaten – zeigt, dass Staaten, die ihre Volkswirtschaft
und den Arbeitsmarkt auf wirksame Weise der Glo-
balisierung anpassen, auch unter einer niedrigeren
Arbeitslosenquote zu leiden haben und von einem
stärkeren Wachstum profitieren. Da es somit klar ist,
dass Arbeitslosigkeit weitgehend durch verbesserte
politische Maßnahmen verringert werden kann, ist es
von entscheidendem Interesse für Europa, auch für
die Europäische Union, entweder selbst solche Politi-
ken festzulegen oder es den Mitgliedstaaten zu über-
lassen, eigene Politiken zu verfolgen oder sich von
erfolgreichen Politiken anderer leiten zu lassen, wenn
sie zu guten Ergebnissen führen.

4. Die Notwendigkeit von Strukturreformen ist beson-
ders ausgeprägt in einer Reihe von bedeutenden
Volkswirtschaften in der Euro-Zone, deren derzeiti-
ger wirtschaftlicher Aufschwung fast ausschließlich
auf hohe Exporte in nicht europäische Volkswirt-
schaften mit raschem Wachstum zurückzuführen ist
und weniger auf die Binnennachfrage, deren Wachs-
tumsfähigkeit begrenzt wird durch starre Regelungen
in Bezug auf den Arbeitsmarkt, Produktion und
Dienstleistungen, und zwar in einem solchen Um-
fang, dass es nicht möglich ist, die Arbeitslosigkeit in
Grenzen zu halten oder sie sogar zu verringern.

5. Die Parlamentarische Versammlung stellt die nur ge-
ringen Fortschritte bei der Strategie von Lissabon aus
dem Jahre 2000 fest, bei der sich die Mitgliedstaaten

* Versammlungsdebatte am 28. Januar 2005 (8. Sitzung) (siehe
Dok. 10359, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Entwick-
lung, Berichterstatter: Herr Högmann, sowie Dok. 10431, Stellung-
nahme des Ausschusses für die Gleichstellung von Frauen und
der Europäischen Union verpflichtet hatten, die Re-Männern, Berichterstatter: Herr Gaburro). Von der Versammlungverabschiedeter Text am 28. Januar 2005 (8. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27 – Drucksache 15/5298

gion bis zum Jahre 2010 zu der weltweit wettbe-
werbsfähigsten zu machen. Dies ist umso besorgniser-
regender als Europa zurzeit eine Massenabwanderung
von Forschungskräften und Menschen mit höherer
Bildung in Länder mit besseren wirtschaftlichen
Chancen, insbesondere in die Vereinigten Staaten, er-
lebt. Zur Konkretisierung der Tagesordnung von Lis-
sabon und der ehrgeizigen Ambitionen, die in ande-
ren europäischen Staaten damit einhergehen, sind
nicht nur weitaus stärkere Anreize für die Forschung,
sondern auch neue Wirtschaftspolitiken auf der
Grundlage einer stärkeren Belohnung von Eigenini-
tiative, Unternehmergeist und Arbeitsmotivation und
Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt, wie z. B. niedri-
gere Lohnsteuern, mehr Freiheit für Arbeitgeber,
Arbeitskräfte an neue Gegebenheiten anzupassen,
verstärkte Anreize für neue Beschäftigungsmöglich-
keiten, weitere dezentralisierte Lohn- und Gehalts-
verhandlungen und größere Möglichkeiten bei der
Teilzeitbeschäftigung erforderlich.

6. Für eine langfristige wirtschaftliche Entwicklung und
damit für den Abbau der Arbeitslosigkeit sind ein gu-
tes Bildungssystem und Möglichkeiten eines lebens-
langen Lernens von entscheidender Bedeutung für
die Länder. Die derzeit hohe Arbeitslosigkeit bei
Jungakademikern zeigt, dass eine qualifizierte Aus-
bildung nur wenig Nutzen hat, wenn sie nicht in einer
wachsenden und dynamischen Gesamtwirtschaft zum
Tragen kommt.

7. Die jüngste Erweiterung der Europäischen Union um
zahlreiche Länder Mittel-, Ost- und Süd-Ost-Europas
und ihre verschiedenen Wirtschaftsabkommen, die
mit anderen europäischen Staaten geschlossen wur-
den, sind höchst willkommene Entwicklungen, da sie
das Potenzial für ein höheres Wachstum und damit für
mehr Beschäftigung für alle teilnehmenden Staaten
beinhalten. Die Politiken der EU müssen dieses Po-
tenzial im größtmöglichen Maße nutzen durch Förde-
rung von Wachstumspolitiken der oben genannten
Art, durch die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik
und anderer Unterstützungsprogramme unter Berück-
sichtigung neuer Erfordernisse auf Grund neuer wirt-
schaftlicher Gegebenheiten und durch Unterstützung
des Multilateralen Handelssystems der Welthandels-
organisation in Form von Öffnung der Märkte und
festen Handelsregeln.

8. Es ist von besonderer Bedeutung, die massive Ar-
beitslosigkeit in mehreren Staaten in Mittel-, Ost-
und Südost-Europa zu überwinden, wo der Lebens-
standard beträchtlich niedriger liegt und der soziale
Schutz weniger ausgedehnt ist. Die zehn neuen EU-
Mitgliedstaaten müssen ebenfalls schnellstmöglich
von der Gesamtheit der Bestimmungen profitieren,
die für den Binnenmarkt gelten – insbesondere den
„vier Freiheiten“ der Freizügigkeit von Gütern,
Dienstleistungen, Kapital- und Arbeitskräften – und
die Abkommen mit allen anderen europäischen Staa-
ten müssen unter besonderer Berücksichtigung ihrer

europäischen Staaten müssen erkennen, dass ein dau-
erhaftes Wirtschaftswachstum und damit die wirk-
same Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nur erreicht
werden können, wenn Korruption und Wirtschafts-
verbrechen ausgemerzt werden, da Auslandsinvesti-
tionen nicht in die Staaten fließen werden, die unter
derartigen Übeln leiden und denen nationales Kapital
fehlt.

9. Staaten mit einer geringeren Arbeitslosigkeit haben
in der Regel höhere Beschäftigungsraten: d. h. ein
höherer Anteil ihrer Arbeitskräfte nimmt aktiv am
Wirtschaftsleben teil. Die Versammlung – die sich
dessen bewusst ist, dass eine höhere Beschäftigungs-
quote ein Beweis für ein stärkeres Wachstum und hö-
here Steuereinnahmen ist und damit die Rentenlast
verringert – spricht daher den Staaten ihre Anerken-
nung aus, die sich um eine Verlängerung der Lebens-
arbeitszeit bemühen, soweit dies möglich ist.

10. Sie stellt ferner die jüngste Tendenz in bestimmten
sehr weit entwickelten europäischen Volkswirtschaf-
ten fest, zum Erhalt von Arbeitsplätzen zu längeren
Arbeitszeiten zurückzukehren und ist der Auffas-
sung, dass derartige Vorkehrungen im Rahmen des
Möglichen zwischen Arbeitgebern und Arbeitneh-
mern auf unabhängige Weise geführt werden sollten,
soweit sie nicht zu einer Verschlechterung der wirt-
schaftlichen und sozialen Verhältnisse führen und mit
den verschiedenen internationalen Vereinbarungen
im Einklang stehen, wie z. B. der Sozialcharta des
Europarates. Dies ist ein Punkt, der um so wichtiger
ist, weil viele Arbeitnehmer in Europa heute mehr
und mehr in eine Lage geraten, in der sie in sozialer
und wirtschaftlicher Hinsicht Belastungen ausgesetzt
sind und insbesondere um den Verlust des Arbeits-
platzes fürchten müssen, was Auswirkungen auf ihre
Produktivität und ihre Motivation haben kann.

11. Die Versammlung ist der Auffassung, dass bestimmt
Sozialsysteme reformiert werden müssen, anderer-
seits aber bestehende soziale Normen, die z. B. in der
Europäischen Sozialcharta und der Charta der Grund-
rechte der Europäischen Union verankert sind, auf-
rechterhalten werden müssen. Die Reformen sollten
auch berücksichtigen, dass man derzeit in Europa ein
ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeits- und
Freizeit schätzt und dass auch die neuen demographi-
schen Gegebenheiten nicht ignoriert werden dürfen,
wie die Notwendigkeit neuer Dienstleistungen für äl-
tere Menschen. Die Reformen müssen ebenfalls
schutzbedürftige Gruppen der Gesellschaft berück-
sichtigen, wie Ältere, Wanderarbeitnehmer, Behin-
derte und junge Menschen und ihnen gleiche Chan-
cen geben. Die Arbeitgeber sollten durch eine
entsprechende Gesetzgebung nachdrücklich ermutigt
werden, Beschäftigungsverhältnisse für diese Grup-
pen anzubieten. Eltern, insbesondere Frauen, müssen
beste Kinderbetreuungseinrichtungen und andere
Maßnahmen nutzen können zur Erleichterung des Fa-
milienlebens – insbesondere im Hinblick auf die Be-
oft prekären Wirtschaftslage umgesetzt werden. Alle treuung älterer Menschen in einem rasch alternden

Drucksache 15/5298 – 28 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Europa – und junge Menschen sollten genügend
Lehrstellen sowie größtmöglichen Zugang zu Bil-
dung erhalten.

12. Die Versammlung ist der Auffassung, dass auch die
geschlechterspezifische Dimension der Arbeitslosig-
keit angegangen werden muss. Obgleich sich die
Lage von Land zu Land beträchtlich unterscheidet,
ist die Arbeitslosigkeit unter Frauen im Allgemeinen
höher als unter Männern (9.7 Prozent der Frauen im
Vergleich zu 8,6 Prozent der Männer im Jahre 2003
im Europa der OECD-Staaten). Ferner erscheinen
zahlreiche arbeitslose Frauen gar nicht in den Ar-
beitslosenstatistiken, da sie, wie die IAO es nennt,
zur „stillen Reserve“ gehören: Arbeitskräfte, die
nicht aktiv Arbeit suchen, obgleich sie arbeiten wol-
len, da sie der Ansicht sind, dass keine Arbeit für sie
da ist, sie diskriminiert werden oder sich strukturel-
len, sozialen oder kulturellen Hindernissen gegen-
übersehen. Frauen tendieren auch dazu, sehr viel nied-
rigere Quoten der Beteiligung an den Erwerbstätigen
zu besitzen als Männer in Europa, was nicht nur die
wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen gefährdet
und zu höheren Armutsraten bei Frauen (insbeson-
dere im Alter) beiträgt, sondern auch das Wirtschafts-
wachstum behindert und die Steuereinnahmen in den
europäischen Ländern verringert. Es ist daher ent-
scheidend, dass alle Mitgliedstaaten des Europarates
die Arbeitslosigkeit von Frauen bekämpfen, indem
sie gleichen Zugang für Frauen und Männer zum Ar-
beitsmarkt gewährleisten, eine höhere Erwerbstäti-
genquote unter Frauen fördern, den Arbeitsplatz für
die weibliche „stille Reserve“ attraktiv machen und
der Diskriminierung von Frauen unter den Erwerbs-
tätigen und am Arbeitsplatz ein Ende setzen.

13. In der heutigen Gesellschaft steht die Berufstätigkeit
von Frauen in engem Zusammenhang mit familiären
Entscheidungen, und in vielen europäischen Ländern
auch mit der Fruchtbarkeitsrate. Im Allgemeinen sind
Frauen in denjenigen Staaten, in denen es an Kinder-
pflegeeinrichtungen oder anderen Maßnahmen zur
Erleichterung des Familienlebens – einschließlich
Hilfe für ältere Menschen – mangelt, gezwungen,
zwischen beruflicher Karriere und Mutterschaft zu
wählen. Es ist daher notwendig, dass die Mitglied-
staaten des Europarates Politiken einführen, die dazu
beitragen, Hausarbeit und Beschäftigung außer Haus
zu vereinbaren. Es ist wesentlich, die Aufmerksam-
keit auf die Familie als grundlegende, natürliche
Zelle der Gesellschaft mit ihrer Rolle der Weitergabe
von Werten, Bildung und der Entschärfung mancher
sozialer Spannungen zu konzentrieren. Die Mutter-
schaft muss ein normales Ereignis im Leben einer
jungen Frau sein und sollte als eine Entscheidung un-
terstützt werden, die Frauen nicht dazu zwingt, auf
den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verzichten.

14. Schließlich erinnert die Versammlung daran, dass
eine hohe Arbeitslosigkeit langfristig zu einem Zer-
fall der sozialen Bindungen und zu sozialer Instabili-

Arbeitnehmer müssen sich daher gemeinsam in ei-
nem Geiste des Kompromisses darum bemühen, Re-
formen auf eine möglichst humane Art und Weise
einzuleiten.

E n t s c h l i e ß u n g 1 4 2 4 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Förderung von sozialem Zusammenhalt
und Beschäftigung: mehr und bessere

Arbeitsplätze
1. Die europäischen Regierungen stehen gegenwärtig

vor der schwierigen Aufgabe, zwei relativ gegensätz-
liche Trends miteinander in Einklang zu bringen: den
Druck einer globalisierten Wirtschaft, die öffentli-
chen Ausgaben zu begrenzen und die Arbeitskosten
zu senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sowie
die gerechtfertigte Forderung der europäischen Bür-
ger, das europäische Sozialmodell als Grundlage für
ein stabiles und sozial gedeihendes Europa zu stär-
ken.

2. Steigende Arbeitslosenzahlen und eine schnelle Be-
völkerungsüberalterung in Europa sind für alle Re-
gierungen ein Anlass großer Besorgnis und erfordern
weitreichende und langfristige politische Antworten.
Doch zu viele Länder stehen vor dem Problem eines
viel zu hohen öffentlichen Haushaltsdefizits und ei-
ner hohen Verschuldung, die es schwer machen, die
notwendigen Reformen oder Investitionen für eine
künftige Entwicklung zu finanzieren. Dennoch ist die
Zeit gekommen, über Sozialpolitiken und Beschäfti-
gungsmuster in Europa erneut nachzudenken, um
diesen Herausforderungen zu begegnen. Diese Poli-
tik muss als eine solide Investition in die Zukunft
verstanden werden und in die Verbesserung der durch
die Europäische Sozialcharta geschützten Beschäfti-
gungsbedingungen.

3. In diesem Zusammenhang betont die Parlamentari-
sche Versammlung die Notwendigkeit, eine Regeln
unterliegende, wettbewerbsfähige und Arbeitsplätze
schaffende Wirtschaft zu entwickeln. Ein eng gefass-
ter Ansatz bei Arbeitsmarktreformen wird nicht aus-
reichen. Der soziale Zusammenhalt erfordert die Ein-
beziehung von Wirtschafts-, Beschäftigungs- und
Arbeitspolitiken sowie eine Reihe proaktiver wirt-
schaftlicher und sozialer Maßnahmen. Dies ist auch
das Ziel der in Lissabon von der Europäischen Union
im März 2000 verabschiedeten europäischen Strate-
gie, und es kann nur erreicht werden, wenn ein proak-
tiverer Ansatz im Hinblick auf die Umsetzung der
eingegangenen Verpflichtungen angenommen wird.
Wenn Europa seine Beschäftigungsziele bis 2010 er-
füllen und seine Wettbewerbsfähigkeit und sein
Wachstumspotenzial in der globalen Wirtschaft erhö-

* Versammlungsdebatte am 28. Januar 2005 (8. Sitzung) (siehe
Dok. 10265, Bericht des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit
tät führen kann. Die Gesellschaft, Arbeitgeber und und Familie, Berichterstatterin: Frau Belohorská). Von der Versamm-lung verabschiedeter Text am 28. Januar 2005 (8. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/5298

hen soll, wird eine Trendumkehr erforderlich sein:
sowohl das Wirtschaftswachstum als auch der Pro-
duktivitätsanstieg müssen stark beschleunigt werden.

4. Die Versammlung betont daher die Bedeutung der
folgenden Grundsätze und Voraussetzungen für ein
verantwortungsbewusstes staatliches Handeln in der
Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik (angebotssei-
tige Politiken):
i. Entwicklung einer Industrie-, Regional- und öf-

fentlichen Investitionspolitik, um sicherzustel-
len, dass die Wachstumsergebnisse auf die ver-
schiedenen Regionen verteilt werden und eine
Hebelwirkung für die Investitionen in wichtige
Spitzentechnologiesektoren und für die Innova-
tion bieten;

ii. Diversifizierung: Die Notwendigkeit, ganze Re-
gionen von ihrer ausschließlichen Abhängigkeit
von einem einzigen Sektor oder einer großen In-
dustrie zu befreien und einen günstigen Rahmen
für die Schaffung und Ausweitung kleiner und
mittlerer Unternehmen zu entwickeln; ein guter
Rahmen für den sozialen Dialog, der kreative so-
ziale Tarifverhandlungen fördern, die Lohnver-
handlungen koordinieren und es ermöglichen
sollte, flexible Lösungen auszuhandeln, die die
Arbeitsplatzsicherheit auf der Grundlage der Ar-
beitsnormen wahren;

iii. ein guter Rahmen für den sozialen Dialog, der
kreative Tarifverhandlungen fördern, die Lohn-
verhandlungen koordinieren und es ermöglichen
sollte, flexible Lösungen zu verhandeln, die die
Arbeitsplatzsicherheit auf der Grundlage der Ar-
beitsnormen beibehalten;

iv. aktive Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpoliti-
ken mit dem Ziel, einen Ausgleich zu schaffen
zwischen einem hohen Beschäftigungsniveau
und einem hohen Maß an sozialem Schutz und
die Beschäftigung in den Mittelpunkt der Wirt-
schaftspolitik zu stellen wie auch den Kampf ge-
gen die Armut, vor allem durch die Beseitigung
der Langzeit-Arbeitslosigkeit;

v. eine industrielle Umstrukturierung, die von den
besten sozial verantwortlichen Management-
Praktiken geleitet werden sollte;

vi. regelmäßige Beurteilung der Auswirkungen der
Finanzpolitik auf die Beschäftigung;

vii. zur verbesserten Förderung von Unternehmens-
gründungen eine breitere Palette von Darlehen
im Finanzsektor durch die staatlichen Behörden
anzubieten;

5. Die Arbeitsplatzqualität sollte ein Ziel sein, das
gleichzeitig mit den angebotsseitigen Politiken ver-
folgt werden muss. Europa braucht mehr und bessere
Arbeitsplätze. Dies steht auch im Mittelpunkt der in
Lissabon verabschiedeten europäischen Strategie, die

der Produktivität durch eine Erhöhung der Arbeits-
platzsicherheit und der -zufriedenheit abzielt und sich
darum bemüht, der Ausgrenzung auf dem Arbeits-
markt zu begegnen.

6. Die Versammlung ist überzeugt, dass die Wahrung
des Rechts auf Arbeit im Sinne der (revidierten) So-
zialcharta es erforderlich macht, die Effektivität der
Politiken für Beschäftigung und Beschäftigungs-
dienste für alle Gruppen ohne jede Diskriminierung
ständig zu verbessern.

7. Die Versammlung ruft ihre Mitgliedstaaten auf, eine
beschäftigungsorientierte Sozialpolitik zu verfolgen,
die politische Maßnahmen umfasst, deren Ziel es ist,
i. die Anpassungsfähigkeit von Arbeitnehmern und

Unternehmen zu erhöhen;
ii. die Beschäftigungsquote der arbeitenden Bevöl-

kerung zu erhöhen, indem es für mehr Menschen
attraktiv gemacht wird, in den Arbeitsmarkt ein-
zutreten und dort zu bleiben;

iii. mehr und effektiver in Humankapital und lebens-
langes Lernen zu investieren;

iv. die Qualität der Arbeitsplätze und der Arbeitsbe-
dingungen zu verbessern zur Vereinbarung von
Beruf und Familie;

v. unterrepräsentierte Gruppen besser zu mobilisie-
ren;

vi. eine gerechtere Aufteilung von bezahlter und un-
bezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen
zu erreichen;

vii. die Arbeitskosten über mögliche Steuerverlage-
rungen zu verringern.

8. Obgleich die Versammlung anerkennt, dass es keine
Beschäftigungsstrategie nach Schema F für alle Mit-
gliedstaaten geben kann, kann die internationale Zu-
sammenarbeit in der Tat zur Konvergenz der Politi-
ken beitragen, wenn sie auf einer Definition
gemeinsam vereinbarter Ziele, einer objektiven Me-
thode zur Evaluierung von Politiken und der Nutzung
vorbildener Praktiken, die von gemeinsamen Beurtei-
lungs- und Leistungsindikatoren abgeleitet sind, be-
ruht.

9. Die Erweiterung verpflichtet die Europäische Union,
bei ihrer Beschäftigungsstrategie die zahlreichen an-
dauernden Unterschiede zwischen den beiden Län-
dergruppen im Hinblick auf die Beschäftigungssitua-
tion und die Lage des sozialen Schutzes zu
berücksichtigen. Dennoch sind die Beitrittsländer
eine der dynamischsten Regionen der Weltwirtschaft,
und sie besitzen ein großes Wachstumspotenzial, das
durch ihre effektive wirtschaftliche Integration und
die Umsetzung der von der Europäischen Union im
März 2000 verabschiedeten Lissaboner Agenda an-
den sozialen Zusammenhalt fördert, auf die Stärkung geregt werden wird.

Drucksache 15/5298 – 30 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

En t s c h l i e ß u n g 1 4 2 5 ( 2 0 0 5 ) *

betr. die Überarbeitung der Zuständigkeitsbe-
reiche der Ausschüsse der Versammlung

1. Die Parlamentarische Versammlung verabschiedet
die überarbeiteten Zuständigkeitsbereiche der Aus-
schüsse der Versammlung, wie diese im Anhang der
vorliegenden Entschließung aufgeführt sind. Letztere
tritt mit ihrer Annahme in Kraft.

