BT-Drucksache 15/4866

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ulrike Flach, Christoph Hartmann (Homburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -15/685- Zukunftsorientierte Energieforschung - Fusionsforschung in Deutschland und Europa vorantreiben 2. zu dem Antrag der Abgeordneten Katherina Reiche, Dr. Peter Paziorek, Thomas Rachel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU -15/929- Unterstützung für eine Bewerbung des Standortes Greifswald/Lubmin für den ITER (Internationaler Thermonuklear Experimenteller Reaktor) 3. zu dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (19. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordung -14/8959, 15/345 Nr. 75- Technikfolgenabschätzung hier: Monitoring "Kernfusion"

Vom 16. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4866
15. Wahlperiode 16. 02. 2005

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(17. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ulrike Flach, Christoph
Hartmann (Homburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 15/685 –

Zukunftsorientierte Energieforschung – Fusionsforschung in Deutschland
und Europa vorantreiben

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Katherina Reiche, Dr. Peter Paziorek,
Thomas Rachel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
– Drucksache 15/929 –

Unterstützung für eine Bewerbung des Standortes Greifswald/Lubmin
für den ITER (Internationaler Thermonuklearer Experimenteller Reaktor)

3. zu dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (19. Ausschuss) gemäß § 56a
der Geschäftsordnung
– Drucksachen 14/8959, 15/345 Nr. 75 –

Technikfolgenabschätzung
hier: Monitoring „Kernfusion“

A. Problem
Zu Nummer 1
Der weltweit anhaltend steigende Energiebedarf erfordert neben dem Ausbau
der Nutzung erneuerbarer Energien die Weiterführung der Fusionsforschung.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, die finanziellen und organisatorischen
Voraussetzungen zu schaffen, damit Deutschland weiterhin eine führende Rolle
in der Fusionsforschung spielen kann und Frankreich bei seiner Bewerbung um

Drucksache 15/4866 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

die Ansiedlung des ITER (Internationaler Thermonuklearer Experimenteller
Reaktor) in Cadarache zu unterstützen.
Zu Nummer 2
Damit das nachhaltige Potenzial der Kernfusion für eine umweltfreundliche,
kostengünstige und sichere Energieerzeugung durch die kommenden Genera-
tionen ausgeschöpft werden kann, müssen die notwendigen Entscheidungen
getroffen und die erforderlichen finanziellen Mittel in Deutschland und interna-
tional zur Verfügung gestellt werden.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, Greifswald/Lubmin bei seiner Bewer-
bung um den Standort des ITER zu unterstützen.
Zu Nummer 3
Der Sachstandsbericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deut-
schen Bundestag (TAB) gibt einen Überblick über die kontroverse Diskussion,
die technischen, wirtschaftlichen, ökologischen und sicherheitsrelevanten As-
pekte der Kernfusion und leitet daraus politische Handlungsoptionen ab.

B. Lösung
Zu Nummer 1
Ablehnung des Antrags – Drucksache 15/685 – mit den Stimmen der Frak-
tionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion
der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU
Zu Nummer 2
Einstimmige Erledigterklärung des Antrags auf Drucksache 15/929
Zu Nummer 3
Kenntnisnahme des Berichts

C. Alternativen
Annahme des Antrags auf Drucksache 15/685.

D. Kosten
Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4866

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,
in Kenntnis des Berichts auf Drucksache 14/8959,
1. den Antrag – Drucksache 15/685 – abzulehnen;
2. den Antrag – Drucksache 15/929 – für erledigt zu erklären.

Berlin, den 26. Januar 2005

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ulla Burchardt
Stellv. Vorsitzende

Andrea Wicklein
Berichterstatterin

Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Berichterstatter

Hans-Josef Fell
Berichterstatter

Hellmut Königshaus
Berichterstatter

Drucksache 15/4866 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Andrea Wicklein, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn),
Hans-Josef Fell und Hellmut Königshaus

