BT-Drucksache 15/5175

zu dem Antrag der Abgeordneten Anton Schaaf, Sabine Bätzing, Ute Berg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Jutta Dümpe-Krüger, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -15/4395- Zukunft der Freiwilligendienste - Ausbau der Jugendfreiwilligendienste und der generationsübergreifenden Freiwilligendienste als zivilgesellschaftlicher Generationenvertrag für Deutschland

Vom 22. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5175
15. Wahlperiode 22. 03. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (12. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Anton Schaaf, Sabine Bätzing, Ute Berg,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten
Jutta Dümpe-Krüger, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 15/4395 –

Zukunft der Freiwilligendienste – Ausbau der Jugendfreiwilligendienste
und der generationsübergreifenden Freiwilligendienste als zivilgesellschaftlicher
Generationenvertrag für Deutschland

A. Problem und Ziel
Die Antragstellerinnen und Antragsteller betonen, dass freiwilliges Engagement
unter Beteiligung aller Bürgerinnen und Bürger wesentlich zur Etablierung einer
zukunftsfähigen Gesellschaft beitrage. Dazu müssten einerseits die schon beste-
henden Jugendfreiwilligendienste im In- und Ausland ausgebaut und mehr Be-
tätigungsfelder geschaffen werden, um weiterhin eine Verknüpfung zwischen
Bildung und Verantwortung, aber auch der Lernorte von Schule und Beruf zu
gewährleisten. Andererseits müssten durch einen generationsübergreifenden
Ansatz die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass ältere Menschen,
aber auch Menschen in der Erwerbs- und Familienphase, Freiwilligendienste
leisten könnten. Ziel müsse daher der qualitative und quantitative Ausbau der
bestehenden Freiwilligendienste für junge Menschen, die Schaffung genera-
tionsübergreifender Freiwilligendienste, sowie die Verbesserung der öffent-
lichen Wahrnehmung der Freiwilligendienste sein.

B. Lösung
Einstimmige Annahme des Antrags in geänderter Fassung

C. Alternativen
Keine

D. Kosten
Mit den Haushaltsmitteln 2003 und 2004 in Höhe von rund 16Mio. Euro werden
zurzeit ca. 13 500 Plätze im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und rund 1 700

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Plätze im Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) gefördert. Weiter bezuschusst
der Bund die rund 3 400 Plätze für den Einsatz anerkannter Kriegsdienstverwei-
gerer im FSJ und FÖJ. In dem vorliegenden Antrag wird die Bundesregierung
aufgefordert, im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel verbesserte Rahmen-
bedingungen für die Freiwilligendienste zu schaffen, die die klassischen, gesetz-
lich geregelten Freiwilligendienste, den Europäischen Freiwilligendienst und
die Auslandsdienste nachhaltig weiterentwickeln, ausbauen und sichern, und
generationsübergreifende Freiwilligendienste zu erproben durch die Weiterent-
wicklung und den Ausbau der klassischen Jugendfreiwilligendienste und die
Anpassung des Fördervolumens an die aktuellen Bewerberzahlen des Frei-
willigen Sozialen Jahres (FSJ), des Freiwilligen Ökologischen Jahres (FÖJ) und
der Auslandsdienste unter Einbeziehung des Europäischen Freiwilligendienstes
(EFD) und entsprechend dem Trägerangebot auf 30 000 Plätze zu erhöhen. Ein
Bericht hierüber sollte vor Abschluss der Haushaltsberatungen für das Haus-
haltsjahr 2006 vorliegen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5175

