BT-Drucksache 15/4715

Exportinitiative Erneuerbare Energien vorantreiben

Vom 25. Januar 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 15/4715
15. Wahlperiode 25. 01. 2005

Antrag
der Abgeordneten Dr. Joachim Pfeiffer, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann,
Dr. Peter Paziorek, Veronika Bellmann, Dr. Rolf Bietmann, Wolfgang Börnsen
(Bönstrup), Cajus Julius Caesar, Alexander Dobrindt, Marie-Luise Dött,
Dr. Maria Flachsbarth, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Erich G. Fritz, Dr. Michael
Fuchs, Hans-Joachim Fuchtel, Georg Girisch, Dr. Reinhard Göhner, Josef Göppel,
Holger Haibach, Kurt-Dieter Grill, Ernst Hinsken, Robert Hochbaum, Volker
Kauder, Dr. Martina Krogmann, Dr. Hermann Kues, Helmut Lamp, Werner Lensing,
Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Wolfgang Meckelburg, Doris Meyer (Tapfheim),
Laurenz Meyer (Hamm), Franz Obermeier, Ulrich Petzold, Ronald Pofalla,
Hans-Peter Repnik, Dr. Heinz Riesenhuber, Franz Romer, Kurt J. Rossmanith,
Hartmut Schauerte, Johannes Singhammer, Matthäus Strebl und der Fraktion
der CDU/CSU

Exportinitiative Erneuerbare Energien vorantreiben

Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Weltweit hat der Markt für erneuerbare Energien in den vergangenen Jahren eine
dynamische Entwicklung erfahren. Durch die Schaffung geeigneter politischer,
gesetzlicher und finanzieller Rahmenbedingungen sind besonders die Wasser-
kraft, Windkrafttechnik, Solarstromerzeugung und solare Wärmetechnik, aber
zunehmend auch die kommerziell energetische Nutzung von Biomasse, zu einem
relevanten Bestandteil der Energieversorgung vieler Länder geworden.
Mit Blick auf Technologieentwicklung, Ressourcenschonung und vorsorgenden
Klimaschutz werden die erneuerbaren Energien weltweit einen zunehmend
wichtigen Beitrag im Energiemix leisten. Die einzelnen Technologien sind im
Moment jedoch noch unterschiedlich weit von der Wettbewerbsfähigkeit entfernt
und sind deshalb auf staatliche Förderung angewiesen. Mittelfristig werden des-
halb fossile Energieträger weiterhin das Rückgrat der Energieversorgung bleiben.
Derzeit werden rund 14 Prozent des weltweiten Primärenergieverbrauchs durch
erneuerbare Energien gedeckt. Bis 2040 wird eine Verdopplung des Anteils vor-
hergesagt. Die Europäische Union (EU) hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der
erneuerbaren Energien am gesamten EU-Energieverbrauch bis 2010 auf 12 Pro-
zent (1997 6 Prozent) und am EU-Stromverbrauch bis 2010 auf 22 Prozent
(1997 14 Prozent) zu erhöhen. Für Deutschland bedeutet dies eine Erhöhung des
Anteils der erneuerbaren Energien bis 2010 auf 4,2 Prozent beim Primärenergie-
verbrauch und 12,5 Prozent beim Stromverbrauch. Die EU bekennt sich damit
ebenso wie Deutschland zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.

