BT-Drucksache 15/4837

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung -15/4213 Nr. 2.36- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste KOM (2004) 645 endg.; Ratsdok. 13681/04

Vom 15. Februar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4837
15. Wahlperiode 15. 02. 2005

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold
(Offenbach), Georg Brunnhuber, Renate Blank, Antje Blumenthal, Wolfgang
Börnsen (Bönstrup), Klaus Brähmig, Hubert Deittert, Enak Ferlemann, Peter Götz,
Bernd Heynemann, Klaus Hofbauer, Volker Kauder, Norbert Königshofen, Werner
Kuhn (Zingst), Eduard Lintner, Klaus Minkel, Marlene Mortler, Henry Nitzsche,
Günter Nooke, Wilhelm Josef Sebastian, Gero Storjohann, Lena Strothmann,
Volkmar Uwe Vogel, Gerhard Wächter und der Fraktion der CDU/CSU

zu der Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 15/4213 Nr. 2.36 –

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates
über den Marktzugang für Hafendienste
KOM (2004) 654 endg.; Ratsdok. 13681/04

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Anlässlich der Sondertagung des Europäischen Rates am 23./24. März 2000 in
Lissabon wurde – unter Beteiligung der Bundesregierung – ein neues strategi-
sches Ziel festgelegt, in dessen Rahmen Beschäftigung, Wirtschaftsreform und
sozialer Zusammenhalt als Bestandteil einer wissensbasierten Wirtschaft gestärkt
werden soll. Die Regierungschefs der Mitgliedstaaten forderten die Festlegung
einer Strategie für die Beseitigung der Hemmnisse im Dienstleistungsbereich
und die Beschleunigung der Liberalisierung u. a. auch im Beförderungsbereich.
Angestrebt werden soll in diesen Bereichen die Realisierung eines voll funk-
tionsfähigen Binnenmarktes.
Infolge dieser grundlegenden Entscheidung hat sich der Europäische Rat in
seinen Schlussfolgerungen in Barcelona am 15./16. März 2002 sowie in Brüssel
am 20./21. März 2003 für eine zügige Annahme der Vorschläge über Hafen-
dienste (so genanntes Port Package I) ausgesprochen. Diese Schlussfolgerung
wurde von der deutschen Regierung ebenfalls mitgetragen.
Ausweislich einer Pressemitteilung vom 28. Oktober 2003 (Nr. 431/03) erklärte
Bundesminister Dr. Manfred Stolpe: „Das Bundesministerium für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen setze sich daher auf EU-Ebene für eine größtmög-
liche Harmonisierung der europäischen Wettbewerbsbedingungen ein. Der Vor-
schlag der EU-Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments
und des Rates über den Marktzugang für Hafendienste werde deshalb begrüßt.“