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag auf Drucksache 15/4395 in folgender Fassung anzunehmen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
1. Eine zukunftsfähige Bürgergesellschaft ist auf freiwilliges Engagement von
Bürgerinnen und Bürgern angewiesen. Nur durch freiwilliges Engagement kann
die Motivation zur Mitgestaltung und Beteiligung aller Bürger an der Gesell-
schaft gestärkt werden. Die Bürgergesellschaft im Sinne einer neuen Verantwor-
tungsteilung zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft bildet ein geeignetes
gesellschaftspolitisches Leitbild für die Zukunft. Auch Freiwilligendienste jen-
seits des traditionellen Ehrenamts, die eine besondere und eigene Form des bür-
gerschaftlichen Engagements darstellen, können gesellschaftlich eine größere
Rolle spielen.
Um künftig die Bürgergesellschaft zu stärken und mehr Menschen zu motivie-
ren, sich gesellschaftlich zu engagieren, müssen bewährte Formen des freiwilli-
gen Engagements ausgebaut, aber auch neue Wege gewählt werden. Alle For-
men bürgerschaftlichen Engagements brauchen mehr Unterstützung, dies gilt
auch für die Freiwilligendienste. Die schon bestehenden Jugendfreiwilligen-
dienste müssen verstärkt gefördert und ausgebaut werden. Zudem ist es notwen-
dig, neue Formen generationsübergreifender Freiwilligendienste zu schaffen.
Dort können engagierte Menschen Verantwortung übernehmen, ihre Fähigkei-
ten und Kenntnisse einbringen, neue Kompetenzen erwerben und sich persön-
lich wie beruflich orientieren. Gerade die Verschränkung von Bildung und
Orientierung einerseits sowie die Übernahme gesellschaftlicher und sozialer
Verantwortung andererseits schafft die Grundlagen für die Attraktivität der Frei-
willigendienste.
Freiwilligendienste stellen zudem einen besonderen Lernort für bürgerschaft-
liches Engagement dar, denn viele ehemalige Dienstleistende sind weiterhin
freiwillig oder bürgerschaftlich tätig und somit wichtigeMultiplikatoren für eine
starke Zivilgesellschaft.
Zielsetzung für die Zukunft der Freiwilligendienste ist es, zum einen die Akzep-
tanz der Freiwilligendienste in der Bevölkerung zu verbessern und zum anderen
möglichst allen interessierten Bewerberinnen und Bewerbern einen Freiwilli-
genplatz anbieten zu können.
2. In Deutschland haben sich bis heute mehr als 300 000 Freiwillige im Freiwil-
ligen Sozialen Jahr (FSJ) und Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) engagiert.
Insbesondere in den letzten zehn Jahren ist die Nachfrage gerade bei jungen
Menschen stetig gestiegen. Leisteten 1993 etwa 7 100 Freiwillige ein FSJ, so hat
die Bundesregierung bis 2002 die Zahl der geförderten Einsatzstellen auf über
15 000 in beiden Diensten erweitert. Hinzu kommen derzeit 3 400 männliche
Freiwillige (anerkannte Kriegsdienstverweigerer nach § 14c ZDG) und eine
nicht genau bekannte Zahl von schätzungsweise 3 000 Freiwilligen, die auf vom
Bund nicht finanziell geförderten Plätzen eingesetzt sind.
Im Jahr 2002 ist mit den Förderungsänderungsgesetzen – FSJÄndG und
FÖJÄndG – bestätigt worden, dass sich die klassischen Jugendfreiwilligen-
dienste grundsätzlich bewährt haben. Zugleich sind verbesserte, d. h. flexiblere
Rahmenbedingungen geschaffen worden, um die Freiwilligendienste im In- und
Ausland auszubauen, so ist die Ableistung eines Freiwilligendienstes im außer-
europäischen Ausland möglich. Die Betätigungsfelder wurden ebenfalls ausge-

