BT-Drucksache 15/5019

Kein weiterer Arbeitsplatzabbau - Antidiskriminierungsgesetz zurückziehen

Vom 8. März 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/5019
15. Wahlperiode 08. 03. 2005

Antrag
der Abgeordneten Dr. Michael Fuchs, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann,
Maria Eichhorn, Dr. Maria Böhmer, Veronika Bellmann, Dr. Rolf Bietmann, Clemens
Binninger, Antje Blumenthal, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Monika Brüning,
Cajus Julius Caesar, Gitta Connemann, Alexander Dobrindt, Thomas Dörflinger,
Marie-Luise Dött, Ingrid Fischbach, Hartwig Fischer (Göttingen), Klaus-Peter
Flosbach, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Hans-Joachim Fuchtel,
Dr. Reinhard Göhner, Kurt-Dieter Grill, Markus Grübel, Ernst Hinsken, Robert
Hochbaum, Bernhard Kaster, Volker Kauder, Gerlinde Kaupa, Gunther Krichbaum,
Dr. Martina Krogmann, Dr. Hermann Kues, Walter Link (Diepholz), Stephan Mayer
(Altötting), Wolfgang Meckelburg, Laurenz Meyer (Hamm), Hildegard Müller,
Michaela Noll, Rita Pawelski, Dr. Joachim Pfeiffer, Ronald Pofalla, Hans-Peter
Repnik, Dr. HeinzRiesenhuber, HanneloreRoedel, FranzRomer, Kurt J. Rossmanith,
Albert Rupprecht (Weiden), Hartmut Schauerte, Dr. Andreas Scheuer,
Angela Schmid, Dr. Ole Schröder, Johannes Singhammer, Matthäus Strebl,
Lena Strothmann, Arnold Vaatz, Andrea Voßhoff, Klaus-PeterWillsch,Willi Zylajew
und der Fraktion der CDU/CSU

Kein weiterer Arbeitsplatzabbau – Antidiskriminierungsgesetz zurückziehen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Diskriminierung eines Menschen wegen seiner äußeren Merkmale oder
seiner Veranlagung ist schlicht und ergreifend abzulehnen. Dies ergibt sich aus
dem christlichen Menschenbild, welches von der Unverletzbarkeit der Würde
eines jeden Einzelnen ausgeht. Es ist daher völlig selbstverständlich, dass sich
eine Gesellschaft Regeln gibt, die deutlich machen, dass negative Diskriminie-
rung gegen die Würde eines jeden Menschen geht und geahndet werden muss.
Statt aber auf den Menschen zu vertrauen und staatliche Eingriffe auf das
Nötigste zu beschränken, will der von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN am 14. Dezember 2004 vorgelegte Entwurf eines Antidiskrimi-
nierungsgesetzes (ADG-E, Bundestagsdrucksache 15/4538) eine Art „Sitten-
polizei“ installieren. Dem vertrauensvollen Zusammenwirken von Arbeitneh-
mern und Arbeitgebern dient eine solche Maßnahme jedoch nicht.
Mit dem ADG-E werden Arbeitsplätze gefährdet. Das neue Gesetz ist über-
flüssig, kompliziert und bürokratisch. Zudem geht dieses Gesetz weit über die
Vorgaben der EU-Richtlinien hinaus.
Es kann z. B. ein potenzieller Arbeitnehmer, sobald er bei einer Einstellung
übergangen wird, durch einfache Glaubhaftmachung darlegen, dies sei aus
diskriminierenden Gründen geschehen. Der Arbeitgeber muss vor Gericht das