Drucksache 15/4837 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Trotz dieser euphorischen Einlassung von Bundesminister Dr. Manfred Stolpe
wurde am Ende eines Vermittlungsverfahrens zu „Port Package I“ diese Richt-
linie durch das Europäische Parlament am 20. November 2003 abgelehnt.
In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-
Bundestagsfraktion „Zukunftsfähigkeit deutscher Häfen“ beurteilt die Bundes-
regierung diesen Sachverhalt wie folgt: „Durch die Ablehnung des Kompro-
misses bleibt die wichtige Frage des Marktzugangs zu den Hafendiensten und
der Wettbewerbsbedingungen zwischen den Häfen zurzeit ungeregelt. Da das
Interesse von deutscher Seite bei einem gut funktionierenden Wettbewerb in
unseren Häfen seit jeher stärker auf die Transparenz der finanziellen Beziehun-
gen zwischen Staat und Hafendiensteanbietern im Wettbewerb zwischen den
Seehäfen gerichtet war, gilt es daher nunmehr bei dem zu diesem Punkt erreich-
ten Stand im Vermittlungsverfahren anzusetzen. Hierzu finden zurzeit Abstim-
mungen zwischen Bund und Küstenländern sowie innerhalb der Mitgliedstaa-
ten der Gemeinschaft statt.“
Entgegen dieser ursprünglich positiven Erwartungshaltung auf eine überarbei-
tete Richtlinie über den Marktzugang für Hafendienste („Port Package II“),
haben die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Sitzung
des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen am 19. Januar 2005
zuvor nicht benannte Hürden aufgebaut. Dies steht im Widerspruch zu den be-
reits erwähnten Beschlüssen des Europäischen Rates und zu den eindeutigen
Erklärungen von Bundesminister Dr. Manfred Stolpe. Eine generelle Ableh-
nung von „Port Package II“ ist aber nicht sachdienlich, denn wer die Liberali-
sierung nicht will, hätte bereits in Lissabon Nein sagen müssen.
Europa braucht Liberalisierung und Harmonisierung im Bereich des Transport-
sektors. Insbesondere ist in den kommenden Jahren mit einem erheblichen
Wachstum der Nachfrage nach Verkehrsdienstleistungen zu rechnen. Diese
Steigerung, die u. a. auf dem allgemeinen Wirtschaftswachstum, der Erweite-
rung der Union und der Intensivierung der Handelsbeziehungen beruht, wird in
erheblichem Maße den Güterverkehr betreffen. Angesichts bereits vorhandener
und voraussichtlich weiter zunehmender Belastung der Straßeninfrastruktur
kommt dem umweltfreundlichen Seetransport eine besondere Bedeutung zu.
Die in diesem Bereich noch vorhandenen Potenziale können zu einer nachhal-
tigen Verkehrsentwicklung innerhalb der EU maßgeblich beitragen. Diesem
Gedanken trägt auch die Kommission mit ihrem Konzept „From Road to Sea“
Rechnung. Die Häfen, als Schnittstelle zwischen See- und Landtransport,
haben dabei eine entscheidende Funktion. Gleiche und faire Wettbewerbsbedin-
gungen zwischen den Häfen spielen dabei eine zentrale Rolle. Aus diesen
Gründen ist der vorliegende Entwurf nur zustimmungsfähig, wenn die Bundes-
regierung folgende Nachbesserungen durchsetzt:
1. Die Richtlinie über den Marktzugang für Hafendienste soll auch dem Ziel

der Liberalisierung dienen. Die Kommission lässt dabei aber zwei wesent-
liche Gesichtspunkte außer Acht. Zum einen besteht bereits ein intensiver
Wettbewerb in den relevanten Märkten zwischen den europäischen Häfen.
Dies zeigt sich z. B. in den im Vergleich zu Asien und Nordamerika deutlich
niedrigeren Hafenumschlagskosten in Europa, die nur bei effizienten und
kostengünstigen Strukturen und gleichzeitigem hohem Wettbewerb möglich
sind. Zum anderen sind die von der Kommission in der Richtlinie vorge-
schlagenen Maßnahmen nicht geeignet, eine weitere Liberalisierung herbei-
zuführen.

2. Hafendienste, die zurzeit ohne Genehmigung erbracht werden können, be-
dürfen in Zukunft einer Genehmigung. Diese von der Kommission vorgese-
hene obligatorische Genehmigungspflicht für alle Hafendiensteanbieter wird
bei den zuständigen Hafenleitungsorganen zu einem noch nicht abschätzba-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4837

ren erhöhten bürokratischen Aufwand führen, der mit dem Ziel der Liberali-
sierungsrichtlinie nicht vereinbar ist.

3. Der Bundesrat befürchtet bei Inkrafttreten der Richtlinie eine verringerte In-
vestitionsbereitschaft der Hafendiensteanbieter wegen der Unsicherheiten in
Bezug auf die Bestandsgarantie vorhandener Verträge, wegen kürzerer Gel-
tungsdauer künftiger Vertragslaufzeiten und unklarer Entschädigungsrege-
lungen. Der Richtlinienvorschlag enthält keine Übergangsvorschriften für
bereits tätige Hafendiensteanbieter. Dies ist weder mit den im deutschen
Recht verankerten Prinzipien von Bestands- und Vertrauensschutz vereinbar,
noch stärkt es die Investitionsbereitschaft bei den Unternehmen. Eine Zu-
rückhaltung bei den Investitionen wäre für die deutschen Häfen kontrapro-
duktiv, da diese in den vergangenen Jahren hohe Wachstumsraten zu ver-
zeichnen hatten. Alle derzeitigen Prognosen gehen von einer Fortsetzung
dieses Trends aus. Um den steigenden Anforderungen gerade im Container-
umschlag sowie im Fähr- und RoRo-Verkehr gerecht zu werden, sind sowohl
neue als auch laufende Investitionen in bereits vorhandene Hafenanlagen er-
forderlich.

