BT-Drucksache 15/5058

Ausbildung der Strahlflugzeugführer der Bundeswehr

Vom 8. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5058
15. Wahlperiode 08. 03. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christian Schmidt (Fürth), Ulrich Adam, Ernst-Reinhard
Beck (Reutlingen), Jürgen Herrmann, Thomas Kossendey, Dr. Karl A. Lamers
(Heidelberg), Ursula Lietz, Dr. Gerd Müller, Hans Raidel, Helmut Rauber,
Kurt J. Rossmanith, Anita Schäfer (Saalstadt), Bernd Siebert und der Fraktion
der CDU/CSU

Ausbildung der Strahlflugzeugführer der Bundeswehr

Die Ausbildung der Strahlflugzeugführer bei der Luftwaffe zählt zu den beson-
ders qualifiziertenAusbildungsgängen in der Bundeswehr. Erst nach einem lang-
wierigenAuswahlverfahren, einer intensivenAusbildung und einerErfahrung im
Einsatz ist ein Flugzeugführer in der Lage, ein Kampfflugzeug umfassend zu be-
herrschen. Angesichts der enormen physischen und psychischen Belastungen,
des wachsenden Aufgabenumfangs und der zunehmenden Komplexität moder-
ner Kampfflugzeuge werden die Herausforderungen an die Flugzeugbesatzun-
gen, insbesondere an die Flugzeugführer und Waffensystemoffiziere, in der
Zukunft nicht geringer ausfallen, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit noch
wachsen.
Dem Faktor „Mensch“ kommt trotz verbesserter Technik in modernen Kampf-
flugzeugen auch in Zukunft die entscheidende Rolle zu. Er ist aber zugleich im
System „Mensch/Maschine“ der schwächste Punkt. Optimierte Flugsicherheits-
bestimmungen und fortschreitende technische Perfektionierung der Kampfflug-
zeuge allein werden Flugunfälle, die auf menschliches Versagen zurückzuführen
sind, nicht generell ausschließen können. Vielmehr ist eine sorgfältige und um-
fassende Ausbildung mit beständiger Wiederholung eingeübter Handgriffe und
Verfahren notwendig, um das Risiko eines Flugunfalls so weit wie möglich zu
verringern.
Zu Zeiten des Ost-West-Konflikts verlangten die Standards des Nordatlanti-
schen Verteidigungsbündnisses (NATO) im Rahmen des TCTP (Taktisches Flie-
gerausbildungsprogramm) in der Regel 240, mindestens jedoch 180 Jahresflug-
stunden für voll einsatzfähige (combat ready) Strahlflugzeugführer. Diese
Forderung wurde bei den jährlichen Einsatzbereitschaftsüberprüfungen der
NATO (TACEVAL) abgeprüft. Sie basierte auf dem Prinzip der sofortigen Ein-
satzbereitschaft, um mögliche Überraschungsangriffe eines potenziellen Geg-
ners abwehren und den Aufmarsch der eigenen Landstreitkräfte sichern zu kön-
nen. Die Zahl 240, die bereits damals nicht immer und nicht von allen
Einsatzpiloten erreicht und mit Ausnahme der Piloten der US Air Force zumeist
unterschritten wurde, gilt noch heute in den einschlägigen NATO-Vorschriften
als verbindlich.
Seit Ende der Ost-West-Konfrontation in Europa haben sich die Anforderungen
an das Einsatzspektrum der Strahlflugzeugführer verändert. Zugleich haben
Flugunfälle in den zurückliegenden Monaten in der Öffentlichkeit und in den

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Medien die Frage aufgeworfen, ob die Ausbildungsinhalte noch hinreichend
vermittelt werden können. Insbesondere die Zahl der Flugstunden ist dabei ein
Punkt wachsender Kritik.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wodurch begründet sich die sinkende Zahl an Flugstunden, obwohl fliegen-

de Verbände geschlossen wurden oder vor der Schließung stehen (Memmin-
gen, Rheine, Jever)?
Wenn es sich um reduzierte Finanzmittel für die fliegerische Ausbildung
handeln sollte, ist eine Umsteuerung von Finanzmitteln vorgesehen mit dem
Ziel, die Flugstundenanzahl wieder zu erhöhen?

2. Wie viele Flugstunden gemäß NATO-Standards und TCTP sind aktuell für
die einzelnen fliegerischen Leistungskategorien „non combat ready“,
„limited combat ready“ und „combat ready“ vorgesehen?

