BT-Drucksache 15/5290

Auswirkungen der EU-Luftreinheitsrichtlinie in Deutschland

Vom 12. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5290
15. Wahlperiode 12. 04. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Peter Paziorek, Dirk Fischer (Hamburg), Dr. KlausW. Lippold
(Offenbach), Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Rolf Bietmann, Renate Blank, Wolfgang
Börnsen (Bönstrup), Klaus Brähmig, Helge Braun, Georg Brunnhuber,
Cajus Julius Caesar, Hubert Deittert, Marie-Luise Dött, Enak Ferlemann,
Ingrid Fischbach, Georg Girisch, Josef Göppel, Peter Götz, Kurt-Dieter Grill,
Ursula Heinen, Bernd Heynemann, Ernst Hinsken, Klaus Hofbauer, Norbert
Königshofen, Werner Kuhn (Zingst), Helmut Lamp, Eduard Lintner, Doris Meyer
(Tapfheim), Klaus Minkel, Marlene Mortler, Henry Nitzsche, Günter Nooke, Franz
Obermeier, Eduard Oswald, Ulrich Petzold, Wilhelm Josef Sebastian, Gero
Storjohann, Lena Strothmann, Volkmar Uwe Vogel, Gerhard Wächter, Werner
Wittlich und der Fraktion der CDU/CSU

Auswirkungen der EU-Luftreinhalterichtlinie in Deutschland

Seit dem 1. Januar 2005 gelten innerhalb der Europäischen Union (EU) neue,
strengere Grenzwerte für Feinstaub. Rechtsgrundlage hierfür ist die EU-Richt-
linie 1999/30/EG des Rates über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoff-
dioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft (EU-Luftreinhalte-
richtlinie) aus dem Jahr 1999.
Der Grenzwert für Feinstaub mit einer Körnchengröße von 10 Mikrometern (so
genannte PM-10) wurde auf 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und Tag ab-
gesenkt. Dieser Tagesmittelwert darf höchstens an 35 Tagen im Jahr überschrit-
ten werden. Bei diesem Feinstaub handelt es sich um Partikel, die im Atemtrakt
abgeschieden und in der Regel nicht ausgehustet werden können. Daher droht
durch Feinstaub eine besonders große Gefährdung der Gesundheit.
Verursacht werden Feinstäube unter anderem auch durch den Straßenverkehr
und zwar vor allem von Dieselfahrzeugen. Die durch den Verkehr erzeugten
Feinstäube setzen sich einerseits aus den Verunreinigungen aus dem Auspuff
und andererseits aus Auswirbelungen von Straßenstaub, Abrieb von Reifen,
Fahrbahnoberfläche und Bremsen zusammen. Um die Grenzwerte der EU-
Luftreinhalterichtlinie einhalten zu können, muss deshalb der Straßenverkehr
durch geeignete Maßnahmen einbezogen werden. Hierfür bedarf es eines abge-
stimmten Gesamtkonzeptes zwischen Bund, Ländern und Kommunen.
Eine von mehreren möglichen Maßnahmen zur Reduzierung von Feinstäuben
ist der Einsatz von Rußpartikelfiltern. Diese Technologie hat in den letzten
Jahren erhebliche Fortschritte gemacht und ermöglicht es heute, kleinste Ruß-
teilchen aus dem Abgas herauszufiltern. Seit Anfang 2005 gilt europaweit die
Euro-4-Abgasnorm, die den Grenzwert für Rußpartikel von 50 auf 25 Milli-
gramm je gefahrenen Kilometer absenkt. Die Europäische Kommission hat nun
eine von 2010 an verbindliche Euro-5-Abgasnorm vorgeschlagen, danach soll

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voraussichtlich ein Grenzwert von fünf Milligramm Rußpartikel je Kilometer
festgelegt werden.
Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel, und Bundesminister für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, hatten sich Anfang Februar
2005 bei einem Gespräch im Kanzleramt auf eine steuerliche Förderung für
Rußpartikelfilter geeinigt. An einem Gesetzentwurf oder einer Initiative zur
Klärung der Finanzierung dieser Förderung zwischen Bund und Ländern fehlt
es bisher jedoch.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie hat sich die Feinstaubbelastung von PM-10 in Deutschland seit 1990

bis heute in den einzelnen Jahren jeweils entwickelt?
Treffen Aussagen zu, dass die Feinstaubbelastung PM-10 in den 90er Jah-
ren um 90 Prozent abgenommen hat?

