BT-Drucksache 15/5282

Schienenverkehr von und nach Polen

Vom 12. April 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5282
15. Wahlperiode 12. 04. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold
(Offenbach), Georg Brunnhuber, Renate Blank, Wolfgang Börnsen (Bönstrup),
Klaus Brähmig, Hubert Deittert, Enak Ferlemann, Peter Götz, Bernd Heynemann,
Klaus Hofbauer, Norbert Königshofen, Werner Kuhn (Zingst), Eduard Lintner,
Klaus Minkel, Henry Nitzsche, Günter Nooke, Wilhelm Josef Sebastian, Gero
Storjohann, Lena Strothmann, Volkmar Uwe Vogel, Gerhard Wächter und der
Fraktion der CDU/CSU

Schienenverkehr von und nach Polen

Seit dem Beitritt Polens zur Europäischen Union hat sich der grenzüberschrei-
tende Personen- und Güterverkehr zwischen Deutschland und Polen nochmals
verstärkt. Bis 2015 wird an der deutschen Grenze zu Polen eine Verdreifachung
allein beim Güterverkehr erwartet.
Polen, als größtes EU-Beitrittsland mit 38,2 Millionen Einwohnern, verzeich-
net ein kontinuierlich steigendes reales Wirtschaftswachstum (2004: 5,4 Pro-
zent). Der Anteil Polens an den Volkswirtschaften der Beitrittsländer betrug im
letzten Jahr 46 Prozent. Deutschland ist Polens wichtigstes Exportland:
32,3 Prozent aller Ausfuhren, vornehmlich Möbel, Motoren und Bauteile sowie
Kraftfahrzeuge, gingen 2003 nach Deutschland.
Im grenzüberschreitenden Straßenverkehr können gegenwärtig 16 Übergänge
genutzt werden. Die Infrastruktur der Zuführung zu den vier Autobahnüber-
gängen Pomellen, Frankfurt/Oder, Forst und Ludwigsdorf befindet sich auf
deutscher Seite in einem guten Zustand. In Richtung Posen/Warschau wird
polnischerseits Ende 2007, und in Richtung Krakau Ende 2009 mit einer Fertig-
stellung der Autobahnen gerechnet.
Für den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr stehen die folgenden acht
Übergänge zur Verfügung:
1. (Hamburg/Rostock–Pasewalk)–Grambow/Szczecin-Gumien´ce(-Gdan´sk)

E Regionalverkehr, Güterverkehr
2. (Berlin–Angermünde)–Tantow/Szczecin-Gumien´ce(-Gdan´sk)

E Fernverkehr, Regionalverkehr, Güterverkehr
3. (Berlin)–Küstrin-Kietz/Kostrzyn(-Gorzów)

E Regionalverkehr, Güterverkehr
4. (Berlin)–Frankfurt/Oder/Kunowice(-Poznan´–Warszawa)

E Fernverkehr, Regionalverkehr, Güterverkehr
5. (Cottbus)–Guben/Gubin(-Zielona Góra)

E Güterverkehr

Drucksache 15/5282 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

6. (Cottbus)–Forst/Zasieki(-Z˙ary–WrocΩaw)
E Fernverkehr, Regionalverkehr, Güterverkehr

7. (Dresden/Magdeburg–Hoyerswerda)–Horka/We±gliniec(-WrocΩaw)
E Güterverkehr

8. (Dresden)–Görlitz/Zgorzelec(-WrocΩaw)
E Regionalverkehr

Auf diesen zum Teil mit alter Sicherungstechnik ausgestatteten Eisenbahnver-
bindungen wird der vor allem rund um die Uhr laufende Güterverkehr noch mit
zeitaufwendigen Betriebsformen abgewickelt.
Die Kapazitäten sind vor allem auf deutscher Seite mit Ausnahme der Über-
gänge Frankfurt/Oder und Görlitz durch eingleisige Verbindungen an das natio-
nale Bahnnetz begrenzt. Während auf polnischer Seite der paneuropäische
Korridor II, die Linie E-20 Berlin–Posen–Warschau–Moskau zweigleisig und
größtenteils mit 160 km/h befahrbar ist, befindet sich der deutsche Abschnitt
noch im Baustadium mit baubedingtem teilweise eingleisigen Betrieb. Ver-
gleichbar ist die Situation auf dem paneuropäischen Korridor III, Linie C-E30
Berlin/Dresden–Breslau–Krakau–Kiew, der in Polen derzeit für höhere Ge-
schwindigkeiten und Kapazitäten ausgebaut wird, während auf deutscher Seite
ein Baubeginn zwecks Ausbau noch nicht feststeht.
Aufgrund aufgeschobener Instandhaltungsarbeiten an den Brücken können alle
Züge die Oder an den Übergängen Küstrin–Kietz–Kostrzyn und Frankfurt/
Oder–Kunowice seit einiger Zeit nur noch mit Schrittgeschwindigkeit passie-
ren.
Im Personenverkehr ist die Zahl der Direktverbindungen zwischen polnischen
und deutschen Zielbahnhöfen mit dem Fahrplanwechsel 2004 auf einen Tiefst-
stand gesunken. Zwischen Berlin und dem nur 150 km entfernten polnischen
Großraum Stettin mit über 500 000 Einwohnern gibt es nur zwei tägliche
Direktverbindungen. Die tägliche Direktverbindung von Dresden nach Breslau
wurde mittlerweile eingestellt, während es von Berlin noch eine direkte Reise-
möglichkeit gibt.
Die Bundesregierung bekundet seit einiger Zeit das deutsche Interesse an einer
Verbesserung der Verkehrsbeziehungen auf der Schiene nach Polen, so durch
folgende Abkommen/Planungen:
l Erklärung von Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen,

