BT-Drucksache 15/4721

Forschung an Hochschulen durch Vollkostenfinanzierung verbessern

Vom 25. Januar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4721
15. Wahlperiode 25. 01. 2005

Antrag
der Abgeordneten Michael Kretschmer, Katherina Reiche, Dr. Maria Böhmer,
Thomas Rachel, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Dr. Christoph Bergner,
Helge Braun, Vera Dominke, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Helmut Heiderich,
Volker Kauder, Werner Lensing, Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn), Laurenz Meyer
(Hamm), Bernward Müller (Gera), Uwe Schummer, Marion Seib
und der Fraktion der CDU/CSU

Forschung an Hochschulen durch Vollkostenfinanzierung verbessern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Hochschulen stellen das größte Forschungspotential unseres Landes dar und
nehmen eine Schlüsselstellung ein, wenn es um den Innovationsstandort
Deutschland geht. Nur wenn unsere Hochschulen ausreichend finanziert werden
und über eine moderne Infrastruktur verfügen, können sie ihren Beitrag zur tech-
nologischen Leistungsfähigkeit und insbesondere zur Gewinnung von gut aus-
gebildeten Fachkräften leisten.
Der ergänzende Bericht zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands
2003/2004 beschreibt das deutsche Hochschulsystem „im Vergleich mit ausge-
wählten Industrienationen als nicht besonders effizient“. Der Hauptgrund für die
wenig zufrieden stellende Entwicklung der technologischen Leistungsfähigkeit
liege in unzureichenden Investitionen in Forschung und Entwicklung, Bildung
und Informationstechnik und unmittelbar damit verknüpft in einem schrumpfen-
den Humankapitalvorsprung.
Die deutschen Hochschulen sind chronisch unterfinanziert. Die Mittelkürzun-
gen der vergangenen Jahre im Hochschulbau zehren an der Substanz unserer
Universitäten und schaden der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deut-
schen Hochschulsystems. Schon heute fehlen den Hochschulen drei bis vier
Mrd. Euro, davon eine Mrd. Euro in der Infrastruktur. Die Investitionssummen,
die der Wissenschaftsrat jährlich für den Hochschulbau empfiehlt, weisen seit
Jahren eine erhebliche Diskrepanz zu den tatsächlich bereitgestellten Summen
auf: Für das Jahr 2003 hatte der Wissenschaftsrat Investitionen in Höhe von
3,2 Mrd. Euro empfohlen. Die Ist-Ausgaben im Jahr 2003 lagen hingegen bun-
desweit bei nur rund 2,36 Mrd. Euro.
Die Bundesregierung ist ihrer Verantwortung für die Hochschulen nicht gerecht
geworden. Sie zieht sich systematisch aus der Hochschulbaufinanzierung zu-
rück. Standen 2002 noch 1,1 Mrd. Euro für den Hochschulbau bereit, sind es
nach dramatischen Kürzungen heute nominal gerade noch 925 Mio. Euro. Da-
von sind 2005 63 Mio. Euro gesperrt. Diese sollen nur bei Verwirklichung der
Pläne der Bundesregierung zur Abschaffung der Eigenheimzulage fließen. Da