2. Was sind die Hauptursachen für die Entstehung von Feinstaub?
Welchen Anteil haben diese jeweils an der gesamten Feinstaubbelastung
(absolut und in Prozent)?

3. Wie teilen sich die Belastungen seit 1990 bis heute in den einzelnen Jahren
jeweils auf die einzelnen Verursacher auf (absolut und in Prozent)?

4. Trifft es zu, dass der Anteil des Straßenverkehrs an der gesamten Fein-
staubemission bei 20 Prozent liegt und Diesel-Pkw daran mit ca. 7 Prozent
und Lkw mit ca. 13 Prozent beteiligt sind?

5. War der Bundesregierung bei der Verabschiedung der Luftreinhalterichtli-
nie bzw. der Tochterrichtlinie seit 1999 bekannt, in welchem Umfang es in
der Bundesrepublik Deutschland zu Überschreitungen des Tagesmittel-
wertes kommen werde, bzw. seit wann ist der Bundesregierung bekannt,
dass diese Überschreitungen in großem Umfang eintreten werden?
Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung hieraus gezogen?

6. Wie beurteilt die Bundesregierung die Situation, wenn ab 2010 nur noch
sieben Überschreitungen des Tagesmittelwerts erlaubt sein werden?

7. In welchem Umfang sind ab 2010 dann zusätzlich noch Überschreitungen
der Obergrenzen der anderen Stoffe, insbesondere bei Stickstoffoxid und
Stickstoffdioxid, zu erwarten?

8. In welchen Städten in Deutschland wurden die Grenzwerte der Luftreinhal-
terichtlinie für Feinstaub im Jahr 2005 bereits an mehr als 35 Tagen über-
schritten?

9. Welche rechtlichen Konsequenzen hat eine Überschreitung der Grenzwerte
an mehr als 35 Tagen im Jahr?

10. Welche fachlichen Gründe rechtfertigen die Festlegung der 35-Tage-
Grenze?

11. Welche Anforderungen bestehen an das Aufstellen der Messanlagen?
Werden diese in allen deutschen Städten eingehalten, so dass die Messer-
gebnisse vergleichbar sind?

12. Trifft es zu, dass der Bundesrat im Juni vergangenen Jahres bei der Zustim-
mung zur zweiundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes (22. BImSchV) die Bundesregierung angesichts
der absehbaren Überschreitungen aufgefordert hat, in Brüssel vorstellig zu
werden, um die Grenzwerte bzw. die Einführungsfristen zur Sprache zu
bringen?
Wenn ja, wie hat die Bundesregierung hierauf konkret reagiert?

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13. Was hat die Bundesregierung diesbezüglich unternommen, und wie ist die
Aussage des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit, Jürgen Trittin, zu verstehen, dass er bei der jetzt eingetretenen Proble-
matik auf das Subsidiaritätsprinzip vertraut (vgl. Handelsblatt vom 12. Ok-
tober 2004)?

14. Welche Bedeutung haben austauscharme Wetterlagen für die Feinstaub-
belastung?

15. In welchem Umfang fallen die in den ersten drei Monaten dieses Jahres in
München, Stuttgart, Frankfurt und Berlin gemessenen Überschreitungen
des Tagesmittelwerts von 50 Mikrogramm mit austauscharmen Wetter-
lagen zusammen, und welche Höchstwerte wurden bei diesen Überschrei-
tungen gemessen?

16. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die in der europä-
ischen Richtlinie geforderten Grenzwerte einzuhalten?

