BT-Drucksache 15/4761

Verbesserung der Ausbildungskonzeption der Bundeswehr

Vom 25. Januar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4761
15. Wahlperiode 25. 01. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christian Schmidt (Fürth), Ulrich Adam, Ernst-Reinhard Beck
(Reutlingen), Jürgen Herrmann, Volker Kauder, Thomas Kossendey, Dr. Karl A.
Lamers (Heidelberg), Werner Lensing, Ursula Lietz, Laurenz Meyer (Hamm),
Dr. Gerd Müller, Hans Raidel, Helmut Rauber, Anita Schäfer (Saalstadt),
Bernd Siebert und der Fraktion der CDU/CSU

Verbesserung der Ausbildungskonzeption der Bundeswehr

An verschiedenen Standorten der Bundeswehr wurden in den zurückliegenden
Wochen erhebliche Mängel bei der Ausbildung der Soldatinnen und Soldaten
festgestellt, die derzeit durch die Strafverfolgungsbehörden und die Diszipli-
narinstanzen der Bundeswehr untersucht werden. Die Mängelliste umfasst dabei
sowohl Fälle von menschenunwürdigem Verhalten gegenüber Untergebenen,
Fälle, in denen mangelndes Führungsverhalten dazu beitrug, dass die Ausbil-
dungsdurchführung außer Kontrolle geriet, sowie Fälle von Schikanen und
Misshandlungen in der Ausbildung.
Die Bundeswehr hat auf diese schwer wiegenden Vorfälle und Defizite mit einer
Fülle von Anweisungen reagiert. Im Einzelnen handelt es sich dabei um:
l Die Anweisung des Heeresführungskommandos vom 26. Februar 2004 an

den unterstellten Bereich, dass die „Ausbildung Geiselhaft/Geiselnahme“
ausschließlich am VN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg
und im Gefechtsübungszentrum (GÜZ) in Letzlingen durchgeführt werden
darf.

l Die Anweisung des Heeresamtes vom 28. April 2004 an den nachgeordneten
Bereich, dass die entsprechenden Ausbildungsmethoden und Ausbildungsin-
halte bis zur ministeriellen Klärung auszusetzen seien.

l Die Weisung des beamteten Staatssekretärs an die Chefs der Stäbe der Teil-
streitkräfte und Organisationsbereiche vom 6. August 2004, die „Vorberei-
tung der Soldaten auf die Situation Geiselhaft/Geiselnahme in der Ausbil-
dung so realitätsnah wie möglich und im rechtlich einwandfreien Rahmen
abzubilden“.

l Die Vorlage des Entwurfs einer überarbeiteten Ausbildungsweisung vom
20. September 2004 durch das Heeresamt. Der Entwurf soll sich derzeit in
der ministeriellen Prüfung befinden.

l Die Anweisung des Bundesministers der Verteidigung vom 30. November
2004 an den Generalinspekteur und die Inspekteure der Teilstreitkräfte und
Organisationsbereiche, dass die Ausbildung der Streitkräfte in jedem Fall mit
der geltenden Rechtslage im Einklang stehen müsse.

Drucksache 15/4761 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die relativ dichte Abfolge dieser Anweisungen lässt zumindest die Vermutung
zu, dass die bisherigen Regelungen unzureichend waren oder nicht entsprechend
der geltenden Rechts- und Vorschriftenlage umgesetzt wurden.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie sind die Zuständigkeiten für die Ausbildungsplanung und Ausbildungs-

durchführung in den Führungsstäben der Teilstreitkräfte und Organisations-
bereiche im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) sowie die Ver-
antwortlichkeit für die Ausbildung insgesamt geregelt?

2. Wie ist das Zusammenspiel zwischen den Ausbildungsverantwortlichen im
BMVg und dem Beauftragten für Erziehung und Ausbildung beim General-
inspekteur geregelt?
Besteht Weisungsbefugnis oder sind die Instanzen auf Zusammenarbeit an-
gewiesen?

3. Wie sind die Zuständigkeiten für die Ausbildungsplanung und Ausbildungs-
durchführung auf oberster Führungsebene außerhalb des ministeriellen Be-
reiches, insbesondere zwischen Einsatzführungskommando und den Füh-
rungskommandos der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche, geregelt?

4. Auf welcher Ebene werden die Ausbildungsinhalte zwischen den Teilstreit-
kräften und Organisationsbereichen der Bundeswehr koordiniert?
Gibt es Koordinierungen und Absprachen auch außerhalb des BMVg im
nachgeordneten Bereich?

5. An welchen Ausbildungsgrundsätzen und -zielen orientiert sich die Ausbil-
dung der Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr?
Welche Grenzen sind durch gesetzliche Bestimmungen oder spezifische,
interne Weisungen gesetzt?

6. Auf der Basis welcher Ausbildungsvorschriften erfolgt die Ausbildung in
den Teilstreitkräften und Organisationsbereichen der Bundeswehr?
Auf welcher Ebene werden diese Vorschriften harmonisiert?

7. Welche Gemeinsamkeiten bestehen in der Grundausbildung der Soldatin-
nen und Soldaten der Bundeswehr?
Wo beginnt die Teilstreitkraft spezifische Ausbildung, wie sieht sie im Ein-
zelnen aus und an welchen Ausbildungszielen ist sie ausgerichtet?

