BT-Drucksache 15/5163

Mutilateralismus versus Regionalismus als Chance oder als Gefahr für den Welthandel

Vom 15. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5163
15. Wahlperiode 15. 03. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Erich G. Fritz, Dr. Michael Fuchs, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef
Laumann, Veronika Bellmann, Dr. Rolf Bietmann, Wolfgang Börnsen (Bönstrup),
Alexander Dobrindt, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Hans-Joachim Fuchtel,
Dr. Reinhard Göhner, Kurt-Dieter Grill, Siegfried Helias, Ernst Hinsken, Robert
Hochbaum, Volker Kauder, Dr. Martina Krogmann, Dr. Hermann Kues, Wolfgang
Meckelburg, Laurenz Meyer (Hamm), Dr. Joachim Pfeiffer, Ronald Pofalla,
Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber, Franz Romer, Kurt J. Rossmanith,
Hartmut Schauerte, Johannes Singhammer, Matthäus Strebl und der Fraktion
der CDU/CSU

Multilateralismus versus Regionalismus als Chance oder als Gefahr für den
Welthandel

Die Zahl regionaler Handelsabkommen hat seit den neunziger Jahren erheblich
zugenommen. Die meisten der Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO)
sind Vertragspartner innerhalb eines oder mehrerer regionaler Handelsabkom-
men. Über 300 regionale Handelsabkommen wurden beim GATT (Allgemeines
Zoll- und Handelsabkommen) bzw. derWTO bis Oktober 2004 notifiziert. Welt-
weit sind zurzeit 150 regionale Handelsabkommen in Kraft; weitere 70 werden
angewandt, obwohl sie nicht offiziell notifiziert worden sind. Bis zum Ende des
Jahres 2007 wird die Zahl in Kraft getretener regionaler Handelsabkommen
wahrscheinlich etwa 300 betragen. Weitere Verhandlungen zwischen WTO-
Mitgliedern sind auf dem Wege bzw. angedacht. Nur drei WTO-Mitglieder, die
Mongolei, Taiwan und (Chinesisch-)Macao, gehören keinem regionalen Han-
delsabkommen an.
Auch die EU ist von ihremBeschluss, vorrangig denmultilateralenWeg zu gehen,
verschiedentlich abgerückt. Dies zeigen die Beispiele des bereits abgeschlossenen
EU-Freihandelsabkommens mit Mexiko oder etwa die Verhandlungen der EU
über ein Freihandelsabkommen mit dem Mercosur, dem Golf-Kooperationsrat,
Albanien und den AKP-Staaten über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen.
Trotz des Bekenntnisses der Bundesregierung, dass der multilaterale Rahmen
weiterhin der bevorzugte Weg für die Gestaltung der weltweiten Handelsbezie-
hungen ist und neue Freihandelsverhandlungen bis zum Abschluss der WTO-
Verhandlungen grundsätzlich nicht begonnen werden, ist der Bundesminister für
Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, anlässlich der 10. Asien-Pazifik-
Konferenz der Deutschen Wirtschaft für ein bilaterales Handelsabkommen zwi-
schen der EU und ASEAN eingetreten.
Bi- und multilaterale Freihandelsabkommen widersprechen dem Nichtdiskrimi-
nierungsgrundsatz der WTO und können einen Schaden für den Welthandel
bedeuten, wenn sie zur bevorzugten Form der Durchsetzung handelspolitischer
Interessen werden.

Drucksache 15/5163 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Vor- bzw. Nachteile sieht die Bundesregierung in der multilateralen

Gestaltung der weltweiten Handelsbeziehungen, welche in der regionalen?
2. Welche Handelspartner der EU haben Interesse an der Aufnahme von Ver-

handlungen über bilaterale Freihandelsabkommen geäußert?
Mit welchen Handelspartnern plant die EU, Verhandlungen über bilaterale
oder regionale Freihandelsabkommen aufzunehmen?

3. Nach welchen Kriterien beurteilt die Bundesregierung Vorstöße von Han-
delspartnern, mit der EUVerhandlungen über Freihandelsabkommen aufzu-
nehmen?

4. Versucht die Bundesregierung die Regeln der WTO in Bezug auf regionale
und bilaterale Abkommen weiterzuentwickeln?
Wenn ja, wie?