2. Die Versammlung beschließt außerdem, dass Be-
richte, die zurzeit erstellt werden (einschließlich sol-
cher, die auf von der Versammlung verabschiedete
Richtlinien zurückgehen) und nicht unter die vorlie-
genden überarbeiteten Zuständigkeitsbereiche der
Ausschüsse der Versammlung fallen, innerhalb von
zwei Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Entschlie-
ßung vorgelegt werden sollten.

3. Die vorliegende Entschließung ersetzt die Entschlie-
ßung 1176 (1998) und den Anhang zu der Entschlie-
ßung 1235 (2000).

ANHANG zu dem Entwurf einer Entschließung
Entwurf einer Überarbeitung der Zuständig-
keitsbereiche der Ausschüsse
der Versammlung

A. Für alle Ausschüsse der Versammlung
geltende allgemeine Zuständig-
keitsbereiche

1. Die Ausschüsse können sich mit allen Themen inner-
halb ihres spezifischen Zuständigkeitsbereichs (Arti-
kel 44.1 der Geschäftsordnung) befassen und gegebe-
nenfalls Informationsberichte zu diesen Themen
vorlegen (Artikel 49.6).

2. Die Ausschüsse erarbeiten nur Berichte für die Aus-
sprache in der Versammlung:
– über an sie überwiesene Dokumente (Artikel 24);
– wenn sie durch von der Versammlung angenom-

mene Texte (unter Berücksichtigung von Artikel
23.1.b) dazu angewiesen werden;

– wenn dies in der Geschäftsordnung der Versamm-
lung entsprechend festgelegt ist;

– wenn sie aufgrund ihres spezifischen Zuständig-
keitsbereichs dazu befugt sind.

3. Die Ausschüsse prüfen die Folgemaßnahmen, die in
Bezug auf die von der Versammlung verabschiedeten
Texte auf der Grundlage ihrer Berichte ergriffen wur-
den (Artikel 44.2).

4. Die Ausschüsse können vorbehaltlich verfügbarer
Mittel Konferenzen und andere Veranstaltungen zu
Themen organisieren, die in ihrem spezifischen Zu-
ständigkeitsbereich liegen und mit ihrem Arbeitspro-
gramm zusammenhängen.

5. Die Ausschüsse sind berechtigt und dafür verant-
wortlich, mit folgenden Gremien Arbeitsbeziehungen
auf- und auszubauen:
– den zuständigen Organen (Ausschüsse usw.) der

nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten;
– den zuständigen Organen (Ausschüsse usw.) der

europäischen parlamentarischen Versammlungen
(Europäisches Parlament, Parlamentarische Ver-
sammlung der OSZE, Interparlamentarische Ver-
sammlung der GUS und andere) und der Interpar-
lamentarischen Union (IPU);

– vorbehaltlich eines Beschlusses des Präsidiums
der Versammlung den zuständigen Organen (Aus-
schüsse usw.) nationaler Parlamente mit Beobach-
ter- oder Sondergaststatus;

– vorbehaltlich eines Beschlusses des Präsidiums
der Versammlung, den zuständigen Organen
(Ausschüsse usw.) nationaler Parlamente von
Nichtmitgliedstaaten;

– den einschlägigen Berichterstattergruppen, Ar-
beitsgruppen und Verbindungsausschüssen der
Ministerstellvertreter und der Berichterstatter der
Ministerstellvertreter;

– den einschlägigen Strukturen und Organen des
Europarats wie dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte, dem Kongress der Gemeinden
und Regionen Europas, dem Menschenrechts-
kommissar, den Teilübereinkommen des Europa-
rats, der Europäischen Kommission gegen Rassis-
mus und Intoleranz (ECRI), dem Europäischen
Komitee zur Verhütung von Folter und unmensch-
licher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
(CPT) und den entsprechenden intergouverne-
mentalen Expertenausschüssen.

6. Die Ausschüsse verfolgen die Aktivitäten des Minis-
terkomitees auf den in ihren spezifischen Zuständig-
keitsbereich fallenden Gebieten.

7. Die Ausschüsse haben Anspruch auf Vertretung in
den Delegationen der Versammlung bei den entspre-
chenden europäischen Fachministerkonferenzen und
auf Verfolgung ihrer Aktivitäten.

8. Die Ausschüsse sind berechtigt, mit den europäi-
schen und internationalen Nichtregierungsorganisati-
onen, die innerhalb des spezifischen Zuständigkeits-
bereichs dieser Ausschüsse Tätigkeiten betreiben,
Arbeitsbeziehungen aufzubauen und sind dafür zu-

* Versammlungsdebatte am 28. Januar 2005 (8. Sitzung) (siehe
Dok. 10379, Bericht des Geschäftsordungsausschusses, Berichter-
ständig, diese weiter auszubauen. (Artikel 44.5).statterin: Frau Brasseur). Von der Versammlung verabschiedeter Textam 28. Januar 2005 (8. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/5298

B. Spezifischer Zuständigkeitsbereich der
Ausschüsse der Versammlung

I. Politischer Ausschuss (AS/Pol)
Zahl der Sitze: 83
Entwicklung: Der Ausschuss ist der Nachfolger des 1949
errichteten Allgemeinen Ausschusses. Er wurde 1957 in
Politischer Ausschuss (Political Committee) und 1968
(im Englischen) in Political Affairs Committee umben-
annt.
Zuständigkeitsbereich:
1. Der Ausschuss prüft die allgemeine Politik des Euro-

parates, d. h. alle politischen Fragen, die in die Zu-
ständigkeit des Europarates fallen. Er berichtet, wenn
notwendig, über dringliche politische Situationen
und Krisen in Mitgliedstaaten des Europarates.

2. Der Ausschuss prüft insbesondere:
(i) Anträge auf Mitgliedschaft im Europarat;
(ii) Anträge auf Erteilung des Beobachterstatus beim

Europarat und bei der Parlamentarischen Ver-
sammlung, vorbehaltlich der Bestimmungen von
Artikel 60 der Geschäftsordnung der Versamm-
lung;

(iii) Anträge auf Erteilung des Sondergaststatus bei
der Parlamentarischen Versammlung (gemäß Ar-
tikel 59.3 der Geschäftsordnung);

(iv) Fragen in Bezug auf das Funktionieren und die
Entwicklung demokratischer Institutionen in Eu-
ropa;

(v) wichtige politische Herausforderungen für die
moderne Gesellschaft;

(vi) die Prävention und Beilegung von Krisen und
Konflikten in oder zwischen Mitglied- und Beo-
bachterstaaten des Europarates oder solchen, die
Auswirkungen auf letztere haben.

3. Der Ausschuss prüft Aktivitäten anderer europäi-
scher und internationaler Organisationen, insbeson-
dere der Europäischen Union, der OSZE und der Ver-
einten Nationen, und die Zusammenarbeit des
Europarats mit diesen.

4. Der Ausschuss prüft die Lage in nicht dem Europarat
angehörenden Staaten im Lichte der Grundwerte des
Europarates, legt Vorschläge vor und unternimmt
– vorbehaltlich der Zustimmung durch das Präsidium –
politische Handlungen zur Förderung dieser Werte.

5. Der Ausschuss kann dem Präsidium den Abschluss
von Kooperationsvereinbarungen mit Parlamenten
von Nichtmitgliedstaaten vorschlagen.

6. Der Ausschuss beteiligt sich an der Vertretung der
Versammlung in der Europäischen Kommission ge-
gen Rassismus und Intoleranz (ECRI) und dem Rat
für demokratische Wahlen der Europäischen Kom-
mission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kom-

II. Ausschuss für Recht und
Menschenrechte (AS/Jur)

Zahl der Sitze: 83
Entwicklung: Der Ausschuss wurde 1949 unter der Be-
zeichnung „Ausschuss für Rechts- und Verwaltungsfra-
gen“ errichtet und nannte sich von 1956 bis Ende 1989
„Rechtsausschuss“.
Zuständigkeitsbereich:
1. Der Ausschuss prüft alle Rechts- und Menschen-

rechtsfragen (unter Einschluss von Vorschlägen für
satzungsmäßige Stellungnahmen zu Übereinkom-
mensentwürfen des Europarates und der Ausarbei-
tung solcher Stellungnahmen), die in die Zuständig-
keit des Europarates fallen.

2. Der Ausschuss beschäftigt sich insbesondere mit:
(i) den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und

der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten
des Europarates;

(ii) gerichtlichen Einrichtungen (sowie Ombudsleu-
ten und einzelstaatlichen Menschenrechtsinstitu-
tionen), der Polizei sowie Haftanstalten und Ge-
fängnissen in den Mitgliedstaaten des
Europarates;

(iii) den Rechten nationaler und anderer Minderhei-
ten;

(iv) Fragen der Diskriminierung aus beliebigem
Grund wie der sexuellen Orientierung, der Rasse,
der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, politi-
scher oder anderer Überzeugungen, der nationa-
len oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu
einer nationalen Minderheit, des Eigentums, der
Geburt oder eines anderen Status mit Ausnahme
der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts,
die von dem Ausschuss für die Gleichstellung
von Frauen und Männern zu prüfen sind;

(v) allen Angelegenheiten in Bezug auf Menschen-
rechtsverträge und -mechanismen des Europara-
tes, insbesondere die Europäische Menschen-
rechtskonvention und ihre Protokolle, das
Europäische Übereinkommen zur Verhütung von
Folter und unmenschlicher oder erniedrigender
Behandlung oder Strafe sowie andere internatio-
nale Rechtsinstrumente;

(vi) Strafrecht und Kriminologie, der Behandlung
von Straffälligen und den Haftbedingungen;

(vii) Rechts- und Menschenrechtsfragen der Terroris-
musbekämpfung.

3. Der Ausschuss gibt eine Stellungnahme zum Recht,
der Rechtspraxis und der Einhaltung der Menschen-
rechte und Grundfreiheiten in den Kandidatenländern
für einen Beitritt zum Europarat ab, um die Erfüllung
der Standards des Europarates zu beurteilen.

4. Der Ausschuss fördert die normsetzenden Rechtsin-

mission). strumente des Europarates auf dem Gebiet der Achtung

Drucksache 15/5298 – 32 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und der
Rechtsstaatlichkeit in Nichtmitgliedstaaten.

5. Der Ausschuss hat die Aufgabe, alle Bewerber für
Richterämter beim Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte und das Amt des Europäischen
Kommissars für Menschenrechte vor ihrer Wahl
durch die Versammlung zu befragen. Er prüft außer-
dem den Lebenslauf von Bewerbern für das Europäi-
sche Komitee zur Verhütung von Folter und un-
menschlicher oder erniedrigender Behandlung oder
Strafe.

6. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten der entspre-
chenden europäischen und internationalen Organisa-
tionen wie des Amtes des Hochkommissars für Men-
schenrechte der Vereinten Nationen (OHCHR), der
Kommission der Vereinten Nationen für internationa-
les Handelsrecht (UNCITRAL), der OSZE (nament-
lich des Büros für demokratische Institutionen und
Menschenrechte – ODIHR und des Hochkommissars
für nationale Minderheiten), der Haager Konferenz
für internationales Privatrecht (HCCH), der Interna-
tional Law Commission und des Internationalen Ins-
tituts für die Vereinheitlichung des Privatrechts
(UNIDROIT) und unterhält mit ihnen Arbeitsbezie-
hungen.

7. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten der Europäi-
schen Ombudsmann-Konferenz.

8. Der Ausschuss beteiligt sich an der Arbeit der
Gruppe von Mitgliedstaaten des Europarates gegen
Korruption (GRECO) und der Europäischen Kom-
mission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kom-
mission).

9. Der Ausschuss vertritt die Versammlung in einschlä-
gigen intergouvernementalen Expertenausschüssen
des Europarates und verfolgt die dortigen Arbeiten.1*

10. Der Ausschuss beteiligt sich an der Vertretung der
Versammlung in der Europäischen Kommission ge-
gen Rassismus und Intoleranz (ECRI).

III. Ausschuss für Wirtschaft
und Entwicklung (AS/Ec)

Zahl der Sitze: 83
Entwicklung: Der Ausschuss wurde 1949 als Ausschuss
für Wirtschaftsfragen errichtet. 1956 wurde er in „Wirt-
schaftsausschuss“ und 1968 in „Ausschuss für Wirtschaft
und Entwicklung“ umbenannt, um deutlich zu machen,
dass der Ausschuss für die Entwicklungsländer zuständig
ist. Mit dieser Änderung sollte auch dem Anliegen der
Verfasser eines Entschließungsantrags (Dok. 2179) Rech-
nung getragen werden, die einen neuen allgemeinen Aus-

schuss für die Entwicklungsländer errichtet sehen woll-
ten.
Zuständigkeitsbereich:
1. Der Ausschuss prüft alle Fragen, die mit wirtschaft-

licher Zusammenarbeit, Wachstum und Entwicklung
zusammenhängen.

2. Der Ausschuss prüft insbesondere:
(i) die wirtschaftliche Entwicklung und Zusammen-

arbeit in ganz Europa einschließlich der jeweili-
gen Beschäftigungspolitik und die Wirtschafts-
und Entwicklungspolitik der Europäischen
Union, insbesondere wenn diese Mitgliedstaaten
des Europarates außerhalb der Europäischen
Union betrifft;

(ii) die weltweite wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung;

(iii) die Entwicklungszusammenarbeit zwischen In-
dustriestaaten und Entwicklungsländern („Nord-
Süd“-Kooperation);

(iv) die europäische Verkehrspolitik;
(v) Entwicklungen in der europäischen Energiepoli-

tik, insbesondere bei der Energiekooperation;
(vi) die Förderung des Fremdenverkehrs.

3. Sondervereinbarungen zufolge erstellt der Ausschuss
Jahresberichte über die Aktivitäten der Organisation
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) und der Europäischen Bank für Wiederauf-
bau und Entwicklung (EBRD). Diese Berichte sind in
der Versammlung nach Vorträgen des Generalsekre-
tärs der OECD und des Präsidenten der EBRD zu er-
örtern. Bei der Vorbereitung der Berichte und Aus-
sprachen unterhält der Ausschuss Beziehungen zur
OECD und zur EBRD sowie zu den an diesen Aus-
sprachen teilnehmenden Parlamenten von Nichtmit-
gliedstaaten.

4. Der Ausschuss berichtet über alle Haushalts- und Fi-
nanzfragen. Der Ausschuss erstellt insbesondere die
jährlichen Stellungnahmen der Versammlung zum
Haushaltsentwurf des Europarates und den Ausgaben
der Versammlung, prüft die budgetären und finanzi-
ellen Aspekte von der Versammlung vorgeschlagener
künftiger Aktivitäten und beschäftigt sich mit Fragen
in Bezug auf die Haushaltskompetenzen der Ver-
sammlung.

5. Der Ausschuss prüft Fragen zur Rolle des Europara-
tes bei der Koordinierung der Dienstbedingungen bei
den internationalen europäischen Institutionen und
dem Aufbau einer europäischen Beamtenschaft.

6. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten der einschlä-
gigen europäischen und internationalen Organisatio-
nen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB), der
Europäischen Freihandelszone (EFTA), der Wirt-
schaftskommission der Vereinten Nationen für Europa

* Ab dem 31. Dezember 2004 handelt es sich hierbei um folgende
Ausschüsse: den Lenkungsausschuss für rechtliche Zusammenarbeit
(CDCJ), den Lenkungsausschuss für Verbrechensprobleme (CDPC),

1
(UNECE), der Bretton Woods-Institutionen (Interna-den Lenkungsausschuss für Menschenrechte (CDDH) und den Len-kungsausschuss für die Massenmedien (CDMM).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 33 – Drucksache 15/5298

tionaler Währungsfonds und Weltbank), der Welthan-
delsorganisation und anderer Institutionen (Europäi-
sche Zivilluftfahrtkonferenz (CEAC), Internationale
Luftverkehrsvereinigung (IATA)). Im Falle der Bret-
ton Woods-Institutionen erarbeitet der Ausschuss
grundsätzlich alle drei Jahre einen Bericht über ihre
Aktivitäten.

7. Der Ausschuss verfolgt gemeinsam mit dem Aus-
schuss für Kultur, Wissenschaft und Bildung und
dem Präsidium der Versammlung die Aktivitäten des
Nord-Süd-Zentrums des Europarates.

IV. Ausschuss für Sozialordnung,
Gesundheit und Familie (AS/Soc)

Zahl der Sitze: 83
Entwicklung: Der Ausschuss wurde 1949 errichtet und
wurde bis 1988 als Ausschuss für Soziales und Gesund-
heit bezeichnet. Er wurde dann auf eigenes Ersuchen um-
benannt, um seiner zunehmenden Beschäftigung mit Kin-
der-, Jugend- und Familienfragen Rechnung zu tragen.
Zuständigkeitsbereich:
1. Der Ausschuss prüft Fragen und künftige Entwick-

lungstendenzen in Bezug auf Sozialfürsorge, Arbeit,
öffentliche Gesundheit, die Familie und gefährdete
Bevölkerungsgruppen. Er bewertet im Auftrag der
Versammlung die Umsetzung und Weiterentwicklung
der Europäischen Sozialcharta und anderer Überein-
kommen des Europarates durch die Mitgliedstaaten.

2. Der Ausschuss prüft insbesondere:
(i) Möglichkeiten, den sozialen Zusammenhalt in

den Mitgliedstaaten, den Beitrag des sozialen
Zusammenhalts zur politischen Stabilität und
Wege zur Stärkung des europäischen Sozialmo-
dells als Grundlage für ein stabiles und sozial
prosperierendes Europa zu verbessern;

(ii) soziale Aspekte der Beschäftigungs- und Ar-
beitslosenpolitik unter Einschluss der sozialen
Aspekte der Globalisierung und günstiger Rah-
menbedingungen für einen sozialen Dialog;

(iii) sozialpolitische Maßnahmen zugunsten von Kin-
dern, Senioren und Behinderten sowie Möglich-
keiten zur Stärkung der Solidarität zwischen den
Generationen;

(iv) Fragen zur Gesundheit, einschließlich der Ent-
wicklung abgestimmter europäischer Gesund-
heitspolitiken und der Bekämpfung des Drogen-
handels und -missbrauchs sowie der von der
Biomedizin aufgeworfenen neuen ethischen Fra-
gen.

3. Der Ausschuss steht in regelmäßigem Kontakt mit
Vertretern der gewerblichen Arbeitgeber und Arbeit-
nehmer in Europa, insbesondere mit dem Europäi-
schen Gewerkschaftsbund (EGB) und der Vereini-
gung der Industrie- und Arbeitgeberverbände

4. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten der einschlä-
gigen europäischen und internationalen Organisatio-
nen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO),
der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der
OECD und von UNICEF und unterhält Arbeitsbezie-
hungen mit ihnen.

5. Der Ausschuss vertritt die Versammlung in den ein-
schlägigen intergouvernementalen Expertenauss-
chüssen des Europarates und verfolgt deren Arbe-
iten.2*

V. Ausschuss für Wanderbewegungen, Flücht-
lings- und Bevölkerungsfragen (AS/Mig)

Zahl der Sitze: 83
Entwicklung: Während der ordentlichen Tagungen der
Versammlung in den Jahren 1950 und 1951 wurden zwei
Sonderausschüsse zur Untersuchung von Flüchtlingsfra-
gen eingesetzt. Im Dezember 1951 entschied die Ver-
sammlung, die Probleme, vor denen die beiden Aus-
schüsse stünden, seien hinreichend wichtig und dauerhaft,
um die Einsetzung eines weiteren allgemeinen Ausschus-
ses zu rechtfertigen. Der Ausschuss erhielt die Bezeich-
nung Ausschuss für Bevölkerung und Flüchtlinge und
wurde erstmals bei der Eröffnung der ordentlichen Ta-
gung 1952 eingesetzt. 1979 (Entschließung 685), erhielt
der Ausschuss die Bezeichnung „Wanderbewegungen,
Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen“, um seiner zuneh-
menden Beschäftigung mit allgemeinen Migrationspro-
blemen Rechnung zu tragen. 2003 wurde (im Englischen)
der Begriff „demography“ durch „population“ ersetzt, um
die Hauptaktivitäten des Ausschusses besser zu berück-
sichtigen.
Zuständigkeitsbereich:
1. Der Ausschuss prüft alle einschlägigen Fragen in Be-

zug auf Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevöl-
kerungsfragen. Er erarbeitet und unterbreitet Maß-
nahmenvorschläge für eine engere europäische
Zusammenarbeit auf diesen Gebieten sowie gegebe-
nenfalls für eine Zusammenarbeit mit nichteuropäi-
schen Staaten.

2. Der Ausschuss prüft insbesondere:
(i) Fragen in Bezug auf Wanderungsbewegungen

und Flüchtlinge in Europe und anderen Teilen
der Welt einschließlich des Problems der Asylsu-
chenden und Binnenvertriebenen sowie der en-
gen Zusammenarbeit zwischen den Herkunfts-,
Transit- und Bestimmungsländern;

(ii) Bevölkerungstrends in Europe und anderen Tei-
len der Welt und die sozialen und wirtschaft-
licher Auswirkungen dieser Trends;

* Ab dem 31. Dezember 2004 handelt es sich hierbei um folgende
Ausschüsse: den Europäischen Ausschuss für sozialen Zusammen-

2
Europas (UNICE). halt (CDCS), den Europäischen Gesundheitsausschuss (CDSP) undden Lenkungsausschuss für Bioethik (CDBI).

Drucksache 15/5298 – 34 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

(iii) die Mitwirkung in sozialen Fragen (Community
Relations) in multikulturellen Gesellschaften,
einschließlich der Lage und der Integration der
Wanderarbeitnehmer und ihrer sozialen, wirt-
schaftlichen und politischen Rechte;

(iv) das humanitäre Recht und humanitäre Fragen.
3. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten der einschlä-

gigen europäischen und internationalen Organisatio-
nen wie des Amtes des Hohen Flüchtlingskommis-
sars der Vereinten Nationen (UNHCR), der
Weltweiten Kommission der Vereinten Nationen für
internationale Migration (GCIM), des Bevölkerungs-
fonds der Vereinten Nationen (UNFPA), des Interna-
tionalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), der In-
ternationalen Organisation für Migration (IOM), der
Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und des
Hilfswerks der Vereinten Nationen für palästinensi-
sche Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) und un-
terhält Arbeitsbeziehungen mit ihnen.