I. Überweisung
Zu Nummer 1
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
15/685 in seiner 43. Sitzung am 8. Mai 2003 beraten und
an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung zur federführenden Beratung und an den
Haushaltsausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Ar-
beit, den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
sicherheit sowie den Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union zur Mitberatung überwiesen.
Zu Nummer 2
Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache
15/929 in seiner 43. Sitzung am 8. Mai 2003 beraten und
an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung zur federführenden Beratung und an den
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, den Ausschuss für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, den Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie den
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union zur Mitberatung überwiesen.
Zu Nummer 3
Der Deutsche Bundestag hat den Bericht des Ausschusses
für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
(19. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsordnung, Sach-
standsbericht zum Monitoring „Kernfusion“ – Drucksa-
che 14/8959 –in seiner 239. Sitzung am 6. Juni 2002 in der
14. Wahlperiode beraten und an den Ausschuss für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur feder-
führenden Beratung und an den Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie sowie den Ausschuss für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit zur Mitberatung überwiesen.
Die Drucksache 14/8959 wurde in der 15. Wahlperiode in
der 22. Sitzung des Deutschen Bundestages am 30. Januar
2003 erneut beraten und an den Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung zur federführenden
Beratung und an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
sowie den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
Zu Nummer 1
Die Fraktion der FDP stellt fest, dass die Energiefor-
schungspolitik der Zukunft aufgrund des weiter steigenden
Weltenergieverbrauchs auf völlig neue Energiekonzepte
ausgerichtet werden müsse. Sie sollten zur Erhaltung der
Energieversorgungssicherheit, einer lebenswerten Umwelt
für die heutigen und künftigen Generationen, eines ange-
messenen Energie-Preis-Niveaus und zur Verringerung des
weltweiten Spannungspotenzials aufgrund der weiteren Ver-
knappung von Energieressourcen beitragen. Die Fusionsfor-
schung sei als fester Bestandteil der europäischen Ener-

gieforschung auf eine friedliche Nutzung zur Lösung globa-
ler Energieprobleme ausgerichtet.
Vor diesem Hintergrund wird die Bundesregierung aufge-
fordert,
1. die angemessene Beteiligung Deutschlands an der Pla-

nung, dem Bau und dem Forschungsbetrieb des interna-
tionalen Fusionsexperiments ITER zu sichern;

2. die Bewerbung Frankreichs um den ITER-Standort
Cadarache zu unterstützen;

3. das weltweit größte Fusionsexperiment nach dem Stel-
larator-Prinzip „Wendelstein 7-X“ (IPP Greifswald),
das Tokamak-Experiment „ASDEX Upgrade“ (IPP
Garching) sowie die Fusionsforschungsprojekte in den
Forschungszentren Jülich und Karlsruhe weiterhin zu
fördern;

4. in den Haushalt 2003 einen entsprechenden Ansatz für
die Fusionsforschung einzustellen und Verpflichtungs-
ermächtigungen für die Folgejahre vorzusehen, damit
Deutschland auf dem innovativen Forschungsgebiet
seine führende Rolle behalte.

Zu Nummer 2
Die Fraktion der CDU/CSU erklärt, dass die Kernfusion
mit ihrem nachhaltigen Potenzial zu einer umweltfreundli-
chen, kostengünstigen und sicheren Energieerzeugung welt-
weit beitragen könne. Damit dieses Potenzial durch die
kommenden Generationen ausgeschöpft werden könne,
müssten die notwendigen Entscheidungen getroffen und die
erforderlichen finanziellen Mittel in Deutschland und inter-
national zur Verfügung gestellt werden.
Mit dem Experimentalreaktor ITER solle als letzte For-
schungsstufe vor dem Bau eines ökonomisch nutzbaren
Reaktors die Machbarkeit der Kernfusionstechnologie
demonstriert werden.
Am 27. Juni 2002 reichte der ITER-Förderverband Greifs-
wald/Lubmin bei der Landesregierung Mecklenburg-Vor-
pommern eine Bewerbung um den Standort des internatio-
nalen Kernforschungsprojekts ein. Mit dem bereits laufen-
den Kernfusionsprojekt „Wendelstein 7-X“ biete der Stand-
ort Greifswald/Lubmin sehr günstige Voraussetzungen für
die Fortführung der Kernfusionsexperimente. Die erfolgrei-
che Bewerbung hätte eine große Signalfunktion für den For-
schungsstandort Ostdeutschland.
Die Bundesregierung wird aufgefordert,
1. die Bewerbung des Förderverbands Greifswald/Lubmin

zu unterstützen;
2. den Deutschen Bundestag über den Stand der Bewer-

bung und ihre unterstützenden Maßnahmen zu unterrich-
ten;

3. durch eine Stärkung des deutschen Fusionsprogramms
verstärkt Investitionen, die auch von Deutschland über

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/4866

EURATOM mit getragen würden, effizient im eigenen
Land umzusetzen.