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weitet, so kann heute ein FSJ auch in den Bereichen Kultur oder Sport absolviert
werden. Die Engagierten im Freiwilligen Sozialen Jahr, nach wie vor zumeist
junge Frauen, helfen am häufigsten im Altenheim (23,7 Prozent), in einem all-
gemeinen Krankenhaus (17,1 Prozent), in einer Kindertagesstätte (13,3 Prozent)
oder in einer Einrichtung der stationären Behindertenhilfe (13,1 Prozent). Die
Träger der Freiwilligendienste haben bestätigt, dass sie innerhalb kurzer Zeit die
Anzahl der FSJ-Plätze auf etwa 30 000 erhöhen können, da die Anzahl der
jungen Menschen, die sich um einen Freiwilligendienstplatz bewerben, noch
wesentlich höher ist.
Mit den Haushaltsmitteln 2003 und 2004 in Höhe von rund 16Mio. Euro werden
aus dem Kinder- und Jugendplan (KJP) des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend ca. 13 500 FSJ-Plätze und rund 1 700 Plätze im
FÖJ gefördert. Weiter bezuschusst der Bund die rund 3 400 Plätze für den Ein-
satz anerkannter Kriegsdienstverweigerer im FSJ und FÖJ.
3. Die Freiwilligendienste als Lernort für bürgerschaftliches Engagement bieten
einen Spielraum für Problemlösungen, die unterschiedlichsten Formen des
Experimentierens und des Ausprobierens, Erfahrungsräume und Lernmöglich-
keiten gesellschaftlicher Partizipation. In den unterschiedlichen Einsatzstellen
in Krankenhäusern, Alten- und Behinderteneinrichtungen, in kulturellen Ein-
richtungen oder auch in der Kinder- und Jugendarbeit erhalten Freiwillige Ein-
blicke in Lebenswelten von Menschen. Oft sind dies Menschen, die in beson-
derer Weise sozialen Benachteiligungen ausgesetzt und von gesellschaftlicher
Marginalisierung betroffen sind. Im Freiwilligen Ökologischen Jahr werden sie
mit Problemen des Umweltschutzes sowie der Dorf- und Stadterneuerung kon-
frontiert. Freiwilligendienste fördern die Voraussetzungen für politisches und
gesellschaftliches Handeln; stärken das Gefühl der Zugehörigkeit und die Be-
reitschaft zur Übernahme „freiwilliger Selbstverpflichtung“ und fördern damit
eine „Kultur selbstverständlicher Freiwilligkeit“.
Freiwilligendienste sind aber auch wichtige Lernorte zwischen Schule und Be-
ruf. Sie bieten jungen Menschen nach abgeschlossener Schulausbildung oder in
der weiteren Ausbildungsphase neue Lernerfahrungen, vermitteln ihnen wich-
tige soziale und interkulturelle Fähigkeiten, bieten Orientierung und stärken
Selbständigkeit, Selbstbewusstsein sowie Eigen- wie Fremdverantwortung. Die
Einbindung in konkrete Arbeitszusammenhänge kann die Entscheidung über
Ausbildungs- und Berufswünsche klären helfen. Diese Orientierungsmöglich-
keit ist gerade für Schulabgängerinnen und Schulabgänger nicht zu unterschät-
zen.
Der Freiwilligendienst für Jugendliche als mögliches Bindeglied zwischen
Schule und Beruf gibt wichtige Anstöße, das eigene Leben planerisch in die
Hand zu nehmen und persönliche wie auch berufliche Perspektiven zu entwi-
ckeln.
Während die Freiwilligendienste bis vor einigen Jahren vor allem von jungen
Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen zur Persönlichkeitsentwicklung,
zum Erwerb praktischer Erfahrungen und sozialer Schlüsselqualifikationen, zur
beruflichen Orientierung in sozialen Berufen und zur Lebensplanung genutzt
wurden, sind sie heute zu einem Lern- und Orientierungsort für Jugendliche mit
unterschiedlichsten persönlichen, sozialen und schulischen Voraussetzungen
geworden. Darüber hinaus zeigt die hohe Zahl an Bewerberinnen und Bewer-
bern für die gesetzlich geregelten Freiwilligendienste, dass das gesellschaftliche
Potenzial weit über den bisher geförderten Freiwilligendienstplätzen liegt.
Generationsübergreifende Freiwilligendienste und Bürgerschaftliches Engage-
ment in der Nacherwerbsphase oder als Chance für berufliche Neuorientierung
sind Aufgabenbereiche, die wir in Reaktion auf die gesellschaftlichen Entwick-
lungen erproben müssen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/5175