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Technologisch nimmt Deutschland inzwischen eine Spitzenstellung unter den
führenden Anbieterländern in fast allen Marktsegmenten ein, die jedoch nicht im-
mer durch eine starke Präsenz auf den internationalen Märkten widergespiegelt
wird. Der Exportanteil deutscher Firmen im Bereich der erneuerbaren Energien
ist bei einem gesamten Umsatzvolumen der Branche von schätzungsweise 10 Mrd.
Euro in 2003 noch recht gering und wird hauptsächlich im Marktsegment Wind-
energie erbracht.
Aufgrund seiner klimatischen Bedingungen wird Deutschland aus heutiger Sicht
nur ein begrenztes Potenzial für den Einsatz erneuerbarer Energien ausschöpfen
können. Es kann aber aufgrund seiner nach wie vor hohen technologischen Kom-
petenz ein Hochtechnologiestandort für erneuerbare Energien werden. Eine deut-
liche Erhöhung der Exportquote und eine verbesserte Präsenz auf Auslandsmärk-
ten ist gleichzeitig die Voraussetzung für den Erhalt und den weiteren Ausbau der
Erneuerbare-Energien-Branche in Deutschland. Für den Bestand der deutschen
Erneuerbare-Energien-Branche ist mittelfristig eine Exportquote von 70 Prozent
erforderlich.
Deutschland ist bei der Erschließung der Märkte für erneuerbare Energien gegen-
über seinen Hauptkonkurrenten aus Dänemark, Spanien, Österreich, den USA
und Japan relativ schlecht positioniert. Dies macht auch der „Bericht über die Be-
standsaufnahme durch die Deutsche Energie-Agentur (dena) über den Hand-
lungsbedarf bei der Förderung des Exports erneuerbarer Energie-Technologien“
(EE-Technologie) (Bundestagsdrucksache 15/1862) deutlich. So heißt es im Ka-
pitel „Zusammenfassung und weiterer Handlungsbedarf“: „Die Erfahrungen der
Deutschen Energie-Agentur GmbH im Rahmen der Exportinitiative verdeut-
lichen, dass bezüglich des Exports deutscher EE-Technologie erheblicher Hand-
lungsbedarf besteht“. Der überwiegend mittelständischen und teilweise jungen
Industrie mangelt es insbesondere an Auslandserfahrung, an spezifischen Kennt-
nissen der jeweiligen Marktbedingungen und an geeigneten Möglichkeiten, sich
mit ihren Produkten vor Ort zu präsentieren. Weiterhin sind in Deutschland der
Austausch und die Vernetzung unter den mittelständischen Unternehmen sehr
unbefriedigend ausgeprägt.
So wird der weltweite Markt für Windkraftanlagen, neben deutschen Unterneh-
men, stark von dänischen, spanischen und einem amerikanischen Unternehmen
beherrscht. Auf dem Photovoltaikmarkt dominieren Japan und die USA. Japa-
nische Firmen stellen gut 50 Prozent aller Solarzellen her. Die jeweiligen nationa-
len Märkte für Solarthermie werden in der Regel von lokalen Anbietern bedient
und eignen sich nur bedingt als Absatzgebiete für international agierende Unter-
nehmen. Bei der energetischen Nutzung von Biomasse sind besonders die Ent-
wicklungs- und Schwellenländer als die zukünftigen Märkte zu sehen. Speziell
skandinavische und österreichische Unternehmen sind in diesem Sektor (Ernte-/
Aufbereitungsmaschinen, Kessel-/Anlagenbau) weltweit führend. Die Märkte für
Kleinwasserkraftwerke, vor allem in Asien und Lateinamerika, sind fest in der
Hand amerikanischer, kanadischer, japanischer, indischer und chinesischer Her-
steller und müssen für deutsche Technologien erst noch erschlossen werden.
Darüber hinaus lassen sich trotz der Unterschiede innerhalb der Branche prinzi-
piell die gleichen Probleme feststellen: Informationsdefizit, Schwierigkeiten bei
der Finanzierung und dem konkreten Markteintritt.
Aus diesem Grund beschloss der Deutsche Bundestag im Juni 2002 die Einrich-
tung der Exportinitiative Erneuerbare Energien, die von der dena in Abstimmung
mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) entwickelt und
umgesetzt werden soll. Ziel war es, einen zentralen Ansprechpartner und eine
Koordinierungsstelle zu schaffen, um über Netzwerkbildung, Information und
Beratung auch verstärkt deutschen Unternehmen Chancen zu eröffnen, an den
sich entwickelnden internationalen Märkten teilzunehmen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/4715