4. Es besteht die große Gefahr, dass der Richtlinienvorschlag entgegen der aus-
drücklichen Intention der Kommission zu einer Verringerung desWettbewerbs
in den Häfen führen wird. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass über
die in dem Vorschlag vorgesehenen Auswahlverfahren Dienstleister aus au-
ßereuropäischen Märkten, die aufgrund der monopolistischen Strukturen in
ihren Heimatmärkten hohe Renditen erwirtschaften, verstärkt in die Schlüs-
selhäfen der Europäischen Union (EU) drängen und sich mit hohen finanzi-
ellen Angeboten durchsetzen. Die in der EU derzeit vorhandenen Strukturen
mit einer Vielzahl von öffentlichen und privaten Anbietern würden dadurch
signifikant gefährdet. Mittelfristig könnten dann auch in der EU monopolis-
tische Strukturen entstehen, wenn wenige Anbieter auf diese Weise einen er-
heblichen Marktanteil auf sich konzentrieren können.

5. Der Entwurf der Kommission berücksichtigt die tatsächlichen Gegebenheiten,
die im Bereich des Güterverkehrs herrschen, nicht ausreichend. Die Kom-
mission verkennt, dass nicht nur einzelne Hafendiensteanbieter, sondern
logistische Transportketten miteinander im Wettbewerb stehen. Ein Eingriff
in einen Teilbereich hätte erkennbar negative Auswirkungen auf die gesamte
Logistikkette, da Hafenunternehmen zunehmend vertikale Kooperationen
im Hinterlandverkehr eingehen müssen. Einem Logistikunternehmen, dem
durch die Auswahl eines anderen Anbieters zum Beispiel der Container-
umschlag entzogen würde, drohte die Verdrängung aus der gesamten Kette.
Die daraus resultierenden Folgen, auch für sonstige innerhalb der Transport-
kette bestehende Verpflichtungen und Verträge, würden sehr weitreichend
sein. Die Richtlinie hätte damit indirekt nachhaltige Auswirkungen auf
andere, gar nicht vom Regelungsbereich erfasste, Bereiche. Gleichzeitig
würden bestehende und derzeit gut funktionierende Netzwerke zerstört.

6. Die Einführung der Selbstabfertigung im Sinne dieser Richtlinie für alle
Hafenbenutzer ist zu weitgehend. Die Selbstabfertigung würde dem verfolg-
ten Ziel der Verstetigung von Arbeitsverhältnissen für Hafenarbeiter ent-
gegenstehen. Neben diesem sozio-ökonomischen Ansatz wird die Selbst-
abfertigung wegen möglicher negativer Einflüsse auf die Sicherheit im
Umschlag Beschäftigter, die Ladung und auf den sicheren Schiffsbetrieb ab-
gelehnt.

Drucksache 15/4837 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
sich in ihren Verhandlungen im Verkehrsministerrat die oben genannten Punkte
1 bis 6 zu Eigen zu machen und aus diesen Gründen die Richtlinie in der vor-
liegenden Form nicht zu akzeptieren.

Berlin, den 15. Februar 2005
Dirk Fischer (Hamburg)
Eduard Oswald
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)
Georg Brunnhuber
Renate Blank
Antje Blumenthal
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)
Klaus Brähmig
Hubert Deittert
Enak Ferlemann
Peter Götz
Bernd Heynemann
Klaus Hofbauer
Volker Kauder
Norbert Königshofen
Werner Kuhn (Zingst)
Eduard Lintner
Klaus Minkel
Marlene Mortler
Henry Nitzsche
Günter Nooke
Wilhelm Josef Sebastian
Gero Storjohann
Lena Strothmann
Volkmar Uwe Vogel
Gerhard Wächter
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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