Freiwilliges Engagement endet nicht bei einer bestimmten Altersgrenze. Mit ei-
nem generationsübergreifenden Ansatz sind die Voraussetzungen und Anreize
dafür zu schaffen, dass ältere Menschen, aber auch Menschen in der Erwerbs-
und Familienphase, Freiwilligendienste leisten können. Viele der „jungen Al-
ten“ sind aktiv, gesund und sozial abgesichert. Ob es gelingt, die Potenziale in
diesem Lebensabschnitt auszuschöpfen und weiter zu entwickeln, ist abhängig
von dem Selbstbild des Älterwerdens, aber auch von der öffentlichen und der
veröffentlichten Meinung über das Alter. Angesichts der zu erwartenden demo-
grafischen Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten kann unsere Gesellschaft
auf dieses aktive Engagement älterer Menschen nicht verzichten. Dabei können
die freiwilligen sozialen Aktivitäten an die bereits im Beruf erworbenen Fähig-
keiten anknüpfen, sie können aber auch als alternative Tätigkeitsfelder verstan-
den und genutzt werden. Von solchen Chancen lebt Bürgergesellschaft, und dies
fügt sich in ein facettenreiches Bild vom lebenslangen Lernen.
Ein freiwilliges Jahr ist ein Bildungsjahr, von dem auch ältere Bürgerinnen und
Bürger profitieren können. Es fördert die Bereitschaft für ein gesellschaftliches
Engagement und die Übernahme von Verantwortung. Deshalb ist es notwendig,
bestehende Freiwilligendienste für junge Menschen qualitativ und quantitativ
auszubauen sowie generationsübergreifende Freiwilligendienste zu entwickeln.
4. Die Empfehlungen der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaft-
lichen Engagements“ vom Juni 2002 befassen sich auch mit den Freiwilligen-
diensten. Mit dem verabschiedeten FSJ-Förderungsänderungsgesetz werden
bereits wichtige Verbesserungen der individuellen und institutionellen Rahmen-
bedingungen für die Freiwilligendienste erreicht. Um den Anreiz zur Teilnahme
an Freiwilligendiensten weiter zu erhöhen, besteht aus Sicht der Enquete-Kom-
mission weiterer Handlungsbedarf, der zurzeit im Unterausschuss „Bürger-
schaftliches Engagement“ erörtert wird. Im Bericht „Perspektiven für Freiwilli-
gendienste und Zivildienst in Deutschland“ der Kommission „Impulse für die
Zivilgesellschaft“ vom Januar 2004 sind die Enquete-Empfehlungen zum Frei-
willigendienst erneut aufgegriffen worden:
Empfohlen wird neben der verstärkten Ausgestaltung als Lerndienst und der
Weiterentwicklung der Anerkennungskultur auch der Aufbau generationsüber-
greifender Freiwilligendienste mit dem Alter, der Lebens- und der Berufserfah-
rung der Freiwilligen entsprechenden Strukturen.
Die Prognosen zur demografischen Entwicklung bis einschließlich 2050 in
Deutschland zeigen, dass sich das zahlenmäßige Verhältnis zwischen älteren und
jüngeren Menschen verschieben und die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik
Deutschland erheblich abnehmen wird. Dieser Prozess wird Deutschland gesell-
schaftlich, politisch und wirtschaftlich entscheidend verändern.
Die Entwicklung neuer generationsübergreifender Freiwilligendienste erfordert
Veränderungen in den Trägerorganisationen und Einsatzstellen und eine weitere
Öffnung der Einsatzbereiche. Dennoch bleibt klar, dass die Freiwilligendienste
eine besondere Form des bürgerschaftlichen Engagements darstellen und hier
zwischen den beiden Säulen der Jugendfreiwilligendienste und der generations-
übergreifenden Dienste mit je eigenem Charakter unterschieden werden kann.
Vom Bund geförderte Modellprojekte sind sinnvoll, um neue generationsüber-
greifende Freiwilligendienste zu entwickeln und die damit verbundenen fach-
lichen Herausforderungen und Aufgaben zu bewältigen. So sollen etwa Modell-
projekte in neuer Form und mit neuen Aufgabenfeldern durchgeführt, ein
Kriterienkatalog für die „Zertifizierung“ neuer Trägerformen erarbeitet und
Qualitätsstandards bzw. Verfahren der Qualitätssicherung entwickelt und er-
probt werden. Die Modellprojekte müssen die neuen Herausforderungen auf-
greifen. Ihre Evaluation wird wichtige Anhaltspunkte für die neuen Freiwilli-

