BT-Drucksache 15/5023

Patentverwertung der Hochschulen effizient fördern und weiterentwickeln

Vom 8. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5023
15. Wahlperiode 08. 03. 2005

Antrag
der Abgeordneten Vera Dominke, Katherina Reiche, Dr. Maria Böhmer, Thomas
Rachel, Dr. Christoph Bergner, Helge Braun, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land),
Helmut Heiderich, Volker Kauder, Michael Kretschmer, Werner Lensing, Dr. Martin
Mayer (Siegertsbrunn), Laurenz Meyer (Hamm), Bernward Müller (Gera), Uwe
Schummer, Marion Seib und der Fraktion der CDU/CSU

Patentverwertung der Hochschulen effizient fördern und weiterentwickeln

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Mit Gesetz vom 18. Januar 2002 ist § 42 des Arbeitnehmererfindungsgesetzes
novelliert worden. Die neue Regelung, die am 7. Februar 2002 in Kraft trat,
führte zur Abschaffung des so genannten Hochschullehrerprivilegs. Profes-
soren, Dozenten und wissenschaftliche Angestellte an Hochschulen dürfen seit-
dem nicht mehr frei über ihre Erfindungen verfügen, sondern sind – genau wie
Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft – dazu verpflichtet, ihre Erfindungen un-
verzüglich ihrer Arbeitgeberin, der Hochschule, zu melden. Diese kann die Er-
findung binnen einer Frist von vier Monaten in Anspruch nehmen mit der Folge,
dass dann alle kommerziellen Verwertungsrechte an dem Forschungsergebnis
auf sie übergehen. Nach Maßgaben der 1. Förderrichtlinie – Verwertungsför-
derung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 27. Juli 2001
fördert der Bund zudem die Einrichtung von Patent- und Verwertungsagenturen
(PVA). Mit beiden Maßnahmen verfolgt die Bundesregierung das Ziel, das
Patentaufkommen an deutschen Hochschulen zu steigern und den Wissens-
und Technologietransfer zwischen Hochschulen und außeruniversitären For-
schungseinrichtungen und der Wirtschaft zu fördern. Hierzu soll in Deutschland
eine professionelle Patent- und Verwertungsinfrastruktur entstehen; Hochschu-
len und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen auf der einen und profes-
sionelle regionale oder fachliche PVA auf der anderen Seite sollen partnerschaft-
lich zusammenarbeiten bei der Verwertung und Vermarktung von Forschungs-
ergebnissen.
Die Novellierung des § 42 Arbeitnehmererfindungsgesetz und die Einrichtung
von PVA haben in der Praxis zu einer Reihe von Problemen geführt:
Erhebliche Behinderungen entstehen im Zusammenhang mit der sog. Drittmit-
telforschung. Dass Hochschulprofessorinnen und -professoren aus sich heraus
patentierfähige Erfindungen präsentieren, ist im Hochschulbetrieb eher die
Ausnahme. In der Regel geben industrielle Auftraggeber die Problemstellungen
vor und liefern Know-how und Finanzierungsmittel; die Hochschule stellt ihre
Methoden- und Problemlösungskompetenz bereit. Die Hochschulen sind auf
diese Finanzierung von Forschungsvorhaben durch Drittmittelgeber zwingend
angewiesen. Eine Vielzahl von praxisorientierten Forschungsprojekten ließe
sich ohne Drittmittel der Industrie nicht realisieren, da die Hochschulen selbst