4. Der Ausschuss vertritt die Versammlung in den ein-
schlägigen intergouvernementalen Expertenausschüs-
sen des Europarates und verfolgt die dort ablaufenden
Arbeiten.3*

VI. Ausschuss für Kultur, Wissenschaft
und Bildung (AS/Cult)

Zahl der Sitze: 83
Entwicklung: Der Name des Ausschusses geht auf die
2001 erfolgte Zusammenlegung des Ausschusses für Kul-
tur und Bildung und des Ausschusses für Wissenschaft
und Technologie zurück. Der Ausschuss für Kultur und
Bildung wurde 1949 als Ausschuss für kulturelle und wis-
senschaftliche Fragen eingesetzt. Die Entschließung 326
(1966) errichtete einen gesonderten Ausschuss für Wis-
senschaft und Technologie mit einem spezifischen
Zuständigkeitsbereich. Der Ausschuss für kulturelle und
wissenschaftliche Fragen wurde dann zum „Kulturaus-
schuss“. 1968 wurde der Kulturausschuss in „Ausschuss
für Kultur und Bildung“ umbenannt.
Zuständigkeitsbereich:
1. Der Ausschuss prüft Fragen in Bezug auf die Kultur

in Europa und fördert die kulturelle Zusammenarbeit
in Europa und zwischen Europa und anderen Teilen
der Welt, insbesondere im Mittelmeerraum. Zur Kul-
tur und zur kulturellen Zusammenarbeit gehören die
Gebiete Wissenschaft, Bildung, Kunst, Kulturerbe,
Medien, Jugend und Sport – allerdings ohne Prioritä-
tensetzung.

2. Der Ausschuss prüft insbesondere:
(i) die Erhaltung des europäischen kulturellen Er-

bes;
(ii) die Bildungs- und Jugendpolitik;
(iii) die Medien, einschließlich besonderer Fragen der

Medienethik;
(iv) Fragen im Hinblick auf die Meinungsfreiheit und

die Rolle des Künstlers und die Zensur, die Ent-
wicklung von Achtung und eines Gefühls der To-
leranz gegenüber anderen Kulturen, einschließ-
lich der Kulturen von Minderheiten in den
Mitgliedstaaten;

(v) Sportangelegenheiten;
(vi) Fragen der wissenschaftlichen Forschung;
(vii)die gesellschaftlichen Auswirkungen wissen-

schaftlich-technischer Entwicklungen.
3. Der Ausschuss entscheidet im Auftrag der Versamm-

lung alljährlich über die Vergabe des Museumsprei-
ses des Europarates.

4. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten einschlägiger
europäischer und internationaler Organisationen wie
der UNESCO, der OECD, der Europäischen Kultur-
stiftung, der Europäischen Wissenschaftsstiftung und
des Europäischen Parlamentarischen Netzwerks für
Technologiefolgen-Abschätzung (EPTA) und unter-
hält Arbeitsbeziehungen mit diesen Organisationen.

5. Der Ausschuss verfolgt gemeinsam mit dem Aus-
schuss für Wirtschaft und Entwicklung und dem Prä-
sidium der Versammlung die Aktivitäten des Nord-
Süd-Zentrums des Europarates. Er verfolgt auch die
Aktivitäten des Europäischen Unterstützungsfonds
für die Koproduktion und den Vertrieb kreativer kine-
matographischer und audiovisueller Arbeiten „Euri-
mages“.

6. Der Ausschuss vertritt die Versammlung in den ein-
schlägigen intergouvernementalen Expertenausschüs-
sen des Europarates und verfolgt die dortigen Ar-
beiten.4**

7. Der Ausschuss beteiligt sich an der Vertretung in der
Europäischen Kommission gegen Rassismus und In-
toleranz (ECRI).

8. Der Ausschuss vertritt die Versammlung im Aus-
schuss für Kunstwerke (Committee for Works of Art)
des Europarates.

* Ab dem 31. Dezember 2004 handelt es sich hierbei um folgende
Ausschüsse: den Europäischen Bevölkerungsausschuss (CDPO), die
Spezialistengruppe für Roma/Zigeuner (MG-S-ROM), den Europäi-
schen Ausschuss für Migration (CDMG) und den Ad-hoc-Experten-

** Ab dem 31. Dezember 2004 handelt es sich hierbei um folgende
Ausschüsse: den Lenkungsausschuss für Bildung (CDED), den Len-
kungsausschuss für höhere Bildung und Forschung (CDESR), den
Lenkungsausschuss für Kultur (CDCULT), den Lenkungsausschuss
für das kulturelle Erbe (CDPAT), den Lenkungsausschuss für die
Entwicklung des Sports (CDDS), den Europäischen Lenkungsaus-

3

4
ausschuss für rechtliche Aspekte des territorialen Asyls, Flüchtlinge
und Staatenlose (CAHAR).

schuss für Jugend (CDEJ), den Lenkungsausschuss für die Massen-
medien (CDMM) und den Lenkungsausschuss für Bioethik (CDBI).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 35 – Drucksache 15/5298

VII. Ausschuss für Umwelt und
Landwirtschaft (AS/Ena)

Zahl der Sitze: 83
Entwicklung: Dieser Ausschuss ist aus der 2001 erfolgten
Zusammenlegung des Ausschusses für Entwicklung, Re-
gionalplanung und Gemeinden mit dem Ausschuss für
Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Ernährung
hervorgegangen.
Der Ausschuss für Umwelt, Regionalplanung und Ge-
meinden wurde 1952 als Sonderausschuss für Kommunal-
und Regionalfragen errichtet. Er wurde 1956 zu einem all-
gemeinen Ausschuss. Das Gebiet der Regionalplanung
wurde 1968 hinzugenommen, und die Umwelt wurde
1986 in die Bezeichnung des Ausschusses aufgenommen.
Der Ausschuss für Landwirtschaft, ländliche Entwick-
lung und Ernährung wurde 1951 zuerst als Sonderaus-
schuss eingesetzt. 1956 wurde er zu einem allgemeinen
Ausschuss. 1994 wurde er in „Ausschuss für Landwirt-
schaft und ländliche Entwicklung“ umbenannt und erhielt
im April 2000 von der Versammlung die Bezeichnung
„Ausschuss für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung
und Ernährung“.
Zuständigkeitsbereich:
1. Der Ausschuss prüft alle Fragen in Bezug auf Um-

welt, Regionalplanung, Landwirtschaft, Ernährung
und Verbraucherschutz sowie lokale und regionale
Gebietskörperschaften.

2. Der Ausschuss prüft insbesondere:
(i) Fragen in Verbindung mit nachhaltiger Entwick-

lung von der kommunalen bis zur globalen
Ebene (Umweltschutz, Regionalplanung, Be-
wirtschaftung natürlicher Hilfsquellen) sowie
sektoralen Politikfeldern (Verkehr, Energie
usw.), da diese zu einer nachhaltigen Umweltpo-
litik und ausgewogenen Raumplanung beitragen;

(ii) Fragen im Zusammenhang mit der Agrarpolitik,
der ländlichen Entwicklung, der Fischerei, der
Forstwirtschaft, der Ernährung und Themen des
Verbraucherschutzes;

(iii) Fragen in Bezug auf lokale und regionale Ge-
bietskörperschaften wie lokale und regionale De-
mokratie und Selbstverwaltung, grenzüberschrei-
tende und interregionale Zusammenarbeit sowie
Stadtplanung und diesbezügliche politische
Maßnahmen.

3. Der Ausschuss wählt im Auftrag der Versammlung
die Kandidaten und die Gewinner des Europapreises
und der übrigen Auszeichnungen (Europäische Di-
plome, Ehrenbanner und Ehrenmedaillen) für Ge-
meinden aus.

4. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten des Kongres-
ses der Gemeinden und Regionen Europas des Euro-
parates und unterhält mit diesem Arbeitsbeziehun-

5. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten einschlägiger
europäischer und internationaler Organisationen wie
der OECD, der Organisation für Ernährung und
Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO), dem
Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP),
der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen
für Europa (UNECE) und dem International Centre
for Advanced Mediterranean Agronomic Studies
(ICAMAS) und unterhält Arbeitsbeziehungen mit ih-
nen.

6. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten der einschlä-
gigen europäischen Organisationen und Vereinigun-
gen für lokale und regionale Zusammenarbeit.

7. Der Ausschuss vertritt die Versammlung in den ein-
schlägigen intergouvernementalen Expertenausschüs-
sen des Europarates und verfolgt die dortigen Arbei-
ten.5*

VIII. Ausschuss für die Gleichstellung von
Frauen und Männern (AS/Ega)

Zahl der Sitze: 51
Entwicklung: Errichtet auf der Grundlage der Entschlie-
ßung 1144 (1998).
Zuständigkeitsbereich:
1. Der Ausschuss prüft Fragen der Gleichstellung von

Frauen und Männern und die Geschlechterproblema-
tik.

2. Der Ausschuss prüft insbesondere:
(i) die Gleichstellung von Frauen und Männern und

die damit zusammenhängenden Aktivitäten, poli-
tischen und gesetzgeberischen Maßnahmen in
den Mitglieds- und Beobachterstaaten des Euro-
parates sowie im Europarat selbst und in seinen
Organen;

(ii) Fragen der Diskriminierung aufgrund des Ge-
schlechts;

(iii) Gewalt gegen Frauen einschließlich geschlechts-
bezogener Straftaten wie „Ehrenmorde“ und
„Frauentötungen“;

(iv) den Mädchen- und Frauenhandel;
(v) Fragen der Sexualität und der Fortpflanzung in

Bezug auf die Rechte und Freiheiten der Frau.

* Ab dem 31. Dezember 2004 handelt es sich hierbei um folgende
Ausschüsse: den Rat für die Strategie der paneuropäischen biologi-
schen und landschaftlichen Vielfalt (STRA-CO), den Ausschuss für
die Aktivitäten des Europarates auf dem Gebiet der biologischen und
landschaftlichen Vielfalt (CO-DBP), den Ständigen Ausschuss für
das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildleben-
den Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume, den Stän-
digen Ausschuss für das europäische Übereinkommen zum Schutz
von Tieren in landwirtschaftlichen Tierhaltungen, den Lenkungsaus-

5
gen. schuss für kommunale und regionale Demokratie (CDLR) und denAusschuss für öffentliche Gesundheit (CD-P-SP).

Drucksache 15/5298 – 36 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. Der Ausschuss verfolgt die Einhaltung der Empfeh-
lungen der Parlamentarischen Versammlung in Be-
zug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern
durch den Europarat, seine Organe sowie seine Mit-
glieds- und Beobachterstaaten.

4. Der Ausschuss unterhält Beziehungen zu dem euro-
päischen Netz parlamentarischer Ausschüsse für
Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern
(NCEO) und nimmt an dessen Sitzungen teil.

5. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten der einschlägi-
gen europäischen und internationalen Organisationen
wie des Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen
für Frauen (UNIFEM), der Wirtschaftskommission
der Vereinten Nationen für Europa (UNECE), der
Kommission über die Stellung der Frau (CSW), des
Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form der
Diskriminierung der Frau (CEDAW) und des Büros
der OSZE für demokratische Institutionen und Men-
schenrechte (ODIHR) und unterhält Arbeitsbezie-
hungen mit ihnen.

6. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten der Weltfrau-
enkonferenzen der VN und ihrer Vorbereitungskonfe-
renzen auf europäischer Ebene.

7. Der Ausschuss vertritt die Versammlung in den ein-
schlägigen intergouvernementalen Expertenausschüs-
sen des Europarates und verfolgt die dortigen Ar-
beiten.6*

IX. Geschäftsordnungsausschuss (AS/Pro)
Zahl der Sitze: 51
Entwicklung: Der Ausschuss wurde 1949 unter der Be-
zeichnung „Ausschuss für die Geschäftsordnung und Vor-
rechte“ eingesetzt. Der Punkt „Vorrechte“ wurde 1956
entfernt. Der Wortlaut „und Immunitäten“ wurde 1998
(im Englischen) in die Bezeichnung des Ausschusses auf-
genommen.
Zuständigkeitsbereich:
1. Der Ausschuss trägt dafür Sorge, dass die Geschäfts-

ordnung der Versammlung sachgerecht angewandt
wird und – wie auch die Begleittexte zu der Ge-
schäftsordnung – mit der Praxis der Versammlung im
Einklang bleibt. Er prüft gemäß Artikel 65 der Ge-
schäftsordnung Änderungsvorschläge zu derselben.

2. Der Ausschuss hat insbesondere:
(i) das Präsidium der Versammlung (auf dessen Er-

suchen) in allen Verfahrensfragen zu beraten
oder der Versammlung oder dem Ständigen Aus-
schuss über Fragen der Auslegung oder Ände-
rung der Geschäftsordnung zu berichten;

(ii) der Versammlung gemäß Artikel 7.2 der Ge-
schäftsordnung über Anfechtungen der Legiti-

mation von Mitgliedern und Stellvertretern zu
berichten und gemäß den Artikeln 8.3 und 9.2
der Geschäftsordnung zu jeder Anfechtung noch
nicht ratifizierter Legitimationsunterlagen und
Ersuchen um Aufhebung früherer Anerkennun-
gen von Legitimationsunterlagen auf materieller
Grundlage Stellung zu nehmen;

(iii) dem Präsidium gemäß Artikel 59.6 der Ge-
schäftsordnung nach einer gemeinsamen Sit-
zung mit dem Politischen Ausschuss über jede
Anfechtung der Legitimation von Mitgliedern
von Sondergastdelegationen zu berichten;

(iv) Fragen zu prüfen, die sich auf die Vorrechte und
Immunitäten von Mitgliedern der Versammlung
einschließlich der in Verbindung mit dem Allge-
meinen Übereinkommen über Vorrechte und Im-
munitäten des Europarates vom 2. September
1949 (Pariser Protokoll) beziehen;

(v) ihm gemäß Artikel 64 der Geschäftsordnung vor-
gelegte Ersuchen um einen Verzicht auf Geltend-
machung der Immunität zu prüfen;

(vi) Fragen zum Recht der Vertreter und Stellvertre-
ter zur Teilnahme an den Sitzungen und zur Er-
stattung der Reisekosten durch die nationalen
Parlamente oder Regierungen zu prüfen;

(vii)die Ausschussstruktur der Versammlung und das
Funktionieren des Ausschusssystems laufend zu
überprüfen und über Vorschläge zur Einsetzung
neuer Ausschüsse zu berichten.

3. Der Ausschuss aktualisiert gemäß Weisungen des
Präsidiums der Versammlung die Zuständigkeitsbe-
reiche der Ausschüsse der Versammlung.

4. Der Ausschuss prüft Fragen institutionellen Charak-
ters, die ihm von der Versammlung oder deren Präsi-
dium vorgelegt werden.

5. Der Ausschuss verfolgt die Entwicklung von Rechts-
instrumenten zu den Vorrechten und Immunitäten
von Parlamentariern auf europäischer und internatio-
naler Ebene.

X. Ausschuss für die Einhaltung der von den
Mitgliedstaaten des Europarates einge-
gangenen Pflichten und Verpflichtungen
(Überwachungsausschuss) (AS/Mon)

Zahl der Sitze: 83
Entwicklung: Errichtet auf der Grundlage der Entschlie-
ßung 1115 (1997)
Zuständigkeitsbereich:
1. Der Ausschuss ist zuständig für Bemühungen um die

Sicherstellung:
(i) der Erfüllung der Verpflichtungen, die von den* Ab dem 31. Dezember 2004 ist der betroffene Ausschuss der Len-6
Mitgliedstaaten gemäß den Bestimmungen derkungsausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern(CDEG).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 37 – Drucksache 15/5298

Satzung des Europarates, der Europäischen
Menschenrechtskonvention und aller anderen in-
nerhalb der Organisation geschlossenen Über-
einkommen, denen sie beigetreten sind, über-
nommen worden sind.

(ii) der Einhaltung der Verpflichtungen, die von den
Behörden der Mitgliedstaaten bei ihrem Beitritt
zum Europarat eingegangen wurden.

2. Der Ausschuss kann der Versammlung vorschlagen,
ein Überwachungsverfahren einzuleiten, wenn ein
Mitgliedstaat seinen Pflichten nicht nachkommt oder
seine Verpflichtungen nicht einhält.

3. Der Ausschuss prüft außerdem Anträge auf Einlei-
tung eines Überwachungsverfahrens, die von folgen-
der Seite kommen:
(i) den allgemeinen Ausschüssen der Versammlung

in Form eines begründeten schriftlichen Antrags
an das Präsidium;

(ii) mindestens zehn Mitgliedern der Versammlung,
die wenigstens zwei nationale Delegationen und
zwei politische Gruppen vertreten und eine Ent-
schließung oder Empfehlung beantragen;

(iii) dem Präsidium der Versammlung.
4. Der Ausschuss kann außerdem angewiesen werden,

aufgrund einer Entscheidung gemäß einem von der
Versammlung oder dem Ständigen Ausschuss ange-
nommenen Text ein Überwachungsverfahren durch-
zuführen.

5. Der Ausschuss berichtet der Versammlung einmal
jährlich über den allgemeinen Fortgang des Überwa-
chungsverfahrens und mindestens einmal alle zwei
Jahre über jedes der Überwachung unterliegende
Land.

6. Nachdem die Versammlung einen Follow-up-Dialog
mit einem Mitgliedstaat beschlossen hat, betreibt der
Ausschuss diesen Dialog zum Follow-up der Behör-
den des betreffenden Staates im Hinblick auf die
Schritte, die von der Versammlung in ihren verab-
schiedeten Texten zum Abschluss des Überwa-
chungsverfahrens oder zu anderen sich aus den
Pflichten dieses Staates ergebenden Fragen empfoh-
len werden. Anschließend berichtet der Ausschuss
dem Präsidium der Versammlung.

7. Der Ausschuss verfolgt die Aktivitäten der Hilfsor-
gane des Ministerkomitees, die für die Überwachung
der Pflichten und Verpflichtungen der Mitgliedstaa-
ten zuständig sind und unterhält mit ihnen wie auch
den einschlägigen internationalen Institutionen Ar-
beitsbeziehungen.

8. Der Ausschuss beteiligt sich an der Vertretung der
Versammlung im Rat für demokratische Wahlen der
Europäischen Kommission für Demokratie durch

Emp f e h l u n g 1 6 9 0 ( 2 0 0 5 ) *
betr. den Konflikt in der Region Bergkarabach,

der von der OSZE-Konferenz in Minsk
behandelt wurde

1. Die Parlamentarische Versammlung nimmt Bezug
auf ihre Entschließung 1416 (2005) über den Kon-
flikt, der von der OSZE-Konferenz in Minsk behan-
delt wurde und empfiehlt dem Ministerkomitee:
i. die betroffenen Parteien nachdrücklich aufzufor-

dern, den Resolutionen 822 (1993), 853 (1993),
874 (1993) und 884 (1993) nachzukommen, ins-
besondere dadurch, dass sie Abstand von jegli-
chen Feindseligkeiten mit Waffengewalt nehmen
und militärische Streitkräfte aus allen besetzten
Gebieten Aserbaidschans abziehen;

ii. die Beachtung der Resolutionen des Sicherheits-
rates der Vereinten Nationen durch Armenien
und Aserbaidschan sowie der einschlägigen Be-
schlüsse des OSZE Ministerrates zu überwachen
und der Versammlung über die Ergebnisse dieser
Überwachung Bericht zu erstatten;

iii. der Versammlung zu berichten über die von den
Mitgliedstaaten im Einklang mit den Resolutio-
nen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
im Hinblick auf eine friedliche Lösung des Kon-
fliktes unternommenen Anstrengungen, einschließ-
lich darüber, ob die Mitgliedstaaten Abstand
nehmen von der Lieferung jedweder Waffen und
Munition, die zu einer Verschärfung des Konflik-
tes oder der fortgesetzten Besetzung des Gebie-
tes in Verletzung der Resolution 853 (1993) des
Sicherheitsrates der Vereinten Nationen führen
könnten;

iv. unter Hinweis auf die Empfehlung 1251 (1994)
über den Konflikt in Bergkarabach, Armenien
und Aserbaidschan Sachverständige zur Verfü-
gung zu stellen, die dabei mithelfen könnten, ei-
nen politischen Status für Bergkarabach zu erar-
beiten, falls beide dies wünschen;

v. Ressourcen zur Verfügung zu stellen für einen
Aktionsplan der gezielten vertrauensbildenden
Maßnahmen für Armenien und Aserbaidschan;

vi. Ressourcen zur Verfügung zu stellen für gezielte
Ausbildungsprogramme für Lehrer und Journa-
listen aus beiden Staaten mit dem Ziel eines bes-
seren gegenseitigen Verständnisses, der Toleranz
und der Aussöhnung;

vii. Ressourcen zur Verfügung stellen für gezielte
Maßnahmen durch die Europäische Kommis-
sion zur Bekämpfung von Rassismus und Intole-
ranz in Bezug auf beide Staaten, insbesondere im

* Versammlungsdebatte am 25. Januar 2005 (2. Sitzung) (siehe
Dok. 10364, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
Recht (Venedig-Kommission). Herr Atkinson). Von der Versammlung verabschiedeter Text am25. Januar 2005 (2. Sitzung).

Drucksache 15/5298 – 38 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Hinblick auf Bildungseinrichtungen und öffentli-
che Medien;

viii. ihren zuständigen Lenkungsausschuss anzuwei-
sen zu prüfen, in wieweit das Europäische Über-
einkommen für die friedliche Beilegung von
Streitigkeiten die derzeitigen Erfordernisse der
Konfliktlösung unter den Mitgliedstaaten des
Europarates widerspiegelt und an welcher Stelle
es geändert werden sollte, um ein adäquates In-
strument für die friedliche Beilegung von Strei-
tigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-
parates anbieten zu können;

ix. die Entschließung 1416 (2005) zu berücksichti-
gen bei Beschlüssen über Maßnahmen in Bezug
auf beide Staaten;

x. die Entschließung 1416 (2005) und diese Emp-
fehlung den Regierungen der Mitgliedstaaten zu
übermitteln im Hinblick darauf, diese national,
bilateral und international zu unterstützen.