Drucksache 15/5175 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

gendienste bieten. Eine aktive Bürgergesellschaft benötigt eine nachhaltige
Infrastruktur des bürgerschaftlichen Engagements.
Ein geeignetes Instrument, die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für
den neuen generationsübergreifenden Freiwilligendienst für alle Altersgruppen
zu konkretisieren und Ländern, Kommunen und Trägern Planungssicherheit zu
geben, kann ein zu schaffender Bundesfreiwilligendiensteplan sein. Bisher ist
die Einrichtung von Freiwilligendienstplätzen vor allem abhängig von Entwick-
lungen im Kinder- und Jugendplan (KJP).
Die Anbieter von Freiwilligendiensten engagieren sich für die Ausweitung von
Freiwilligendienstplätzen. So hat der Bundesarbeitskreis FSJ angeboten, die
Plätze in den Freiwilligendiensten auf wenigstens 30 000 zu erhöhen.
Die klassischen Freiwilligendienste sind eine wichtige und über Jahrzehnte
erprobte Säule des bürgerschaftlichen Engagements. Zugleich bilden sie eine
Basis für eine Etablierung von generationsübergreifenden Freiwilligendiensten.
Der Evaluationsbericht der Bundesregierung, der Aufschlüsse über die Erfah-
rungen mit der neuen Rechtslage auf Grund der Änderungsgesetze geben wird,
wird gegenwärtig erarbeitet und im August 2005 fristgerecht vorliegen. Dieser
angekündigte Bericht der Bundesregierung, die Empfehlungen der Enquete-
Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ sowie der Kom-
mission „Impulse für die Zivilgesellschaft“ bilden gute Grundlagen für die Ver-
besserung der Rahmenbedingungen – die Weiterentwicklung der gesetzlichen
und finanziellen Basis – der Freiwilligendienste.

II. Der Deutsche Bundestag wolle weiter beschließen:
Das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr finden auch
als so genannte Nichtheranziehungsgründe für den Zivildienst verstärkte Aner-
kennung. Seit 2002 ist die Erfüllung der Dienstpflicht für anerkannte Kriegs-
dienstverweigerer durch die Ableistung eines gesetzlich geregelten Freiwilli-
gendienstes nach § 14c des Zivildienstgesetzes (ZDG) möglich.
Gleichzeitig wird der Freiwilligendienst nach § 14c ZDG trotz der Verkürzung
des Zivildienstes auf neun Monate weiterhin in bisherigem Umfang aus dem Zi-
vildienstetat gefördert. Diese neueren Entwicklungen machen die gewachsene
gesellschaftliche Bedeutung der Freiwilligendienste deutlich.
Die Anzahl der Zivildienstplätze sinkt seit Jahren. Freiwerdende Zivildienstmit-
tel sollten daher für die Förderung der Freiwilligendienste junger Menschen ein-
gesetzt werden.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel verbesserte Rahmenbedingungen
für die Freiwilligendienste zu schaffen, die die klassischen, gesetzlich geregelten
Freiwilligendienste, den Europäischen Freiwilligendienst und die Auslands-
dienste nachhaltig weiterentwickeln, ausbauen und sichern, und generations-
übergreifende Freiwilligendienste zu erproben durch
l die Weiterentwicklung und den Ausbau der klassischen Jugendfreiwilligen-