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in der Regel nicht für die Finanzierung kostenintensiver Forschungsvorhaben
aufkommen können. Insbesondere in technischen und praxisorientierten Stu-
diengängen ist eine Zusammenarbeit von Hochschulen und Wirtschaft un-
verzichtbar: Zahlreiche Studiengruppen, Diplomarbeiten und sonstige For-
schungsaktivitäten kommen hier ausschließlich über Forschungsaufträge und
Forschungskooperationen zustande. Die Hochschulen sind daher gerade im
technisch-naturwissenschaftlichen Bereich auf die Zusammenarbeit mit ihren
Industriepartnern angewiesen.
Für bestehende Drittmittelverträge zwischen Industrie und Hochschulen gab es
nach Inkrafttreten der Novelle des Arbeitnehmererfindungsgesetzes eine ein-
jährige Übergangsfrist, in der für Forschungsaufträge, Kooperationen, „Lehr-
stuhlverträge“ u. Ä. noch das alte Arbeitnehmererfindungsrecht galt. In dieser
Übergangszeit sollten Altverträge entweder der neuen Rechtslage angepasst
oder abgewickelt werden. Inzwischen ist diese Übergangsfrist abgelaufen und
alle Erfindungen unterliegen dem neuen Recht. Die hiernach erforderliche
Einbeziehung der Hochschule und damit auch der für sie tätigen PVA in das
vertragliche Verhältnis mit dem industriellen Auftraggeber oder Kooperations-
partner hat die Vertragsgestaltung im Rahmen der Auftragsforschung und der
Forschungskooperation erschwert und zu einer erheblichen Verlängerung der
Verfahrensdauer geführt. Vertragsverhandlungen und -abwicklungen werden
durch die verpflichtende Einbindung zu vieler Beteiligter mit unterschiedlichen
Interessenlagen – nämlich die der Hochschule, des Industriepartners, des Hoch-
schullehrers, eventuell seiner Assistenten und weiterer Hochschulangehörigen
sowie der für die Hochschule tätigen PVA – deutlich verkompliziert. Dies führt
zu Verunsicherungen auf Seiten der Industrie: Der industrielle Auftraggeber ist
nicht mehr sicher, dass er die Anrechte an den Forschungsergebnissen haben
wird. Hochschullehrer müssen fast schon Sorge haben, patentierfähige Ergeb-
nisse zu präsentieren, da sie dann in einen Konflikt zwischen ihrem Dienstherrn,
dem nach § 42 Arbeitnehmererfindungsgesetz die Verwertungsrechte zustehen,
und ihrem Auftraggeber geraten, der diese Ergebnisse selbst verwerten möchte.
Sie können sich z. B. nicht mehr von Anfang an zur Geheimhaltung und Über-
tragung der Rechte an potenziellen Erfindungen auf die Auftragsfirma ver-
pflichten, da diese Rechte bei der Hochschule liegen und sie verpflichtet sind,
die Hochschule über die Erfindung zu informieren.
Obwohl Erfindungen nur bei einem kleinen Teil der Kooperationen anfallen, ist
eine vorherige Regelung über die Verwertungsrechte zu treffen. Wenn aber in
dieser Frage keine Einigung erzielt wird, kommt schon gar kein Vertrag zu-
stande. Nach Angaben, insbesondere von Fachhochschulen und Unternehmen,
hat die neue Rechtslage in der Praxis dazu geführt, dass die Industrie bei der Ver-
gabe von Forschungsaufträgen an Hochschulen – und damit von Drittmitteln –
deutlich zurückhaltender ist bzw. dort, wo noch Forschungsaufträge erteilt wer-
den, die Zusammenarbeit mit den PVA der Hochschulen teils von vornherein
ausgeschlossen und die Verwertung der Ergebnisse mittels vertraglichem Ver-
zicht der Hochschule unmittelbar auf den Auftraggeber übertragen werden. So
lehnt beispielsweise die Maschinenbauindustrie, die 21 Prozent ihrer For-
schungsaufwendungen an die Hochschulen verausgabt und damit weit über den
durchschnittlichen Aufwendungen anderer Industriezweige von 6 Prozent liegt,
eine Zusammenarbeit mit den PVA bei Auftragsforschung und Forschungs-
kooperationen ab. Auch der BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.),
der VCI (Verband der Chemischen Industrie e.V.) und die DIB (Deutsche Indus-
trievereinigung Biotechnologie im VCI e.V.) fordern, dass bei Auftragsfor-
schung und Forschungskooperationen primärer Verhandlungspartner die Hoch-
schule sein müsse. Der faktische Kontrahierungszwang der Unternehmen mit
den PVA erzeuge keinerlei volkswirtschaftlichen Mehrwert, sondern lediglich
zusätzliche Kosten.