Emp f e h l u n g 1 6 9 1 ( 2 0 0 5 ) *

betr. den Schutz der Menschenrechte im Kosovo
1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre

Entschließung 1417 (2005) über den Schutz der
Menschenrechte im Kosovo.

2. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee
folglich,
i. zügig die erforderlichen Regelungen für die Um-

setzung des Mechanismus des Übereinkommens
zur Verhütung von Folter durch die KFOR/
NATO im Kosovo zu beschließen;

ii. in Zusammenarbeit mit der UNMIK und der
KFOR/NATO gemäß der entsprechenden Ziffer
der oben erwähnten Entschließung Arbeiten für
die Errichtung eines Gerichtshofs für Menschen-
rechte im Kosovo aufzunehmen und Serbien und
Montenegro daran zu beteiligen;

iii. nach Konsultierung der Parlamentarischen Ver-
sammlung eine Entschließung anzunehmen, die
sich mutatis mutandis an die Entschließung
(93) 6 des Ministerkomitees über die Kontrolle
der Achtung der Menschenrechte in noch nicht
dem Europarat angehörenden europäischen Staa-
ten anlehnt und Bestimmungen für die Benen-
nung von Richtern für den Gerichtshof für Men-
schenrechte im Kosovo sowie ihre Bestellung
durch den Präsidenten des Europäischen Ge-
richtshofs für Menschenrechte enthält;

iv. nach Konsultierung der Parlamentarischen Ver-
sammlung eine Entschließung anzunehmen, die
den Präsidenten des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte ermächtigt:
a. unabhängige internationale Menschenrechts-

experten für den Beirat/die Menschenrechts-
kommission der UNMIK zu benennen, so-
bald dieses Gremium errichtet worden ist;

b. unabhängige internationale Menschenrechts-
experten für die Beschwerdenberufungs-
kommission/den Beirat der KFOR zu benen-
nen, sobald dieses Gremium reformiert
worden ist;

c. uneingeschränkt integre und vorzugsweise,
wenn auch nicht zwangsläufig über richter-
liche Erfahrung verfügende internationale
Menschenrechtsexperten als internationale
Richter für die Sonderkammer des Obersten
Gerichtshofs für Fragen des Verfassungsrah-
mens zu benennen, sobald diese eingerichtet
worden ist;

v. eine Studie über die mögliche vorübergehende
Ausdehnung der Zuständigkeit des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte auf alle Be-
wohner des Kosovos durchzuführen.

Emp f e h l u n g 1 6 9 2 ( 2 0 0 5 ) **

betr. die Umstände bei der Festnahme und
Strafverfolgung von führenden Yukos-

Verantwortlichen
1. Unter Bezugnahme auf ihre Entschließung 1418

(2005) empfiehlt die Parlamentarische Versammlung
dem Ministerkomitee im Allgemeinen
i. der Russischen Föderation nach wie vor die Zu-

sammenarbeit des Europarates bei der Vorberei-
tung und Umsetzung von Reformen des Rechts-
und Gerichtssystems und von Polizeibehörden
insbesondere mit dem Ziel der weiteren Stärkung
der tatsächlichen Unabhängigkeit und Transpa-
renz der Gerichte und ihrer Verfahren, insbeson-
dere hinsichtlich der Zuweisung von Fällen an
Richter eines bestimmten Gerichts (Grundsatz
des von Gesetz wegen bestimmten Richters) an-
zubieten;

ii. den Umfang zu evaluieren, in dem unter vergan-
genen und aktuellen in den genannten Bereichen
der Reform des Gerichtswesens ausgeführten
Hilfeleistungs- und Kooperationsprogrammen
Fortschritte erzielt wurden und die Versammlung
über die Ergebnisse dieser Evaluierung und et-

* Versammlungsdebatte am 25. Januar 2005 (3. Sitzung) (siehe
Dok. 10393, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrech-

** Versammlungsdebatte am 25. Januar 2005 (3. Sitzung) (siehe
Dok. 10368, Bericht des Ausschusses für Recht und Menschenrech-
te, Berichterstatter: Herr Lloyd). Von der Versammlung verabschie-
deter Text am 25. Januar 2005 (3. Sitzung).

te, Berichterstatterin: Frau Leutheusser-Schnarrenberger). Von der
Versammlung verabschiedeter Text am 25. Januar 2005 (3. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 39 – Drucksache 15/5298

waiger Anpassungen zu informieren, die sich
möglicherweise als notwendig erweisen, um bes-
sere Ergebnisse zu erzielen;

iii. die Russische Föderation nachdrücklich aufzu-
fordern, sicherzustellen, dass unter Einhaltung
früher übernommener Verpflichtungen sämtli-
che Untersuchungshaftanstalten, einschließlich
des Lefortowo-Isolationszentrums in Moskau,
der Kontrolle des Justizministeriums unterstellt
werden und auf Ersuchen für Besuche durch Ver-
treter der Parlamentarischen Versammlung offen
stehen.

2. Was konkreter die Fälle der führenden Yukos-Verant-
wortlichen angeht, empfiehlt die Parlamentarische
Versammlung dem Ministerkomitee:
i. die russischen Behörden an die Bedeutung zu er-

innern, die sie dem Grundsatz öffentliche Ge-
richtsverhandlungen beimisst und sie zu ersu-
chen, sicherzustellen, dass entsprechend Artikel 6
§ 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention
im Fall Pichugin Ausnahmen von diesem Grund-
satz auf das strikte Minimum beschränkt werden;

ii. die russischen Behörden an die Bedeutung zu er-
innern, die sie dem Grundsatz beimisst, dass die
Untersuchungshaft (detention on remand) eine
außergewöhnliche Maßnahme ist, und sicherzu-
stellen, dass dieses Prinzip auch im Falle von
Herrn Khodorkowsky zur Anwendung kommt;

iii. die russischen Behörden nachdrücklich aufzufor-
dern, unverzüglich eine unabhängige medizini-
sche Begutachtung des Gesundheitszustandes
von Herrn Lebedev zuzulassen.

Emp f e h l u n g 1 6 9 3 ( 2 0 0 5 ) *

betr. den Dritten Gipfel
1. Die Parlamentarische Versammlung begrüßt den Be-

schluss des Ministerkomitees, den Dritten Gipfel der
Staats- und Regierungschefs des Europarates am
16. und 17. Mai 2005 auf Einladung der polnischen
Regierung in Warschau durchzuführen. Sie erinnert
daran, dass die beiden früheren Gipfeltreffen ein
wichtiger Impuls für den Integrationsprozess des eu-

ropäischen Kontinents waren und dass bei derartigen
Gelegenheiten eine Reihe ausschlaggebender Ent-
scheidungen getroffen wurden.

2. Der Beschluss zur Einberufung des Gipfeltreffens ist
gerechtfertigt. Die auf dem Ersten Gipfel in Wien
1993 festgelegten Ziele, insbesondere das Ziel, „alle
europäischen Länder, die die Anforderungen von De-
mokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Men-
schenrechte erfüllen, auf der Grundlage der Gleich-
berechtigung in dauerhaften Strukturen zu vereinen“,
sind effektiv erfüllt worden.

3. Auch das vom Zweiten Gipfel in Straßburg 1997 er-
teilte Mandat, „die demokratische Stabilität in den
Mitgliedstaaten zu stärken und Mechanismen zur
Überwachung der Verfahren zur Einhaltung der
durch die Mitgliedstaaten bei ihrem Beitritt einge-
gangenen Pflichten und Verpflichtungen zu schaffen“
wurde umgesetzt, und die entsprechenden Mechanis-
men haben ihre Arbeit aufgenommen.

4. Der Dritte Gipfel, der in einem sich wandelnden Eu-
ropa stattfindet, sollte die Herausforderungen anspre-
chen, vor denen Europa stehen wird, und die Bedeu-
tung des Europarates für den Kontinent unterstrei-
chen. Er sollte die Organisation mit einem klaren
politischen Mandat für die nächsten Jahre ausstatten
und sie in der europäischen institutionellen Land-
schaft positionieren. Er sollte ebenfalls ausreichende
Ressourcen zur Ausübung dieses Mandats bereitstel-
len.

5. Das Datum des Dritten Gipfels fällt symbolischer-
weise mit dem 60. Jahrestag des Endes des Zweiten
Weltkriegs und mit dem 15. Jahrestag des Beginns
des demokratischen Wandels in Mittel- und Osteu-
ropa zusammen und bietet somit eine hervorragende
Gelegenheit zur Betonung der Einheit Europas ohne
Trennlinien auf der Grundlage gemeinsamer Werte.

6. Diese gemeinsamen Werte betreffen an allererster
Stelle die Menschenrechte, Demokratie und Rechts-
staatlichkeit. Die Förderung und Gewährleistung der
Beachtung dieser Werte ist laut seiner Satzung die
Hauptaufgabe des Europarates, die weiterhin ge-
nauso wichtig bleibt wie im Jahre 1949. Der Gipfel
sollte das Eintreten aller Mitgliedstaaten für diese ge-
meinsamen Werte bekräftigen und anerkennen, dass
dies die herausragenden Arbeitsbereiche der Organi-
sation sind, was eine Widerspiegelung in der einzig-
artigen Rolle findet, die der Europarat in Bezug auf
Normensetzung, Überwachung, Sensibilisierung und
Unterstützung der Mitgliedstaaten auf dem Kontinent
innehat. In Anbetracht der anhaltenden Herausforde-
rungen dieser Werte – wobei der Terrorismus ein be-
sonders augenfälliges Beispiel ist – müssen diese
Rolle weiter gestärkt und vermehrte Ressourcen be-
reitgestellt werden. Die Hauptaufgabe des Europara-
tes kann nicht losgelöst von wichtigen Bereichen wie
sozialer Zusammenhalt und Kultur im weitesten
Sinne (einschließlich Bildung, kulturelles Erbe, Kunst,

* Versammlungsdebatte am 26. Januar 2005 (5. Sitzung) (siehe
Dok. 10381, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
Herr Kosachev, Dok. 10391, Stellungnahme des Ausschusses für
Recht und Menschenrechte, Berichterstatter: Herr Bruce,
Dok. 10417, Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaft und Ent-
wicklung, Berichterstatter: Herr Kirilow, Dok. 10395, Stellungnahme
des Ausschusses für Sozialordnung, Gesundheit und Familie, Be-
richterstatterin: Frau Azevedo, Dok. 10435, Stellungnahme des Aus-
schusses für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfra-
gen, Berichterstatter: Herr Wilkinson, Dok. 10421, Stellungnahme
des Ausschusses für Kultur, Wissenschaft und Bildung, Berichter-
statter: Herr Legendre sowie Dok. 10404, Stellungnahme des Aus-
schusses für die Gleichstellung von Frauen und Männern, Bericht-
Wissenschaft, Medien, Jugend und Sport) sowieerstatterin: Frau Cliveti). Von der Versammlung verabschiedeter Textam 26. Januar 2005 (5. Sitzung).

Drucksache 15/5298 – 40 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Migration, demographischer Wandel und Umwelt-
schutz auf der Grundlage der Achtung des Prinzips
der nachhaltigen Entwicklung gesehen werden.

7. Es ist insbesondere wichtig, jede Form von Unter-
scheidung zwischen „alten“ und „neuen“ Mitglied-
staaten des Europarates zu vermeiden. Dieselben
Normen sollten für alle Mitgliedstaaten angewandt
und von allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden.

8. Es sollte ein Kodex der wichtigsten Übereinkommen
des Europarates erstellt werden. Dieser sollte kon-
krete Fristen für die Unterzeichnung oder Ratifizie-
rung durch diejenigen Länder enthalten, die diese vor
dem Gipfel noch nicht vorgenommen haben. Die ver-
schiedenen Überwachungsverfahren sollten überprüft
werden, damit sie auf vergleichbare und transparente
Art und Weise für alle Mitgliedstaaten angewandt
werden, und ihre Ergebnisse sollten in umfassender
Art und Weise zusammengestellt werden.

9. Die Hilfsprogramme des Europarates sollten auf den
Schlussfolgerungen dieser Überwachungsverfahren
beruhen und in sein zwischenstaatliches Arbeitspro-
gramm integriert werden; sie sollten transparent und
für alle Mitgliedstaaten verfügbar sein.

10. Die Förderung der pluralistischen Demokratie, die
die Beteiligung der Zivilgesellschaft und die Über-
wachung des Stands der Demokratie in den Mitglied-
staaten des Europarates einschließt, sollte eines der
wichtigsten Ziele der Tätigkeit des Europarates sein.
Ein unabhängiges Gremium sollte eingesetzt werden,
dessen Aufgabe es wäre, den Stand der Demokratie
in den Mitgliedstaaten zu evaluieren, regelmäßig Be-
richte zu veröffentlichen und zu ergreifende Maßnah-
men vorzuschlagen.

11. Die geographische Erweiterung, auch in langfristiger
Perspektive, und der Anstieg des Umfangs der Akti-
vitäten und Zuständigkeiten der Europäischen Union
beinhalten wichtige Konsequenzen für die europäi-
sche institutionelle Architektur. Als einzige Organi-
sation, die streng genommen eine wirkliche paneuro-
päische Organisation ist, verfügt der Europarat über
eine einzigartige Ausgangslage, um sich für eine
Stärkung des politischen Dialogs zwischen den Mit-
gliedstaaten und Nichtmitgliedstaaten der Europäi-
schen Union auf der Grundlage einer Partnerschaft
der gemeinsamen Werte und des gegenseitigen Inte-
resses einzusetzen.

12. Die Europäische Union sollte den Europarat als einen
privilegierten Rahmen zur Entwicklung und Umset-
zung ihrer Nachbarschaftspolitik mit ihren Partnern
betrachten. Darüber hinaus sollte die Europäische
Union, um die Schaffung eines einheitlichen europäi-
schen Rechtsraums zu fördern, eingeladen werden,
allen ihr offen stehenden Übereinkommen des Euro-
parates beizutreten. Der Europarat sollte ferner ge-
eignete Instrumente erarbeiten, die der Europäischen
Union die Möglichkeit geben, weiteren Übereinkom-
men beizutreten, wie z. B. dem Europäischen Kultur-

13. Die Versammlung begrüßt die jüngsten Diskussionen
zwischen dem Europarat und der OSZE, die auf eine
verstärkte Zusammenarbeit und Koordinierung zwi-
schen beiden Organisationen abzielen, betont jedoch
die Wichtigkeit einer engen Einbeziehung der Parla-
mentarischen Versammlungen beider Organisationen.
Die Versammlung bekräftigt erneut ihre Unterstüt-
zung für die Verabschiedung einer Vereinbarung auf
der Grundlage dieser Prinzipien.

14. Die Tätigkeit des Europarates zur Stärkung von De-
mokratie und Menschenrechten sowie der sprachli-
chen und kulturellen Vielfalt und des sozialen Zu-
sammenhalts entspricht der innovativen Förderung
der menschlichen Sicherheit, einem entscheidenden
Anliegen der Vereinten Nationen. Ferner sind viele
seiner Aktivitäten wie die im Hinblick auf nationale
Minderheiten und die Förderung des Dialogs zwi-
schen den Kulturen und den Religionen entscheidend
für die Konfliktverhütung. Folglich sollte sich der
Europarat bereit erklären, als eine regionale Einrich-
tung im Sinne von Kapitel VIII der Charta der Ver-
einten Nationen und ihrer Sonderorgane zu agieren.

15. Außerdem sollte die Tätigkeit der Organisation dar-
auf ausgerichtet sein, Partnerschaften zu den Ländern
in Europas unmittelbarer Nachbarschaft zu entwi-
ckeln zur Verfolgung gemeinsamer Ziele und Fortset-
zung einer fruchtbaren Zusammenarbeit in allen Fra-
gen, die in die Zuständigkeit des Europarates fallen.

16. Die Versammlung ist überzeugt, dass der Dritte Gip-
fel der Organisation neue politische Impulse verlei-
hen wird. Die Versammlung legt diesen Beitrag zur
allgemeinen Erörterung über den Inhalt und über
mögliche Ergebnisse des Gipfels vor und geht davon
aus, dass ihre Empfehlungen in den Schlussdoku-
menten des Gipfels Niederschlag finden werden.

17. Die Versammlung ruft die nationalen Parlamente der
Mitgliedstaaten des Europarates auf, Aussprachen
über den Dritten Gipfel zu veranstalten, um im Vor-
feld des Gipfels politische Anstöße zu geben und si-
cherzustellen, dass der Gipfel die notwendige politi-
sche Wirkung erzeugt. Die Versammlung ruft das
Ministerkomitee, die nationalen Regierungen und
Parlamentarier ferner dazu auf, sicherzustellen, dass
die Zivilgesellschaft über den bevorstehenden Dritten
Gipfel informiert und konsultiert wird.

18. Die Versammlung empfiehlt dem Ministerkomitee,
folgende Punkte für die Erörterung durch die Staats-
und Regierungschefs vorzulegen:
i. im Entwurf der Erklärung:

a. die Einheit Europas, wie sie vom Europarat
verkörpert wird, zu bekräftigen auf der
Grundlage gemeinsamer Werte, in deren
Mittelpunkt Menschenrechte, Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit stehen, und die auch
gemeinsame Normen in den Bereichen sozia-
ler Zusammenhalt und kulturelle Zusam-
abkommen. menarbeit miteinschließen;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 41 – Drucksache 15/5298

b. dem Wunsch Ausdruck zu verleihen, die ein-
zigartige Position des Europarates in der eu-
ropäischen institutionellen Architektur zu er-
halten und zu stärken in Anbetracht seiner
Bedeutsamkeit und seiner beispiellosen Me-
chanismen im Bereich Förderung und
Schutz der Menschenrechte, bei denen der
Europäische Menschenrechtsgerichtshof an
allererster Stelle zu nennen ist;

c. das Übereinkommenssystem des Europara-
tes zu stärken durch die Schaffung eines Ko-
dex der wichtigsten Übereinkommen und die
Festlegung von Fristen für ihre Ratifizierung
durch alle Mitgliedstaaten des Europarates,
die dies noch nicht getan haben;

d. die Wichtigkeit der Förderung und Einhal-
tung der grundlegenden demokratischen
Prinzipien und Leitlinien zu betonen, was
ein besseres Funktionieren und eine Ent-
wicklung der demokratischen Institutionen
und der Zivilgesellschaft, die sich neuen und
schwierigen Aufgaben und Herausforderun-
gen gegenübersehen, ermöglichen dürfte.
Sie sollten sich zuallererst am Bürger orien-
tieren. Diese Prinzipien konzentrieren sich
insbesondere auf:
A. die Vereinigungsfreiheit;
B. die Dezentralisierung der Macht und die

Stärkung regionaler und kommunaler
Verwaltungen;

C. die Neuorientierung politischer Parteien,
die sich bei ihren Wahlbemühungen auf
die Zusammenarbeit und die Unterstüt-
zung der Zivilgesellschaft stützen soll-
ten;

D. Gleichberechtigung von Mann und Frau
beim Beschlussfassungsprozess

E. Meinungsfreiheit und unabhängige und
verantwortungsbewusste Medien;

F. ein kohärentes System der staatsbürger-
lichen Erziehung;

G. ein institutionalisiertes System der
wechselseitigen Kontrolle der drei Ge-
walten, einschließlich unabhängiger Ge-
richte;

e. die Entschlossenheit der Mitgliedstaaten des
Europarates zu erklären, den Menschen-
rechtsschutz und die Bekämpfung jeder
Form von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit
und Diskriminierung zu verstärken; in die-
sem Zusammenhang das Inkrafttreten des
Protokolls Nr. 12 zur Europäischen Men-
schenrechtskonvention am 1. April 2005 zu
begrüßen, welches ein generelles Diskrimi-

die Mitgliedstaaten, die dies noch nicht ge-
tan haben, dieses Protokoll zu unterzeichnen
und zu ratifizieren;

f. eine nachdrückliche dahingehende Verpflich-
tung aufzunehmen, dass das Ministerkomi-
tee seiner uneingeschränkten politischen
Verantwortung nachkommen muss, neben
den diesbezüglichen Bemühungen der Parla-
mentarischen Versammlung, pro-aktiv zur
Lösung der Menschenrechtsprobleme in
Mitgliedstaaten beizutragen und politische
Unterstützung sowie Weiterverfolgung der
Arbeit der unabhängigen Menschenrechts-
mechanismen sicherzustellen;

g. das strategische Ziel der Schaffung eines
einheitlichen paneuropäischen Gebiets für
die Bewegungsfreiheit von Staatsangehöri-
gen der Mitgliedstaaten des Europarates als
ein wesentliches Element eines Europas
ohne Trennlinien zu proklamieren;

h. sich zu verpflichten, die Bekämpfung jeder
Form von Gewalt, einschließlich häuslicher
Gewalt und Menschenhandel, fortzusetzen;

i. die Notwendigkeit der Förderung der nach-
haltigen Entwicklung durch integrierte Poli-
tiken für Umwelt und regionale Entwicklung
zu betonen;

j. die Bedeutung der nachhaltigen Entwick-
lung für die Sicherung einer besseren Le-
bensqualität für die europäischen Bürger zu
bestätigen. Der Europarat sollte seine Tätig-
keiten zur Wahrung von Umwelt und biolo-
gischer Vielfalt durch die Umsetzung inte-
grierter Politiken auf paneuropäischer Ebene
fortsetzen;

k. dieselben Normen auf alle Mitgliedstaaten
anzuwenden, insbesondere im Hinblick auf
die Überwachungsmechanismen und -ver-
fahren, und zu gewährleisten, dass sie von
allen umgesetzt werden;

l. eine feierliche Verpflichtung der Mitglied-
staaten aufzunehmen, die unter ihnen und in-
nerhalb ihrer Grenzen bestehenden Kon-
flikte mit friedlichen Mitteln im Einklang
mit den Werten des Europarates und der
Charta der Vereinten Nationen zu lösen;

m. erneut zu bekräftigen, dass die Erziehung
zum demokratischen Staatsbürger auf der
Grundlage der Rechte und Pflichten der Bür-
ger und der Werte des Europarates weiterhin
eine der Prioritäten bei den künftigen Aktivi-
täten der Organisation sein wird;

n. offiziell des Leids der zahlreichen Europäer
zu gedenken, die im Verlauf des vergange-
nierungsverbot und einen Appell enthält an nen Jahrhunderts Zwangsvertreibung und