Zu Nummer 3
Der Sachstandsbericht zum Monitoring „Kernfusion“ des
Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bun-
destag (TAB) gibt einen Überblick über die kontroverse
Diskussion, die technischen, wirtschaftlichen, ökologi-
schen und sicherheitsrelevanten Aspekte der Kernfusion
und leitet daraus folgende politische Handlungsoptionen ab:
1. Kontinuierliche Fortsetzung der intensiven Forschung

entsprechend den Schwerpunkten der Fusionsfor-
schungsgemeinde;

2. gründliche Evaluation des Themenfeldes Kernfusion un-
ter Einbeziehung externen Sachverstandes nach den Kri-
terien nachhaltiger Energieversorgung;

3. Neuausrichtung, d. h. primäre Ausrichtung auf die
schnellstmögliche Entwicklung der Kernfusion auf dem
TOKAMAK-Pfad aktiv zu beenden und ein Forschungs-
programm mit einem breiter angelegten Verständnis der
wissenschaftlichen Grundlagen und alternativen Kon-
zepten anzustreben.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Zu Nummer 1
Der mitberatende Haushaltsausschuss, der Ausschuss für
Wirtschaft und Arbeit sowie der Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit haben jeweils mit den
Stimmen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei
Stimmenthaltung der Fraktion der CDU/CSU empfohlen,
den Antrag auf Drucksache 15/685 abzulehnen.
Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union hat mit den Stimmen der Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU und FDP empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 15/685 abzulehnen.
Zu Nummer 2
Der mitberatende Ausschuss für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen und der Ausschuss für die Angelegenheiten
der Europäischen Union haben jeweils mit den Stimmen
der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge-
gen die Stimmen der Fraktion der CDU/CSU bei Stimm-
enthaltung der Fraktion der FDP empfohlen, den Antrag auf
Drucksache 15/929 abzulehnen.
Der mitberatende Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
hat mit den Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
der CDU/CSU empfohlen, den Antrag auf Drucksache 15/
929 abzulehnen.
Der mitberatende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit hat mit den Stimmen der Frak-
tionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP empfoh-
len, den Antrag auf Drucksache 15/929 abzulehnen.

Zu Nummer 3
Der mitberatende Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
sowie der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reak-
torsicherheit haben empfohlen, den Bericht des Ausschus-
ses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
nach § 56a der Geschäftsordnung auf Drucksache 14/8959
zur Kenntnis zu nehmen.

IV. Beratungsverlauf und -ergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung hat am 11. Februar 2004 eine Anhörung
zu den Vorlagen mit dem Thema „Prioritäten einer innovati-
ven Energieforschung – Stand und Perspektiven“ durchge-
führt.
Er hat die Vorlagen in seiner Sitzung am 26. Januar 2005
beraten und empfiehlt:

Zu Nummer 1
Ablehnung des Antrags – Drucksache 15/685 – mit den
Stimmen der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimmenthal-
tung der Stimmen der Fraktion der CDU/CSU.

Zu Nummer 2
Einstimmige Erledigterklärung des Antrags auf Drucksache
15/929.