Die Erfahrungen mit der Umsetzung der Zielsetzungen der Exportinitiative sind
allerdings unterschiedlich. Grundsätzlich positiv zu vermerken ist, dass nun ein
nationaler Ansprechpartner für Fragen des Exports zur Verfügung steht, der im
engen Kontakt mit den Branchenvertretern an der Entwicklung eines geeigneten
Exportförderinstrumentariums arbeitet. Auch war die dena bei der Beseitigung
des hohen Informationsdefizits innerhalb der Branche und über die Branche im
ersten Ansatz erfolgreich tätig. Durch das Länderportal im Internet, die Ver-
öffentlichung diverser Länderstudien, die Erstellung des Marketingpakets sowie
durch das umfangreiche Messeprogramm über die Rahmenbedingungen für
erneuerbare Energien in Exportländern wurde erfolgreich informiert.
Trotz allem sind Defizite zu verzeichnen, die wie folgt zusammengefasst werden
können:
– Es herrscht immer noch eine unbefriedigende Koordination der staatlichen

Stellen. So existieren mittlerweile vier Internetportale zum Thema erneuerbare
Energien und Export. Daneben sind die Kompetenzen zum Thema erneuerbare
Energien allgemein und mit Blick auf den Export auf vier Ressorts verteilt.
Hier sollten Ressourcen zusammengefasst und die Abstimmung verbessert
werden, um strukturelle Konkurrenzen zu vermeiden.

– Insgesamt werden die Belange der herstellenden Industrie nur ungenügend be-
rücksichtigt. So fand das bisherige Messekonzept oft ohne ausreichende Fach-
austellerbeteiligung statt. Dem Aufwand für Messebeteiligungen im Ausland,
dem auch ein großer Teil der finanziellen Mittel zufließt, steht kaum ein mess-
barer Erfolg gegenüber.

Folgende Grundvoraussetzungen müssen zukünftig noch stärker berücksichtigt
werden, um die Exportinitiative zielführend weiterzuentwickeln:
– eine stärkere Ausrichtung an den Bedürfnissen der Wirtschaft,
– die Berücksichtigung der Situation der jeweiligen Branchen,
– die Erarbeitung eines länderspezifischen Instrumentenmixes, der eine sinnvolle

Kombination aus Informationsbereitstellung, Messebeteiligung und Finanzie-
rung beinhaltet,

– eine erfolgsorientierte Stützung für die Teilnahme an Ausschreibungen und
Planungen (Beispiel Dänemark).

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
1. die Exportinitiative in ein effektives Förderinstrument weiterzuentwickeln;
2. den Einsatz des bestehenden Instrumentenmixes aus der Bereitstellung von

Informationen, Messebeteiligungen und Finanzierungsinstrumenten verstärkt
aufeinander abzustimmen. Die Überbetonung einzelner Instrumente, z. B. die
Messeförderung, ist zu vermeiden. Bei der Auswahl sind die Belange der
einzelnen Branchen sowie der einzelnen Märkte der erneuerbaren Energie-
Technologien zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere bei Teilnahme an
Ausschreibungs- und Planungsverfahren;

3. die Arbeit des Koordinierungskreises der Exportinitiative, dem unter anderem
die führenden Verbände der Erneuerbaren-Energien-Branche angehören, zu
intensivieren und das Fachwissen der Mitglieder dieses Kreises durch kon-
krete Aufgabenzuweisungen zu nutzen;

4. das Defizit im Bereich der Projektfinanzierung aufzuheben. Das Thema Fi-
nanzierung sollte im Koordinierungskreis unter Beteiligung aller relevanten
Akteure analysiert und weiterentwickelt werden. Ihm kommt beim Export
eine Schlüsselrolle zu und es sollte zu einem projektorientierten Baustein des
Instrumentenmixes ausgebaut werden. Da das Investitionsvolumen im Bereich
der EE-Technologien eher klein ist und zum Teil auch risikoreicher, fehlt es an