dienste und die Anpassung des Fördervolumens an die aktuellen Bewerber-
zahlen des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ), des Freiwilligen Ökologischen
Jahres (FÖJ) und der Auslandsdienste unter Einbeziehung des Europäischen
Freiwilligendienstes (EFD) und entsprechend dem Trägerangebot auf 30 000
Plätze zu erhöhen;

l die Harmonisierung sozialrechtlicher und aufenthaltsrechtlicher Bestimmun-
gen für Freiwilligendienste in Europa als auch im außereuropäischen Aus-
land;

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/5175

l die Einrichtung vonModellprojekten zumAufbau generationsübergreifender
Freiwilligendienste;

l die Einrichtung von Modellprojekten zur Prüfung neuer Einsatzgebiete für
alle Freiwilligendienste im gemeinwohlorientierten Bereich;

l die Verbesserung der öffentlichen Wahrnehmung der Freiwilligendienste
durch Öffentlichkeits- und Informationsinitiativen;

l die Unterstützung der Träger und Einsatzstellen bei der Konzeption von Qua-
litätsstandards.

Ferner wird die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen und darüber zu berich-
ten, inwieweit ein Bundesfreiwilligendiensteplan und ein Bundesfreiwilligen-
dienstegesetz die Freiwilligendienste nachhaltig sichern und fördern können.
Der Bericht sollte vor Abschluss der Haushaltsberatungen für das Haushaltsjahr
2006 – spätestens bis zum Ablauf der 15. Wahlperiode – vorliegen.

Berlin, den 17. März 2005

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Kerstin Griese
Vorsitzende

Anton Schaaf
Berichterstatter

Thomas Dörflinger
Berichterstatter

Jutta Dümpe-Krüger
Berichterstatterin

Ina Lenke
Berichterstatterin

Drucksache 15/5175 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Anton Schaaf, Thomas Dörflinger, Jutta Dümpe-Krüger
und Ina Lenke

I. Überweisung
Der Antrag auf Drucksache 15/4395 wurde in der 145. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 2. Dezember 2004 dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
federführenden Beratung sowie dem Haushaltsausschuss zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt des Antrags
Der Antrag stellt heraus, eine zukunftsfähige Bürgergesell-
schaft sei auf freiwilliges Engagement von Bürgerinnen und
Bürgern angewiesen. Um künftig die Bürgergesellschaft zu
stärken und mehr Menschen für ein gesellschaftliches Enga-
gement zu motivieren, müssten bewährte Formen des frei-
willigen Engagements ausgebaut, aber auch neue Wege
gewählt werden. Die schon bestehenden Jugendfreiwilligen-
dienste müssten verstärkt gefördert werden. Zudem sei es
notwendig, neue Formen generationsübergreifender Freiwil-
ligendienste zu schaffen. Ziel für die Zukunft der Freiwilli-
gendienste sei es deshalb, zum einen die Akzeptanz der Frei-
willigendienste in der Bevölkerung zu verbessern und zum
anderen möglichst allen interessierten Bewerberinnen und
Bewerbern einen Freiwilligenplatz anbieten zu können.
In Deutschland hätten sich bis heute mehr als 300 000 Frei-
willige im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und im Freiwilli-
gen Ökologischen Jahr (FÖJ) engagiert. Insbesondere in den
letzten zehn Jahren sei die Nachfrage gerade bei jungen
Menschen stetig gestiegen. Die Träger der Freiwilligen-
dienste hätten bestätigt, dass sie innerhalb kurzer Zeit die
Anzahl der FSJ-Plätze auf etwa 30 000 erhöhen könnten, da
die Anzahl der jungen Menschen, die sich um einen Freiwil-
ligendiensteplatz bewürben, noch wesentlich höher sei.
Die Freiwilligendienste böten als Lernort für bürgerschaft-
liches Engagement einen Spielraum für die unterschiedlichs-
ten Formen des Experimentierens und des Ausprobierens
sowie Erfahrungsräume und Lernmöglichkeiten gesell-
schaftlicher Partizipation. Sie seien aber auch wichtige Lern-
orte zwischen Schule und Beruf. Sie böten jungen Menschen
nach abgeschlossener Schulausbildung oder in der weiteren
Ausbildungsphase neue Lernerfahrungen, vermittelten ihnen
wichtige soziale und interkulturelle Fähigkeiten, böten
Orientierung und Selbständigkeit, Selbstbewusstsein sowie
Eigen- und Fremdverantwortung. Die hohe Zahl an Bewer-
berinnen und Bewerbern für die gesetzlich geregelten Frei-
willigendienste zeige, dass das gesellschaftliche Potenzial
weit über den bisher geförderten Freiwilligenplätzen liege.
Freiwilliges Engagement ende jedoch nicht bei einer be-
stimmten Altersgrenze. Es müssten deshalb generations-
übergreifende Freiwilligendienste und Bürgerschaftliches
Engagement in der Nacherwerbsphase oder als Chance für
eine berufliche Neuorientierung erprobt werden. Angesichts
der zu erwartenden demografischen Entwicklung in den
nächsten Jahrzehnten könne unsere Gesellschaft nicht auf
das aktive Engagement älterer Menschen verzichten. Aber
auch Menschen in der Erwerbs- und Familienphase könnten