Zu Nummer 3
Kenntnisnahme des Berichts des Ausschusses für Bildung,
Forschung und Technikfolgenabschätzung (19. Ausschuss)
gemäß § 56a der Geschäftsordnung auf Drucksache 14/8959.
Von Seiten der Fraktion der SPD wird darauf hingewiesen,
dass am ITER-Projekt neben der Europäischen Union auch
Russland, China, Japan, die USA und Südkorea beteiligt
wären. Die Standortfrage werde in Kürze entschieden; die
Bundesregierung unterstütze die Bewerbung des französi-
sche Standorts Cadarache. Mit der Entscheidung des EU-
Wettbewerbsrates am 25. und 26. November 2004 sei der
EU-Kommission das Mandat als Verhandlungsführerin er-
teilt worden. Wenn keine Einigkeit aller sechs Partner in der
Standortfrage erzielt werden könne, reiche auch die Mehr-
heit der Partner. Es sei ein großer Erfolg, dass es Deutsch-
land gelungen sei, in den Verhandlungen eine Deckelung
der Gesamtbaukosten für den ITER zu erreichen. Über
EURATOM werde nicht mehr als 40 Prozent der Kosten
finanziert.
Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU sei nicht mehr ak-
tuell, da die Bewerbung von Greifswald/Lubmin für den
ITER-Standort nicht mehr in Frage komme.
Zum Antrag der Fraktion der FDP wird ausgeführt, dass
sich deutsche Forschungsinstitute weiterhin angemessen an
dem ITER-Projekt beteiligen würden und dass nach wie vor
Fusionsexperimente in den Max-Planck-Instituten in Greifs-
wald und Garching sowie in Forschungszentren der Helm-
holtz-Gemeinschaft in Jülich und Karlsruhe stattfänden.

Drucksache 15/4866 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die Fraktion der SPD lehne jedoch eine Stärkung des deut-
schen Fusionsforschungsprogramms ab. Stattdessen wolle
man im Zuge der Umsetzung des 3-Prozent-Ziels die Mittel
schwerpunktmäßig in Bereichen der erneuerbaren Energien
und zur Stärkung der Energieeffizienz einsetzen. Der Sach-
standsbericht des Büros für Technikfolgenabschätzung beim
Deutschen Bundestag zum Monitoring „Kernfusion“ hebe
hervor, dass die Kernfusionsforschung trotz der immensen
finanziellen Aufwendungen in der Europäischen Union in
den letzten 30 Jahren noch immer in den Kinderschuhen
stecke und nach Ansicht von führenden Fusionsforschern
auch in den nächsten 50 Jahren kein entscheidender Beitrag
zur Energieversorgung erwartet werden könne. Es wird auf
das immer noch existierende Hauptrisiko der radioaktiven
Abfälle hingewiesen.
Auch die Anhörung im Bildungs- und Forschungsausschuss
zu „Prioritäten einer innovativen Energieforschung“ vom
11. Februar 2004 habe bestätigt, dass man auf Grund der
schwierigen Haushaltssituation die öffentlich geförderte
Energieforschung stärker an marktnahen und marktfähigen
Techniken und Produkten orientieren müsse. Vor dem Hin-
tergrund sei es berechtigt, die Fusionsforschung ohne eine
Steigerung der finanziellen Mittel fortzusetzen. Dement-
sprechend habe auch der Senat der Helmholtz-Gemein-
schaft eine Reduzierung der Kosten des Programms „Fu-
sion“ um 1 Mio. Euro über die fünfjährige Programmperi-
ode hinweg beschlossen und stattdessen die Budgets der
Programme „erneuerbare Energien“ um 21 Prozent und
„rationelle Energieumwandlung“ um 12 Prozent erhöht.
Die Fraktion der SPD spreche sich für eine Stärkung der
Energieeffizienz, die Entwicklung von Einspartechnologien
und die Stärkung erneuerbarer Energien aus.
Von Seiten der Fraktion der CDU/CSU wird hervorgeho-
ben, dass die beiden vorliegenden Anträge bereits zwei
Jahre auf eine Beratung warteten und auf Grund der vergan-
genen Zeit in einigen Punkten überholt wären. Als Grund
für die Beratungsverzögerung wird angenommen, dass sich
die Regierungskoalition nicht über ihre gemeinsame Ener-
giepolitik und die Haltung zum ITER habe einigen können.
Die Grundaussagen des Antrags der Fraktion der FDP wer-
den von Seiten der Fraktion der CDU/CSU unterstützt.
Was den Antrag der Fraktion der CDU/CSU angehe, sei die
Unterstützung der Bewerbung von Greifswald/Lubmin als
ITER-Standort nicht mehr aktuell. Daher werde der Antrag
für erledigt erklärt. Die Forderung der Stärkung des deut-
schen Fusionsprogramms ITER habe jedoch nach wie vor
Gültigkeit. Es wird auf die Schwierigkeit hingewiesen, ver-
lässliche Prognosen über die Möglichkeit der Energie-
gewinnung in den nächsten 50 Jahren geben zu können. Die
Fusionsforschung müsse aber Wege aufzeigen, wie dies rea-
lisiert werden könnte. Man sei fest davon überzeugt, dass
eine Erhöhung der finanziellen Mittel und ein größerer
Druck auf diesen Forschungsbereich die Chancen, früher zu
Ergebnissen zu kommen, eher erhöhe, als Mittel zu kürzen
und die Fusionsforschung schlecht zu reden, wie es vor al-
lem vom grünen Koalitionspartner praktiziert werde. Wenn
die Kernfusion Energie liefere, dann handele es sich um
eine nachhaltige und umweltfreundliche Energiegewinnung,
deren Risiken beherrschbar wären. Sie weise im Vergleich
zu den fossilen Energieträgern erhebliche Vorteile auf, was

