BT-Drucksache 15/505

Folgen und Auswirkungen der behördlichen Neuordnung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes sowie der Gentechnik im Bereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

Vom 18. Februar 2003


Deutscher Bundestag Drucksache 15/505
15. Wahlperiode 18. 02. 2003

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ursula Heinen, Helmut Heiderich, Peter H. Carstensen
(Nordstrand), Gerda Hasselfeldt, Albert Deß, Peter Bleser, Jochen Borchert,
Cajus Caesar, Gitta Connemann, Hubert Deittert, Thomas Dörflinger, Dr. Maria
Flachsbarth, Uda Carmen Freia Heller, Susanne Jaffke, Dr. Peter Jahr, Julia
Klöckner, Marlene Mortler, Dr. Peter Paziorek, Heinrich-Wilhelm Ronsöhr,
Dr. Klaus Rose, Norbert Schindler, Georg Schirmbeck, Bernhard Schulte-
Drüggelte, Kurt Segner, Jens Spahn, Max Straubinger, Volkmar Uwe Vogel
und der Fraktion der CDU/CSU

Folgen und Auswirkungen der behördlichen Neuordnung des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes sowie der Gentechnik im Bereich des Bundesministeriums
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

Mit dem Gesetz zur Neuorganisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes
und der Lebensmittelsicherheit (Neuorganisationsgesetz), das zum 1. Novem-
ber 2002 in Kraft trat, fand der Prozess der Neuordnung der Verwaltung zur
Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes seinen Abschluss. Die-
ser Prozess wurde in Gang gesetzt durch die in der BSE-Krise offenkundig ge-
wordenen Mängel und Versäumnisse in der behördlichen Struktur der Lebens-
mittelsicherheit. Diese Erkenntnis führte zu dem entsprechenden Gutachten der
Präsidentin des Bundesrechnungshofes, Hedda von Wedel, als Bundesbeauf-
tragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung mit darin enthaltenen Empfeh-
lungen zur Neustrukturierung und mündete in dem genannten Gesetz. Durch
das Neuorganisationsgesetz wurden vor allem das Bundesinstitut für gesund-
heitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) zerschlagen und
das Bundesinstitut für Risikobewertung und -kommunikation (BfR) und die
Bundesanstalt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) an sei-
ner Stelle gegründet.
Im Bereich der Gentechnik haben sich mit der 15. Legislaturperiode bedeu-
tende Änderungen ergeben. Mit Organisationserlass des Bundeskanzlers vom
22. Oktober 2002 wurde die federführende Zuständigkeit für den Aufgabenbe-
reich Gentechnik vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Siche-
rung (BMGS) auf das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft (BMVEL) übertragen. Damit liegt beim BMVEL u. a. die
federführende Zuständigkeit für das Gentechnikgesetz. Hiermit verbunden ist
die Neuzuordnung von damit betrauten nachgeordneten Bundesbehörden und
Instituten, insbesondere dem Robert Koch-Institut (RKI), das bisher zuständig
für die biologische Sicherheitsbewertung transgener Nutzpflanzen sowie Ge-
nehmigungsbehörde für Freisetzung und Inverkehrbringen gentechnisch verän-
derter Organismen (GVO) ist, sowie dem Umweltbundesamt (UBA) und der
Biologischen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Forsten (BBA), die bisher

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Einvernehmensbehörde waren. Der hierzu gehörige Organisationserlass des
BMVEL fehlt allerdings bis jetzt.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Weshalb hat die Bundesregierung im September 2002 ein Consulting-

Unternehmen mit der exakten Aufgabenabgrenzung zwischen BfR und
BVL beauftragt, wie aus dem Haushaltsentwurf 2003 (Einzelplan 10
„Gesamtübersicht über Neuordnung im Forschungsbereich“ Kapitel 10 09
bis 10 12, S. 149 Nr. 2) ersichtlich, wenn die Aufgabenverteilung doch aus
dem Von-Wedel-Gutachten hervorging sowie im Neuorganisationsgesetz
festgelegt wurde, d. h. was für Aufgaben mussten noch verteilt werden?

2. Weshalb hatte das Consulting-Unternehmen bis Ende Januar 2003 für das
Gutachten Zeit, wenn das bisherige BgVV schon zum 1. November 2002
aufgelöst und das BfR bereits gegründet wurde und seine Arbeit aufgenom-
men hat?

3. Zu welchem über die Aufgabenfestlegungen des Neuorganisationsgesetzes
hinausgehenden Ergebnis gelangt dieses Gutachten?

