BT-Drucksache 15/4844

Energiepolitik für mehr Wachstum und Beschäftigung

Vom 15. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4844
15. Wahlperiode 15. 02. 2005

Antrag
der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, Dr. Peter Paziorek,
Dr. Joachim Pfeiffer, Kurt-Dieter Grill, Hartmut Schauerte, Dr. Rolf Bietmann,
Veronika Bellmann, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Cajus Julius Caesar,
Alexander Dobrindt, Marie-Luise Dött, Albrecht Feibel, Dr. Maria Flachsbarth,
Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Dr. Michael Fuchs, Hans-Joachim
Fuchtel, Georg Girisch, Dr. Reinhard Göhner, Josef Göppel, Hermann Gröhe,
Holger Haibach, Gerda Hasselfeldt, Ernst Hinsken, Robert Hochbaum, Klaus
Hofbauer, Volker Kauder, Dr. Martina Krogmann, Dr. Hermann Kues, Helmut
Lamp, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Wolfgang Meckelburg, Friedrich Merz,
Doris Meyer (Tapfheim), Laurenz Meyer (Hamm), Franz Obermeier, Ulrich Petzold,
Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber, Franz Romer, Kurt J. Rossmanith,
Johannes Singhammer, Matthäus Strebl, Werner Wittlich und der Fraktion
der CDU/CSU

Energiepolitik für mehr Wachstum und Beschäftigung

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Bundesregierung hat trotz mehrfacher Ankündigungen noch kein Ener-
gieprogramm vorgelegt. Sie verfolgt eine ideologiegetriebene Interessenpolitik,
statt ein schlüssiges energiepolitisches Konzept zur Stärkung des Standorts
Deutschland und zur Sicherung von Wachstum und Beschäftigung zu beschlie-
ßen. Dabei gehören klare und verlässliche energiewirtschaftliche Rahmenbedin-
gungen eines Landes und wettbewerbsfähige Energiepreise zu den wichtigsten
Kriterien im internationalen Standortwettbewerb. Sie sind eine wichtige Voraus-
setzung für mehr Wachstum und Beschäftigung.

Das Fazit nach sechs Jahren rot-grüner Energiepolitik aber lautet: explodierende
Energiepreise, höhere Staatsquote, negativer Beschäftigungseffekt und man-
gelnde inländische Investitionsbereitschaft der Energiewirtschaft. Darüber hinaus
wurde keines der strukturellen Probleme der deutschen Energiewirtschaft, wie
zum Beispiel die Verringerung der Einfuhrabhängigkeit, wirkungsvoll angegan-
gen.

Mit der Ökosteuer, dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) und dem Er-
neuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sind in den vergangenen Jahren verschiedene
Gesetze zur Energiepolitik verabschiedet worden. Dadurch sind die staatlich
verursachten Belastungen auf den Strompreis von rund 2,2 Mrd. Euro im Jahr
1998 um das Fünffache auf rund 12 Mrd. Euro im Jahr 2004 angestiegen. Die
Verteuerung der Stromkosten trifft ganz wesentlich die deutschen Unternehmen
im internationalen Wettbewerb. Neben energieintensiven Branchen sind gerade

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im (gebeutelten) Mittelstand überproportionale Kostenbelastungen zu verzeich-
nen. Die Stromkosten in Deutschland gehören zu den höchsten in Europa.

Entgegen den Verlautbarungen der Bundesregierung, energieintensive Indus-
trien zu entlasten, hat die Härtefallregelung im novellierten EEG dazu geführt,
dass besonders energieintensive Unternehmen – etwa aus der Chemie- oder Alu-
miniumindustrie – eine doppelt so hohe EEG-Belastung haben, wie ursprünglich
vorgesehen. Damit ist kein Beitrag zur Standortsicherung von diesen Industrie-
branchen getroffen worden, die immerhin rund 44 Mrd. Euro im Jahr erwirt-
schaften und 2 Millionen Menschen Arbeit geben.

Die wesentlichen staatlichen Kostentreiber im Jahr 2004 waren die Ökosteuer
auf Strom von ca. 6,7 Mrd. Euro, die Kosten aus dem EEG von ca. 2,3 Mrd.
Euro, die Konzessionsabgabe von 2,2 Mrd. Euro sowie die Kosten aus dem
Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz von 0,7 Mrd. Euro. Diese zusätzlichen Kosten
werden von den Energieversorgungsunternehmen an die Stromverbraucher wei-
tergegeben, so dass der staatliche Anteil am Stromtarifpreis mittlerweile bei über
40 Prozent liegt.

Angesichts der Bedeutung der Strompreise auf den Wirtschaftsstandort
Deutschland entwickelt sich die rot-grüne Energiepolitik immer mehr zu einem
Standortnachteil und einem Risiko für Arbeitsplätze. Inzwischen planen ener-
gieintensive Unternehmen ihre Investitionen in Deutschland zu stoppen oder
aber im Ausland zu tätigen. Gleichzeitig führen die handwerklich schlechte Um-
setzung beim Emissionshandel und die Verzögerung bei der Novellierung des
Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) zu erheblicher Planungsunsicherheit bei
den betroffenen Unternehmen.