die Problematik der CO2-Emission und Erderwärmung an-gehe.
Zu dem Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung
beim Deutschen Bundestag (TAB) zur Kernfusion – Druck-
sache 14/8959 – wird auf die seinerzeit bereits im Aus-
schuss vorgetragene Kritik von Seiten der Fraktion der
CDU/CSU hingewiesen.
Von Seiten der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN
werden die drei Handlungsoptionen des Sachstandsberichts
zum Monitoring „Kernfusion“ des Büros für Technikfolgen-
abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) aufgeführt:
„Kontinuierliche Fortsetzung, gründliche Evaluation und
Neuausrichtung der Fusionsüberlegung“. Da Fusionsfor-
scher ihren eigenen Forschungsbereich nicht infrage stellen
würden, sei es wichtig gewesen, unabhängigen wissen-
schaftlichen Sachverstand um Rat zu fragen. Die dritte Op-
tion sei angesichts der Kosten von über 10 Mrd. Euro für
50 Jahre Fusionsforschung gerechtfertigt. Man werde in frü-
hestens 30 Jahren entscheiden können, ob ein Reaktor viel-
leicht in weiteren Jahrzehnten Strom erzeugen werde. Bis
dahin werde man 60 bis 80 Mrd. Euro ausgegeben haben.
Daher sei es notwendig, jetzt innezuhalten und zu überle-
gen, ob man sich weltweit angesichts der herausragenden
Energie- und Umweltprobleme diese Investitionen leisten
könne. Die Kernfusion komme mit Sicherheit zu spät, und
sie binde die Mittel, die man im Energieforschungsbereich
für sinnvollere Optionen wie die Entwicklung von erneuer-
baren Energien und Einspartechnologien ausgeben könne.
Die Photovoltaik trage sich schon zu 50 Prozent selbst auf
dem Weltmarkt. In vielen unterentwickelten Regionen
könne mit ihr autonom und preiswert Strom erzeugt werden.
Die Regionen seien jedoch technologisch noch auf die Un-
terstützung der Industrienationen angewiesen, und daher sei
es wichtig, diesen Markt zu bedienen. Denn nur wenn ein
Markt sichtbar werde, würden die Unternehmen auch selbst
in Forschung und Entwicklung investieren. Es wird darauf
hingewiesen, dass Deutschland mittlerweile in der Wind-
kraft und der Photovoltaik Weltmarktführer sei.
Es wird ferner auf den Widerspruch hingewiesen, dass
Deutschland seineBeiträge für die EUauf 1 Prozent desBrut-
toinlandsprodukts beschränken wolle; andererseits werde
aber einer Verdoppelung der Forschungsausgaben imSiebten
Forschungsrahmenprogramm der EU zugestimmt. Es wird
auf das Missverhältnis aufmerksam gemacht, dass für die er-
neuerbaren Energien lediglich 150 bis 200 Mio. Euro zur
Verfügung stünden, die Kernfusionsforschung aber über 800
Mio. Euro verfügen könne.
Die Aussage der Fraktion der CDU/CSU, Kernfusion sei
eine nachhaltige Energietechnologie, wird zurückgewiesen.
Es werde weiterhin Radioaktivitätsprobleme geben, auch
wenn die Halbwertzeit der radioaktiven Abfälle geringer
sei.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN trete für eine
Änderung der Energieforschung in die Richtung nachhaltige
Technologien, erneuerbare Energien und Einspartechnolo-
gien ein. Die Bundesregierung habe bereits Schritte in diese
Richtung gemacht, sie seien jedoch noch nicht groß genug.
Kürzungen der Mittel für die Kernfusionsforschung zuguns-
ten des notwendigen Aufwuchses für schnell umzusetzende
Energieoptionen seien gerechtfertigt. Nur die erneuerbaren