4. Welche Empfehlungen des Gutachtens werden nicht umgesetzt und warum?
5. Aus welchen Gründen soll das BVL die ausschließliche Zuständigkeit und

den Zugang zur Datensammlung und -aufbereitung erhalten, wenn Risiko-
bewertung von Daten doch beim BfR erfolgen soll?

6. Aus welchen Gründen soll das BVL die Aufgabe des Referenzlabors wahr-
nehmen, wenn die wissenschaftlichen Aufgaben doch grundsätzlich beim
BfR liegen?

7. Wie ist das Verhältnis von BVL und BfR zum BMVEL ausgestaltet, d. h.
welche Berichtspflichten und Meldepflichten gibt es untereinander und ge-
genüber dem BMVEL und an welche Stelle im BMVEL muss berichtet
werden?

8. Welche vormals dem BMVEL zustehenden Managementaufgaben wurden
im Einzelnen durch das Neuorganisationsgesetz dem BVL übertragen, auf
dass Managementaufgaben laut Gesetzesbegründung ausdrücklich „abge-
schichtet“ werden sollten?

9. Welche Einflussmöglichkeiten hat das BMVEL nach der Neuordnung im
Neuorganisationsgesetz auf die Management-Tätigkeit des BVL und wel-
che Einflussmöglichkeiten auf die Kommunikationstätigkeit des BfR?

10. Wie nimmt das BVL seine Koordinierungstätigkeit wahr, zum Beispiel
beim Minimierungskonzept für Acrylamid und dem Coppenrath-Tortenfall,
bei dem die Länder am selben Tag Pressemitteilungen entgegengesetzter
Richtung veröffentlichten?
a) Welche Befugnisse hat es gegenüber den Ländern, um seine koordinie-

renden Maßnahmen und Vorschläge umzusetzen?
b) Wie stellt es eine einheitliche Informationstätigkeit in den Ländern

sicher?
11. Welche Pflichten haben die Länder gegenüber dem BVL in Bezug auf ein-

heitliche Informationstätigkeit und einheitliches Vorgehen in der Futter- und
Lebensmitteluntersuchung und -bewertung und wo sind diese geregelt?

12. Durch welche Rechtsverordnungen mit welchem Inhalt hat das BMVEL
seine in § 44 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes vorgese-
hene Ermächtigungsgrundlage zur Vereinheitlichung der Lebensmittel-
überwachung ausgenutzt, um einheitliche Vorschriften über die Verfahren

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zur Probenahme und Untersuchung sowie über die personelle, apparative
und sonstige technische Mindestausstattung von Untersuchungsanstalten
und über die Voraussetzungen für die Zulassung privater Sachverständiger
als amtlich Untersuchungsbefugte zu erlassen?

13. Aus welchem Grund ist die Führungsebene des BfR, vormaligen BgVV,
die ganze 14. Wahlperiode über und auch jetzt noch unbesetzt geblieben,
und welche besonderen Qualifikationen werden in den Leitungspositionen
verlangt?

14. Aus welchen Gründen wurde die federführende Zuständigkeit und somit
die Rechts- und Fachaufsicht für die gesamte Gentechnik mit der 15. Wahl-
periode dem BMVEL übertragen?

15. Welche Behörde soll nun statt des RKI Genehmigungsbehörde nach dem
Gentechnikgesetz werden?

16. Welche Aufgaben und Zuständigkeiten sollen das BVL und das BfR nach
dem Gentechnikgesetz bekommen?

17. Welche Aufgaben und Zuständigkeiten im Bereich der Gentechnik werden
beim RKI verbleiben?

18. Sind Verlagerungen der Zuständigkeiten des UBA und der BBA, die bisher
Einvernehmensbehörden für die Genehmigungen zu Freisetzungen und
dem Inverkehrbringen waren, auch in Bezug auf ein novelliertes Gentech-
nikgesetz, geplant?

19. Welche Gründe sprechen für das Vorhaben der Bundesregierung, dem Bun-
desamt für Naturschutz (BfN) die Zuständigkeit für die Grüne Gentechnik
als Einvernehmensbehörde an Stelle des UBA zu übertragen in Anbetracht
der Tatsache, dass das UBA von seiner Grundausrichtung der medienüber-
greifenden Umweltbeobachtung heraus einen viel weiteren Focus als das
BfN hat, dessen Zuständigkeit Naturschutz nur eine Teilmenge des Auf-
gabenbereichs des UBA darstellt?