Drucksache 15/4721 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

dazu seitens der Länder keine Zustimmung vorliegt, bedeutet die Sperre eine
weitere Kürzung der Bundesmittel für den Hochschulbau um real 60 Mio. Euro.
Hochschulen stehen immer stärker miteinander im Wettbewerb um zusätzliche
Fördermittel. Die Drittmitteleinnahmen haben für die Hochschulen in den ver-
gangenen 20 Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Nahmen die Hoch-
schulen 1980 noch 0,6 Mrd. Euro an Drittmitteln ein, so konnten 2001 laut Be-
richt zur finanziellen Lage der Hochschulen vom Statistischen Bundesamt rund
3,3 Mrd. Euro an Drittmitteln in die FuE-Berechnung der Hochschulen einbezo-
gen werden. Im Jahr 2001 wurden mit Drittmitteln 38,4 Prozent der Ausgaben
für Forschung und Entwicklung an deutschen Hochschulen finanziert. Die Rolle
der Grundausstattung für die Finanzierung der Hochschulen nahm hingegen im
gleichen Zeitraum ab. Hatte 1980 die Grundausstattung noch einen Anteil von
72,3 Prozent an der Hochschulfinanzierung, machte sie im Jahr 2001 gerade
noch 57,9 Prozent aus.
Um die deutschen Hochschulen international wettbewerbsfähig zu erhalten,
kommt insbesondere einer nachhaltigen und effizienten Forschungsförderung
und Forschungsinfrastruktur eine herausragende Bedeutung zu. Deutschland
braucht ein effizientes System der Forschungsförderung an Hochschulen, das
viel versprechende universitäre Forschungsvorhaben möglichst umfassend und
auf einer breiten Basis fördert. Nicht nur die Forschung, auch ihre Infrastruktur
wird immer komplexer und teurer. Dies gilt gerade auch für die Drittmittelfor-
schung, die zusätzlich eine ausreichende Grundfinanzierung benötigt. Internati-
onal, etwa in den Vereinigten Staaten und künftig auch in Großbritannien, ist da-
her eine Vollkostenfinanzierung der Forschung an Hochschulen üblich. Diese er-
setzt den Universitäten die real anfallenden Kosten für ein Forschungsvorhaben.
Auch Deutschland muss dazu übergehen, nicht nur die direkten Forschungskos-
ten zu tragen, sondern mit einem „Overhead-Bonus“ auch die Kosten mitzu-
finanzieren, die im Zuge von Drittmittelprojekten als Infrastrukturkosten zum
Beispiel als Betriebskosten, für Geräteanschaffungen und -wartungen, für Ver-
waltungsaufwendungen und Personalausgaben entstehen. Diese zusätzlichen
Ausgaben, ohne die Forschungsprojekte nicht durchgeführt werden können,
werden üblicherweise mit 40 bis 60 Prozent der Bewilligungssumme der Dritt-
mittel veranschlagt.
Mit der Vollkostenfinanzierung könnte die Forschungsinfrastruktur ausgebaut
und der Nachholbedarf der Hochschulen in der Ausstattung verringert werden.
Eine Vollkostenfinanzierung ist darüber hinaus ein Schritt hin zu einer leistungs-
orientierten Hochschulfinanzierung und ein Instrument, um gerade den wissen-
schaftlichen Nachwuchs an Universitäten zu unterstützen.
Gegenwärtig belasten gerade erfolgreiche Hochschulen, die besonders viele
Drittmittel gewinnen, ihren Etat überproportional. Die indirekten Kosten für die
Infrastruktur können oft nicht aus den Drittmitteln erbracht, sondern müssen
über die zunehmend geringer werdende Grundfinanzierung abgedeckt werden.
Die drittmittelstärksten Hochschulen „siegen“ sich somit buchstäblich zu-
grunde, weil sie die erforderliche Grundfinanzierung für die Forschungsprojekte
oft nicht mehr aufbringen können und an ihre finanzielle Leistungsgrenze sto-
ßen. Dieses System ist wettbewerbsfeindlich und bestraft die besten Hochschu-
len, statt sie zu unterstützen. Hinzu kommt, dass erfolgreiche Antragsteller mitt-
lerweile vermehrt Probleme haben, die Zustimmung ihrer Fakultätskollegen zu
größeren Forschungsprojekten wie zum Beispiel Sonderforschungsbereichen zu
erhalten, weil diese die geforderte Grundausstattung im Zweifelsfall aus ihren
eigenen Berufungsmitteln bezuschussen müssen.
Die Zuweisung eines „Oberhead-Bonus“, der sich an der Summe der gewonne-
nen Drittmittel orientiert, würde dieses Dilemma lösen. Mit der Vollkostenfinan-
zierung würde ein wissenschaftsgeleiteterWettbewerb um Investitionsmittel be-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4721

ginnen, der die erfolgreichsten Antragsteller und ihre Institutionen auch am
stärksten fördert.
Zugleich könnte die Vollkostenfinanzierung einen Standortnachteil der Hoch-
schulen im Vergleich mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen ausglei-
chen. Bereits heute berechnen sowohl die Institute der Fraunhofer-Gesellschaft
als auch die Institute der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszent-
ren bei öffentlichen wie bei privaten Forschungsprojekten die Vollkosten der
Forschung. An Hochschulen hingegen werden sie bislang nur bei Forschungs-
aufträgen aus der Wirtschaft berücksichtigt, nicht aber zum Beispiel bei einer
Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Die Hochschulen wer-
den so gegenüber der außeruniversitären Forschung benachteiligt.

II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf,
– die projektbezogene Forschungsförderung an deutschen Hochschulen auf

eine Vollkostenfinanzierung umzustellen. Der Bund soll dazu eine Infra-
strukturzulage als „Overhead-Bonus“ einführen, die sich an der Summe der
bewilligten Drittmittel orientiert. Dieser „Overhead-Bonus“ sollte zunächst
20 Prozent der Drittmittel-Bewilligungssumme umfassen und zusätzlich zur
Sachmittelbeihilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft gewährt werden;

– die Zuweisung des „Overhead-Bonus“ sollte über die Deutsche Forschungs-
gemeinschaft erfolgen. Sie fördert überwiegend die Forschung an den deut-
schen Universitäten und vergibt ihre Fördermittel nach wissenschaftlichen
Kriterien im Wettbewerb. Dies sichert die Chancengleichheit der Antragstel-
ler und die Qualität bei der Förderentscheidung.

Berlin, den 25. Januar 2005
Michael Kretschmer
Katherina Reiche
Dr. Maria Böhmer
Thomas Rachel
Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)
Dr. Christoph Bergner
Helge Braun
Vera Dominke
Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)
Helmut Heiderich
Volker Kauder
Werner Lensing
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)
Laurenz Meyer (Hamm)
Bernward Müller (Gera)
Uwe Schummer
Marion Seib
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.