17. Warum hat die Bundesregierung bisher kein abgestimmtes, langfristiges
Gesamtkonzept zur Reduzierung der Feinstaubbelastungen vorgelegt?

18. Wird die Bundesregierung demnächst noch ein solches Konzept vorlegen?
Wenn ja, bis wann?
Wenn nein, warum nicht?

19. Welche Maßnahmen zur Reduzierung von Luftschadstoffen haben die
Städte und Kommunen bisher nach den Informationen der Bundesregie-
rung bereits ergriffen?
Welche sind in Planung?

20. Hat die Bundesregierung Kenntnis, welche Kosten durch diese Maßnah-
men entstehen?
Wo würden diese Kosten anfallen und durch wen müssen sie finanziert
werden?

21. Sind der Bundesregierung bereits Klagen von Bürgern vor den Verwal-
tungsgerichten auf Einhaltung der EU-Luftreinhalterichtlinie bekannt?
Wenn ja, wie viele und vor welchen Gerichten?

22. Wie bewertet die Bundesregierung diese Klagen und wie schätzt sie die Er-
folgsaussichten ein?

23. In welchen Ländern der EU gibt es bisher Probleme mit der Einhaltung der
Grenzwerte?
Was sind hierfür die Ursachen?

24. Hat die Bundesregierung Kenntnis, welche Maßnahmen zur Reduzierung
der Feinstaubbelastung von den anderen EU-Mitgliedstaaten angewendet
bzw. geplant werden?

25. Durch welche Maßnahmen will die Bundesregierung gewährleisten, dass
bereits im Jahr 2005 die Luftqualität verbessert wird, wenn die von ihr ini-
tiierten Regelungen zur Reduzierung von Rußpartikelfiltern nach eigenen
Angaben erst 2006 in Kraft treten sollen?

26. Wie soll nach Ansicht der Bundesregierung die steuerliche Förderung von
Dieselautos mit Rußpartikelfiltern erfolgen?
Hält die Bundesregierung die jetzt in Aussicht gestellten Fördersätze für
Neu- und Altfahrzeuge für angemessen und Erfolg versprechend, um An-
reize für die Neuanschaffung eines PKW mit Rußpartikelfilter bzw. die
Umrüstung eines Altfahrzeugs zu schaffen?

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27. Welche finanziellen Auswirkungen sind damit jährlich insgesamt verbun-
den?

28. Wurden Gespräche mit den Bundesländern über die Finanzierung dieser
Steuerförderung geführt?
Wenn ja, welche Ergebnisse wurden erzielt?
Wenn nein, wann sollen entsprechende Gespräche stattfinden?

29. Mit wie vielen Umrüstungen von Dieselfahrzeugen rechnet die Bundes-
regierung im möglichen Förderungszeitraum bis Ende 2007?
Welchen Anteil erfasst dies am Bestand der Dieselfahrzeuge in Deutsch-
land insgesamt?

30. In welchem Maße wird es nach Einschätzung der Bundesregierung mög-
lich sein, Dieselfahrzeuge während der geplanten, zweijährigen Zeitspanne
der steuerlichen Begünstigung von 2006 bis 2007 mit Rußpartikelfiltern
auszustatten?

31. Wie bewertet die Bundesregierung den Nachteil für Kraftfahrzeughalter,
die zum Beispiel auf Grund von Lieferschwierigkeiten nicht innerhalb
dieser Frist ihr Auto mit einem Rußpartikelfilter ausstatten können?

32. Wie hoch liegen die Kosten für einen Rußpartikelfilter und mit welchen
Gesamtkosten müssen die Halter bei der Umrüstung eines Altfahrzeugs
rechnen?

33. Wie stark steigen die Kosten für einen Neuwagen, der mit einem Rußparti-
kelfilter ausgestattet wurde?

34. Gibt es mit Blick auf die austretenden Feinstäube Unterschiede zwischen
Fahrzeugen, die mit Diesel bzw. Bio-Diesel betrieben werden?
Wenn ja, welche?