20. Welche Rolle spielt bei dieser Entscheidung die Auffassung des Präsiden-
ten des BfN, Prof. Dr. Hartmut Vogtmann, zur Grünen Gentechnik?

21. Wie würde das BfN gewährleisten, dass die nicht direkt im Zusammenhang
mit Naturschutz zu berücksichtigenden Gesichtspunkte mit Querschnitts-
charakter (z. B. Bezüge zum Pflanzenschutzgesetz, Biozidgesetz, Wasch-
und Reinigungsmittelgesetz, Bodenschutzgesetz, Beachtung von Ökobilan-
zen, integrierter und umweltbezogener Produktpolitik), die bisher beim
UBA in die Bearbeitung einbezogen wurden, bei der Bewertung eines gen-
technisch veränderten Organismus` zwecks Zulassung als Lebensmittel,
Freisetzung oder dem Inverkehrbringen sachgerecht und fachlich kompetent
für die Stellungnahmen als Einvernehmensbehörde aufgearbeitet werden?

22. Welche Vorteile sieht die Bundesregierung darin, das international renom-
mierte RKI durch die Neuordnungen zu zerschlagen und stattdessen das
neue BfR, BVL und das UBA bzw. das BfN als Genehmigungs- und Ein-
vernehmensbehörden zu beauftragen?

23. Ist vorgesehen, außer bei der Gentechnik noch weitere Aufgabenverschie-
bungen zwischen UBA und BfN vorzunehmen, und wenn ja, welche?

24. Welche organisatorischen und finanziellen Konsequenzen wird die neue
Zuordnung der Zuständigkeiten auf das bisher für diesen Bereich vorgese-
hene Personal und die Ausstattung des RKI, des BVL und des BfR haben?

25. In welcher Form und in welcher Höhe wird sich die Zuständigkeit für die
Gentechnik im Haushalt des BMVEL und in der Öffentlichkeitsarbeit nie-
derschlagen, insbesondere bei Maßnahmen der Bundesregierung zur Ver-
braucheraufklärung, bei Maßnahmen zur Grünen Gentechnik und ihrem
Ernährungsbezug, bei Wettbewerben und Ehrenpreisen?

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26. Welche Informationsveranstaltungen, Kongresse und Tagungen plant das
BMVEL bzw. wird es im Zusammenhang mit seiner Zuständigkeit für die
Gentechnik unterstützen?

27. Welche Erwartungen hat die Bundesregierung an die Fortführung des
„Diskurs Grüne Gentechnik“ – der Haushaltsentwurf, Einzelplan 10 Titel
545 01 Ziffer 4.2, sieht dafür 230 000 Euro vor –; teilt sie insoweit die Auf-
fassung, dass der bisher über ca. ein Jahr geführte und September 2002
abgeschlossene Diskurs außer einem intensiven Meinungsaustausch keine
praktischen Konsequenzen oder praktischen Lösungsvorschläge erbracht
hat, und wenn nein, warum nicht?

28. Welche Maßnahmen zu einem einheitlichen Analyseverfahren und quanti-
tativen Messverfahren zur Ermittlung von Schwellenwerten bei unbeab-
sichtigter Präsenz von GVO in Saatgut, Lebensmittel und Futtermittel plant
die Bundesregierung?

29. Welche Einflüsse erwartet die Bundesregierung aus dieser Umorganisation
auf die Genehmigungen von Freisetzungsanträgen, auf die Stellungnahmen
zu Sortenzulassungen und auf die Genehmigungen zum Inverkehrbringen
von GVO?

30. In welcher Weise wird die Bundesregierung die neue Organisationsstruktur
in die europäischen Verfahren und Behörden zur Zulassung, zum
Monitoring und zur Beurteilung von gentechnischen Genehmigungsanträ-
gen einbinden?

Berlin, den 14. Februar 2003
Ursula Heinen
Helmut Heiderich
Peter H. Carstensen (Nordstrand)
Gerda Hasselfeldt
Albert Deß
Peter Bleser
Jochen Borchert
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Dr. Maria Flachsbarth
Uda Carmen Freia Heller
Susanne Jaffke

Dr. Peter Jahr
Julia Klöckner
Marlene Mortler
Dr. Peter Paziorek
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Bernhard Schulte-Drüggelte
Kurt Segner
Jens Spahn
Max Straubinger
Volkmar Uwe Vogel
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