Das EnWG hätte nach den Vorgaben der Europäischen Union (EU) eigentlich
schon zum 1. Juli 2004 umgesetzt sein müssen. Zu diesem Zeitpunkt lag noch
nicht einmal ein Entwurf der Bundesregierung vor. Obwohl Energieversor-
gungsunternehmen Investitionen von mehreren Milliarden angekündigt haben,
wenn geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden, verzögert Rot-Grün
die Verabschiedung des EnWG, das die notwendigen Rahmenbedingungen fest-
schreiben soll. Dadurch werden Investitionen verhindert und Arbeitsplätze
gefährdet.

Auch die Zuteilung der Emissionsberechtigungen wurde immer wieder verscho-
ben und erst kurz vor Beginn des Emissionshandels abgeschlossen. Wichtige
Bestandteile des Emissionshandels, wie die rechtlichen Grundlagen für die
Anrechnung der internationalen Mechanismen des Kyoto-Protokolls, Clean
Development Mechanism (CDM) und Joint Implementation (JI), fehlen bisher
vollkommen.

Dabei böte die Einführung des Emissionshandels in Europa und Deutschland in
diesem Jahr eine große Chance, die Weichen hin zu einer an der Wirtschaftlich-
keit und am Umweltschutz orientierten Klimaschutz- und Energiepolitik zu stel-
len. Ein richtig strukturierter Emissionshandel kann wettbewerbsneutral und
kosteneffizient zu einer signifikanten Reduzierung der CO2-Emissionen führen.

Die Inkonsistenz der rot-grünen Energiepolitik kommt insbesondere im beste-
henden Instrumenten-Mix in der Klimaschutz- und Energiepolitik zum Aus-
druck. Bestehende Instrumente, wie Ökosteuer, KWKG und EEG sind unab-
gestimmt eingeführt, modifiziert oder erweitert worden. Diese überlappen sich
gegenseitig und führen zu Doppelbelastungen. Eine Abstimmung dieser Ins-
trumente mit dem Emissionshandel fehlt bislang vollkommen.

Die Planungsunsicherheit in der Energiepolitik führt dazu, dass wichtige Inves-
titionen im Energiebereich aufgeschoben oder im Ausland getätigt werden. Da-
bei müssen allein in Deutschland in den kommenden 10 bis 20 Jahren etwa die
Hälfte aller Kraftwerke ersetzt werden. Dies umfasst ein Investitionsvolumen

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von ca. 40 Mrd. Euro. Hierin besteht eine große Chance für den Wirtschafts-
standort Deutschland, aber insbesondere auch für den Klimaschutz. Durch die
Modernisierung des gesamten Kraftwerkparks, zum Beispiel durch die Erhö-
hung von Wirkungsgraden, kann der Ausstoß von Kohlendioxid signifikant und
kosteneffizient verringert werden. Gleichzeitig könnte durch die dafür notwen-
digen Investitionen ein deutlicher Impuls für mehr Wachstum und mehr Arbeits-
plätze ausgelöst werden.

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. endlich ein in sich geschlossenes Energieprogramm vorzulegen und darin die
Ziele Wirtschaftlichkeit, Preisgünstigkeit, Umweltverträglichkeit und Ver-
sorgungssicherheit gleichrangig in den Blick zu nehmen. Die Gleichrangig-
keit dieser Ziele muss garantiert und deren Ausgewogenheit sichergestellt
werden,

2. endlich verlässliche energiepolitische Rahmenbedingungen zu schaffen, die
klare Signale für unternehmerische Entscheidungen setzen und für alle
Marktteilnehmer Investitions- und Planungssicherheit sicherstellen,

3. durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass der staatliche Anteil an
den Strompreisen nicht länger einen Wettbewerbsnachteil darstellt,

4. bei energiepolitischen Entscheidungen die stetig wachsenden Belastungen
der energieintensiven Industriebranchen zu berücksichtigen, um eine Ver-
lagerung bzw. Abwanderung der für unsere Volkswirtschaft so immens wich-
tigen Industriezweige und damit verbundener Arbeitsplätze, wie beispiels-
weise der Aluminiumwirtschaft oder der Chlorchemie, ins Ausland abzuwen-
den,

5. die verschiedenen Instrumente auf ihre ökologische und ökonomische Kon-
sistenz mit dem Emissionshandel zu überprüfen und Überschneidungen und
Doppelbelastungen zu beseitigen,

6. ein in sich schlüssiges Konzept zum Instrumenten-Mix in der Klimaschutz-
und Energiepolitik vorzulegen,

7. dafür Sorge zu tragen, die bestehenden Unklarheiten bei der Umsetzung des
Emissionshandels schnellstmöglich zu beseitigen und für die Anrechnung
der Mechanismen CDM und JI die notwendigen Rahmenbedingungen zu
schaffen.

Berlin, den 15. Februar 2005

Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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