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Gegenteil beweisen. Kann er dies nicht, gilt anstelle der Unschuldsvermutung
die Schuldvermutung, womit die Vertragsfreiheit als Grundsatz der freiheit-
lichen Geschäftswahl gefährdet ist. Mit diesem Gesetz werden besonders auf
kleine und mittlere Betriebe, die sich keine eigene Rechtsabteilung leisten kön-
nen, enorme Kosten zukommen.
Weiterer bürokratischer Aufwand kann z. B. durch folgende Regelungen des
ADG-E entstehen:
Fortan müssen Bewerbungsunterlagen zu Beweiszwecken etwa hinsichtlich
Schadensersatz und Entschädigung mindestens sechs Monate aufgehoben wer-
den. Der Arbeitgeber muss während dieser Zeit sämtliche Bewerbungsunter-
lagen aufbewahren, um gegebenenfalls in einem Prozess darlegen zu können,
aus welchen Gründen er sich gegen einen bestimmten Bewerber entschieden hat.
Die Bewerbungsunterlagen müssen kopiert und mit präzisen Aufzeichnungen
aufbewahrt und archiviert werden. Diese zusätzliche Bürokratie verursacht Kos-
ten- und Personalaufwand.
Die in § 12 Abs. 1 ADG-E enthaltene Aufforderung an die Arbeitgeber, Aus- und
Fortbildungsveranstaltungen zum Thema Antidiskriminierung durchzuführen,
steht in eklatantemWiderspruch zu den in der Einleitung des Gesetzentwurfs be-
schriebenen Folgekosten für Unternehmen. Kosten entstehen den Unternehmen
nämlich bereits ohne Verstoß gegen das ADG, da Aus- und Fortbildungsveran-
staltungen generell kostenintensiv sind (Stellungnahme der Bundesvereinigung
der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), S. 14).
Die von den Arbeitgebern in § 12 Abs. 2 ADG-E verlangten „geeigneten, erfor-
derlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachtei-
ligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung“ bedeuten für
die Arbeitgeber bürokratischen Aufwand.
In § 12 Abs. 4 ADG-E werden das Antidiskriminierungsgesetz und der § 61b
des Arbeitsgerichtsgesetzes zu aushangpflichtigen Schutzgesetzen erklärt.
§ 13 ADG-E sieht die Benennung einer zuständigen Beschwerdestelle im Be-
trieb oder im Unternehmen vor. An diese Stelle kann sich der Beschäftigte wen-
den, wenn er sich im Zusammenhangmit demBeschäftigungsverhältnis benach-
teiligt fühlt. Dadurch entstehen Aushänge und zusätzlicher Schriftverkehr.
Die Einführung einer Haftung für das Verhalten von Dritten, wie Kunden und
Lieferanten des Arbeitgebers, nach § 16 ADG-E begründet zusätzliche Kon-
troll- und Präventionspflichten für Arbeitgeber. Alle Arbeitnehmer müssen
nachweisbar belehrt werden. Im eventuellen Streitfall müssen Gerichtsverfahren
(z. B. wegen Zahlung einer Entschädigung) geführt werden. Besondere Brisanz
entsteht dadurch, dass der Entschädigungsanspruch gegen den Arbeitgeber in
unbegrenzter Höhe besteht.
Infolge der Klagerechte für Betriebsrat und Gewerkschaften nach § 18 ADG-E
(eine Art „Verbandsklagerecht“) und der Klage- und Vertretungsrechte von Anti-
diskriminierungsverbänden nach § 24 ADG-E kann imVorfeld von Gerichtsver-
fahren zusätzliche Bürokratie für die Arbeitgeber entstehen.
Infolge der Ausdehnung sämtlicher Diskriminierungsgründe auf den zivilrecht-
lichen Teil des Gesetzentwurfs – EU-Recht erfasst dagegen nur die Merkmale
Rasse und ethnische Herkunft – entsteht z. B. für Wohnungsbaugesellschaften
zusätzliche Bürokratie. Die Vorgaben der EU-Richtlinien erfordern eine solche
Ausdehnung nicht.
Schon vor Inkrafttreten des Gesetzes bieten sich den Arbeitgebern Rechtsan-
wälte an, die auf zukünftigeMandate spekulieren; dies deutet bereits jetzt auf die
mit dem Gesetz verbundenen Folgekosten für die Unternehmen hin.

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All diese Maßnahmen bilden eine zusätzliche bürokratische, unproduktive
Bürde. In der jetzigen wirtschaftlich schwierigen Lage entsteht für die Unterneh-
mer, und gerade für kleinere und mittlere Unternehmen, eine Bürokratielast, die
sie Zeit, Geld und Arbeitskraft kosten wird.
In anderen EU-Mitgliedstaaten ist die Richtlinie hingegen in nationales Recht
umgesetzt worden, ohne dass derart über die EU-Vorgaben hinausgegangen
wurde. Diese Wettbewerbsbenachteiligung entwickelt sich für deutsche Unter-
nehmen zu einer ungerechtfertigten Sonderabgabe. Neben hohen Lohnkosten,
hohen Energiepreisen, einer drückenden Steuerquote und überbordender Büro-
kratie entstehen den Unternehmern somit weitere Belastungen. Die Folge wird
sein, dass Unternehmer durch das ADG-E gezwungen werden, unproduktive
Arbeitsplätze zu schaffen; also Arbeitsplätze, die allein auf die Einhaltung der
neuen bürokratischen Pflichten ausgerichtet sind. Sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze werden dadurch weiter abgebaut und Neueinstellungen in weite
Ferne geschoben und das Betriebsklima eines jeden Betriebes wird vergiftet.
Angesichts katastrophaler Arbeitslosenzahlen von 5,2 Millionen (Februar 2005)
ist dies den deutschen Arbeitgebern gegenüber unzumutbar.
Das ADG-E steht unserer Rechts- undWirtschaftsordnung diametral gegenüber,
denn es fügt sich nicht in unser bestehendes System ein. Das neue Gesetz ver-
bietet es, interessengeleitet zu unterscheiden, also auch im guten Sinn zu diskri-
minieren (lat.: discriminare = unterscheiden). Doch Aussuchen, Auswählen und
Unterscheiden sind Garant von Pluralismus und Marktwirtschaft.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. vor der Umsetzung der EU-Richtlinien zu überprüfen, inwieweit die deutsche

Gesetzgebung bereits hinreichenden Schutz gegen die Diskriminierung bietet;
2. die EU-Richtlinien lediglich 1:1 umzusetzen, d. h. im europarechtlich erfor-

derlichen Umfang, um die Beeinträchtigungen für die deutsche Wirtschaft,
insbesondere in Bezug auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen, so gering wie
möglich zu halten;

3. sich auf europäischer Ebene mittel- und langfristig für eine Revision der
gesamten europäischen Antidiskriminierungsgesetzgebung einzusetzen;

4. jede zusätzliche Belastung, die sich wettbewerbsschädigend für deutsche
Unternehmen auswirkt, zu vermeiden.

Berlin, den 8. März 2005
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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