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All dieses führt zu Behinderungen von Projekten mit Studiengruppen und
Diplomarbeiten, die mit einer Aufgabenstellung aus der Industrie unter Einbin-
dung der Professorinnen und Professoren durchgeführt werden. Für die Hoch-
schulen, die zugunsten von Forschungsaufträgen und Drittmitteln auf ihre Ver-
wertungsrechte an etwaigen Erfindungen verzichten, stellt sich zusätzlich das
Problem, dass einige Landesfinanzminister diesen Verzicht als haushaltsrecht-
lich unzulässige Schenkung bewerten.
Auch bieten Industriepartner Industrie- und Praxissemester für Lehrende nur
noch mit großer Zurückhaltung an, da eventuelle Erfindungen, die Professoren
bei dieser Tätigkeit in der Industrie machen, im Regelfall der Hochschule zuste-
hen. Ähnlich schwierig gestaltet sich die Zusammenarbeit von Hochschulperso-
nal und Industriepartnern im Rahmen von Beraterverträgen.
Nach dem Bericht des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF)
an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zum
Stand der Verwertungsoffensive (Stand November 2003) fördert der Bund der-
zeit 20 PVA. Davon bestanden neun bereits vorher, elf PVA sind im Rahmen der
Förderung neu entstanden. In jedem Bundesland besteht inzwischen mindestens
eine PVA.
Ursprünglich war die Förderung nur bis Ende 2003 vorgesehen; die Bundes-
regierung musste inzwischen erkennen, dass ein derart geringer Förderzeitraum
bei weitem nicht ausreicht, um bundesweit ein professionelles Netzwerk von
wirtschaftlich selbständigen PVA zu errichten. Daher hat sie den Förderzeitraum
nunmehr bis zum Jahr 2006 verlängert. Nach Einschätzung der Technologie
Allianz e.V. werden aber Erlöse aus der Patentverwertung im nennenswerten
Umfang erst nach ca. acht bis zehn Jahren zu erwarten sein, nämlich wenn die
meist in einem sehr frühen Stadium vorliegenden Erfindungen weiterentwickelt
und in denMarkt eingeführt worden sind. Einnahmen der PVA resultierten in der
Anfangszeit primär aus Optionszahlungen und Einmalzahlungen (Down Pay-
ments) im Rahmen von Lizenzverträgen und Verkäufen. Es werde also bis etwa
2010 dauern, bis die Erfolgsanteile aus den dann vorhandenen Vertragsabschlüs-
sen insgesamt den internen Aufwand einer PVA abdeckten und sich diese Ein-
richtung selbst finanzieren könne. Ohne ein nachhaltiges Förderkonzept bis ins
Jahr 2010 würden viele der vom Bund geförderten PVA mit dem Auslaufen der
Förderung 2006 nicht selbständig weiter bestehen können. Damit liefe ein gro-
ßer Teil der vom Bund bis dahin verausgabten Fördergelder ins Leere.
Volkswirtschaftlichen Mehrwert können die PVA langfristig nur dann schaffen,
wenn sie über ausreichend fachliche Kompetenz, sowohl in technologischer als
auch in patentrechtlicher Hinsicht, Ressourcen für „PatentMining“ in den Hoch-
schulen, gute Marktkenntnisse und gute persönliche Kontakte in die Industrie
verfügen. Zudem benötigen sie ein ausreichendes Auftragspotenzial, das entwe-
der durch regionale oder durch fachliche Zusammenschlüsse oder Kooperatio-
nen gewährleistet sein muss. Um zu verhindern, dass zahlreiche PVA nach Ende
des Förderzeitraums am freienMarkt nicht selbst bestehen werden können, müs-
sen diese Kriterien schon jetzt bei der Vergabe der Fördermittel stärker als bisher
Berücksichtigung finden.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– alle notwendigen rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen zu schaf-

fen,
l die es den Hochschulen ermöglichen, bei der Auftragsforschung, also bei

Forschungsaufträgen mit einem konkret definierten Forschungsthema und
-ziel, sowie bei Forschungskooperationsverträgen mit industriellen Part-
nern, also Kooperationen mit einem breit formulierten Forschungsthema
und -ziel, wobei die Zielerreichung ungewiss ist, zugunsten des Zustande-

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kommens des Forschungsprojektes ihre Rechte an den im Verlauf des Pro-
jektes bzw. der Kooperation erzielten Forschungsergebnissen vorab an
den Drittmittelgeber abzutreten;

l die es den Hochschulen zugunsten von Praxissemestern von Lehrenden in
Industriebetrieben ermöglichen, sämtliche Rechte an den Forschungs-
ergebnissen, die der Lehrende während seines Praxisaufenthaltes erzielt,
vorab dem Auftrag gebenden Industriebetrieb zuzugestehen;

– bis Mitte 2005 einen detaillierten Bericht über die Wirtschaftlichkeit der ge-
förderten PVA und die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, PVA und
Drittmittelgebern vorzulegen;

– ein Finanzierungskonzept (Förderrichtlinie) für eine effiziente Förderung
und Weiterentwicklung der PVA vorzulegen,
l das als Voraussetzung für eine monetäre Förderung deutlicher als bislang

an fachliche Kompetenz (technologisch und patentrechtlich), Ressourcen
für „Patent Mining“ in den Hochschulen, gute Marktkenntnisse und gute
persönliche Kontakte in die Industrie (Wissensbilanzen) sowie kritische
Masse (regionale oder fachliche Bündelung) der PVA anknüpft;

l das geeignete Anreize für die PVA schafft, sich verstärkt auf die Eigen-
erfindungen der Hochschulen zu konzentrieren und nicht in bestehende
Aufträge und Kooperationen zwischen den Hochschulen und der Industrie
einzugreifen;

l das die Förderung insgesamt stufenweise zurückführt und spätestens im
Jahr 2010 auslaufen lässt, um dann den Markt über den Bestand der ein-
zelnen PVA entscheiden zu lassen.

Berlin, den 8. März 2005
Vera Dominke
Katherina Reiche
Dr. Maria Böhmer
Thomas Rachel
Dr. Christoph Bergner
Helge Braun
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Helmut Heiderich
Volker Kauder
Michael Kretschmer
Werner Lensing
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Laurenz Meyer (Hamm)
Bernward Müller (Gera)
Uwe Schummer
Marion Seib
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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