Dr. Manfred Stolpe, zum Ausbau der Strecke Berlin–Stettin für eine Höchst-
geschwindigkeit von 160 km/h vom 30. Oktober 2003. Abschluss eines
Ressortabkommens hierzu mit der Republik Polen und Einrichtung einer
gemeinsamen ministeriellen Arbeitsgruppe im August 2003.
Aufnahme der Strecke als „Internationales Projekt“ im Bundesverkehrswege-
plan (BVWP) 2003.

l Abkommen zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen und dem Minister für Infrastruktur der Republik Polen
vom 30. April 2003 über die Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung der
Eisenbahnverbindungen Berlin–Warschau (E-20) sowie Berlin/Dresden–
Breslau (C-E30).

l Projekt Niederschlesische Magistrale, zum Ausbau des Paneuropäischen
Korridors III, Linie C-E30 Berlin/Dresden–Breslau(WrocΩaw)–Kiew auf
deutscher Seite primär mit dem zweigleisigen Ausbau und der Elektrifizie-
rung der für den Güterverkehr bedeutsamen Strecke Hoyerswerda–Horka–
Grenze Deutschland/Polen. Gleichzeitig Aufnahme dieses Abschnittes als
neues Vorhaben in den Vordringlichen Bedarf des BVWP 2003.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5282

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Ist der Bundesregierung eine Wirtschaftlichkeitsrechnung zu den Strecken

Berlin–Stettin, Berlin–Frankfurt/Oder–Posen, sowie Berlin/Dresden–Gör-
litz–Breslau bekannt und wie bewertet die Bundesregierung diese?

2. Auf welchen konkreten Annahmen basiert diese Wirtschaftlichkeitsberech-
nung?

3. Von welchem Fahrgast- und Frachtaufkommen geht die Bundesregierung
auf den Relationen Berlin–Stettin, Berlin–Frankfurt/Oder–Warschau und
Berlin/Dresden–Breslau über Görlitz/Hoyerswerda–Horka aus?

4. Welche Bedeutung hat die Strecke Berlin–Stettin unter dem Gesichtspunkt
des Hafens von Stettin für die ostdeutsche Wirtschaft?

5. Auf welchem Stand befinden sich die bilateralen ministeriellen Arbeits-
gruppen hinsichtlich des Ausbaus der oben angeführten Strecken und zu
welchen Vorhaben wurden entsprechende Ressortabkommen abgeschlos-
sen?

6. Von welchem Transportaufkommen geht die Bundesregierung auf der
Niederschlesischen Magistrale Hoyerswerda–Horka–Grenze Deutschland/
Polen aus?

7. Wann rechnet die Bundesregierung mit Baubeginn und Fertigstellung des
zweigleisigen Ausbaus mit Elektrifizierung der Niederschlesischen Magis-
trale?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die planerische Abstimmung der grenz-
überschreitenden Eisenbahnprojekte mit der Republik Polen?

9. Werden von der Bundesregierung bisher nicht in Betrieb befindliche
Grenzübergänge im Eisenbahnverkehr als Reservestrecken für den prog-
nostizierten Verkehrszuwachs zur Reaktivierung in Betracht gezogen?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung die Anzahl der derzeitigen Direktver-
bindungen zu den nächstliegenden polnischen Großstädten Stettin, Posen
und Breslau unter besonderer Beachtung des zunehmenden Tagespendler-
verkehrs von Stettin nach Berlin?

11. Gibt es Überlegungen, das bereits erfolgte Zulassungsverfahren in
Deutschland für polnische Triebfahrzeuge mitsamt Personal auszuweiten,
um den grenzüberschreitenden Verkehr durch Wegfall des zeitintensiven
Lok- und Personalwechsels zu beschleunigen?

12. Welchen Stand haben die Verhandlungen der deutschen und polnischen
Eisenbahnaufsichtsbehörden hinsichtlich der u. a. schon mit der Schweiz
praktizierten generellen gegenseitigen Anerkennung von Lokomotiven und
Personal?

13. Auf welchen grenzüberschreitenden Schienenverbindungen ist nach An-
sicht der Bundesregierung eine Kapazitätserweiterung möglich, falls die
Fertigstellung der beabsichtigten Ausbaupläne nicht Schritt hält mit der
prognostizierten Transportnachfrage?

Berlin, den 12. April 2005
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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