3. Welche Zusatzausbildung und wie viele Flugstunden sind vorgesehen, um
Luftfahrzeugführer mit dem Ausbildungsstand „non combat ready“ zum
Ausbildungsstand „combat ready“ zu bringen?

4. Müssen Flugstunden für die Inhaber der Stufe „combat ready“ reduziert
werden, um „non combat ready“-Piloten voll einsatzfähig zu machen?

5. Wie viele Flugstunden werden in den einzelnen Leistungs- und Streitkräfte-
kategorien (Eingreif-, Stabilisierungs-, Unterstützungskräfte) tatsächlich
durchschnittlich erbracht?
Falls diese Zahl unter der geforderten Leistung nach NATO-Standards liegt,
warum wird die Flugstundenzahl unterschritten?

6. Hält das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) den Ausbildungs-
stand der Luftfahrzeugbesatzungen angesichts wachsender Komplexität
moderner Kampfflugzeuge und angesichts steigender Anforderungen an die
Flugzeugführer für ausreichend?
Ist daran gedacht, die Jahresflugstundenzahl zu erhöhen?

7. Liegen dem BMVg Erkenntnisse darüber vor, welche Jahresflugstunden-
zahl in den Luftstreitkräften der USA, Großbritanniens und Frankreichs
geflogen werden?

8. Wie viel Prozent der Flugstunden der Kampfpiloten werden im Simulator
absolviert, vor dem Hintergrund, dass die Ausbildung im Flugsimulator die
Vorübung komplexer Szenarien wie z. B. Triebwerksausfall oder Einsatz
von EloKa-Verfahren (EloKa: Elektronische Kampfführung) ermöglicht?

9. In welchem Verhältnis von Simulator- zu Luftfahrzeugausbildung werden
die Flugstunden gemäß NATO-Standards tatsächlich erbracht?

10. Wo ist die vertretbare Grenze in der Verteilung von Simulatorflugstunden zu
Luftfahrzeugflugstunden festgelegt?
Welche Kostenersparnisse hat der Simulationsflug gegenüber dem realen
Flug?

11. Ist es beabsichtigt, die Kategorie „mission ready“ bzw. „mission capable“
bei der Luftwaffe oder beim Heer einzuführen?

12. Findet wie in der Vergangenheit Hochwertausbildung bei der Luftwaffe
noch statt?
Wenn ja, wo und in welchen Bereichen?

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Wird die Qualität dieser Hochwertausbildung angesichts komplexer Szena-
rien für ausreichend erachtet?

13. Wie viele Luftfahrzeugbesatzungen erhalten eine Hochwertausbildung?
Nach welchen Gesichtspunkten erfolgt die Auswahl der Flugzeugführer?

14. Welche Ausbildungsinhalte müssen Inübunghalter zwingend durchlaufen
und welche Ausbildungsinhalte sind für sie definitiv nicht vorgesehen?

15. Wie viele Jahresflugstunden sind für Inübunghalter vorgesehen?
Wie viele Inübunghalter sind derzeit bei der Luftwaffe eingeplant, wie hat
sich ihre Zahl seit 1990 verändert und in welchen Funktionen dienen sie?

16. Ist beabsichtigt, die Zahl der Inübunghalter nach der bereits beschlossenen
Schließung fliegender Truppenteile weiter anzupassen?

17. Womit wird die Notwendigkeit der Inübunghalter begründet, nachdem das
Argument der Reservebildung zunehmend an Gewicht verliert?

18. Sind mit der Einführung des Eurofighters Veränderungen bzw. Anpassun-
gen der fliegerischen Hochwertausbildung vorgesehen?

19. Wie werden die Ausbildungsverluste für die Luftfahrzeugbesatzungen kom-
pensiert, insbesondere vor dem Hintergrund der Rolle der Luftwaffe im
Bereich der neuen Aufgaben wie z. B. NATO-Response-Force?

20. Hat die Unfallursache „menschliches Versagen“ im Vergleich zu techni-
schen und anderen Ursachen bei den Flugunfällen seit 1990 zugenommen?
Wenn ja, in welchem Umfang?

Berlin, den 8. März 2005
Christian Schmidt (Fürth)
Ulrich Adam
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Jürgen Herrmann
Thomas Kossendey
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)
Ursula Lietz
Dr. Gerd Müller
Hans Raidel
Helmut Rauber
Kurt J. Rossmanith
Anita Schäfer (Saalstadt)
Bernd Siebert
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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