Freiwilligendienste leisten. Die Entwicklung neuer genera-
tionsübergreifender Freiwilligendienste erfordere Verände-
rungen in den Trägerorganisationen und Einsatzstellen und
eine weitere Öffnung der Einsatzbereiche.
Der Antrag verweist weiterhin auf die Empfehlungen der
Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen
Engagements“ vom Juni 2002, den Bericht „Perspektiven
für Freiwilligendienste und Zivildienst in Deutschland“ der
Kommission „Impulse für die Zivilgesellschaft“ vom Januar
2004 sowie die laufenden Beratungen im Unterausschuss
„Bürgerschaftliches Engagement“.
Bisher sei die Einrichtung von Freiwilligenplätzen vor allem
abhängig von Entwicklungen im Kinder- und Jugendplan
(KJP). Ein geeignetes Instrument, die Voraussetzungen und
Rahmenbedingungen für den neuen generationsübergreifen-
den Freiwilligendienst für alle Altersgruppen zu konkretisie-
ren und Ländern, Kommunen und Trägern Planungssicher-
heit zu geben, könnten demgegenüber ein zu schaffender
Bundesfreiwilligendiensteplan und ein Bundesfreiwilligen-
dienstegesetz sein. Der Antrag empfiehlt daher, die Bundes-
regierung zu einer entsprechenden Prüfung aufzufordern.
Der Bericht hierüber sollte vor Abschluss der Haushaltsbera-
tungen für das Haushaltsjahr 2006 – spätestens bis zum
Ablauf der 15. Wahlperiode – vorliegen. Der Antrag enthält
weiterhin eine Reihe von Empfehlungen an die Bundes-
regierung, damit verbesserte Rahmenbedingungen für die
Freiwilligendienste geschaffen werden könnten, um die klas-
sischen Freiwilligendienste, den Europäischen Freiwilligen-
dienst und die Auslandsdienste weiterzuentwickeln sowie
generationsübergreifende Freiwilligendienste zu erproben.

III. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses
Der Haushaltsausschuss hat in seiner 72. Sitzung am
16. März 2005 die Annahme des Antrags in der eingangs in
der Beschlussempfehlung wiedergegebenen Fassung emp-
fohlen. Der entsprechende Änderungsantrag werde in seinen
Teilen I und III einvernehmlich und hinsichtlich seines
Teils II mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktion der
CDU/CSU zur Annahme empfohlen.