Drucksache 15/5298 – 42 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ethnischer Säuberung ausgesetzt waren und
in diesem Zusammenhang einen Grundsatz-
beschluss zu treffen, für die Opfer dieses
Unrechts ein europäisches Gedenkzentrum
zu gründen;

ii. im Aktionsplan sollte der Gipfel
a. die einzigartige Aufgabe des Europarates be-

kräftigen, durch die Förderung und den
Schutz gemeinsamer Werte, vor allem jener
der Menschenrechte, der Demokratie und
der Rechtsstaatlichkeit, größere Einheit zwi-
schen den europäischen Staaten herbeizufüh-
ren in einem gemeinsamen Rahmen, in dem
alle demokratischen Staaten Europas vereint
sind, auf gleichberechtigter Grundlage zu-
sammenarbeiten und in gleicher Weise re-
chenschaftspflichtig sind und zu diesem
Zweck die Mitgliedstaaten verpflichten:
A. die Rolle und die Fähigkeiten des Euro-

parates generell in seinen herausragen-
den Arbeitsbereichen zu verstärken, vor
allem bei der Förderung und dem Schutz
der Menschenrechte und gleichzeitig an-
zuerkennen, dass die weitere Realisie-
rung eines europaweiten Raums der De-
mokratie und der gemeinsamen
Rechtsnormen, in dem diese gemeinsa-
men Werte gedeihen, auch von dem ge-
zielten Beitrag der Aktivitäten des Euro-
parates zu den Bereichen sozialer
Zusammenhalt, kulturelle Zusammenar-
beit, Förderung der kulturellen Vielfalt
und des Dialogs zwischen den Kulturen
und den Religionen sowie der Gleichbe-
rechtigung von Mann und Frau, insbe-
sondere durch gender mainstreaming,
abhängen;

B. ganz gezielt durch haushaltsmäßige und
andere Maßnahmen an erster Stelle die
einzigartigen Mechanismen des Europa-
rates zum Schutz und zur Überwachung
der Menschenrechte, einschließlich der
sozialen Rechte und der Minderheiten-
rechte sowie der Bekämpfung von Ras-
sismus und Intoleranz weiter zu stärken
von denen die Europäische Menschen-
rechtskonvention und der Europäische
Menschenrechtsgerichtshof die hervor-
stechendsten Errungenschaften der Or-
ganisation sind und die Synergien zwi-
schen ihnen zu verbessern; an zweiter
Stelle ein europaweites Programm ein-
zuleiten zur Förderung beruflicher Wei-
terbildung, um die Umsetzung der euro-
päischen Menschenrechtsnormen auf
nationaler Ebene weiter zu verbessern
und damit insbesondere die übermäßige

bauen und an dritter Stelle uneinge-
schränkt und unverzüglich das umfas-
sende Paket der im Mai 2004
verabschiedeten EMRK-Reformen um-
zusetzen und unverzüglich das Protokoll
Nr. 14 zu ratifizieren;

C. das Potential der Organisation umfas-
sender zu nutzen als einem Rahmen für
die Ausarbeitung gemeinsamer Antwor-
ten auf neue Herausforderungen, ein-
schließlich der Bekämpfung des Terro-
rismus und seiner Finanzierung sowie
für Antworten auf Herausforderungen,
die sich aus der wachsenden kulturellen
Vielfalt der europäischen Gesellschaften
ergeben, die eine stärkere Bekräftigung
der Werte des Europarates und eine Zu-
sammenarbeit zur Förderung ihrer kon-
kreten Umsetzung in nationale Politiken
erfordern. In Bezug auf den ersten Punkt
erwartet die Versammlung von dem Gip-
fel, dass er den Europarat beauftragt, ein
umfassendes Antiterror-Übereinkom-
men und andere Maßnahmen auszuar-
beiten, die darauf ausgerichtet sind, der
terroristischen Bedrohung entgegenzu-
treten. Der Gipfel könnte zu diesem
Zweck in Ergänzung der Politischen Er-
klärung und des Aktionsplans eine Son-
dererklärung abgeben;

b. die Stellung des Europarates in der europäi-
schen Architektur und die Verfahren für
seine Zusammenarbeit mit der Europäi-
schen Union, der OSZE, der NATO, den
Vereinten Nationen und ihren nachgeordne-
ten Organen und subregionalen Mechanis-
men eindeutig definieren, einschließlich der
Verpflichtung, sich darum zu bemühen si-
cherzustellen, dass Maßnahmen von Partner-
organisationen Maßnahmen, die zu den
Kernaufgaben des Europarats gehören, er-
gänzen und sich nicht mit ihnen überschnei-
den;
A. der Gipfel sollte einen grundsätzlichen

Beschluss fassen, einen europäischen
Gipfel 2006-2007 unter Beteiligung al-
ler europäischen und euroatlantischen
Organisationen einzuberufen. Ziel eines
solchen Gipfels könnte es sein, die An-
strengungen zu vereinen, um die europä-
ischen Völker enger zusammenzubrin-
gen, einen einheitlichen Raum für
sozialen und wirtschaftlichen Wohlstand
zu schaffen, die allgemeine Sicherheit in
Europa zu verbessern und umfassende-
ren und konsequenteren Gebrauch von
den Möglichkeiten zu machen, die ein
Arbeitsbelastung des Gerichtshofs abzu- geeintes Europa bei der Lösung der ge-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 43 – Drucksache 15/5298

meinsamen Probleme der Menschheit
bietet;

B. zur Vorbereitung des europäischen Gip-
fels könnte ein Ausschuss der Weisen
eingesetzt werden mit einem umfassen-
den Mandat, um den Europarat und
seine Partnerorganisationen im Hin-
blick auf ihre eigene künftige Entwick-
lung sowie im Hinblick auf eine Form
der strukturierten Partnerschaft zwi-
schen ihnen zu beraten, was zur Erzeu-
gung von Synergien und zur Vermei-
dung von Doppelarbeit und einer
Überschneidung ihrer Aktivitäten not-
wendig ist und gleichzeitig optimalen
Nutzen aus der komplementären Art ih-
rer Arbeit zieht;

C. dem Europarat und seinen Partnerorga-
nisationen empfehlen, die Möglichkei-
ten der Kommunikation und Koordinie-
rung mit allen am europäischen
Aufbauprozess beteiligten Institutionen
umfassend zu nutzen und auszubauen;

D. die Rolle des Europarates als das Forum
stärken, in dem alle europäischen Natio-
nen Gelegenheit zur Zusammenarbeit
auf gleichberechtigter Grundlage ha-
ben. Er kann dem Europarat neue Auf-
gaben zuweisen wie die, das Organ für
die Ausarbeitung und Umsetzung der
multilateralen Nachbarschaftspolitik zu
sein sowie ein Instrument zur Förderung
institutioneller Beziehungen zwischen
den Mitgliedstaaten und Nichtmitglied-
staaten der Europäischen Union sowie
ihrer Einbindung in die Zuständigkeits-
bereiche des Europarates;

E. die Europäische Union auffordern, der
Satzung des Europarates beizutreten und
ein Büro in Straßburg zu eröffnen, das
engere Kontakte zum Europarat sicher-
stellt, sowie die notwendigen Schritte
hierfür ergreifen;

F. die Aufnahme der Parlamentarischen
Versammlung und des Europäischen
Parlaments in die Vierparteien-Treffen
zwischen der Europäischen Union und
dem Europarat vorschlagen;

G. die Zusammenarbeit und Koordinierung
zwischen der OSZE und dem Europarat
im Lichte ihrer speziellen Aufgaben und
jeweiligen Vorzüge verstärken und ratio-
nalisieren, so dass die internationale Ge-
meinschaft aufeinander abgestimmte
Botschaften übermitteln kann, wobei sie
zu diesem Zweck ein Rahmenabkom-

H. das Kooperationsabkommen aus dem
Jahre 1952 zwischen dem Europarat und
der UNESCO dahingehend aktualisie-
ren, dass der Europarat zu der Regional-
organisation für kulturelle Zusammenar-
beit sowohl auf Regierungs- als auch auf
Parlamentsebene gemacht wird;

I. die Zusammenarbeit zwischen europäi-
schen Staaten und anderen Regionen der
Welt zu unterstützen und dabei besonde-
res Schwergewicht auf den südlichen
Mittelmeerraum und auf Zentralasien zu
legen;

c. die Normensetzungsaktivitäten des Europa-
rates und seine Arbeit an normativen Instru-
menten betonen, die nach ihrer Ratifizierung
gleichermaßen für die Europäische Union
wie für die Nichtmitgliedstaaten der Europäi-
schen Union verbindlich wären und – im
Lichte der Erfahrungen des Prozesses der
Ausarbeitung des Übereinkommens des Eu-
roparates zur Bekämpfung des Menschen-
handels – die derzeitigen und zukünftigen
Verhandlungsmodalitäten in Bezug auf den
Entwurf von Rechtsinstrumenten erneut zu
überprüfen, damit das gemeinsame Ziel bei-
der Organisationen eines einheitlichen
Rechtsraumes, in dem die Menschenrechte
uneingeschränkt beachtet und gefördert wer-
den, verwirklicht werden kann;

d. eine Europäische Migrationsagentur einrich-
ten mit dem Ziel, die Menschenrechte und die
Würde des Menschen zu verteidigen unter
gleichzeitiger Überwachung aller Aspekte
von Migration und der Lage von Migranten,
wozu auch der Dialog mit Nicht-Mitglied-
staaten des Europarates (Empfehlung der
Versammlung 1655 (2004)) gehört;

e. neue vorrangige Bereiche der Normenset-
zung für den Europarat definieren, die die
sich wandelnden Erfordernisse, neue Fragen,
vor denen der europäische Kontinent steht,
sowie die unerlässliche Stärkung der demo-
kratischen Institutionen widerspiegeln. Die
Normensetzungsarbeit sollte sich insbeson-
dere auch folgende Bereiche beziehen:
A. durch Ausarbeitung von Modell-Leitli-

nien verbesserte Nutzung demokrati-
scher Instrumente wie Petitionen, Volks-
begehren und Referenden, insbesondere
auf kommunaler Ebene, sowie Ge-
schäftsordnungen für parlamentarische
Gremien und parlamentarische Verfah-
ren zur Befragung der Öffentlichkeit;

B. Schutz vorbildlicher Praktiken bei den
Aktivitäten politischer Parteien durch die
men erarbeiten sollte; Erstellung eines Kodex der vorbildlichen

Drucksache 15/5298 – 44 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Praktiken für diese und von Leitlinien für
die Parteienfinanzierung;

C. Fragen der internen Sicherheit, Zusam-
menarbeit zwischen Polizeikräften und
Justizorganen, Migrationskontrolle und
visafreies Reisen;

D. Gewährleistung der wirtschaftlichen
Freiheiten des Größeren Europa – euro-
paweite Freizügigkeit von Arbeitskräf-
ten, Gütern, Dienstleistungen und Kapi-
tal – und Unterstützung politischer
Maßnahmen zur Förderung des Wirt-
schaftswachstums im Hinblick auf eine
verbesserte Wettbewerbsfähigkeit Euro-
pas in einer globalisierten Wirtschaft;

E. Untersuchung vorbildlicher Praktiken
und Erstellung eines Fahrplans mit dem
Ziel der Schaffung eines einheitlichen
paneuropäischen Gebiets für die Bewe-
gungsfreiheit von Staatsangehörigen der
Mitgliedstaaten des Europarates;

F. Schutz des privaten Eigentums und Ver-
einbarung der Interessen des Wohl-
fahrtsstaates mit denen der Unterneh-
mensgemeinschaft;

G. Schutz des Rechts von Frauen auf wirk-
same Teilnahme an Wahlen durch Aus-
arbeitung einer Charta für die Gleichbe-
rechtigung bei Wahlen, wie in der
Empfehlung 1676 (2004) betr. die Teil-
nahme von Frauen an Wahlen empfoh-
len;

f. einen zwischenstaatlichen Ausschuss ein-
richten nach dem Muster der Venedig-Kom-
mission oder ECRI, der gebeten werden
würde, regelmäßig Berichte vorzulegen und
Maßnahmen vorzuschlagen, die im Hinblick
auf die Förderung erstrebenswerter Demo-
kratiemodelle sowie zur Überwachung des
Stands der Demokratie in den Mitgliedstaa-
ten des Europarates ergriffen werden sollten;

g. beschließen, im Jahre 2006 eine europaweite
Kampagne gegen häusliche Gewalt durchzu-
führen in Zusammenarbeit mit europäischen
und nationalen Akteuren, wie der Europäi-
schen Kommission, dem Europäischen Par-
lament und NGOs, wie in der Empfehlung
1661 (2004) der Versammlung betr. eine
Kampagne zur Bekämpfung häuslicher Ge-
walt gegen Frauen in Europa nahe gelegt;

h. die Bedeutung der nachhaltigen Entwick-
lung zur Sicherung einer besseren Lebens-
qualität für die europäischen Bürger bekräf-
tigen. Der Europarat sollte seine Aktivitäten
zur Wahrung von Umwelt und biologischer

Politiken auf paneuropäischer Ebene fortset-
zen;

i. die sich aus der Initiative des Zweiten Euro-
paratsgipfels „Erziehung zum demokrati-
schen Staatsbürgertum“ ergebende Arbeit
ebenso wie geplante Arbeiten im Rahmen
des Europäischen Jahrs 2005 des demokrati-
schen Staatsbürgers fortsetzen. Bildung
sollte ein wichtiger Beitrag zur europäischen
Integration und zur demokratischen Ent-
wicklung sein. Es sollte ein europäisches
Übereinkommen für staatsbürgerliche Erzie-
hung und Menschenrechte ausgearbeitet
werden. Dieses sollte die Prinzipien der
staatsbürgerlichen Erziehung und ihrer le-
benslangen Lernaspekte und -verfahren klar
herausstellen und die Notwendigkeit organi-
scherer Beziehungen zwischen Schulsyste-
men, NGOs und kommunalen Verwaltungen
betonen;

j. die Bereitschaft erklären, mit anderen inter-
nationalen Organisationen, die ähnliche
Strukturen in anderen Teilen der Welt schaf-
fen wollen, zusammenzuarbeiten und ihnen
seine Erfahrung zur Verfügung zu stellen;

k. überlegen, ob es jetzt an der Zeit für den Eu-
roparat ist als ein paneuropäisches Forum,
eine entscheidende Rolle auf dem Gebiet der
wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu spielen,
auch im zwischenstaatlichen Bereich, bei ge-
meinsamen Projekten mit den Vereinten Na-
tionen und ihren Nebenorganen und im Ein-
klang mit dem satzungsgemäßen Mandat des
Europarates, „den wirtschaftlichen und so-
zialen Fortschritt“ seiner Mitgliedstaaten zu
erleichtern sowie mit den in den Entschlie-
ßungen 995 (1993), 1036 (1994) und 1052
(1995) der Versammlung enthaltenen Aufru-
fen;

l. die vom Europarat für die einzelnen Länder
und Fragenkomplexe angewandten Überwa-
chungsverfahren verstärken, um sicherzu-
stellen, dass die Staaten die eingegangenen
Pflichten und Verpflichtungen einhalten, die
sich aus einer Mitgliedschaft in der Organi-
sation ergeben, und insbesondere den
Schwerpunkt bei der Überwachung auf den
Informationsaustausch über positive Erfah-
rungen zu legen und hiervon größtmöglichen
Gebrauch zu machen;

m. zum Einen die bedeutenden Fortschritte be-
grüßen, die bei der Beachtung der Normen
des Europarates seit dem Zweiten Gipfel er-
reicht wurden, und zum Anderen anerken-
nen, dass noch immer die Notwendigkeit be-
steht – vor allem, aber nicht ausschließlich –
Vielfalt durch die Umsetzung integrierter zum Nutzen der neuen Mitgliedstaaten im

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 45 – Drucksache 15/5298

Hinblick auf gezielte Länder-Unterstüt-
zungsprogramme und -aktivitäten den Be-
schluss zu fassen, noch systematischer zu
evaluieren, wie wirksam die zur Verfügung
gestellte Hilfe von den begünstigten Staaten
genutzt wurde und generell sicherstellen,
dass Unterstützung im Lichte der objektiven
Bedürfnisse, vor allem jener, die im Rahmen
des Überwachungsmechanismen des Euro-
parates, einschließlich der Menschenrechts-
mechanismen festgestellt wurden, bereitge-
stellt wird; in diesem Zusammenhang ist die
Bedeutung multilateraler zwischenstaatli-
cher Zusammenarbeit als einem Instrument
zur Förderung der europaweiten Umsetzung
bestehender und auszuweitender Normen zu
untersteichen;

n. die besondere Bedeutung des Beitritts der
Europäischen Union zur Europäischen Men-
schenrechtskonvention für den Europäischen
Menschenrechtsgerichtshof und das ge-
samte paneuropäische System für den
Schutz der Menschenrechte anerkennen, was
eine einheitliche Menschenrechtspolitik in
Europa gewährleisten würde;

o. daher zum Einen die kürzliche Verabschie-
dung des Verfassungsvertrags durch die Eu-
ropäische Union begrüßen und zum Anderen
des Protokolls Nr. 14 zur EMRK durch den
Europarat als das bislang deutlichste Zei-
chen des politischen Engagements beider
Seiten in Bezug auf den Beitritt der EU zur
EMRK und daher die EU auffordern ge-
meinsam mit dem Europarat, die notwendi-
gen rechtlichen Maßnahmen auszuarbeiten
mit dem Ziel sicherzustellen, dass der Bei-
tritt der EU unmittelbar nach Inkrafttreten
des Verfassungsvertrags erfolgen kann und
gleichzeitig sicherstellen, dass die Haupt-
merkmale des EMRK-Kontrollsystems auch
für die EU gelten, sobald sie Vertragspartei
sein wird;

p. das institutionelle System des Europarates
neu organisieren und alle seine Hauptgre-
mien stärken und dabei insbesondere
A. die Parlamentarische Versammlung zu

stärken und ihr das Recht zur Gesetzes-
initiative zuerkennen und insbesondere
dem Ministerkomitee zur Erwägung
oder zur gemeinsamen Beratung Ent-
würfe für normative Instrumente vorzu-
legen, die von der Versammlung oder in
ihrem Auftrag erarbeitet wurden. Die
Versammlung sollte am Normenset-
zungsprozess sehr viel stärker beteiligt
sein. Ihr sollten auch ausreichende Mit-
tel zur Verfügung gestellt werden, um es

log mit nationalen Parlamenten zu tre-
ten;

B. die Arbeit des Ministerkomitees des Eu-
roparates muss sehr viel offener und
transparenter sein. Seine Tagesordnung
sollte so erstellt werden, dass sie interes-
sant und ansprechend für die Medien ist.
Die Beziehungen des Ministerkomitees
zu den Medien sollten überprüft werden,
und die Sitzungen der Fachminister soll-
ten sehr viel häufiger stattfinden und die
dabei geführten Diskussionen intensiver
sein. Idealerweise sollten ihnen konkrete
Beschlüsse zur Erörterung vorgelegt
werden, und ihre Arbeit sollte sehr viel
mehr Substanz erhalten. Es sollte die
Praxis eingeführt werden, gemeinsame
Sitzungen des Ministerkomitees des Eu-
roparates und der Fachminister aus den
Mitgliedstaaten abzuhalten. Eine solche
Vereinbarung würde zur Erzielung von
Synergien beitragen, die Zusammenar-
beit fördern und den Integrationsprozess
europaweit anregen;

C. das gewaltige Potenzial des Kongresses
der Gemeinden und Regionen des Euro-
parates sollte besser genutzt werden.
Der Gipfel könnte seine Unterstützung
für den Kongress als einem effektiven
Vorkämpfer für kommunale Selbstver-
waltung und als Forum für die Diskus-
sion von Themen im Zusammenhang
mit der kommunalen und regionalen
Entwicklung bekunden. Dem Kongress
sollte die Aufgabe übertragen werden,
Maßnahmen zum Vertrauensaufbau und
zur Förderung des Friedens zwischen
den Ethnien umzusetzen;

q. eine vor ein paar Jahren vorgelegte Initia-
tive, die zur Einsetzung eines Gerichts mit
internationaler Zuständigkeit beim Europa-
rat aufrief, erneut prüfen. Für den Europarat
in seiner gegenwärtigen Form ist ein solcher
Vorschlag nicht aktuell. Mit dem enormen
Anstieg der Normensetzungsaktivitäten des
Europarates, der Verlagerung des Schwer-
punkts auf die paneuropäische Rechtsset-
zung und auf die Bestandsermittlung der
Übereinkommen und Entschließungen des
Europarates wird die Notwendigkeit eines
solchen Gremiums jedoch deutlich;

r. ein europäisches Gesellschaftsmodell för-
dern und insbesondere
A. eine europäische Charta über öffentliche

Dienstleistungen zu erstellen mit Nor-
men, die den Bürgern gleichen und freien
ihr zu ermöglichen, aktiv in einen Dia- Zugang zu grundlegenden öffentlichen

Drucksache 15/5298 – 46 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Diensten wie Bildung, Gesundheit, Be-
förderung und Telekommunikation ga-
rantieren;

B. ein europäisches Übereinkommen über
den öffentlichen Dienst auszuarbeiten,
das Normen für Berufsethik und Ar-
beitsplatzsicherheit festlegt;

C. in Verbindung mit der Europäischen
Union ein Sonderprogramm für Bildung
und Fortbildung von Universitätsdozen-
ten zur Unterrichtung der Normen des
Europarates einzurichten, beginnend mit
einem Pilotprojekt in der Russischen Fö-
deration;

D. die analytische und vorausschauende
Rolle der Organisation auf dem Gebiet
der Rechtsnormen und sozialen Trends
zu stärken in Verbindung mit qualifizier-
ten Persönlichkeiten – Ökonomen, Phi-
losophen und Soziologen – die bekannt
sind aufgrund ihrer Arbeit über neue
Muster des sozialen Lebens, die sich vo-
raussichtlich als Ergebnis der Globali-
sierung herausbilden werden;

E. die Bedeutung des Dialogs zwischen
den Kulturen und den Religionen und ei-
ner ständigen Bekämpfung von Frem-
denfeindlichkeit in Europa sowie zusätz-
licher Anstrengungen zur Integration
von Gastarbeitern in die europäische
Gesellschaft zu betonen;

F. weiterhin die Mitgliedstaaten zu unter-
stützen bei der Ausarbeitung und Um-
setzung einer erfolgreichen Strategie des
sozialen Zusammenhalts für das
21. Jahrhundert – mit besonderem
Schwergewicht auf der Bekämpfung
von Armut und Notsituationen im Le-
ben;

G. den Vorschlag des zwischenstaatlichen
Sektors des Rates zu unterstützen, einen
„think tank“ einzurichten und dem
Wunsch Ausdruck zu verleihen, sich an
den Aktivitäten dieser Gruppe zu beteili-
gen. Dieses Gremium sollte eine neue
Vision für ein Europa des sozialen Zu-
sammenhalts entwerfen und Antworten
auf solche Herausforderungen der heuti-
gen Zeit wie Globalisierung oder Bevöl-
kerungsüberalterung erarbeiten, ohne
dabei die wichtigsten Errungenschaften
des europäischen Modells der sozialen
Volkswirtschaft aufzugeben;

s. ausreichende Haushaltsmittel für die sachge-
mäße Umsetzung der auf dem Gipfel verein-

t. die Transparenz der Tätigkeiten des Europa-
rates für die 800 Millionen Menschen, die in
seinen Mitgliedstaaten leben, zu verstärken
und die Einbeziehung nationaler Institutio-
nen zum Schutz der Menschenrechte und
von Nichtregierungsorganisationen in die
Arbeit des Europarates verbessern.