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/4866

Energien leisteten einen wirklichen Beitrag für den Klima-
schutz und die Versorgungssicherheit.
Von Seiten der Fraktion der FDP wird die Rolle der erneu-
erbaren Energien als unbestritten dargestellt. Es sei natür-
lich sinnvoll, dort, wo im ausreichenden Maße Sonne und
Wind vorhanden sei, auf die Nutzung der Sonnen- und
Windenergie zu setzen. Es sei jedoch nicht angebracht, die
Technologien in Industrienationen flächendeckend einzu-
führen, wo die Verhältnisse ungünstiger lägen. Auch in den
Schwellen- und Entwicklungsländern, wo der Einsatz der
Solar- und Windenergie heute sinnvoll erscheine, wachse
die Bevölkerungszahl sehr stark an, so dass man auch dort
in Zukunft Alternativen zur Verfügung stellen müsse. Auch
wenn man erst in 50 Jahren oder noch später eine Energie-
ausbeute durch die Kernfusion erwarten könne, sollte man
heute die Forschungsförderung nicht reduzieren, damit die
Forschungsergebnisse schneller zur Verfügung stünden.
Man müsse auch über sich ändernde Finanzierungsschlüssel
nachdenken, wenn z. B. die USA oder Japan aus der ge-
meinsamen Fusionsforschung ausstiegen. Man habe heute
wieder die bekannten Probleme der Strahlungsbelastung
und Abfallbeseitigung angesprochen. Diese Problematik
müsse man selbstverständlich in den Griff bekommen. Es
fehle aber letztlich ein stringentes Programm, das aufzeige,
wie in Zukunft in der industrialisierten Welt und auch in den
Schwellenländern ein ausreichendes Energieangebot zur
Verfügung gestellt werden könne. Erneuerbare Energien
würden die Energieprobleme der Zukunft nicht lösen. Mit
1 000 Windenergieanlagen könne man zurzeit lediglich ein
Großkraftwerk ersetzen.
Von Seiten der Bundesregierung wird darauf hingewiesen,
dass die Entwicklung des ITER auf Vereinbarungen von
Reagan und Gorbatschow zurückgingen. Der erste Design-
Vorschlag sei einhellig abgelehnt worden, auch von der da-
maligen Bundesregierung. Die neue Design-Phase unter der
Federführung von Garching habe bis 1998 gedauert, und
erst seit diesem Zeitpunkt gebe es überhaupt ein technolo-
gisch bewertbares Konzept und werde ITER als ein globales
Projekt diskutiert. Es habe dann eine Verständigung in der
EU gegeben, die auch von der Bundesregierung unterstützt
worden sei, die Bewerbung Frankreichs um einen europäi-
schen ITER-Standort zu unterstützen. Seitdem verhandle
die EU mit den internationalen Partnern Russland, China,
Japan, Korea und Kanada. Es gehe jetzt konkret um die Fra-
gen des Standorts, der finanziellen Rahmenbedingungen
und in welchem Ausmaß ITER von einem Forschungspro-
gramm begleitet werden sollte. Das Forschungsprogramm
sei auch auf Grund kritischer Beiträge aus Deutschland the-
matisiert worden. In der Diskussion sei auch stärker in den
Vordergrund gerückt worden, dass der ITER sich nur recht-
fertige, wenn man gleichzeitig auch die Reaktorentwicklung
im Auge habe. Die Fusionsgemeinschaft habe die Entwick-
lung eines Reaktors nicht immer als vordringliches Ziel ge-
sehen, sondern die Entwicklung und den Bau von For-
schungsanlagen. Der Bau des ITER könne alleine den