35. Wie beurteilt die Bundesregierung die Wirksamkeit der angebotenen Ruß-
partikelfilter mit Blick auf die mögliche Beschädigung der Systeme durch
eine längere Dauerbelastung?
Liegen der Bundesregierung hierzu aktuelle und belastbare Informationen
vor?

36. Welche Folgen hat ein nicht mehr funktionierendes Filtersystem auf den
Ausstoß von Feinstaub?
Sind höhere Belastungen der Umwelt zu erwarten als bei einem Fahrzeug,
das mit einer älteren, aber vollfunktionsfähigen Abgasanlage ausgerüstet
ist?

37. Wie erklärt die Bundesregierung, dass nach eigenen Angaben von den rund
21 000 mit Dieselkraftstoff betriebenen Fahrzeugen, die sie unterhält, nur
knapp 500 Fahrzeuge mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet sind?

38. Welche Auswirkungen hat diese geringe Ausstattung mit Rußpartikelfil-
tern auf die Vorbildfunktion der Bundesregierung?

39. Wann plant die Bundesregierung, die rund 1600 Dieselfahrzeuge unter
ihren Dienstfahrzeugen, die bisher noch keinen Rußpartikelfilter haben,
mit einem Rußpartikelfilter auszustatten?

40. Welchen Beitrag können alternative Antriebsformen, wie zum Beispiel
Hybridantriebe, zur Reduzierung der Feinstaubbelastung leisten?

41. Gibt es ökologische und sachliche Gründe, die eine steuerliche Ungleich-
behandlung der beiden Fahrzeugtreibstoffe Erdgas und Autogas rechtferti-

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gen (die Steuerbefreiung von Erdgas ist bis 2020 verlängert worden, die
Steuerbefreiung von Autogas läuft 2009 dagegen aus)?
Wenn ja, welche sind dies?
Wenn nein, warum wird diese Differenzierung vorgenommen?

42. Plant die Bundesregierung, die steuerliche Ungleichbehandlung der Fahr-
zeugtreibstoffe Erdgas und Autogas zu beseitigen?
Wenn ja, wann wird sie hierfür einen entsprechenden Gesetzentwurf vorle-
gen?

43. Wie wird in den anderen EU-Mitgliedstaaten mit der Ankündigung einer
Euro-5-Norm für 2010 durch die Europäischen Kommission umgegangen?
Gibt es dort bereits Pläne zur vorzeitigen, freiwilligen Erfüllung der Euro-5-
Grenzwerte?

44. Was tut die Bundesregierung, um den Bau von Umgehungsstraßen zu be-
schleunigen?

45. Plant die Bundesregierung weitere gesetzgeberische Maßnahmen zur Ver-
besserung der Luftqualität, die auch schwere Nutzfahrzeuge oder Busse
mit einbeziehen?
Wenn ja, welche Regelungen sind kurz- bzw. mittelfristig geplant?

46. Wie bewertet die Bundesregierung den Beitrag des Öffentlichen Personen-
nahverkehrs (ÖPNV) zur Reduzierung des Feinstaubs?
Was tut die Bundesregierung in diesem Zusammenhang?

47. Welches Ausmaß haben nach der Einschätzung der Bundesregierung Ruß-
partikel auf die Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere auf die Morta-
lität?

48. Welche epidemiologischen Daten bzw. Studien über die gesundheitsschäd-
lichen Wirkungen von Rußpartikeln liegen der Bundesregierung vor?

49. Sind Rußpartikel für bestimmte Bevölkerungsgruppen schädlicher als für
andere?
Wenn ja, worauf basiert dies Aussage?

50. Inwieweit können die Ursachen und die gesundheitlichen Folgen der Fein-
staubbelastung nach Einschätzung der Bundesregierung durch den flächen-
deckenden Einsatz von Rußpartikelfiltern reduziert werden?

Berlin, den 12. April 2005
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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