IV. Stellungnahme des Unterausschusses
IV. „Bürgerschaftliches Engagement“
Der Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ hat in
seiner Sitzung am 9. März 2005 über den Antrag auf Druck-
sache 15/4395 beraten und folgende Stellungnahme abgege-
ben:
Der Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engagement“
– begrüßt einstimmig die vorgeschlagenen Verbesserungen

der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Entwicklung
der klassischen Jugendfreiwilligendienste, des Euro-
päischen Freiwilligendienstes und der generationsüber-
greifenden Freiwilligendienste,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/5175

– stellt fest, dass damit u. a. auch eine Empfehlung der
Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen
Engagements“ umgesetzt werden soll, die diese in ihrem
Abschlussbericht gegeben hat.

V. Beratungsverlauf und Beratungsergebnis
V. im federführenden Ausschuss für Familie,
V. Senioren, Frauen und Jugend
1. Abstimmungsergebnis
Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat
die Vorlage in seiner 53. Sitzung am 16. März 2005 beraten
und einstimmig empfohlen, den Antrag auf Drucksache
15/4395 in der eingangs in der Beschlussempfehlung wie-
dergegebenen Fassung anzunehmen. Zuvor war über die Ab-
schnitte des Antrags mit den empfohlenen Änderungen ein-
zeln abgestimmt worden. Dabei wurden die Abschnitte I und
III ebenfalls einstimmig befürwortet. Der Abschnitt II fand
die Zustimmung aller Fraktionen im Ausschuss mit Ausnah-
me der Fraktion der CDU/CSU, die dagegen gestimmt hat.
2. Inhalt der Ausschussberatungen
In den Beratungen im Ausschuss haben die Vertreterinnen
und Vertreter aller Fraktionen die Bedeutung der Freiwilli-
gendienste hervorgehoben. Es wurde deshalb nachdrücklich
begrüßt, dass der Antrag in der nunmehr empfohlenen

Fassung zu großen Teilen von allen Fraktionen mitgetragen
werde.
Gegenüber der ursprünglichen Fassung des Antrags werde
durch die empfohlenen Änderungen im Wesentlichen die
Gliederung verändert und im Hinblick auf die Harmonisie-
rung der Bestimmungen für die Freiwilligendienste in Euro-
pa eine zusätzliche Forderung eingefügt.
Generell sei es wichtig, sehr deutlich zu machen, dass mehr
Bürgerschaftliches Engagement – sowohl Jugendfreiwilli-
gendienste als auch generationsübergreifende Freiwilligen-
dienste – dringend benötigt werde. Beispielhaft wurde
darauf hingewiesen, dass in den Beratungen des Unteraus-
schusses „Bürgerschaftliches Engagement“ die Vertreterin-
nen und Vertreter der Freiwilligendienste deutlich gemacht
hätten, wie wichtig der Ausbau der klassischen Jugendfrei-
willigendienste auf die geforderten 30 000 Plätze sei. Zur
Organisation und Konzeption der generationsübergreifenden
Freiwilligendienste seien sicherlich noch weitere detaillierte
Überlegungen erforderlich.
Der Vertreter der Bundesregierung wies darauf hin, dass der
vorliegende Antrag auch das widerspiegele, was bereits in
den Empfehlungen der Kommission „Impulse für die Zivil-
gesellschaft“ seinen Niederschlag gefunden habe. Die Bun-
desregierung sei davon überzeugt, dass die Stärkung und
der Ausbau der Freiwilligendienste für junge Menschen
sowie die Entwicklung der generationsübergreifenden Frei-
willigendienste eine über alle Parteigrenzen hinweg zu
bewältigende gesellschaftspolitische Aufgabe darstelle.

Berlin, den 17. März 2005
Anton Schaaf
Berichterstatter

Thomas Dörflinger
Berichterstatter

Jutta Dümpe-Krüger
Berichterstatterin

Ina Lenke
Berichterstatterin

x

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