Schritt zum Demonstrationsreaktor noch nicht leisten, wenn
man nicht die Frage, welches Material die Neutronenstrah-
lung aushalte, gleichzeitig mit berücksichtige. Es sei zu ein-
fach zu sagen, wenn man mehr Geld gebe und mehr Druck
ausübe, dann gehe alles sehr viel schneller.
Am 26. November 2004 habe die EU-Kommission ein er-
weitertes Mandat erhalten, d. h. dass die sechs genannten
Partner an dem geplanten Abkommen beteiligt sein sollten
und gegebenenfalls weitere qualifizierte Länder, wie z. B.
Indien und Brasilien beteiligt werden könnten. Die EU gehe
mit diesem Mandat jetzt in die weitere Phase, um bis zur
Sommerpause eine Standortentscheidung zu erreichen, not-
falls auch ohne einen endgültigen Konsens mit Japan. Wenn
Japan sich nicht beteilige, habe dies Auswirkungen auf die
Finanzierung des Projekts. Daher sei eine Deckelung der
ITER-Baukosten auf maximal 40 Prozent von 4,57 Mrd.
Euro sehr wichtig gewesen. Man gehe insgesamt von einer
Bauzeit von 10 Jahren aus. 80 Prozent der Kosten entfielen
auf den ITER selbst und 20 Prozent auf den Bau von Ge-
bäuden und die Entwicklung von Infrastruktur, die das Sitz-
land aufzubringen habe. Die EU-Kommission werde im
ersten Halbjahr 2005 den Entwurf für ein internationales
Abkommen vorlegen und bis zum Sommer eine Standort-
entscheidung treffen. Es herrsche Einigkeit unter den EU-
Mitgliedstaaten, dass der ITER in Europa gebaut werden
sollte, da Europa entscheidend an den Vorbereitungen des
ITER mitgewirkt habe und weltweit führend im Bereich der
Plasma- und Fusionsforschung sei.
Auf Grund der dargestellten Entwicklung gebe es keine na-
tionale Fusionsstrategie und keine nationale ITER-Entwick-
lung, sondern es gebe eine deutsche Strategie im Kontext
von ITER. Wenn eine Bauentscheidung getroffen worden
sei, müsse in einem nächsten Schritt geklärt werden, welche
europäischen Fusionsforschungseinrichtungen in welchem
Ausmaß in die Arbeit des ITER eingebunden würden. Dies
sei auch eine große Chance für die deutsche Kernfusionsfor-
schung. Deutschland sei wie kein anderes EU-Land mit
mehreren nationalen Zentren gut in der Fusionsforschung
aufgestellt. Es gebe eine reichhaltige Kompetenz in Gar-
ching, Greifswald, Karlsruhe und Jülich. Wenn klar sei,
welchen Beitrag die deutschen Fusionszentren für den ITER
erbringen sollten, dann müsse die Wissenschaft selbst unter
diesen Bedingungen das Gesamtprofil der deutschen Fu-
sionsforschung festlegen. Auch im Kontext des geplanten
ITER-Baus sei die Entwicklung und der Betrieb von „Wen-
delstein 7-X“ ein sinnvoller Beitrag, da man sich erst nach
den Erfahrungen mit dem ITER für eine zukünftige Reak-
tortechnologie entscheiden sollte.
Die Fertigstellung des „Wendelstein 7-X“ in Greifswald
bleibe eine insgesamt sinnvolle Perspektive, aber dessen un-
geachtet müsse die Struktur der deutschen Fusionsfor-
schung nach den Entscheidungen über den Bau des ITER
und die Verteilung der Arbeitspakete unter den Beteiligten
neu überprüft werden.

Berlin, den 26. Januar 2005
Andrea Wicklein
Berichterstatterin

Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Berichterstatter

Hans-Josef Fell
Berichterstatter

Hellmut Königshaus
Berichterstatter

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