Emp f e h l u n g 1 6 9 4 ( 2 0 0 5 ) *
betr. die Beziehungen zwischen Europa

und den Vereinigten Staaten
1. Die Parlamentarische Versammlung verweist auf ihre

Entschließung 1421 (2005) betr. die Beziehungen
zwischen Europa und den Vereinigten Staaten.

2. Sie empfiehlt dem Ministerkomitee,
i. Fragen von gemeinsamem Interesse für ihre Mit-

gliedstaaten und die Vereinigten Staaten in regel-
mäßigen Abständen auf die Tagesordnung der
Tagung des Ministerkomitees zu setzen und die
Vereinigten Staaten einzuladen, bei ihr vertreten
zu sein;

ii. im Lichte der auf der Tagesordnung stehenden
Themen zu erwägen, die Regierung der Vereinig-
ten Staaten einzuladen, auf dem Dritten Gipfel
der Staats- und Regierungschefs des Europarates
vertreten zu sein.

2. Redebeiträge deutscher Parlamentarier
Die Einhaltung der von Georgien eingegangenen
Pflichten und Verpflichtungen
Abg. Gerd Höfer (SPD): Herr Präsident, liebe Kollegin-
nen und Kollegen,
auch ich danke den Berichterstattern herzlich für ihren
Bericht, und da die Rednerliste es gefügt hat, dass zwei
Mitglieder der sozialistischen Fraktion hintereinander
sprechen, werde ich mich etwas kürzer halten können als
die fünf Minuten; denn es ist selbstverständlich, dass ich
den Kollegen unterstütze – weise jedoch darauf hin, dass
es mindestens einen zeitlichen, wenn nicht gar einen in-
haltlichen Unterschied geben wird zwischen den Bericht-
erstattern, die gesagt haben, dass die Verpflichtungen Ge-
orgiens sehr wohl zeitlich gestaffelt werden könnten, weil
es dem Staat vielleicht nicht möglich ist, allen Verpflich-
tungen so nachzukommen, wie sie übernommen worden
sind.
Die Lösung wäre dann im Prinzip eine Kopplung von
Verpflichtungen an eine Zeitschiene, so dass schwer-
punktmäßige Verpflichtungen in den Vordergrund gerückt
und andere möglicherweise unter einem anderen Blick-
winkel angesehen werden.

* Versammlungsdebatte am 27. Januar 2005 (6. Sitzung) (siehe
Dok. 10353, Bericht des Politischen Ausschusses, Berichterstatter:
barten Beschlüsse und Ziele bereitstellen. Herr Azzolini). Von der Versammlung verabschiedeter Text am27. Januar 2005 (6. Sitzung).

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47 – Drucksache 15/5298

Wir teilen die Meinung, dass Georgien einen guten An-
fang gehabt hat, dass Georgien eine Bewährungsphase
braucht, und aus deutscher Sicht sind wir natürlich an Ge-
orgien speziell sehr interessiert – nicht nur, weil der erste
Tote ein Arzt war, der an der Monitoring-Mission teilge-
nommen hat und dessen Hubschrauber abgeschossen
worden ist.
Was uns mit besonderer Sorge erfüllt, ist natürlich das
Fehlen der Opposition im Parlament, ein Missstand, den
man so schnell nicht wird beseitigen können. Aber man
wird darauf hinarbeiten können, dass demokratische Op-
position unterstützt und gefördert wird. Bemerkenswert
ist, dass sich die neue georgische Führung energisch an
ein Reformvorhaben gemacht hat, und dass die Korrup-
tion zurückgedrängt werden konnte. Unklar ist jedoch, ob
man bereits von einem effektiven, rechtsstaatlich funktio-
nierenden System wird reden können.
Ich will jedoch meinen Beitrag nicht beenden, ohne die
beginnenden, beziehungsweise bereits laufende konstruk-
tive Mitarbeit Russlands zu erwähnen. Es scheint so zu
sein, dass in einem möglichen Konflikt über die Frage der
Energieversorgung sich eine Lösung abzeichnet. Wenn es
gelingen sollte, Georgien an die euroatlantischen Struktu-
ren heranzuführen und Stück für Stück das zu erreichen,
was ihre Resolution bemerkenswerter Weise beinhaltet,
dann hat der Europarat seine Rolle gut gespielt.
Herzlichen Dank.

Der Konflikt in der Region Bergkarabach, der von
der OSZE-Konferenz in Minsk behandelt wurde
Abg. Gerd Höfer (SPD): Herr Präsident, meine sehr ver-
ehrten Kolleginnen und Kollegen,
ich danke Atkinson für seinen Bericht. Ein Bericht ist im-
mer so gut, wie das, was man beim Besuch in diesen Ge-
genden als Momentaufnahmen registrieren und später aus
dem, was einem zur Kenntnis gebracht wurde, zusam-
menfassen kann.
Es ist tatsächlich wahr, dass sich in dem Konflikt um
Berg-Karabach zwei Völkerrechtsprinzipien – einerseits
das Recht auf Selbstbestimmung, andererseits territoriale
Integrität – nicht zusammenbringen ließen. Dies scheint
mir auch der Anlass dafür zu sein, dass noch erhebliche
Teile der Territorien, nämlich etwa 20 Prozent, von ande-
ren Truppen besetzt sind.
Was mich sehr berührt, ist das, was im Entschließungsan-
trag unter Paragraph 11steht: Dass nämlich die Versamm-
lung, und das unterstütze ich hiermit, die Verbreitung von
Hass in Aserbaidschan durch die Medien feststellt. Das
erinnert mich daran, wie sich Deutschland und Frankreich
Jahrhunderte hindurch nur denjenigen Teil der Geschichte
gegenseitig vorgeworfen haben, der ihnen gerade zugute
und zupass kam – und gerade in hier Straßburg kann man
sehr genau verfolgen, wie unter Hinanstellung dessen,
was man an Emotionen in die Geschichte einbringen und
über die Medien transportieren kann, eine Lösung des

Das Recht auf Selbstbestimmung ist und bleibt ein Recht
in der Völkergemeinschaft, verbrieft durch den Europa-
rat, und es ist unverständlich, dass die beiden Konflikt-
gegner, die ja zusammen in den Europarat gekommen
sind, sich nicht auf dessen Prinzipien verständigen kön-
nen.
Dennoch gibt es Anzeichen für einen gedämpften Opti-
mismus, weil der Prozess von Minsk den einen oder an-
deren Fortschritt auf dem Weg, Missstände zu beseitigen,
gebracht hat. Deutschland hat sich in der Minsk-Gruppe
aktiv beteiligt und hat sich bei den politischen Direktoren
der beiden Außenministerien für die Zusammenführung
dieser beiden Regionen eingesetzt – und zwar nicht, um
einen neuen Verhandlungsstrang zu eröffnen, um eine
Verzögerung herbei zu führen, sondern um auch hier die
Hilfe der EU zu signalisieren. Die Umsetzung einer Ver-
einbarung zwischen den Parteien und die Einbeziehung
der europäischen Nachbarschaftspolitik können tragende
Elemente eines solchen Prozesses sein.
Natürlich muss auf die wirtschaftliche Entwicklung sol-
cher Länder geachtet werden, denn eine prosperierende
wirtschaftliche Entwicklung beruhigt sicherlich auch die
Konflikte in ihren Ursachen. Allerdings ist der politische
Wille der Parteien zur Einleitung eines solchen Prozesses
unbedingt notwendig. Straßburg bietet sich für einen poli-
tischen Dialog geradezu an – hier im Europarat.
Ich möchte jedoch meinen Zweifel daran nicht verhehlen,
ob ein Ad hoc – Ausschuss aus Delegationsleitern der
beste Weg hierzu ist. Ich hielte es für besser, wenn in der
Region interessierte und versierte Kollegen Gespräche
führen würden und dieses Forum dazu benutzten.
Ich hoffe, dass die hier vorgelegte Entschließung einen
Beitrag zur Beilegung des Konflikts leistet.
Rede des Ministerpräsidenten der Ukraine,
Herrn Viktor Juschtschenko
Frage der Abg. Jelena Hoffmann (SPD) an den Minister-
präsidenten der Ukraine, Herrn Viktor Juschtschenko:
Sie haben schon gesagt, dass Sie sowohl mit der russi-
schen Föderation als auch mit der Europäischen Union
sehr eng zusammenarbeiten wollen; doch fällt es vielen
schwer sich vorzustellen, wie das funktionieren soll.
Können Sie sich vorstellen, dass die Ukraine, statt eine
Alternative zu sein, zu einem Bindeglied, zu einer Brücke
zwischen der Europäischen Union und Russland werden
könnte? Und welche Erwartungen stellen Sie dabei an die
Europäische Union?
Danke.
Antwort des Ministerpräsidenten der Ukraine, Herrn
Viktor Juschtschenko:
Herr Juschtschenko sagte, dass Russland der strategische
Partner der Ukraine sei. Sein Herz schlage für Europa,
doch die Ukraine könne nicht nach Europa gelangen,
wenn sie in ihrem Gepäck die Probleme mit Russland mit
Konfliktes erreicht werden kann. sich tragen würde. Europa erwarte, dass die Ukraine diese

Drucksache 15/5298 – 48 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Probleme löse. Er sagte zu, mit Russland an diesen Fra-
gen zu arbeiten.
Die Grenzen der Ukraine seien die Grenzen zu Europa.
Der europäische Markt sei sechs Mal mehr wert als der
russische Markt. Die Ukraine wäre dumm, würde sie
diese Tatsache ignorieren. Er werde versuchen, die Tür
nach Europa zu öffnen, dies könne jedoch nicht mit Rhe-
torik allein getan werden. Er werde effektiv daran arbei-
ten, um sicherzustellen, dass die Ukraine ein Mitglied der
Europäischen Union werden würde.

Die Umstände der Festnahme und Strafverfolgung
von führenden Yukos-Verantwortlichen
Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
über den Erdölkonzern Yukos ist in den vergangenen Mo-
naten sehr viel in der internationalen Presse berichtet
worden, bis zur Versteigerung des Kernstücks des Kon-
zerns, der Erdölfirma Yugasneftegaz, im Dezember letz-
ten Jahres.
Der heute zu beschließende Bericht hat ein klares Man-
dat; und lassen Sie mich eins gleich zu Beginn der De-
batte klarstellen: Der Bericht befasst sich nicht mit den
Vorgängen aus den frühen neunziger Jahren, als es die so-
genannten „wilden“ Privatisierungen“ gegeben hat und
viele der heutigen Konzernherren die Grundlage für ihre
Unternehmungen und auch für ihren Reichtum geschaf-
fen haben.
Der Bericht gibt auch keine Antworten darauf, ob von
Herrn Khodorkowsky und Herrn Lebedev zu Recht Steu-
ern in erheblichem Umfang nachgefordert werden, oder
zu Unrecht. Der Bericht setzt sich mit behaupteten Verlet-
zungen rechtsstaatlicher Anforderungen bei der Fest-
nahme und bei der Strafverfolgung von Herrn Khodor-
kowsky und anderen, früheren Yukos-Persönlichkeiten
auseinander und kommt zu wohl überlegten juristischen
und politischen Bewertungen.
Wohlgemerkt: Es konnte und sollte natürlich keine juristi-
sche Beweisaufnahme im Sinne eines Gerichtsverfahrens
durchgeführt werden – dies bleibt selbstverständlich dem
Europäischen Menschenrechtsgerichtshof überlassen.
Aber die Aufgabe und Verpflichtung des Europarates ist
es, die Beachtung der Rechtsstaatlichkeit staatlichen Vor-
gehens einzufordern. Die in der Europäischen Menschen-
rechtskonvention niedergelegten Grundsätze des fairen
Prozesses, der Unschuldsvermutung gegenüber jedem
Angeklagten, der Unparteilichkeit und der Rechte der
Verteidigung müssen gegenüber jedem Menschen einge-
halten werden. Die Gleichbehandlung von allen vor dem
Gesetz verbietet die Unterscheidung zwischen reich und
arm.
Genau das fordern alle Menschenrechtsorganisationen
und Menschenrechtler auch in der Russischen Föderation

antwortlichen ein, die zwar über die finanziellen Ressour-
cen zur Verteidigung verfügen, aber – wie jeder Ange-
klagte – auf die Einhaltung der allgemeinen
rechtsstaatlichen Prinzipien, angewiesen sind, weil sonst
Möglichkeiten zur Verteidigung nicht bestehen.
Nach meinen zwei Besuchen in Moskau im letzten Jahr,
die zu Gesprächen mit Vertretern der Staatsanwaltschaft,
des Justizministeriums, der Duma, der Bundessteuerver-
waltung mit dem Menschenrechtskommissar, mit Vertre-
tern von Nichtregierungsorganisationen, Rechtsanwälten
und Richtern im Ruhestand geführt haben, lege ich im
Bericht Sachverhalte dar, die zu sehr ernsten Unzuläng-
lichkeiten begründeten Anlass geben.
Lassen Sie mich einige kurz nennen:
1. Mängel bei der ärztlichen Betreuung von Herrn

Lebedev im Gefängnis. Bis Ende September 2004
war Herr Lebedev zudem im Lefortovo-Gefängnis
untergebracht, das nicht in der Verantwortung des
Justizministeriums steht, sondern des FSB (Federal
Secret Service).
Dies bedeutet einen Verstoß gegen die Verpflichtun-
gen, die die Russische Föderation mit dem Beitritt
zum Europarat eingegangen ist.

2. Behinderung der Arbeit der Anwälte von Herrn
Khodorkowsky, Herrn Lebedev und anderen.
Einige Beispiele dafür:
– Unterlagen von Anwälten wurden bei der Durch-

suchung ihrer Kanzleiräume beschlagnahmt;
– Unterlagen von Anwälten wurden vor oder nach

dem Besuch ihrer Mandanten im Gefängnis
durchsucht und teilweise beschlagnahmt;

– Die Anwälte selbst werden als Zeugen in anderen
Verfahren von der Staatsanwaltschaft vorgeladen,
die genau denselben Gegenstand wie die Ankla-
gen gegen die Yukos-Verantwortlichen haben.

– Das für die Verteidigung unverzichtbare Berufs-
geheimnis und der Schutz der Vertraulichkeit zum
Mandanten sind massiv gefährdet.

– Gegen einige russische Anwälte wurden Verfah-
ren zur Entziehung ihrer Anwaltszulassung einge-
leitet oder angedroht.

– Zeugen, die von den Verteidigern von Herrn
Khodorkowsky benannt worden sind, sind teil-
weise festgenommen worden oder wegen der un-
mittelbaren Gefahr der Festnahme ins Ausland ge-
flohen.

3. Die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens gegen
Herrn Pichugin ist vollkommen ausgeschlossen wor-
den, obwohl nur ein kleiner Teil der Prozessakten als
geheim eingestuft wurde. Das Prinzip der Öffentlich-
keit von Gerichtsverfahren soll gerade auch für die
Durchführung eines fairen Prozesses einen wichtigen
bei der Strafverfolgung gegen den früheren Yukos-Ver- Beitrag leisten.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 49 – Drucksache 15/5298

4. Russische Steuergesetze wurden im Jahr 2004 mit
Rückwirkung geändert und darauf auch Anklagen
wegen Steuerhinterziehung gestützt.

Das wirft Fragen wegen des Verstoßes gegen Artikel 7
der Europäischen Menschenrechtskonvention auf; denn
danach darf es ein strafbares Verhalten nur auf Grund ei-
nes gültigen Strafgesetzes zur Tatzeit geben.
Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wegen des
Vorwurfs der Steuerhinterziehung wurde in dieser massi-
ven Form, nämlich mit der Nachforderung von Steuern
für den Zeitraum von 2000 bis 2003 in Höhe von inzwi-
schen weit über 20 Milliarden Dollar und der Inhaftierung
der früheren Manager, nur gegen den Konzern Yukos und
seine Führungskräfte vorgegangen.
Es gibt kein ähnliches Vorgehen gegen auch nur einen an-
deren russischen Erdölkonzern, obwohl alle Konzerne die
so genannten Steuerminimierungspraktiken genutzt ha-
ben. Dies hat mir der Leiter der Bundessteuerverwaltung
ausdrücklich schriftlich bestätigt. Es ergibt sich aus dem
Ihnen vorliegenden Addendum zu dem Bericht.
Dieses singuläre staatliche Vorgehen, die Vielzahl der
deutlich werdenden Unzulänglichkeiten im Verfahren,
und die Zerstörung eines Großteils des Eigentums der
Angeklagten durch Zwangsversteigerung haben zu Recht
die Erörterung politischer und wirtschaftlicher Hinter-
gründe des Khodorkowsky-Falles aufgeworfen. Sie wer-
den in der breiten Öffentlichkeit seit Monaten diskutiert
und können nicht beiseite geschoben werden. Dazu
musste ich in meinem Memorandum Stellung nehmen
und habe dies auch getan.
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates kann
mit der Annahme dieser Resolution und der Empfehlun-
gen einen wichtigen Beitrag zu mehr Rechtsstaatlichkeit
in der Russischen Föderation leisten und ihren Auftrag
aus der Europäischen Menschenrechtskonvention tatkräf-
tig wahrnehmen.
Ich danke allen für die Unterstützung während meiner
schwierigen Arbeit und hoffe nunmehr auf Ihre Unterstüt-
zung in der Versammlung.
Vielen Dank.
Abg. Jelena Hoffmann (SPD): Liebe Kolleginnen und
Kollegen!
Ich möchte zunächst bemerken, dass Frau Leutheusser-
Schnarrenberger selbst Juristin und ehemalige Bundes-
ministerin für Justiz in Deutschland – und daher für die-
sen Bericht prädestiniert ist. Als ich im vergangenen Jahr
Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger gebeten
habe, einen Antrag im Fall Khodorkowsky einzubringen
und einen Bericht dazu zu erstellen, hat sie Bedenken
zum Ausdruck gebracht, es handele sich doch um einen
festgenommenen Oligarchen, der höchstwahrscheinlich
die russischen Steuergesetze nicht eingehalten habe.
Natürlich können wir Parlamentarier uns kein Urteil da-
rüber erlauben, ob es richtig war, Herrn Khodorkowsky

die Umstände der Verhaftung, die Prozessführung und der
Gesundheitszustand der Verhafteten haben uns seither mit
großer Sorge erfüllt.
Nicht die Tatsache, dass Herr Khodorkowsky und seine
Mitarbeiter verhaftet worden sind, haben uns zu interes-
sieren, sondern wie und unter welchen Umständen der
Prozess geführt wird, und ob dabei Menschenrechte ver-
letzt werden.
Ich selbst gehöre zu denjenigen, die in der Frage des Vor-
gehens der russischen Behörden gegen die genannten
Yukos-Verantwortlichen NICHT von Anfang an unterstellt
haben, es handele sich dabei ausschließlich um einen poli-
tisch motivierten Prozess.
Deshalb war ich etwas irritiert, als ich seinerzeit vor al-
lem den Punkt 2 des Antrags gelesen habe.
Ich glaube, dass die Verärgerung und die abweisende
Stellungnahme der russischen Delegation zum Bericht
teilweise darauf zurückgeführt werden kann.
Mit zunehmender Dauer des Prozesses wachsen aller-
dings meine Zweifel an der Richtigkeit des Vorgehens der
russischen Justiz.
Ich teile die Meinung der russischen Delegation zum Be-
richt, dass dieser nicht ausgewogen sei, ausdrücklich
NICHT.
Ich möchte unterstreichen, dass Frau Leutheusser-
Schnarrenberger viele Fakten zusammengetragen hat und
bei der Beurteilung dieser Fakten sehr behutsam vorge-
gangen ist.
Die Berichterstatterin benutzt in ihrem Bericht und in der
Entschließung solch vorsichtige Formulierungen wie zum
Beispiel – ich zitiere – „vermuten lassen“, die keinen An-
lass zur Vermutung einer überzogenen oder einseitigen
Berichterstattung geben.
An dieser Stelle möchte ich einen Appell an unsere russi-
schen Kollegen richten:
(Fortsetzung der Rede in russischer Sprache)
Man kann darüber viel diskutieren und spekulieren, wel-
che Ziele die russische Regierung mit dem Prozess ver-
folgt. In der Schule, die ich in Moskau besucht habe, habe
ich gelernt, dass die russischen Zaren die Verurteilten in
Käfigen auf Karren durch Städte und Dörfer ziehen ließen,
um das Volk das Fürchten zu lehren, und als abschrecken-
des Beispiel. Damals habe ich auch gelernt, dass die Zaren
menschenverachtend gehandelt haben. Khodorkowsky
wird jetzt schon im Käfig gezeigt, und im Fernsehen, und
die modernen Kommunikationsmöglichkeiten haben die
Rolle der Karren übernommen. Dieser Prozess ist meiner
Meinung nach ein Beispiel für die Einschüchterung von
Wirtschaftspersönlichkeiten und Oppositionellen. Ich be-
daure sehr, dass der Fall Yukos internationale Bedeutung
bekommen hat und zu einem Reputationsverlust für die
russische Regierung geführt hat, und zwar nicht nur in der
Versammlung, sondern auch in Europa und weltweit.
und einige seiner engsten Mitarbeiter zu verhaften, doch Danke.