8. Gibt es unterschiedliche Ausbildungsvorschriften für die Ausbildung der
Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften in den Teilstreitkräften und
Organisationsbereichen?
Wie entstehen die Ausbildungskriterien?

9. Gibt es unterschiedliche Ausbildungsweisungen für die Ausbildung der
freiwillig länger dienenden Soldaten (FWDL) und der Grundwehrdienst
leistenden Soldaten (GWDL)?
Wenn ja, worin unterscheiden sie sich voneinander?

10. Gibt es einen Erfahrungsaustausch zwischen den Inspekteuren der Teil-
streitkräfte und Organisationsbereiche bezüglich der Ausbildungsinhalte
und Ausbildungshöhen?

11. Welche Gründe rechtfertigen es, dass trotz veränderter sicherheitspoliti-
scher Rahmenbedingungen und vermehrter Einsätze imAusland die Ausbil-
dungsphilosophien der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche noch

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4761

immer divergieren (z. B. zentrale Grundausbildung bei der Luftwaffe, de-
zentrale Grundausbildung beim Heer)?

12. Welche Ausbildungsinhalte sind bei der Ausbildung der Soldatinnen und
Soldaten der Bundeswehr ausdrücklich untersagt?

13. Nach welchen Gesichtspunkten werden die Ausbilder in den Teilstreitkräf-
ten und Organisationsbereichen ausgewählt?
Welches Anforderungsprofil müssen sie erfüllen und wird dieses Profil lau-
fend überprüft?

14. Trifft es zu, dass Ausbilder in Grundausbildungseinheiten oft selbst erst
gerade ihre Grundausbildung beendet haben und somit wenig Erfahrung
einbringen können?
Wie ist die Ausbildung der Ausbilder geregelt?

15. Trifft es zu, dass Ausbildungspersonal laufbahnrechtlich im Vergleich zu
Soldatinnen und Soldaten in Kampfverbänden oft benachteiligt wird und
daher wenig Neigung besteht, sich in der Ausbildung zu engagieren?

16. Beinhaltet die „Einsatz orientierte Ausbildung“ auch Ausbildungsinhalte,
die Soldatinnen und Soldaten an die Grenze (oder sogar darüber hinaus) der
physischen und psychischen Belastbarkeit führen?
Sind solche Ausbildungsinhalte auch für Grundwehrdienstleistende
(GWDL) vorgesehen?

17. Welche Kontrollinstanzen sind – abgesehen von der Dienstaufsicht durch
die Vorgesetzten – vorgesehen, um Auswüchse in der Ausbildung oder die
Verletzung von Ausbildungsinhalten rechtzeitig zu erkennen?

18. Welche strukturellen Frühwarninstrumente bestehen in der Bundeswehr, um
Schikanen und Misshandlungen in der Bundeswehr zeitgerecht zu erkennen
und auch zu unterbinden?

19. Wie ist das Zusammenspiel zwischen dem BMVg und demWehrbeauftrag-
ten des Deutschen Bundestages theoretisch und praktisch ausgestaltet?
Gibt es regelmäßige Kontakte über die Behandlung akuter Einzelfälle
(Erbitten von Stellungnahmen) hinaus?

20. Sieht das BMVg eine Notwendigkeit, das bewährte Konzept der Inneren
Führung den veränderten Rahmenbedingungen einer Einsatzarmee anzu-
passen?
Hat sich das Konzept mit Blick auf asymmetrische Bedrohungen womög-
lich in Teilen überholt?

21. Sieht das BMVg ein Problem darin, dass zunehmend mehr (Fach-)Unter-
offiziere in Führungspositionen gelangen, die entgegen aller laufbahnrecht-
lichen Vorschriften keinen Feldwebellehrgang durchlaufen haben?

22. Ist es vertretbar, dass Unteroffiziere in der Bundeswehr Dienst leisten, die
bei durchaus nachgewiesenen fachspezifischen Kompetenzen erhebliche
Defizite in der truppendienstlichen Kompetenz aufweisen?

23. Womit ist die Massierung der in der Vorbemerkung der Fragesteller dieser
Kleinen Anfrage erwähnten Weisungen begründet?
Lagen bereits im Februar 2004 Erkenntnisse darüber vor, dass gegen Aus-
bildungsinhalte verstoßen wurde?

24. Welche Gründe sieht das BMVg dafür, dass sich Soldaten trotz Misshand-
lung und/oder fortgesetzter Schikanen weniger artikulieren oder ihren Vor-
gesetzen anvertrauen?

Drucksache 15/4761 – 4 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode
25. Inwiefern wird in der Bundeswehr ein Klima erzeugt, dass sich Soldatinnen
und Soldaten aller Dienstgrade und Verantwortungsebenen nicht mehr
trauen, sich zu artikulieren oder ihrem Vorgesetzten zu offenbaren, um so
persönlichen oder laufbahnrechtlichen Nachteilen aus demWege zu gehen?

26. Wie wird die Dienstaufsichtsverpflichtung der Dienststellenleiter, Kom-
mandeure und Chefs überwacht?
Wie wird ggf. nachgesteuert?

Berlin, den 25. Januar 2005
Christian Schmidt (Fürth)
Ulrich Adam
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Jürgen Herrmann
Volker Kauder
Thomas Kossendey
Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)
Werner Lensing
Ursula Lietz
Laurenz Meyer (Hamm)
Dr. Gerd Müller
Hans Raidel
Helmut Rauber
Anita Schäfer (Saalstadt)
Bernd Siebert
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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