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privatem Kapital zur (Erst-)Finanzierung von Projekten. Daher sollten beste-
hende nationale Programme (wie etwa der Projektstudienfonds Außenwirt-
schaft) bei Einsparung an anderer Stelle im Einzelplan finanziell aufgestockt
und die Verfahren zur Antragstellung erleichtert werden;

5. die Exportförderung der erneuerbaren Energien in die internationalen Klima-
schutzaktivitäten der Bundesregierung verstärkt mit einzubeziehen und etwa
Mittel aus dem KfW-Klimaschutzfonds an eine Exportquote zu binden. Die
Mittel der europäischen Entwicklungspolitik verstärkt für diesen Bereich ein-
zusetzen;

6. den Instrumentenmix so flexibel anzulegen, dass verstärkt direkte Initiativen
der Branche aufgegriffen werden können, damit am Bedarf der Branchen bzw.
Zielländer ausgerichtete Konzepte sinnvoll in die Exportinitiative integriert
werden;

7. die Exportinitiative auf Energieeffizienztechnologien auszuweiten. Gerade in
vielen Schwellenländern mit rasch wachsendem Energiebedarf ist die Steige-
rung der Energieeffizienz eine entscheidende Voraussetzung, um in globaler
Sicht vorsorgende Klimapolitik zu betreiben und Ressourcenengpässe zu ver-
meiden. Die Beschränkung auf erneuerbare Energien verkennt, dass in diesen
Schwellenländern, aber auch in den neuen EU-Mitgliedstaaten und Industrie-
ländernwie denUSA, eine breiteAuswahl vonTechnologien aufAngebots- und
Nachfrageseite erforderlich ist, um eine umweltfreundlichere Energieversor-
gung zu volkswirtschaftlich vertretbarenKosten zu erreichen. Nur so kann auch
diewirtschaftlicheSäule derNachhaltigkeit ausreichendberücksichtigtwerden;

8. im Rahmen der Exportinitiative auch ein Kapitel Energieforschung insbeson-
dere für die Entwicklung solarer Kraftwerke im Bereich der Mittelmeerregion
mit einzubeziehen;

9. die dena zu beauftragen,
– erfolgsorientierte, länderspezifische Exportstrategien für die verschiedenen

Erneuerbaren-Energien-Branchen zu entwickeln,
– sorgfältig zu planende Messebeteiligungen von kleinen und mittelständi-

schen Unternehmen im Ausland, unter Einbeziehung von Industrie- und
Handelskammern und von Erneuerbaren-Energien-Verbänden vorzuberei-
ten, zu unterstützen und vorab interessante Ansprechpartner aus Wirt-
schaftskreisen der messeausrichtenden Länder zu gewinnen. Dabei sollen
die Messeauftritte sich auf die 10 wichtigsten Exportmärkte der einzelnen
Branchen konzentrieren, die vorab durch Beteiligung der Unternehmen
identifiziert wurden,

– die Exportförderung der erneuerbaren Energien in eine Gesamtstrategie
einzubinden, die die mittel- und osteuropäischen Länder sowie die Schwel-
len- und die Entwicklungsländer unterstützt, ihren Gesamtenergiesektor
nachhaltiger zu gestalten. Dies muss auch Effizienzmaßnahmen und Moder-
nisierung des bestehenden Kraftwerkparks beinhalten bei gleichzeitigem
Transfer des deutschen Know-hows und deutscher Technologien. Im Sinne
des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung erscheint eine solche
ganzheitliche Politikberatung zielführender, als es nur auf die erneuerbaren
Energien zu beschränken.

Berlin, den 25. Januar 2005
Dr. Angela Merkel, Michael Glos und Fraktion

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