Drucksache 15/5298 – 50 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Abg. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Recht herzlichen Dank, Herr Präsident.
Ich bedanke mich sehr herzlich, verehrten Kolleginnen
und Kollegen für die Unterstützung und die wohlmeinen-
den Worte – aber natürlich ist es nur richtig, und in so ei-
ner Versammlung auch selbstverständlich, dass auch Kri-
tik an einem Bericht laut wird, vor allem wenn es sich um
ein Thema handelt, das so im Blick der Öffentlichkeit
steht.
Deshalb möchte ich in der kurzen Zeit ganz kurz auf ei-
nige der Kritikpunkte eingehen.
Es hat bei meinen Besuchen in Moskau, Herr Grebenni-
kov keinerlei Geheimtreffen gegeben. Es gab das Pro-
blem, dass häufig alle offiziellen Termine kurzfristig ver-
schoben oder abgesagt wurden, und natürlich war es da
für mich wichtig, in der Zwischenzeit den Versuch zu un-
ternehmen, Vertreterinnen und Vertreter von Organisatio-
nen zu treffen, um auch mit ihnen Informationen auszu-
tauschen.
Aber alles, Herr Grebennikov ist in intensiven Gesprä-
chen gerade mit Vertretern der Staatsanwaltschaft geprüft
worden. Alle Behauptungen seitens der Anwälte oder von
Menschenrechtsorganisationen über mögliche Verletzun-
gen habe ich dann immer auch der Staatsanwaltschaft
vorgetragen und mit ihr insgesamt Gespräche von sechs
Stunden Dauer geführt. Manche Behauptungen konnten
nicht widerlegt werden; manches, was nicht bestätigt
werden konnte, erschien dann auch nicht als bestätigte
Tatsache in meinem Bericht, denn es ist mir bei dieser
schwierigen, aber interessanten Arbeit ein sehr wichtiges
Anliegen gewesen, objektiv zu sein und nur solche Sach-
verhalte oder Behauptungen gegenüber zu stellen, die
dem Leser auch wirklich Aufschluss über diese Diskus-
sion geben, in der Öffentlichkeit – verständlicherweise –
zum Teil recht emotional geführt wird.
Von daher ist es kein einseitiger Bericht, sondern es sind
immer Argumente, Informationen und Fakten – eine
Fülle von Dokumenten ist berücksichtigt worden und in
den Bericht eingeflossen, denn mir ist klar, dass nur der
Bericht fundiert ist, der auch die Chance hat, zu überzeu-
gen und letztlich auch hier in der Versammlung auf Zu-
stimmung zu stoßen.
Ich hätte gern noch mehr „amtliches Moskau“ getroffen.
Leider war es jedoch nicht möglich, mit dem Justizminis-
ter ein Gespräch zu führen, mit Gerichtspräsidenten allge-
mein die Frage der Öffentlichkeit von Gerichtsverfahren
– nicht bezogen auf diesen konkreten Fall – zu bespre-
chen. Aber es war natürlich auch ein sehr enger Zeitrah-
men, und der Bericht sollte nach Möglichkeit auch im
letzten Jahr vorliegen, so dass es zu mehr Terminen und
mehr Gesprächen nicht mehr gereicht hätte.
Die Aufarbeitung der Privatisierung war nicht mein Auf-
trag, deshalb war es auch nicht meine Aufgabe, mich mit
Fragen des möglicherweise humanitären Menschenrechts
zu befassen, wenn es um Privatisierung geht. Daher fin-
den diese Themen in meinem Bericht auch keine Berück-

Hier geht es einzig und allein – und das bitte ich bei der
Beratung über die Änderungsvorschläge zu berücksichti-
gen – darum, die Umstände bei der Festnahme Jahre 2003
und bei der bis heute andauernden Strafverfolgung unter
gewissen Gesichtspunkten zu beleuchten und Informatio-
nen sowie wohlfundierte Bewertungen zu liefern, die in
keiner Weise irgend einem Gericht vorgreifen.
Herzlichen Dank.
Genetisch veränderte Organismen
Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Herr Präsident, liebe
Kolleginnen, liebe Kollegen,
wir diskutieren heute den Bericht über gentechnisch ver-
änderte Organismen.
Es war nicht die Aufgabe des Berichtes, die Biotechnolo-
gie und ihre Rolle in Natur und Landwirtschaft insgesamt
darzustellen – es ist unstrittig, dass mit Hilfe biotechni-
scher Verfahren das Arbeiten für Landwirtschaft und Na-
turschutz viele wichtige Impulse und neue, effektive In-
strumente erhalten hat.
Auch das Züchten neuer Pflanzen und Tiere sowie von in
der Industrie wichtigen Mikroorganismen ist heute einfa-
cher, schneller und gezielter möglich. Die Herstellung
von Joghurt, Bier, Wein oder Brot ist ein Beispiel für tra-
ditionelle Biotechnologien, die heute jedoch auf moleku-
larer Ebene beobachtet und optimiert werden können.
Dies geschieht in Europa jeden Tag – wir sind zufrieden
damit und freuen uns über den technischen Fortschritt.
Die biologische beziehungsweise gentechnische Herstel-
lung von genetisch modifizierten Organismen jedoch ist
etwas völlig anderes; sie geht viel weiter. Durch das Ein-
bringen fremder Genabschnitte in die Erbsubstanz von
Pflanzen und Tieren oder von Mikroorganismen – den so-
genannten Gentransfer – soll mit den neuen Genen dem
Wirtsorganismus bisher fremde Eigenschaften einge-
pflanzt werden. Ein Lachs zum Beispiel soll mit Hilfe des
Genabschnitts einer Flunder kälteresistenter gemacht und
auch in kälterem Wasser gezüchtet werden können.
Es werden also aus zwei oder mehr verwandten Arten
neue Arten zusammengefügt. Das ist ungefähr so, als
würde man dem Menschen, damit er besser klettern kann,
Gene eines Affen einpflanzen.
Verschiedene Lebewesen, die auf natürlichem Wege
keine Nachkommen zeugen könnten, werden mittels
Gentransfer technisch so zu einer neuen Art verschmol-
zen. Dabei werden natürliche Sperren technisch ausge-
schaltet. Ein Lebewesen mit neuen Eigenschaften wird im
Labor erzeugt. Es mag sein, dass hier bereits ein paar
ethische Probleme auftauchen, auch vielleicht schon Pro-
bleme mit dem Tierschutz.
Die eigentlichen Probleme tauchen aber erst auf, wenn
diese neuen Lebewesen mit der Umwelt in Kontakt
kommen, wenn sie also angebaut beziehungsweise frei-
gesetzt werden. Es gibt inzwischen etwa 70 verschiede-
nen GMO-Pflanzen; nur wenige davon werden großflä-
sichtigung. chig angebaut; einige werden schon ausprobiert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 51 – Drucksache 15/5298

Insgesamt sind es jedoch weltweit etwa 70 Millionen
Hektar, die mittlerweile von GMOs bepflanzt werden
– überwiegend in Kanada, in den USA, in Argentinien
und in China – dort finden etwa 90 Prozent des weltwei-
ten Anbaus statt.
Außerdem gibt es den Ansatz, Tiere gentechnisch zu ver-
ändern – das wird zum Beispiel bei Kühen versucht und
bei Schafen (um deren Wolle zu verbessern), bei Kanin-
chen, bei Schweinen, Hühnern und bei anderen Tieren,
und bei etwa 35 Fischarten gibt es entsprechende Versu-
che. So sollen zum Beispiel Zebrafische für Laborzwecke
gezüchtet beziehungsweise gentechnisch erzeugt wer-
den, es gibt den schon erwähnten Lachs, es gibt weitere
Fischarten, die schneller wachsen sollen. Dies kann zur
Folge haben, dass diese Fische, sobald sie freigesetzt wer-
den, auch mehr fressen und anderen Tierarten mit densel-
ben Nahrungsquellen die Nahrung wegfressen. Sollten
die freigesetzten Tierarten in der Wildnis aber nicht über-
leben können, führt das möglicherweise zum Aussterben
ganzer Spezies. Diese Gefahr ist bekannt, deshalb sollten
die Versuche so gründlich wie möglich erfolgen.
Im Labor müssen zahlreiche Genübertragungsversuche
erfolgen, bevor ein neuartiger und stabiler Organismus
entsteht, der sich auch reproduzieren kann. Auch ist dann
noch nicht klar, ob wirklich nur die gewollten Eigen-
schaften übertragen wurden statt anderer, unerwünschter.
Denn man weiß heute, dass ein Gen nicht nur eine ein-
zige, sondern Hunderte von Eigenschaften kodiert.
Manchmal werden auch Eigenschaften übertragen, die
man im Labor nicht nachweisen kann, sondern die erst
auftauchen, sobald die Lebewesen in der Natur freigesetzt
worden sind.
Wenn wir also sicher sein wollen, dass GMOs – Pflanzen
oder Tiere – keine nachteiligen Auswirkungen auf die
Ökosysteme haben, brauchen wir einen ausreichenden
Überwachungs- und Kontrollzeitraum, in dem wir sie be-
obachten. Die ersten Felder wurden 1996 mit gentechni-
schen Pflanzen bepflanzt, und erst seither gibt es über-
haupt Freisetzungen, die jetzt in größerem Maße
stattfinden. Das heißt, dass die Erfahrung nicht einmal
zehn Jahre beträgt; bei den meisten Lebewesen, die hier
erzeugt worden sind, sind die Erfahrungszeiträume weit
kürzer.
Man kann also festhalten, dass es Erfahrungen gibt, dass
intensiv geforscht wird, doch es gibt noch keine verläss-
lichen Aussagen über die langfristigen Auswirkungen auf
die Ökosysteme. Dies muss einfach eingeräumt werden,
dafür reicht die Zeit nicht aus.
In der EU gibt es lediglich in Spanien nennenswerte An-
bauflächen, es gibt dort etwa zwanzigtausend Hektar an
gentechnisch veränderten Maispflanzen.
Eine der wichtigsten Fragen, die so wichtig ist, dass wir
in Europa mit einer Resolution die Debatte in Gang brin-
gen sollten, ist der stark unterschiedliche Stand der Dis-
kussionen in Europa.
In der EU ist das lange diskutiert worden; und der Bericht

weise auch beschlossen worden ist. Einige Punkte, zum
Beispiel das Labelling von Tieren, die mit gentechnisch
veränderten Organismen erzeugt worden sind, wird zwar
gefordert, ist aber in der EU noch nicht beschlossen –
auch das steht im Bericht.
Ansonsten ist die Diskussion in Mittel- und Osteuropa
noch nicht sehr weit fortgeschritten ist, und das Problem-
bewusstsein ist recht ungleich ausgeprägt. Lediglich in
Tschechien und in Ungarn gibt es überhaupt die Möglich-
keit, GMO-Reste in den Lebensmitteln nachzuweisen. In
Moskau haben NGOs Lebensmittel gekauft und auf Spu-
ren von GMOs untersuchen lassen. Sie haben dann fest-
gestellt, dass etwa 30 Prozent dieser Lebensmittel konta-
miniert sind und Reste von gentechnisch veränderten
Organismen enthalten – dabei ist es in Russland verboten,
diese anzubauen.
In den Vereinigten Staaten hat der Senat im Jahre 2000
dreißig Millionen Dollar für seine agrobio-technische In-
dustrie zur Verfügung gestellt, damit sie sich in Osteuropa
ausbreiten und hier den Markt erweitern kann. Dies ist
nun mehr als vier Jahre her, und wir wissen, dass in Bul-
garien und in anderen Ländern GMOs angebaut werden,
ohne dass die Bevölkerung davon unterrichtet ist.
Deshalb ist es wichtig, dass wir heute hier darüber disku-
tieren; deshalb ist unser Bericht wichtig, und zwar nicht
nur für die 25 Staaten der Europäischen Union, um die es
dabei geht. Die EU ist in der Lage, mit dem Problem fer-
tig zu werden. Aber es sind all die anderen Staaten, für
die wir auch Verantwortung tragen, und denen wir es
schuldig sind, dieses Thema hier heute verantwortungs-
bewusst zu behandeln; und ich hoffe, der Bericht ist hin-
reichend ausgewogen, um verabschiedet werden zu kön-
nen. Ich habe mir Mühe gegeben und danke Ihnen und
allen, die daran mitgewirkt haben.
Abg. Renate Jäger (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich halte den Bericht für sehr sachkundig und verantwor-
tungsbewusst im Hinblick auf den Umgang mit genverän-
dernder Forschung und der praktischen Anwendung. Mit
Sicherheit trägt dieser Bericht dazu bei, im europäischen
Raum solche Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen
die Chancen, aber auch die Risiken gründlich analysiert
werden, um daraus den weiteren, konzeptionellen Weg zu
entwickeln.
Zu zwei der im Bericht ausgeführten Schwerpunkte
möchte ich besonders Stellung nehmen:
Zum Thema Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und
zum Prinzip der Vorsorge.
Nachhaltige Politik ist auf jeden Fall auf Zukunft ausge-
richtet und muss den späteren Generationen möglichst
viele Optionen offen lassen. Dies ist gegenwärtig noch
nicht gegeben – bei allen Regelungen, die schon vorhan-
den sind. Die unterschiedlichen Regionen in der Welt
erfordern auch hinsichtlich nachhaltiger Politik unter-
schiedliche Wege. Beim gegenwärtigen Nahrungsmittel-
gibt auch in etwa das wieder, was dort diskutiert und teil- Reichtum in Europa ist natürlich zunächst dafür zu sorgen,

Drucksache 15/5298 – 52 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

dass den nachfolgenden Generationen eine sichere, ge-
sunde Nahrung sowie die Wahlfreiheit gelassen wird.
Wahlfreiheit bedeutet auch Freiheit im Sinne von Demo-
kratie und Freiheit, des Grundprinzips im Europarat. Wie
soll diese Freiheit ohne strenge Grenzwerte und ohne
Grenzwertkontrollen, ohne Kennzeichnungspflicht und
ohne weitere Forschungen gewährleistet sein ?
In den gegenwärtigen Hungerregionen der Welt liegt das
aktuelle Ziel natürlich zunächst im Beseitigen des Hun-
gers. Die Aussage, die grüne Gentechnik könne den Hun-
ger in der Dritten Welt erfolgreich bekämpfen, ist äußerst
umstritten. Die NGOs auf der ganzen Welt bezweifeln
dies und haben gegen den Bericht der FAO in dieser
Frage Einspruch erhoben. Der Hunger hat nämlich ver-
schiedene Ursachen: Es geht nicht nur um geringe land-
wirtschaftliche Produktivität, es geht auch um die unge-
rechte Verteilung, um Misswirtschaft, um Kriege und um
anderes mehr.
Außerdem ist es eine Tatsache, dass die kommerziell aus-
gerichtete Grüne Gentechnik bisher vorrangig an der Pro-
duktebene orientiert ist. Für eine zukunftsfähige Landwirt-
schaft müssen aber Strukturen auf der Produktionsebene
geschaffen werden. Bei der Beseitigung des Hungers darf
also nicht nur auf eine bestimmte Technologie gesetzt wer-
den – vielmehr müssen in jeder Region sorgfältige Pro-
blemanalysen das Fundament für den weiteren Weg der
Ernährungswirtschaft bilden.
Natürlich sind in diesem Prozess auch Gerechtigkeitsdefi-
zite in der Welthandelsordnung zu beseitigen; und dass
für nachhaltige Entwicklung auch Forschung zu intensi-
vieren ist, versteht sich von selbst. Allerdings scheint es
sinnvoll, dabei die Vielzahl konkurrierender Forschungs-
ansätze auf bestimmte Zielrichtungen hin zu kanalisieren.
Auch das Prinzip der Vorsorge stellt eine Facette im Kon-
zept der Nachhaltigkeit dar.
In der EU-Gesetzgebung und den Beschlüssen von Rio ist
das bereits verankert. Das bedeutet, dass konsequent nach
Schäden gesucht werden muss; und die Staaten müssen
ihrer Verantwortung für eine Schadensvorsorge nachkom-
men. Umweltmediziner warnen derzeit vor verzehrbe-
dingten Risiken – Risiken, die nicht abschätzbar sind,
nicht kalkulierbar und vor allem nicht reversibel. Und die
Sorgen der Öffentlichkeit sind ernst zu nehmen. Unerläss-
lich ist der Schutz vor Kontamination der GVO-freien
Landschaft sowie der Koexistenz beider Formen. Dieses
muss gesetzlich geregelt und darf nicht weiter dem
Selbstlauf überlassen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt eine Menge zu
regeln in diesem Bereich; und jede Untätigkeit und Un-
achtsamkeit gegenüber dem Verlauf der Dinge, so wie sie
jetzt passiert, ist im höchsten Grade unverantwortlich.
Wer behauptet, es sei alles schon geregelt, geht an der
Wirklichkeit vorbei.
Vielen Dank.
Abg. Dr. Wolfgang Wodarg (SPD): Herr Vorsitzender,

Ich möchte auf einige Argumente eingehen. Es wurde
hier häufig als Beispiel für den Erfolg der Gentechnologie
die Medizin, die „rote Gentechnologie“, wie sie auch
heißt, genannt wird.
Als Arzt weiß ich natürlich, welchen Nutzen diese Tech-
nologie gebracht hat. Ich weiß, dass das Insulin, welches
jetzt durch gentechnisch veränderte Bakterien hergestellt
wird, weniger Nebenwirkungen hat als das Insulin, wel-
ches vorher aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen
oder Rindern gewonnen wurde – hier gab es Allergien
und Nebenreaktionen. Das Insulin braucht man aber zur
Behandlung einer Krankheit, es gehört nicht zur Ernäh-
rung. Nebenwirkungen nimmt man aber bei der Behand-
lung von Krankheiten in Kauf – und das gilt es abzuwä-
gen.
Hier ist ein contained use in der Gentechnologie gefunden
worden, dass bei der Insulinherstellung durch Bakterien
die Umwelt nicht geschädigt werden kann, dass aber für
den Patienten ein Nutzen darin liegt – wie auch die ei-
gentlich schädlichen Röntgenstrahlen manchmal nützlich
sein können.
Hat das Insulin einen Nutzen, setzt man es ein. Ich selbst
verwende es auch und habe keine Probleme damit.
Dies ist ein Beispiel dafür, wie differenziert man die An-
wendung der Technologie beurteilen muss.
Ich fürchte, der Bericht hat zu viele Fußnoten, und ich
fürchte auch, er ist zu lang. Sie haben auch an der Gliede-
rung gesehen, dass es vieles gibt, was für die Technologie
spricht, und dass es noch viel Unbekanntes gibt, wo wir
weiterforschen müssen, wo wir nicht einfach Tatsachen
schaffen dürfen.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir es auch so darstellen.
Um eine solche Darstellung habe ich mich sehr bemüht,
und als Mitglied des Kulturausschusses bin ich ein biss-
chen enttäuscht darüber, dass ich in nicht dabei sein
konnte, als dieses Thema in Mexiko – leider nur inner-
halb sehr kurzer Zeit – debattiert wurde. So wie ich die
Sachlage in Mexiko einschätze, fürchte ich, dass der Kul-
turausschuss nicht genügend Zeit hatte, sich mit den Ein-
zelheiten des Berichtes auseinander zu setzen.
Deshalb bin ich etwas traurig darüber, dass es keine Mög-
lichkeit gibt, im Kulturausschuss noch darüber zu disku-
tieren. Vielleicht werden wir bei den Amendements noch
über die Bedenken des Kulturausschusses debattieren
können. Ich bin froh, dass der Landwirtschaftsausschuss
mehr Zeit hatte – er hat Anhörungen durchgeführt, es
wurden Experten eingeladen, Wissenschaftler auch aus
den osteuropäischen Ländern, die uns ihre Meinung ge-
sagt haben und Material geliefert haben – all das ist in
den Bericht eingeflossen.
Ich glaube deshalb, dass dieser Bericht sich sehen lassen
kann und der die Probleme beim Namen nennt, auch
wenn er sie nicht alle lösen kann.
Ich bedanke mich für die intensive Arbeit im Agraraus-
schuss und hoffe, dass der Ausschuss, der ja für die Fort-
liebe Kollegen! entwicklung von Technologien zuständig ist, sich noch