5. Welche Gründe stecken aus Sicht der Bundesregierung hinter der zuneh-
menden Zahl präferentieller und regionaler Handelsabkommen und was ge-
denkt die Bundesregierung zu tun, um das wachsende Bestreben nach bila-
teralen und regionalen Freihandelsabkommen einzudämmen?

6. Wie bewertet die Bundesregierung Bestrebungen von WTO-Mitgliedern,
im Interesse des eigenen Landes nicht auf weitere Liberalisierungsschritte
der WTO warten zu wollen, sondern durch den Abschluss von Freihandels-
abkommen über den WTO-Rahmen hinaus auch Vereinbarungen über Um-
welt- oder Sozialstandards, Investitionen oder Wettbewerb zu treffen?

7. Hält die Bundesregierung es ordnungspolitisch für vertretbar, Handelsab-
kommen zur Durchsetzung anderer Ziele abzuschließen, und wenn ja, aus
welchen Gründen?
Welche Ziele kann sich die Bundesregierung für bilaterale/regionale Ab-
kommen vorstellen?

8. Geht die Bundesregierung davon aus, dass deutschen Unternehmen durch
die stetig wachsende Zahl bilateraler und regionaler Freihandelsabkommen
Nachteile entstehen?

9. Kann die Bundesregierung die Höhe der Kosten beziffern, die deutschen
Unternehmen durch die durch regionale Freihandelsabkommen verursachte
Bürokratie wie etwa Ursprungsnachweise oder Informationsbeschaffung
über unterschiedliche Regelungen entstehen?

10. Wie beurteilt die Bundesregierung ein mögliches Freihandelsabkommen
zwischen den USA und der EU?

11. Wie beurteilt die Bundesregierung ein mögliches Freihandelsabkommen
zwischen Kanada und der EU?

12. Wie steht die Bundesregierung zu bilateralen Abkommen der USA mit Jor-
danien, Singapur und anderen Staaten, die sich vorwiegend mit der Durch-
setzung von Sozialstandards beschäftigen?

13. Wie beurteilt die Bundesregierung das von der europäischen Wirtschaft an-
geregte Handels- und Investitionsabkommen zwischen den USA und der
EU, das nichttarifäre Handelsbarrieren und Investitionsbeschränkungen
abbauen und zu einer besseren Zusammenarbeit im regulatorischen Bereich
durch die Anerkennung und Harmonisierung unterschiedlicher Standards
und Normen führen soll, Zollsenkungen jedoch ausschließt?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/5163

14. Welche Maßnahmen müssen nach Auffassung der Bundesregierung ergrif-
fen werden, um eine Überprüfung der WTO-Kompatibilität von bilateralen
und regionalen Freihandelsabkommen sicherzustellen, bzw. wie kann nach
Auffassung der Bundesregierung der Sanktions- bzw. Strafmechanismus
der WTO hinsichtlich präferentieller und regionaler Handelsabkommen
effizienter gestaltet werden?

15. Wird die Bundesregierung an ihrem Bekenntnis, dass der multilaterale
Rahmen weiterhin der bevorzugte Weg für die Gestaltung der weltweiten
Handelsbeziehungen ist, auch festhalten, wenn auf der 6. WTO-Minister-
konferenz in Hongkong im Dezember 2005 kein Abschluss der Gesamtver-
handlungen im Rahmen der Doha-Runde erzielt werden wird?
Wenn nein, wie gedenkt die Bundesregierung zu verhindern, dass sich der
von den Handelspartnern der EU forcierte Abschluss von bilateralen und
regionalen Freihandelsabkommen nicht nachteilig auf die EU-Staaten aus-
wirkt?

Berlin, den 15. März 2005
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Dagmar Wöhrl
Karl-Josef Laumann
Veronika Bellmann
Dr. Rolf Bietmann
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Alexander Dobrindt
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof)
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Reinhard Göhner
Kurt-Dieter Grill
Siegfried Helias
Ernst Hinsken
Robert Hochbaum
Volker Kauder
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Wolfgang Meckelburg
Laurenz Meyer (Hamm)
Dr. Joachim Pfeiffer
Ronald Pofalla
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Hartmut Schauerte
Johannes Singhammer
Matthäus Strebl
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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