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 53 – Drucksache 15/5298

mehr Zeit nimmt, um sich intensiver mit den einzelnen
Fragen zu befassen.
Zu Protokoll gegebene Rede des Abg. Hubert Deittert
(CDU/CSU): Der Kollege Wodarg hat einen Bericht so-
wie einen Entschlieβungsentwurf zum Thema „Gentech-
nisch veränderte Organismen“ vorgelegt. Dies ist aus-
drücklich zu begrüßen, handelt es sich doch bei der
grünen Gentechnik um eine Zukunftstechnik mit großem
Innovationspotential für ganz Europa.
Es ist richtig, dass dieses Thema seit einiger Zeit in Poli-
tik, Wissenschaft und in der Öffentlichkeit kontrovers
diskutiert wird. Viele Fragen sind noch zu Klären und be-
dürfen der sorgfältigen Prüfung. (z. B. transgene Nutz-
tiere).
Daher ist eine angemessene Berücksichtigung des Vor-
sorge-Prinzips sicherlich der richtige Ansatz. Gegen Vor-
sorge, Nachhaltigkeit, Koexistenz der Produktionsformen
und eine echte Wahlfreiheit für Produzenten und Verbrau-
cher ist überhaupt nichts einzuwenden.
Wir müssen aber gleichzeitig darauf achten, dass wir in
Europa nicht den Anschluss an die rasante internationale
Entwicklung auf diesem Gebiet verlieren.
In Deutschland gibt es bei der grünen Gentechnik unter-
schiedliche Auffassungen zwischen Regierung und Op-
position. Während die Regierungsmehrheit aus Sozialde-
mokraten und Grünen versucht, durch überzogene
Haftungsregelungen den Erprobungsanbau in der Praxis
zu verhindern, halten wir Christdemokraten die Chancen
der grünen Gentechnik für gröβer als die Risiken.
Das Beispiel der Niederlande zeigt übrigens, dass eine
vernünftige Ausgestaltung von Haftungsregelungen mög-
lich ist. Hier haben Kritiker und Befürworter der grünen
Gentechnik gemeinsam Leitlinien erarbeitet und sich auf
Mindestabstände und eine Haftunglösung geeinigt. Vor-
geshen sind zudem eine Registrierungs- und Monitoring-
pflicht sowie pflanzenspezifische Ausgleichsfonds für ge-
schädigte Betriebe.
Ich halte diesen Ansatz der Selbstregulierung für richtig
und vorbildlich auch für andere Staaten.
Es trifft zu, dass viele Verbraucher heute verunsichert
sind und daher genetisch veränderte Lebensmitteln eher
skeptisch gegenüberstehen. Dem ist aber nicht mit Hyste-
rie und weiterer Verunsicherung, sondern mit sachlicher
Aufklarung zu begegnen. So ist beispielsweise die Kenn-
zeichnung eine Information zur Kaufentscheidung des
mundigen Verbrauchers und nicht ein Makel, wie dies
von interessierter Seite oft dargestellt wird.
Wenn es zu wenig Erkenntnisse über mögliche langfris-
tige Risiken gibt, dann dürfen wir nicht gleichzeitig wis-
senschaftliche Forschung erschweren oder gar verhindern,
etwa durch überzogene Regelunge bei Freisetzungsversu-
chen zu Forschungszwecken. Seit Jahren fordern wir
Christdemokraten in Deutschland vergeblich einen groß-
flächigen landwirtschaftlichen Erprobungsanbau. Heute
sind wir auf die praktischen Erfahrungen anderer Länder

Problem der Auskreuzung beim Anbau von gentechnisch
verändertem Mais oder Soja durchaus beherrschbar ist.
Horrorszenarien besteht der angesichts der rigiden Zulas-
sungsverfahren jedenfalls kein Grund.
Während wir uns fast ausschließlich mit möglichen Risi-
ken und Gefahren beschäftigen und immer neue Beden-
ken formulieren, wird international, etwa in China, gerade
im Bereich der landwirtschaftlichen Biotechnik verstärkt
investiert und geforscht. Darum noch einmal: Wir dürfen
hier – trotz berechtigter Sorgfalt und Vorsoge – nicht den
Anschluss verlieren.
Insgesamt täte der Diskussion über die Chancen und Risi-
ken der grünen Gentechnik ein wenig mehr Sachlichkeit
und etwas weniger Ideologie gut. So halte ich das Argu-
ment, dass Farmer in der Lage sein sollten, ihr eigenes
Erntegut zur Wiederaussaat zu verwenden, um Abhängig-
keiten von groβen Saatgutunternehmen zu verringern, in
praktischer Hinsicht für nicht überzeugend. Denn bereits
heute ist für halbwegs sichere Ertrage ein ständiger Saat-
gutwechsel erforderlich, wie Ihnen jeder Landwirt bestä-
tigen wird.
Unser gemeinsames Ziel muss es daher sein, die Chancen
der grünen Gentechnik zu nutzen und deren Risiken zu
erkunden und zu begrenzen. Die Chancen, durch den
sinnvollen Einsatz moderner Technik in der Landwirt-
schaft Hunger und Unterernährung in der Welt zu verrin-
gern, – z. B. durch die Bekämpfung von Pflanzenschäd-
lingen ohne chemische Mittel – sollten nicht unterschätzt
werden.
Mitteilung des Generalsekretärs des
Europarates, Herrn Terry Davis
Frage der Abg. Renate Jäger (SPD) an den Generalsek-
retär des Europarates, Herrn Terry Davis:
Herr Generalsekretär, ursprünglich wollte ich Ihnen die
Frage stellen, wie in den Mitgliedsländern der Standard
der Rechtsprechung und die Rechtspraxis an sich verbes-
sert werden können, damit der Menschenrechtsgerichts-
hof nicht mit Verfahren überlastet wird.
In Ihren Ausführungen sind Sie aber bereits sehr ausführ-
lich darauf eingegangen, erlauben Sie deshalb eine Zu-
satzfrage: Wie wollen Sie in diesem Prozess die am Ge-
richtshof tätigen Juristen und Richter mit einbeziehen?
Antwort des Generalsekretärs des Europarates, Herrn
Terry Davis:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sitzt
nicht in einem Elfenbeinturm. Seine Richter haben Kon-
takte zu Richtern in den Mitgliedstaaten, was nicht weiter
überraschend ist, da es einen Richter aus jedem Mitglied-
staat gibt. Meiner Beobachtung nach sollte der Gerichts-
hof daher diese Beziehungen weiterentwickeln. In der
vergangenen Woche eröffnete er beispielsweise das ge-
richtliche Jahr, das mit dem Kalenderjahr zusammenzu-
fallen scheint, und ich war natürlich eingeladen, daran
teilzunehmen. Es interessierte mich, eine Ansprache des
angewiesen. Dabei hat sich gezeigt, dass zum Beispiel das Präsidenten des russischen Verfassungsgerichts zu hören.

Drucksache 15/5298 – 54 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Er war speziell dafür nach Straßburg gekommen und
hatte natürlich ausführliche Diskussionen mit den Rich-
tern des Gerichtshofes über die Lage in Russland. Dies ist
nicht einzigartig, sie hatten diese besondere Person auf-
grund ihrer herausragenden Stellung eingeladen. Die
Richter des Gerichtshofes führen also Diskussionen mit
den Richtern in ihren Ländern, und mir ist bekannt, dass
der Präsident des Gerichtshofes häufig die Mitgliedstaa-
ten besucht, um an Kolloquien, Konferenzen und Sitzun-
gen mit nationalen Richtern teilzunehmen.
Aus meiner Sicht liegt das größte Problem nicht in der
Qualität der Beschlüsse in den meisten unserer Mitglied-
staaten. Tatsächlich gibt es in einigen Mitgliedstaaten
Schulungsprogramme für Richter. Mehrere Länder nut-
zen diese individuell zugeschnittenen Programme. Ich
glaube, dass in einem Land 5 000 Richter von Experten
des Europarates geschult wurden. Tatsächlich äußerte
Präsident Juschtschenko, als ich ihn Anfang dieser Woche
traf, großes Interesse an diesem Aspekt unserer Arbeit,
und es hat den Anschein, als ob wir sie in der Ukraine
ausweiten würden.
Das größte Problem ist zweifellos die Umsetzung der von
den nationalen Gerichten verfügten Urteile. Dies ist für
unseren Gerichtshof eine unnötige Belastung. Ein erheb-
licher Anteil der Klagen, die bei unserem Gerichtshof
eingehen, entstehen dadurch, dass Bürger, die ihre Rechte
wahrgenommen haben, vor Gericht gegangen sind und
den Fall gewonnen haben, dass die verantwortlichen Be-
hörden die Urteile jedoch nicht umgesetzt haben. Dies ist
ganz offensichtlich Geldverschwendung. Wir sollten uns
damit nicht beschäftigen müssen, wir tun es jedoch, da
die Bürger ein Recht darauf haben, zu uns zu kommen
und sich zu beschweren, dass ihnen keine Gerechtigkeit
widerfahren ist, und ich verteidige dieses Recht. Wir soll-
ten alles in unserer Macht Stehende tun, und das ist eine
unserer Prioritäten für das nächste Jahr.
Europa und die Tsunami-Katastrophe
Abg. Klaus-Werner Jonas (SPD): Meine Damen und
Herren,
es ist sicherlich nicht leicht, zu diesem Desaster vorzutra-
gen. Alles, was bisher gesagt wurde, kann ich nur vorbe-
haltlos unterstützen; es findet meine volle Zustimmung.
Ich erinnere mich noch sehr gut an die Reaktion der deut-
schen Bevölkerung auf die traditionelle Neujahrsanspra-
che von Bundeskanzler Gerhard Schröder im Fernsehen:
Es sprachen die Herzen.
Ich glaube, es ist entscheidend in dieser problematischen
Situation, dass hier weltweit die Herzen, und nicht der
Verstand gesprochen haben – oder, wie neulich ein ver-
antwortlicher Mitarbeiter bei uns im Ministerium sagte:
„Hier haben die Menschen geholfen, und nicht die Juris-
ten“.
Hätten die Juristen geholfen, wären heute noch die Tou-
risten in der Region, und die Verletzten wären noch nicht
versorgt. Ich glaube, das ist das Entscheidende, und der

Deshalb möchte ich in meinem kurzen Statement an ers-
ter Stelle, und ganz besonders, den Menschen in ganz Eu-
ropa für ihre Unterstützung danken, die sie von Herzen
gegeben haben, und in der ich eine Chance sehe, auch für
andere Krisen in der Welt die Herzen und den Blick der
Menschen zu öffnen, denn wir dürfen über den alltäg-
lichen Problemen nicht diese besondere Not vergessen.
Ich möchte noch eine weitere Anmerkung machen, die
ich wichtig finde, und wir diskutieren das bei uns sehr in-
tensiv: Es ist für diese Krisenregion auch eine Chance, in
anderen Bereichen eine positive Entwicklung einzuschla-
gen. Ich denke da insbesondere an die Provinz Aceh und
an Sri Lanka, wo immer noch eine bürgerkriegsähnliche
Situation herrscht; und wir sollten auch an die Verant-
wortlichen herantreten und mit ihnen in die Diskussion
eintreten, dies als Chance für den Frieden in diesen Re-
gionen zu sehen, denn nur in einer friedlichen Welt kön-
nen positive Entwicklungen nach vorn gebracht werden.
Es wurde bereits die Frage der Frühwarnsysteme ange-
sprochen; ich glaube, hier haben Europa und die Welt
eine große Verantwortung, die sie auch bereit ist zu über-
nehmen.
Lassen Sie mich noch einen weiteren Punkt ansprechen,
der aus Sicht des Wirtschaftsausschusses ganz entschei-
dend ist, und der hier auch bereits angesprochen worden
ist – es geht um die Frage, ob die zugesagten Gelder auch
wirklich fließen, und ob sie ankommen. Aus diesem
Grunde kann ich nur jedermann um Unterstützung bitten,
damit hierfür ein Monitoring entwickelt wird, welches die
eingehenden Gelder erfasst, ihren Eingang verfolgt und
ihre Verwendung kontrolliert, und zwar mit ausreichender
Transparenz, damit für jeden – nicht nur für die Fachleute –
diese Vorgänge über einen Internetzugang nachvollzieh-
bar sind.
Lassen Sie mich anschließend noch Frau Paoletti Tanghe-
roni und dem Ausschuss dafür danken, dass sie unsere
Hinweise und Anregungen in ihren Bericht aufgenommen
haben; so dass mir nur noch übrig bleibt, ihnen ganz herz-
lich zu dem Bericht zu gratulieren und mich ganz herzlich
zu bedanken.
Die Frage, welche Lösungen es für die
Arbeitslosigkeit in Europa gibt
Abg. Walter Riester (SPD): Meine Damen und Herren,
die Entschließung hat einen sehr anspruchsvollen Titel:
Lösung der Arbeitslosigkeit in Europa.
Die Entschließung selbst, so meine ich jedoch, hält das
nicht ein.
Was sind die Angebote? Die Angebote sind – da stimme
ich Herrn Kox zu – im Sinne neo-liberaler Überlegungen,
mehr Anpassung an Globalisierung, mehr Freiheit für Ar-
beitgeber, Senkung der Steuern, Deregulierung. Ich kann
Ihnen sagen, dass ich genau diese Anforderungen an Pra-
xistests in Deutschland erlebe. All dies haben wir in den
letzten drei bis vier Jahren vollzogen; fast alle Forderun-
gen der Arbeitgeber sind erfüllt, Herr Wilkinson, und
Fingerzeig für uns, der in die Zukunft weist. trotzdem haben wir vier oder fünf Millionen Arbeitslose.

zialcharta im Verfassungsentwurf unserer Europäischen Herzlichen Dank.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 55 – Drucksache 15/5298

Wir haben den niedrigsten Steuersatz, den Deutschland
jemals hatte, im übrigen auch die niedrigsten Realzinsen,
die wir je hatten, und die höchste Arbeitslosigkeit.
Diese Angebot, meine Damen und Herren Autoren, über-
zeugt mich nicht.
Anpassung an Globalisierung – ich habe nicht genug Re-
dezeit, um über Globalisierung zu sprechen – nur ein Bei-
spiel: Seit drei Wochen gibt es das Welt-Textilabkommen
nicht mehr. In den letzten zehn Jahren sind die Hälfte al-
ler Textilmaschinen nach China und Indien transportiert
worden. China steht bereit, das Textillager der Welt zu
werden – und da wollen wir mit mehr Freiheiten für Ar-
beitgeber die Arbeitslosigkeit in Europa überwinden?!
Zur Frage der Entwicklung der Stahlindustrie könnte ich
Ihnen das Gleiche sagen. VW verkauft in China mehr Au-
tomobile als in Deutschland und baut Produktionsstätte
um Produktionsstätte auf, während wir uns auf Papier
stützen und erklären, die Lösung der Arbeitslosigkeit:
Mehr Freiheitsrechte für Arbeitgeber und Deregulierung
der Sozialsysteme.
Eine der stärksten Erklärungen des Europarates ist neben
der Menschenrechtscharta die Sozialcharta – sie ist der
Maßstab dieses Hauses. Die weitestgehende und einzige
übernationale Normierung einer Sozialordnung in einer
globalisierten Welt, die frei von sozialen Regeln ist. Dies
ist unser gutes Aushängeschild; und ich bin wirklich von
Herzen froh, dass alle wichtigen Gesichtspunkte der So-

Verfassung aufgenommen sind. (Ich bin mir nicht sicher,
ob es alle schon gemerkt haben, aber ich bin froh, dass es
drin ist.)
Nun stellt sich natürlich bei aller Kritik die Frage, wo wir
ansetzen müssen. Meine Damen und Herren, ich bin mir
sicher, dass nicht in einem Abbau- und Entstaatlichungs-
prozess der Ansatzpunkt liegen kann, denn wir haben in
Europa, und besonders in Deutschland, eine Fülle von
Aufgaben, die geradezu nach Arbeit schreien. Wir haben
riesigen Zuwachs im Gesundheitswesen, in einer altern-
den Gesellschaft; wir haben beinahe schon peinliche Ar-
beitssituationen im Pflegewesen, wir brauchen immer
mehr personelle Unterstützung für entwurzelte Jugend-
liche.
Es gibt also Aufgaben genug, und hier wird Entstaatli-
chung und Absenkung der Steuersätze vorgeschlagen!
Nein, Herr Wilkinson, diesen Weg widerlegt die Praxis,
man muss nur einen offenen Blick haben.
Wenn ich dann überlege, was man mit der Entschließung
machen könnte – Entschuldigen Sie bitte, aber ein starker
Ausschuss würde sie zurückziehen und überarbeiten. An-
sonsten gibt es auch eine Alternative: Die Überschrift zu
ändern in „Wirtschaftsliberale Empfehlungen für den Ar-
beitsmarkt Europas“. Dies würde mich zwar nicht veran-
lassen, ihr zuzustimmen, doch hätten wir wenigstens
keine Mogelpackung.

Drucksache 15/5298 – 56 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. Mitgliedsländer und Funktionsträger
Mitgliedsländer der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (46)

Länder mit Sondergaststatus
– zur Mitwirkung in der Parlamentarischen Versammlung ohne Stimmrecht berechtigt
Der Sondergaststatus von Belarus wurde am 13. Januar 1997 ausgesetzt.
Beobachter (3)
Israel,
Kanada,
Mexiko

Albanien
Andorra
Armenien
Aserbaidschan
Belgien
Bosnien und Herzegowina
Bulgarien
Dänemark
Deutschland
Estland
Finnland
Frankreich
Georgien
Griechenland
Irland
Island
Italien
Kroatien
Lettland
Liechtenstein
Litauen
Luxemburg
„ehem. jugoslawische Republik Mazedonien“

Malta
Moldau
Monaco
Niederlande
Norwegen
Österreich
Polen
Portugal
Rumänien
Russland
San Marino
Schweden
Schweiz
Serbien und Montenegro
Slowakische Republik
Slowenien
Spanien
Tschechische Republik
Türkei
Ukraine
Ungarn
Vereinigtes Königreich
Zypern

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57 – Drucksache 15/5298

Funktionsträger der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
Präsident René van der Linden (Niederlande – EPP)
Vizepräsidenten 20, darunter Rudolf Bindig (Bundesrepublik Deutschland – SPD/SOC)
Generalsekretär Bruno Haller (Frankreich)

Politischer Ausschuss
Vorsitzender Abdülkadir Ateş (Türkei – SOC)
Stv. Vorsitzende Mikhail Margelov (Russland – EDG)

Latchezar Toshev (Bulgarien – EVP)
Dick Marty (Schweiz – LDR)

Ausschuss für Wirtschaft und Entwicklung
Vorsitzender Evgeni Kirilov (Bulgarien – SOC)
Stv. Vorsitzende Antigoni Pericleous Papadopoulos (Zypern – LDR)

Márton Braun (Ungarn – EVP)
Konstantinos Vrettos (Griechenland – SOC)

Ausschuss für Sozialordnung, Gesundheit und Familie
Vorsitzender Marcel Glesener (Luxemburg – EVP)
Stv. Vorsitzende Christine McCafferty (Vereinigtes Königreich – SOC)

Patrizia Paoletti Tangheroni (Italien – EVP)
Helena Bargholtz (Schweden – LDR)

Ausschuss für Recht und Menschenrechte
Vorsitzender Serhiy Holovaty (Ukraine – LDR)
Stv. Vorsitzende Jerzy Jaskiernia (Polen – SOC)

Erik Jurgens (Niederlande – SOC)
Eduard Lintner (Bundesrepublik Deutschland – CDU/CSU / EVP)

Ausschuss für Kultur, Wissenschaft und Bildung
Vorsitzender Jacques Legendre (Frankreich – EVP)
Stv. Vorsitzende Baroness Gloria Hooper (Vereinigtes Königreich – EDG)

Josef Jařab (Tschechische Republik – LDR)
Dr. Wolfgang Wodarg (Bundesrepublik Deutschland – SPD / SOC)

Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft und kommunale und regionale Angelegenheiten
Vorsitzender Walter Schmied (Schweiz – LDR)
Stv. Vorsitzende Alan Meale (Vereinigtes Königreich – SOC)

Antònio Nazarè Pereira (Portugal – EVP)

Renzo Gubert (Italien – EVP)

Drucksache 15/5298 – 58 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Ausschuss für Wanderbewegungen, Flüchtlings- und Bevölkerungsfragen
Vorsitzender John Wilkinson (Vereinigtes Königreich – EDG)
Stv. Vorsitzende Tana de Zulueta (Italien – SOC)

Doros Christodoulides (Zypern – UEL)
Jean-Guy Branger (Frankreich – EVP)

Geschäftsordnungsausschuss
Vorsitzender Andreas Gross (Schweiz – SOC)
Stv. Vorsitzende Andrea Manzella (Italien – SOC)

Ganka Samoilovska-Cvetanova („ehem. jugoslawische Republik Mazedonien“ –EVP)
Lene Garsdal (Dänemark – UEL)

Ausschuss für die Einhaltung der von den Mitgliedstaaten des Europarates eingegangenen Pflichten und
Verpflichtungen (Monitoring-Ausschuss)
Vorsitzende György Frunda (Rumänien – EVP)
Stv. Vorsitzende Hanne Severinsen (Dänemark – LDR)

Naira Shakhtakhtinskaya (Aserbaidschan – EDG)
Mikko Elo (Finnland – SOC)

Ausschuss für die Gleichstellung von Frauen und Männern
Vorsitzende Minodora Cliveti (Rumänien – SOC)
Stv. Vorsitzende Rosmarie Zapfl-Helbling(Schweiz – EVP)

Per Dalgaard (Dänemark – EDG)
Anna Čurdová (Tschechische Republik – SOC)

SOC Sozialistische Gruppe
EVP Gruppe der Europäischen Volkspartei
EDG Gruppe der Europäischen Demokraten
LDR Gruppe der Liberalen, Demokraten und Reformer
UEL Gruppe der Vereinigten Europäischen Linken

Inhaltsverzeichnis
I. Teilnehmer
II. Zusammenfassung
III. Schwerpunkte der Beratungen
IV. Anhang

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